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Spartacist (deutsche Ausgabe) Nummer 26

Frühjahr 2008

V. Internationale Konferenz der IKL

Die Aufrechterhaltung eines revolutionären Programms in der nachsowjetischen Periode

ÜBERSETZT AUS SPARTACIST, ENGLISCHE AUSGABE NR. 60, HERBST 2007

Die Internationale Kommunistische Liga (IV. Internationalisten) hielt Anfang letzten Jahres in Europa ihre V. Internationale Konferenz ab. Als höchstes Gremium unserer demokratisch-zentralistischen internationalen Tendenz stand die Konferenz vor mehrfachen miteinander verknüpften Aufgaben: eine Bewertung unserer Arbeit seit der letzten Konferenz Ende 2003; das Festlegen unseres Kurses für die kommende Periode; eine Klärung offener politischer Differenzen; und die Wahl eines neuen Internationalen Exekutivkomitees (IEK), das die Organisation bis zur nächsten Konferenz führen soll. Der Konferenz gingen drei Monate sehr lebhafter Vorkonferenzdiskussionen voraus; in dieser Zeit brachten wir zehn interne Bulletins mit Beiträgen von Genossen aus der gesamten Organisation heraus. In allen nationalen Sektionen der IKL wurden Konferenzdelegierte auf der Grundlage politischer Positionen gewählt. Die Delegierten diskutierten das Hauptkonferenzdokument „Die Aufrechterhaltung eines revolutionären Programms in der nachsowjetischen Periode“, das sie dann mit Änderungen und Ergänzungen annahmen.

Die Konferenz vermerkte nüchtern den allseitigen Druck, dem unsere kleine marxistische Avantgarde in dieser allgemein reaktionären Periode ausgesetzt ist, stellte aber auch fest, dass wir in verschiedenen Bereichen bedeutende Fortschritte gemacht haben. Dies gilt besonders für die Entscheidung, die Spartakusowska Grupa Polski (Spartakist-Gruppe Polens) als sympathisierende Sektion der IKL wiederzugründen, die 2001 aufgelöst worden war. Die Konferenz bemerkte, dass sich sowohl Quantität als auch Qualität unserer Propaganda zum deformierten Arbeiterstaat China deutlich verbessert haben; das gilt ebenfalls für unsere verstärkten internationalen Bemühungen, die Freiheit des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal zu erringen, der in den USA in der Todeszelle sitzt. Unsere vorige Konferenz hatte eine nochmalige, umfassendere Einschätzung unserer Intervention in die beginnende politische Revolution in der DDR 1989/90 in Auftrag gegeben, die weiterhin fortgesetzt wird. Dementsprechend war ein ganzer Tagesordnungspunkt diesem Thema gewidmet.

Wohl am wichtigsten war unsere Überprüfung der bisherigen Praxis in der marxistischen Bewegung, bei Wahlen Kandidaten für Posten in der Exekutive wie Bürgermeister oder Präsident aufzustellen, was sich grundlegend unterscheidet von einer Kandidatur für ein legislatives oder parlamentarisches Amt. Die Konferenz entschied, dass wir es kategorisch ablehnen, für Posten in der Exekutive des kapitalistischen Staats zu kandidieren. Die ausführliche Diskussion über diese Frage vor und während der Konferenz machte deutlich, dass es hierbei nicht einfach um Wahltaktik geht, sondern um den Kern der marxistischen Auffassung vom bürgerlichen Staat als Instrument der Klassenunterdrückung. Der in dieser Ausgabe des Spartacist abgedruckte Abschnitt des Konferenzdokuments stellt dementsprechend fest: „Die von uns nun angenommene Position gegen das Aufstellen von Kandidaten für die Exekutive des bürgerlichen Staates zieht explizit die logische Konsequenz aus Lenins Staat und Revolution und Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky — Schriften, die wirklich als die Gründungsdokumente der III. Internationale gelten sollten... In diesem Sinne vervollständigen wir weiterhin die theoretische und programmatische Arbeit der ersten vier Weltkongresse der KI [Kommunistische Internationale]“ (siehe „Nieder mit Exekutivämtern!“, Seite 22).

Die Erkenntnis, dass das Proletariat nicht einfach den kapitalistischen Staat in Besitz nehmen und für seine eigenen Klasseninteressen gebrauchen kann, stellt die Scheidelinie zwischen Reformismus und Marxismus dar; das gilt umso mehr heutzutage, wo der Großteil der reformistischen Linken meist nicht einmal mehr Lippenbekenntnisse zum Ziel des Sozialismus oder Kommunismus abgibt und der Druck, sich bürgerlich-liberaler Ideologie anzupassen, allgegenwärtig und intensiv ist. Tatsächlich durchzog die Frage des Klassencharakters des Staates als übergreifendes Thema viele Diskussionen auf der Konferenz. Das gilt auch für unsere Perspektive von zentral auf der Arbeiterklasse basierenden Massenmobilisierungen für die Freiheit Mumia Abu-Jamals, wohingegen die Liberalen und Linken Vertrauen in die angebliche Gerechtigkeit der kapitalistischen Gerichte predigen. Diese Frage spielte auch eine zentrale Rolle beim Einschätzen unseres Kampfes zur Verteidigung der Arbeiterstaaten DDR und Sowjetunion gegen kapitalistische Konterrevolution sowie bei der Herausarbeitung und Klärung von Differenzen über unser Programm für die bedingungslose militärische Verteidigung Chinas und die proletarisch-politische Revolution in China. Die Bekräftigung der marxistischen Auffassung vom Staat ist wesentlich für die Aufrechterhaltung unserer programmatischen Orientierung in dieser Periode nachsowjetischer Reaktion.

Imperialistische Verwüstungen, Verteidigungskämpfe

Das Konferenzdokument legte den internationalen politischen Kontext dar, in dem wir als revolutionäre Propagandagruppe kämpfen und intervenieren. Dieser wird weiterhin bestimmt durch die Auswirkungen der kapitalistischen Konterrevolution von 1991/92, die die Sowjetunion zerstörte, das Land der Oktoberrevolution von 1917. Die Zerstörung der UdSSR nach jahrzehntelanger Missherrschaft der stalinistischen Bürokratie war eine beispiellose Niederlage für die arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt, die die politische Landschaft unseres Planeten von Grund auf veränderte. Das konnte nur der stärksten und gefährlichsten imperialistischen Macht, den USA, zugute kommen, der es gelang, ihren beherrschenden Einfluss über die ganze Welt auszudehnen. In Zusammenarbeit mit Japan haben die amerikanischen Imperialisten in der Pazifikregion eine starke Militärpräsenz aufgebaut, in erster Linie als Bedrohung der bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten China und Nordkorea. Dies verleiht unserem Aufruf zur bedingungslosen militärischen Verteidigung jener Staaten — sowie der deformierten Arbeiterstaaten Vietnam und Kuba — eine wachsende Dringlichkeit, ebenso auch der Notwendigkeit, das Proletariat international gegen die US-geführte Besetzung des Irak und Afghanistans sowie andere imperialistische Verwüstungen zu mobilisieren.

Doch im Unterschied zu 2003, als die Bush-Regierung sich mit ihrem leichten Sieg gegen das Saddam-Hussein-Regime brüsten konnte, steckt der US-Imperialismus heute im Schlamassel einer äußerst unpopulären und blutigen Besetzung des Irak. Außerdem gilt, wie wir schon bemerkten: „Die unangefochtene globale militärische Hegemonie der USA steht in starkem Gegensatz zu ihrer schwindenden wirtschaftlichen Basis. Die Neigung der Bush-Regierung sowie weiter Teile der amerikanischen herrschenden Klasse, die Welt durch die apokalyptische theologische Brille von Armageddon zu sehen, entstammt diesem objektiven Widerspruch“ („Defend China, North Korea! U.S. Hands Off the World!“ [Verteidigt China, Nordkorea! USA — Hände weg von der Welt!], Workers Vanguard Nr. 843, 4. März 2005). Allgemeiner betrachtet, so das Dokument, bleibt der Kurs der Weltwirtschaft unvorhersehbar und düster, und es gibt zahlreiche Anzeichen, dass wir am Rande einer Wirtschaftskrise oder größeren Rezession stehen.

Der Irak-Krieg brachte Risse zwischen den USA und ihren militärisch weit schwächeren europäischen Rivalen, besonders Frankreich und Deutschland, zum Vorschein. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, haben die europäischen Imperialisten den „Sozialstaat“ ins Visier genommen, den sie nun für allzu teuer und politisch überflüssig in der nachsowjetischen Welt halten. Gegen diese Angriffe haben Arbeiter in Westeuropa in bedeutenden Verteidigungskämpfen Widerstand geleistet; in Frankreich gab es auch kämpferische Mobilisierungen von Studenten und von Jugendlichen aus der unterdrückten Minderheit nordafrikanischer Abstammung. Das Konferenzdokument unterstrich die Notwendigkeit, wirtschaftlichen Protektionismus und immigrantenfeindlichen Chauvinismus in den imperialistischen Ländern zu bekämpfen.

In Lateinamerika hat der Groll über rasch zunehmende Verarmung, Privatisierung, Schuldknechtschaft sowie andere Verwüstungen des Imperialismus in Kombination mit Washingtons Schwierigkeiten im Irak einem populistischen Nationalismus enorm Auftrieb gegeben. Beispiele dafür sind das Chávez-Regime in Venezuela und López Obradors bürgerlich-nationalistische Partei der Demokratischen Revolution (PRD) in Mexiko. Mexiko erlebt eine Reihe lang andauernder und erbittert geführter Streikkämpfe und Massenproteste, so auch plebejische Proteste gegen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Dieser Aufruhr spitzte sich während unserer Konferenz gerade zu. Die Delegierten bekräftigten, dass sie unsere Genossen in Mexiko bei der Intervention in diese brisanten sozialen Kämpfe unterstützen werden, um Arbeiter und radikale Jugendliche von Illusionen in die PRD und in andere populistische Nationalisten zu brechen.

Gegen den Strom nachsowjetischer Reaktion schwimmen

Um es mit Karl Marx zu sagen: Es kommt nicht nur darauf an, die Welt zu interpretieren, sondern sie zu verändern; und um revolutionäre Veränderung zu bewirken, bedarf es der Schmiedung einer revolutionären Führung. Deshalb richteten die Konferenzdelegierten notwendigerweise ihr Hauptaugenmerk auf den Zustand unserer eigenen Organisation, die Keimzelle der leninistischen Avantgardepartei, die man braucht, um das Proletariat im Kampf um die Staatsmacht und eine globale egalitäre, kommunistische Gesellschaft zu führen. Unsere letzte internationale Konferenz fand während einer Krise in der IKL statt (siehe „Der Kampf für revolutionäre Kontinuität in der nachsowjetischen Welt“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 24, Sommer 2004). Grund dieser Krise war unser Unvermögen, das ganze Ausmaß der materiellen und ideologischen Auswirkungen der kapitalistischen Konterrevolution zu erfassen. Unser Artikel über die IV. Internationale Konferenz erklärte:

„In der entscheidenden Stunde stand die IKL, in scharfem Gegensatz zum Großteil der Linken, auf ihrem Posten bei der Verteidigung der Errungenschaften der Oktoberrevolution von 1917. Dennoch sind auch wir von dieser schweren welthistorischen Niederlage betroffen, die dazu geführt hat, dass das Verständnis unserer revolutionären Aufgabe im Kampf für neue Oktoberrevolutionen beeinträchtigt wurde.“

Die Ideologen der Bourgeoisie stürzten sich auf den Zusammenbruch der Sowjetunion, um den „Tod des Kommunismus“ zu verkünden und den Marxismus zum „gescheiterten Experiment“ zu erklären. Diese Unwahrheiten wurden von den ehemaligen stalinistischen Bürokraten nachgeplappert, die durch Verrat und Missherrschaft der kapitalistischen Restauration den Weg geebnet hatten, sowie von den vielen reformistischen Linken im Westen, die dem konterrevolutionären Feldzug der Imperialisten Beihilfe leisteten. Diese welthistorische Niederlage führte zu einem tief greifenden Rückschritt im proletarischen Bewusstsein, wenn auch die Auswirkungen in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich waren: In den kapitalistischen Ländern identifizieren heutzutage selbst Arbeiter mit höherem politischen Bewusstsein ihre Kämpfe allgemein nicht mehr mit dem Endziel der Verwirklichung einer sozialistischen Gesellschaft. Sogar ein führender Sprecher der britischen Socialist Workers Party (SWP), die über den „Zusammenbruch des Kommunismus“ 1991 am lautesten gejubelt hatte, musste kürzlich in einem internen SWP-Bulletin zugeben, dass die SWP die „Auswirkungen des Zusammenbruchs des Stalinismus“ falsch eingeschätzt habe und dass dieser in Wirklichkeit „von Millionen, ja Hunderten Millionen als Niederlage des Sozialismus gesehen wurde“ (John Molyneux, „Why I Intend to Stand“ [Warum ich kandidiere], Weekly Worker, 5. Januar 2006).

Da die meisten sogenannten „Linken“ dem von der Bourgeoisie verkündeten „Tod des Kommunismus“ beipflichten, halten sie den Sozialismus nicht länger für möglich und propagieren stattdessen liberale Demokratie und den „Sozialstaat“ als das Ziel sozialer Kämpfe. Es gibt eine riesige Kluft zwischen solchen Gegnern des revolutionären Marxismus — und den radikal-liberalen Jugendlichen, auf die sie vielleicht attraktiv wirken — und unserem Programm der proletarischen Revolution. Das Hauptdokument der IV. IKL-Konferenz hatte festgestellt: „Dass wir nicht erkannt haben, in welcher Periode wir leben und in welchem Verhältnis notwendigerweise unsere kleine revolutionäre Avantgarde zum Proletariat steht, und dass die Sowjetunion als aktiver und bestimmender Faktor in der Politik nicht mehr existiert, hat zu Desorientierung geführt. Das Missverhältnis zwischen unserer geringen Größe und unseren spärlichen Wurzeln in der Arbeiterklasse einerseits und unseres proletarisch-internationalistischen Ziels andererseits hat zu Enttäuschung und Ungeduld geführt, die sich in opportunistischen Ausbrüchen und sektiererischem Moralismus zeigten.“

Die Krise von 2003 erforderte einen scharfen Kampf zur Bewahrung und Verteidigung unserer programmatischen Integrität, d. h. unserer revolutionären Kontinuität mit dem Bolschewismus von Lenin und Trotzki. Sich in dieser reaktionären Periode einen marxistischen Kompass erneut anzueignen und ihn zu behalten war kein automatischer, einheitlicher Prozess. Die Konferenz von 2003 erteilte den Auftrag, ungelöste Fragen und unsere Parteiarbeit sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart ständig einer kritischen Überprüfung zu unterwerfen, damit wir die Grundursachen unserer politischen Desorientierung besser verstehen können. Durch diese Überprüfungen sowie durch interne Debatten über jeweils aufkommende strittige Fragen haben wir die internen Korrekturmechanismen, die das Wesen unserer demokratisch-zentralistischen Praxis ausmachen, wiederhergestellt und gestärkt. Genossen gelangten, wie das Dokument der V. Konferenz erklärt, zu der Einsicht: „Der Druck, der besonders in dieser Periode nachsowjetischer Reaktion auf unsere Partei einwirkt, ist hauptsächlich menschewistischer Natur, d. h. sozialdemokratischer Opportunismus und nicht ultralinkes Sektierertum. Und das Wesen des Menschewismus in dieser Periode ist Kapitulation vor bürgerlichem Liberalismus.“

In einem Artikel von 1937 betonte Trotzki in Bezug auf eine reaktionäre Periode: „Die Aufgabe der Avantgarde besteht unter diesen Umständen vor allem darin, sich nicht von dem allgemeinen rückwärts flutenden Strom davontragen zu lassen — es heißt gegen den Strom schwimmen. Wenn ein ungünstiges Kräfteverhältnis es nicht erlaubt, die früher eroberten politischen Positionen zu wahren, gilt es, sich wenigstens auf den ideologischen Positionen zu halten, denn sie sind der Ausdruck einer teuer bezahlten vergangenen Erfahrung“ („Bolschewismus und Stalinismus“, August 1937). Von zentraler Bedeutung in dieser Periode ist der Kampf um die Aufrechterhaltung unserer revolutionären Kontinuität, wofür „programmatisches Standhalten“ unerlässlich ist. Wie das Hauptdokument unserer V. Konferenz erklärt: „Programm ist entscheidend. Ohne unsere programmatische Integrität kann unsere Intervention in die Welt nur revisionistisch sein.“

Doch die Verteidigung unseres Programms bedarf auch einer Ergründung seiner Anwendbarkeit auf neue Situationen, indem wir es aktiv in polemischen Auseinandersetzungen und exemplarischen Interventionen testen. Für eine lebende, kämpfende Partei kann es kein „endgültig fertiges Programm“ geben. Dafür ist unser Überdenken unserer früheren Haltung zur Kandidatur für Exekutivämter beispielhaft. Unser Hauptziel bei solchen Diskussionen ist es, unsere Partei so zu bewaffnen, dass sie effektiver in aktuelle Klassen- und soziale Kämpfe intervenieren kann. So heißt es in einer Resolution, die von unserer mexikanischen Sektion kurz vor der Konferenz angenommen und von dieser bestätigt wurde:

„Kämpfen ist die Grundhaltung von Kommunisten, jetzt und heute, in der Vergangenheit wie in der Zukunft. Obwohl wir seit dem Fall der Sowjetunion in einer reaktionären Periode leben, einer Periode, die durch einen allgemeinen Rückgang des Bewusstseins gekennzeichnet ist, sind wir eine kämpfende Propagandagruppe. Wesentlich für die Beibehaltung unseres programmatischen Kompasses ist, dass wir in existierende Kämpfe mit unserem Programm intervenieren.“

Kämpfe zur Reorientierung der Partei gehen weiter

Zwei Mitglieder des bisherigen Internationalen Sekretariats (IS), des Ausschusses des IEK in unserer internationalen Zentrale, eröffneten mit ihren Referaten die Diskussion über das Hauptdokument der Konferenz. Genosse J. Blumenfeld zog eine Bilanz unseres Kampfes zur Reorientierung der IKL in den Jahren seit unserer letzten Konferenz: Er sprach Fragen an, bei denen wir wesentliche Korrekturen vorgenommen haben, und hob Bereiche hervor, wo eine Überprüfung vergangener Arbeit im Gange bzw. noch notwendig ist. Der Kampf gegen den Druck bürgerlicher Ideologie, wann immer er sich zeigt, ist für eine leninistische Avantgarde fortwährend notwendig; wenn vergangene Unklarheiten nicht überprüft und geklärt werden, sind unsere Sektionen solchem Druck gegenüber umso anfälliger. Der zweite Referent, J. Bride, sprach zu einer wichtigen Debatte über unsere Haltung gegenüber dem deformierten Arbeiterstaat China heute, im Lichte der Lehren unseres Kampfes für proletarisch-politische Revolution und gegen kapitalistische Konterrevolution in der DDR 1989/90. Er sprach auch unsere Aufgaben bei der Intervention in die sozialen Kämpfe in Mexiko an. Beide Genossen betonten in ihren Beiträgen, wie wichtig die vorgeschlagene Linienänderung zur Kandidatur für Exekutivämter ist, die später unter einem eigenen Tagesordnungspunkt eingehender behandelt wurde.

Genosse Blumenfeld bemerkte, dass „die große Kluft, die uns und unser Programm von unseren Gegnern trennt, einen starken Druck auf unsere Parteiführung ausübt“. Einer der wichtigsten Kämpfe zur Reorientierung der IKL in der jüngsten Periode ging um unsere Haltung zum Weltsozialforum und seinen verschiedenen regionalen Ablegern, für die eine ganze Menge reformistischer linker Gruppen, darunter auch die britische SWP und das pseudotrotzkistische „Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale“ (VS), die Trommel rührten. Wir hatten nämlich vor 2005 die Sozialforen nicht als volksfrontlerische Gebilde — d. h. auf Klassenzusammenarbeit beruhende Bündnisse — charakterisiert, die von bürgerlichen Liberalen und prokapitalistischen Sozialdemokraten geführt und unmittelbar von kapitalistischen Regierungen und Institutionen finanziert werden.

Das wurde dann in einem IEK-Memorandum korrigiert: „Wir geben der Volksfront keine kritische Unterstützung und beteiligen uns nicht an ihr. Wir betreiben unsere Geschäfte nicht im Schatten der Volksfront. Deswegen sind wir kein Teil dieser Sozialforen und organisieren keine Aktivitäten unter ihren Fittichen.“ Wir stellten klar, dass unsere politischen Interventionen in solche Veranstaltungen vom Standpunkt offener und unversöhnlicher Opposition erfolgen müssen. Nach dieser klärenden Diskussion produzierte die Spartacist League/Britain einen scharfen polemischen Artikel in Workers Hammer (Nr. 191, Sommer 2005), „Social Forum Con Game“, der für andere Publikationen der IKL übersetzt und dort abgedruckt wurde [„Sozialforen — ein Schwindel“, Spartakist Nr. 159, Sommer 2005].

Der Berichterstatter erwähnte eine Debatte über Formulierungen in unserer Presse, wonach der heutige Rückgang im politischen Bewusstsein das Endergebnis eines mehr oder weniger kontinuierlichen Prozesses seit den späten 70er-Jahren darstelle. So heißt es in unserer Spartacist-Polemik gegen die „Antiglobalisierungs“ideologen Michael Hardt und Antonio Negri: „Hardt und Negri verkörpern eine besonders bei der linken Intelligenz ausgeprägte, tief gehende Rückentwicklung des politischen Bewusstseins, die wir mehrfach beschrieben haben; diese bereitete den endgültigen Umsturz der Oktoberrevolution und den imperialistischen Triumphalismus über den angeblichen ,Tod des Kommunismus‘ vor“ („Senile Ergüsse des Postmarxismus“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 25, Frühjahr 2006). In dieser Erklärung, die dem Tenor des Artikels selbst zuwiderläuft, wird die Auswirkung der Konterrevolution stark heruntergespielt. Der Artikel verschlimmerte das Problem noch mit der positiven Hervorhebung eines Arguments des britischen Historikers Eric Hobsbawm gegen den postmodernen Idealismus:

„Die meisten Intellektuellen, einschließlich der Historiker, die sich seit etwa 1880 für den Marxismus entschieden, haben das deshalb getan, weil sie die Welt in Verbindung mit den Arbeiter- und sozialistischen Bewegungen verändern wollten. Diese Motivation blieb bis zu den 1970er-Jahren stark, als eine massive politische und ideologische Reaktion gegen den Marxismus einsetzte. Deren wesentliche Auswirkung besteht darin, die Überzeugung zu unterminieren, dass geschichtliche Analyse imstande ist, den Erfolg einer besonderen Organisierungsweise der menschlichen Gesellschaft vorherzusagen und zu unterstützen.“

Guardian [London], 15. Januar 2005

Es gab in der Tat seit den 70er-Jahren eine Verschiebung nach rechts, die sich unter anderem im Aufkommen des Eurokommunismus zeigte, als einige Kommunistische Parteien in Westeuropa auch formal der Sowjetunion die Treue aufkündigten. Der Spartacist-Artikel weist nicht darauf hin, dass gerade Hobsbawm die Eurokommunisten um die Zeitschrift Marxism Today in Britannien unterstützte, die den Streikbruch des damaligen Labour-Party-Führers Neil Kinnock gegen den britischen Bergarbeiterstreik von 1984/85 rechtfertigten. Doch solche ideologischen Verschiebungen in den späten 70er-Jahren waren quantitativ und hätten rückgängig gemacht werden können, wenn zum Beispiel die britischen Bergarbeiter in ihrem erbitterten, ein Jahr andauernden Streik gesiegt hätten; oder auf ganz anderer, offensichtlich grundlegender Ebene, wenn es uns gelungen wäre, in der DDR eine politische Revolution anzuführen. Das Ende der Sowjetunion hatte weit gravierendere Folgen. Wie ein Genosse sagte: „Als der Oktober rückgängig gemacht wurde, verwandelte sich Quantität in Qualität, und zwar nicht nur auf ideologischer, sondern auch auf materieller, militärischer und politischer Ebene.“ Genosse Blumenfeld nannte ein Beispiel: „Wirtschaftlich gesehen war die Sowjetunion tatsächlich das Kraftzentrum Osteuropas, gleichzeitig aber ermöglichte sie das Entstehen und Fortbestehen des kubanischen Arbeiterstaats. Nun, das ist nicht mehr die Welt, in der wir inzwischen leben.“

Das Konferenzdokument stellte fest, dass die Konterrevolution in der Sowjetunion 1991/92 der zweite historische Wendepunkt war; der andere Wendepunkt nach der Oktoberrevolution war das Scheitern der Deutschen Revolution von 1923: „Das markierte das Ende der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg und eine vorübergehende Stabilisierung der kapitalistischen Ordnung, wodurch die Isolierung des belagerten und wirtschaftlich verarmten sowjetischen Arbeiterstaats für die nächste Periode besiegelt wurde. Die sowjetischen Arbeiter begannen an der Perspektive einer internationalen proletarischen Revolution zu verzweifeln, was der aufsteigenden stalinistischen Bürokratenkaste den Weg bahnte, deren Politik das Bewusstsein der Arbeiterklasse in den folgenden Jahrzehnten zutiefst unterminierte. Mitte der 30er-Jahre [als die Komintern offen die Volksfront unterstützte] waren die stalinistischen Parteien dann weltweit zu reformistischen Stützen der bürgerlichen Ordnung geworden, ein Phänomen von qualitativ größerer Bedeutung als der Eurokommunismus der 70er-Jahre.“ Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die jetzige reaktionäre Periode nicht gleichförmig ist und nicht ewig so bleiben wird; die Funktionsweise des Kapitalismus bringt immer wieder Klassenkämpfe und andere soziale Kämpfe hervor und wird zu neuen revolutionären Aufschwüngen führen.

Im Laufe der 60er- und frühen 70er-Jahre gab es mehrere revolutionäre Erhebungen des Proletariats — insbesondere den Generalstreik im Mai 68 in Frankreich — sowie eine internationale Radikalisierung vor allem unter den kleinbürgerlichen Studenten, durch die die meisten linken Gruppen enorm anwuchsen. Diese Radikalisierung verflüchtigte sich allerdings nach dem Ende des Vietnamkriegs schnell. Mit dem Demokraten Jimmy Carter folgte dann Washingtons Wiederaufrüstung gegen die Sowjetunion unter dem Mantel einer „Menschenrechts“kampagne. Im Laufe der nächsten Periode lief die einst radikale „68er-Generation“ massenweise zu den antikommunistischen Sozialdemokraten über, die aktiv die kapitalistische Konterrevolution in der UdSSR und in Osteuropa vorantrieben. In den 60ern und frühen 70ern argumentierte das damals von Ernest Mandel geführte pseudotrotzkistische VS impressionistisch, der Marsch in den Sozialismus sei nicht aufzuhalten: Es stellte „rote Universitäten“ als revolutionäre Bollwerke hin und entdeckte gleichzeitig eine Vielzahl „neuer Massenavantgarden“, die angeblich eine leninistisch-trotzkistische Partei hinfällig machen sollten. Heute sind das VS und Konsorten erbärmliche Reformisten, die so tun, als sei der Kapitalismus unüberwindbar.

Das Konferenzdokument zitiert aus einem Anhang zur programmatischen Erklärung der Spartacist League/U.S. vom Jahr 2000, der unsere heutigen Gegenspieler in der Linken treffend als „Gegner der revolutionär-internationalistischen Arbeiterbewegung“ beschreibt:

„Die gesamte Arbeit unserer Partei ist auf das Organisieren, Ausbilden und Stählen der proletarischen Avantgardepartei gerichtet, die für die Eroberung der Staatsmacht notwendig ist. Dagegen beschränkt sich die Politik der Reformisten und Zentristen gänzlich auf oppositionelle Tätigkeit im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft. Letzteres wurde von Trotzki scharf charakterisiert als ,eine Erziehung der Massen zur Anerkennung der Unantastbarkeit des bürgerlichen Staates‘. Heute — in einer Welt, die geprägt ist von dem endgültigen Untergang der Russischen Revolution und dem imperialistischen Triumphgeheul über den ,Tod des Kommunismus‘ — zeigt sich diese Anpassung von dem Namen nach marxistischen Organisationen an die kapitalistische Klassenherrschaft gelinde gesagt noch schärfer.“

Spartacist-Broschüre: For Socialist Revolution in the Bastion of World Imperialism!
[Für sozialistische Revolution im Bollwerk des Weltimperialismus!] (November 2000)

Heute ist das vorherrschende Bewusstsein der politischen Aktivisten — von der sogenannten Linken bis hin zum Antiglobalisierungsmilieu — bürgerlich-liberale Ideologie. Doch haben wir gegenüber unseren Opponenten dieses Verständnis nicht konsequent angewandt und sogar manchmal missachtet. Die Konferenzdelegierten überprüften speziell unsere Arbeit gegenüber anarchoiden Jugendmilieus, die seit den späten 90er-Jahren erheblich anwuchsen. Wir sahen voraus, dass es in der nachsowjetischen Periode angesichts der durchdringenden Ideologie vom „Tod des Kommunismus“ zu einem Wiederaufleben anarchistischer Tendenzen kommen würde. Zugleich schrieben wir diesen radikalen Liberalen fälschlich einen linken Charakter zu und verfielen wiederholt in opportunistische Anpassung. Das zeigte sich am schärfsten in unserer Propaganda bei den Protesten gegen den imperialistischen G8-Gipfel in Genua 2001. Im Gegensatz zu den meisten unserer pseudotrotzkistischen Kontrahenten verteidigten wir die militanten Anarchisten des Schwarzen Blocks gegen brutale staatliche Verfolgung. Doch im Zuge dieser elementaren Verteidigung von Militanten gegen staatliche Angriffe beschönigten wir ihre Politik.

Wir schrieben über eine „klare Links-Rechts-Spaltung innerhalb der ,Antiglobalisierungs‘bewegung, die mit Blut besiegelt ist. Bei dieser Spaltung geht es nicht primär um Protesttaktiken oder um ,Gewalt‘ kontra ,Gewaltlosigkeit‘. Worum es vielmehr im Grunde geht, ist die Frage der demokratischen Legitimität der existierenden parlamentarischen kapitalistischen Regierungen. In dieser Frage stehen wir auf der Seite der Anarchisten gegen die linken Sozialdemokraten, einschließlich derer, die sich gelegentlich als Marxisten oder Trotzkisten ausgeben“ (Spartakist Extrablatt, 14. August 2001). Die Behauptung, heutige Anarchisten würden der bürgerlichen Ordnung die Legitimität absprechen, ist eine erfundene Realität. In den USA zum Beispiel schließen sich die meisten selbst ernannten Anarchisten dem „Anybody-but-Bush“-Milieu an und stimmen bei Wahlen für die Demokraten oder die bürgerlichen Grünen.

Das politische Markenzeichen der heutigen Anarchisten ist reiner Antikommunismus: Sie alle bejubelten den Sieg der Konterrevolution in der Sowjetunion und in Osteuropa. Die Konferenz bemerkte, dass unsere Broschüre Marxismus kontra Anarchismus (2001), eine im übrigen hervorragende historische Darstellung, nicht gebührend auf die Oktoberrevolution sowie das anarchistische Zetergeschrei über die nötige Zerschlagung der Kronstädter Meuterei 1921 und der konterrevolutionären Machno-Bewegung durch die Bolschewiki einging. (Zu dieser Frage siehe „Kronstadt 1921: Bolschewismus gegen Konterrevolution“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 25, Frühjahr 2006.) Durch die lebendige Erfahrung der Russischen Revolution wurden die besten der Anarchisten und revolutionären Syndikalisten, in Russland und anderen Ländern, für die Seite der Bolschewiki gewonnen. In scharfem Gegensatz dazu taten sich viele konfuse liberale Anarchisten lieber mit den Monarchisten, Imperialisten und anderen widerwärtigen Kräften gegen die Revolution zusammen. Unsere Propaganda hätte ausdrücklich unterscheiden müssen zwischen den leidenschaftlich antikommunistischen Anarchisten von heute und den Anarchosyndikalisten, die sich mit der Russischen Revolution solidarisierten.

Wir müssen uns vor jeder Tendenz hüten, die bürgerliche Demokratie zu beschönigen, wie es unsere Kontrahenten regelmäßig tun. Sie akzeptieren die Lüge, Kommunismus sei die Verkörperung totalitärer Brutalität, und appellieren an die raubgierigen, bluttriefenden imperialistischen Herrscher, sich doch entsprechend dem Schein-Ideal bürgerlicher Demokratie zu verhalten. Ein Beispiel dafür ist der bei Liberalen und Linken weit verbreitete Gebrauch des Begriffs „Gulag“ für etwas, das sie für „Exzesse“ kapitalistischer staatlicher Repression und Folter halten. Dieser Begriff — eine Bezeichnung für sowjetische Arbeitslager in der Stalin-Ära — hat eine lange Geschichte als antikommunistischer Schlachtruf des Kalten Krieges. Dass er in einem Artikel von Workers Vanguard (Nr. 842, 18. Februar 2005) auftauchte, war ein Warnzeichen, dass wir mit äußerster Wachsamkeit darauf achten müssen, nicht angesichts der allgegenwärtigen Ideologie vom „Tod des Kommunismus“ abzustumpfen. Wir erkannten unseren Fehler und schrieben in einer Polemik gegen die Liberalen und Linken, für die Antikommunismus zum täglich Brot gehört:

„Zwar gibt es die Sowjetunion nicht mehr — aber die Notwendigkeit, die Russische Revolution zu verteidigen, ist so dringend wie eh und je. Die Imperialisten und ihre liberalen Fackelträger wollen die Geschichte umschreiben, um sicherzustellen, dass die Herrschaft des Kapitals nie wieder in Frage gestellt wird. Sie würden gern jegliche Sympathie mit dem Programm oder den Idealen des Kommunismus aus dem Bewusstsein des Proletariats und der Unterdrückten ausradieren.“

—„U.S. Torture Machine“ [Foltermaschine USA], Workers Vanguard Nr. 863, 3. Februar 2006

Nieder mit den Exekutivämtern des kapitalistischen Staates!

Sein Referat begann Genosse Bride mit einem Hinweis auf die große Wichtigkeit unserer Diskussion über die Frage der Kandidatur von Kommunisten für Exekutivposten im bürgerlichen Staat: „Der fundamentale Punkt, um den es hier geht, ist die Scheidelinie zwischen Reform und Revolution, zwischen der reformistischen Strategie der Übernahme und Verwaltung des bürgerlichen Staatsapparates und der revolutionären Strategie, die bestehenden Staatsorgane zu zerschlagen und durch Organe der Arbeiterherrschaft zu ersetzen. Kommunisten beteiligen sich nicht an der Verwaltung des bürgerlichen Staates, sie unterstützen sie nicht und sie übernehmen auch keine Verantwortung für diese Exekutive. Doch genau das — die Exekutivgewalt — wird legitimiert, wenn man für ein Exekutivamt kandidiert oder es ausübt.“

Die Position, dass Kommunisten unter keinen Umständen für Exekutivposten des bürgerlichen Staates kandidieren sollten, ist eine Weiterführung unserer langjährigen Kritik an dem von der Komintern unterstützten Eintritt der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in die Landesregierungen von Sachsen und Thüringen im Oktober 1923. Die KPD unterstützte diese von „linken“ Sozialdemokraten geführten bürgerlichen Regierungen zuerst von außen und dann durch direkte Regierungsbeteiligung — dies trug dazu bei, eine revolutionäre Situation aus der Bahn zu werfen (siehe „Eine trotzkistische Kritik: Deutschland 1923 und die Komintern“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001). Unsere neue Linie klärt eine Konfusion innerhalb der kommunistischen Bewegung, die schon seit dem II. Weltkongress der KI im Jahr 1920 bestand. Der Referent stellte fest: „Wir versuchen prinzipiell dasselbe zu tun wie die III. Internationale, nämlich den Müll der II. Internationale zur Staatsfrage zu beseitigen; allerdings hat sie diese Arbeit nicht zu Ende geführt. Während der Diskussion dieser Frage auf dem II. Weltkongress stand die Komintern nämlich mitten im Kampf mit den Bordigisten und Ultralinken, die aus Prinzip nicht kandidieren wollten. Doch machte sie dabei keinen Unterschied, ob man fürs Parlament kandidiert oder für einen Posten in der Exekutive des Staates.“

Unsere vorherige Linie, die wir auf der IV. Konferenz der IKL 2003 bekräftigten, besagte, dass Marxisten für Exekutivposten nur dann kandidieren könnten, wenn sie von vornherein klarstellen, dass sie in keinem Fall das Amt annehmen würden. Genosse Bride bemerkte, dass diese Frage intern erstmals 1999 aufgeworfen wurde, als die Partei zutiefst desorientiert war. Nach der Konferenz von 2003 wurde die Frage wieder aufgebracht und die Diskussion wieder eröffnet. „Unsere Unschlüssigkeit hatte wohl viel mit dem damaligen Zustand der Partei zu tun sowie mit der vorherrschenden Auffassung, unser vorrangiges Problem sei Sektierertum und nicht Menschewismus.“ Die darauf folgenden Kämpfe und Diskussionen zur Reorientierung der IKL haben unsere Fähigkeit, solche Fragen anzupacken, außerordentlich gestärkt, indem wir wichtige Lehren aus der Geschichte der Arbeiterbewegung ziehen, die wir auf unsere Arbeit anwenden.

Bei den vorbereitenden Diskussionen unserer V. Konferenz war die Frage von Exekutivposten ein Hauptthema — viele Genossen gingen auf Vorkonferenztreffen sowie in internen Bulletins darauf ein. Eine Reihe von Dokumenten untersuchte verschiedene historische Sachverhalte, darunter den Ministerialismus der II. Internationale (Bekleidung von Posten in bürgerlichen Regierungen); die Arbeit der bolschewistischen Partei bei Wahlen und ihre Haltung gegenüber bürgerlichen Kommunalregierungen in der Periode der Doppelherrschaft 1917; die Arbeit der bulgarischen Engsozialisten in den Jahren vor und nach der Russischen Revolution; und die der frühen Kommunistischen Parteien in Frankreich, Mexiko und anderen Ländern. Hier ist zusätzliche historische Forschung nötig, damit wir in Zukunft eingehende Propaganda zu dieser entscheidenden Frage herausbringen können.

Unsere Linienänderung blieb bis zum Vorabend der Konferenz umstritten. Anfangs argumentierten einige Genossen, unter „außergewöhnlichen“ Umständen sollten wir uns doch an Präsidentschaftswahlen beteiligen, um marxistischen Ideen Gehör zu verschaffen. Ein Genosse verwies auf die Praxis der frühen Kommunistischen Parteien, Gemeindeverwaltungen zu leiten, und schrieb sogar, wir sollten die Stadtverwaltung übernehmen, um nicht als „abstentionistisch“ zu gelten, falls wir in einem Stadtrat eine Mehrheit erringen würden. Darauf erwiderte ein Genosse scharf: „Unsere Position ist nicht Enthaltung, wie von einigen angedeutet wird, sondern Opposition. Bitte macht euch sehr klar: Wir sind nicht neutral, wir sind gegen die Exekutive des kapitalistischen Staates.“ Denjenigen Genossen, die sich anfangs gegen eine Änderung unserer Linie ausgesprochen hatten, leuchtete es schließlich ein, dass ihre Argumentation dem Reformismus gefährlich nahekam, und am Ende beschloss die Konferenz einstimmig die neue Position.

Vor kurzem brachte die Internationalist Group (IG) eine Polemik heraus, die ein seichter Aufguss der schlechtesten Argumente zugunsten einer Kandidatur für Exekutivämter war. Der IG-Artikel „France Turns Hard to the Right“ [Frankreich macht eine scharfe Rechtswende] (Extrablatt des Internationalist, Mai 2007) befasst sich mit den jüngsten Wahlen in Frankreich, wo die Vorzeige-Gruppe des Vereinigten Sekretariats (VS) in der ersten Wahlrunde einen Präsidentschaftskandidaten aufstellte und dann, nach dessen Ausscheiden, dazu aufrief, den Kandidaten der prokapitalistischen Sozialistischen Partei zu wählen. Im Jahre 2002 hatten die Mandel-Anhänger des französischen VS sogar dazu aufgerufen, im Namen des „Kampfes gegen Rechts“ für den rechten bürgerlichen Präsidenten Jacques Chirac zu stimmen, der gegen den Faschisten Jean-Marie Le Pen kandidierte. Die IG zitiert die Erläuterung unserer neuen Position in einem Artikel zu den französischen Wahlen (Le Bolchévik Nr. 179, März 2007) und macht den lächerlichen Vorwurf, unsere Absage an eine Kandidatur für das Amt des Präsidenten oder andere Posten in der Exekutive „zeige einen parlamentarischen Kretinismus ähnlich dem der pseudotrotzkistischen Mandelianer“ — weil wir einen Sitz im Parlament von einem Sitz in der Exekutive unterscheiden!

Die IG zeigt ein rührendes Vertrauen in den kapitalistischen Staat und dessen ganzes demokratisches Zubehör. Marxisten haben von jeher zwischen Exekutivämtern wie Präsident oder Bürgermeister und legislativen Positionen wie Parlamentsabgeordneter unterschieden: Im ersten Fall geht es per definitionem um die Verwaltung des bürgerlichen Staates, im zweiten um Posten, die von Kommunisten als Tribüne benutzt werden können, um die Mobilisierung der Massen gegen die bürgerliche Ordnung voranzutreiben. Nicht so die IG, die diesen Unterschied wegwischt zugunsten einer Unterscheidung zwischen „demokratischen“ und „antidemokratischen“ bürgerlichen Institutionen: „Wir sind auch dagegen, dass es eine zweite, angeblich höhergestellte, gesetzgebende Parlamentskammer gibt, da dies von Natur aus antidemokratisch ist. Sollten wir es daher auch ablehnen, für den Senat zu kandidieren?“ Die Teilnahme an Wahlen davon abhängig zu machen, wie demokratisch die Fassade der Institutionen des kapitalistischen Staates aussieht, ist wahrlich parlamentarischer Kretinismus. Glaubt die IG, die Unterhäuser bürgerlicher parlamentarischer Republiken seien wahrhaft demokratische Institutionen? Wenn sie den französischen Senat für undemokratisch halten, dann sollten sie sich die zaristische russische Duma ansehen, die von den Bolschewiki zur Propagierung ihres revolutionären Programms effektiv ausgenutzt wurde. Wenn es nach der IG ginge, könnten Kommunisten „für jeglichen Posten“ kandidieren. Richter? Sheriff? Nur zu! Wenn es in Ordnung ist, als Oberbefehlshaber des imperialistischen Militärs zu kandidieren, warum dann nicht als örtlicher Sheriff?

Unser Konferenzdokument erklärt: „Das Problem beim Kandidieren für Exekutivämter besteht darin, dass solche Kandidaturen den vorherrschenden und reformistischen Auffassungen vom Staat Legitimität verleihen.“ Wenn man für diese Ämter kandidiert, werden es die Arbeiter zwangsläufig so auffassen, dass man die Verwaltung des kapitalistischen Staates anstrebt. Für die IG ist die Kandidatur zum Präsidenten oder Bürgermeister „keinesfalls mit der Absicht verbunden, diese Posten innerhalb des Rahmens des bürgerlichen Staates zu bekleiden“. Denn „in dem ungewöhnlichen Fall, wo ein revolutionärer Kandidat genügend Einfluss hätte, um gewählt zu werden, hätte die Partei bereits damit begonnen, Arbeiterräte und andere Organe nach Art der Sowjets aufzubauen. Und die Partei würde darauf bestehen, dass sich ihre Kandidaten, sofern sie gewählt würden, auf solche Organe der Arbeitermacht stützen und nicht auf die Institutionen des bürgerlichen Staates.“ Mit dieser Linie lässt die IG zumindest die Möglichkeit einer Kandidatur für ein Exekutivamt offen. Sie weist eine solche Kandidatur nirgends zurück und würde sogar in einer revolutionären Situation ein Exekutivamt annehmen, wie etwa 1923 bei den bürgerlichen Regierungen von Sachsen und Thüringen. Und was ist, wenn in einer Hochburg der Partei ein „revolutionärer Kandidat“ in ein kommunales Amt wie z. B. als Bürgermeister gewählt wird, ohne dass es eine landesweite soziale Krise gibt, die die Frage der proletarischen Macht stellt? Das war bei den frühen Kommunistischen Parteien Bulgariens und Frankreichs gar nicht so selten — sie kontrollierten Hunderte solcher Kommunalverwaltungen. Die IG schweigt sich darüber aus, was ihr siegreicher Kandidat in solch einem Fall tun sollte.

Die IG steht nicht in der Tradition von Lenin, sondern in der von Karl Kautsky. Inmitten des revolutionären Aufstands, der Ende des Ersten Weltkriegs durch Deutschland fegte, behaupteten die Kautskyaner, sie würden sowohl die Arbeiterräte als auch die bürgerliche provisorische Regierung, den Rat der Volksbeauftragten, unterstützen; letzterem traten sie im November 1918 bei. So spielten sie eine entscheidende Rolle dabei, die revolutionäre Welle zu vereinnahmen und niederzuschlagen. Gerade in revolutionären Zeiten sind Illusionen in den kapitalistischen Staat am gefährlichsten. Nachdem Lenin in Staat und Revolution (1917) die marxistische Perspektive vom revolutionären Sturz des bürgerlichen Staates dargelegt hatte, wurde er von Sozialdemokraten wütend angegriffen, die ihn beschuldigten, zum Anarchismus übergelaufen zu sein.

Die IG — deren führende Kader 1996 aus unserer trotzkistischen Organisation desertierten, um sich ihrer opportunistischen Orientierung auf diverse Stalinisten, lateinamerikanische Nationalisten und andere kleinbürgerliche Milieus widmen zu können — sieht unsere neue Position als weiteren Beweis für unseren Bruch mit der „Kontinuität des authentischen Trotzkismus“. Damit meinen sie, ohne es zu sagen, dass wir 1985 Marjorie Stamberg, heute eine IG-Anhängerin, als Spartacist-Kandidatin für das Amt des Bürgermeisters von New York aufstellten (siehe z. B. „Vote Spartacist!“ [Wählt Spartacist!], Workers Vanguard Nr. 390, 1. November 1985). Wie wir an anderer Stelle bemerkten, hat die Linie der IG, dass sie in gewissen „ungewöhnlichen“ Fällen doch ein Exekutivamt annehmen könnte, „keine ,Kontinuität‘ mit unserer früheren Position, ,Kandidaten aufzustellen, aber das Amt nicht anzutreten‘. Sie löst vielmehr den Widerspruch, der dieser Position innewohnt, nach rechts hin auf“ („The IG and Executive Office: Sewer Centrism [Die IG und Exekutivämter: „Abwasser“-Zentrismus — benannt nach der reformistischen Kommunalpolitik der Sozialistischen Partei Anfang des 20. Jahrhunderts], Workers Vanguard Nr. 895, 6. Juli 2007).

In einem während der Vorkonferenzdiskussion geschriebenen Dokument zog ein Genosse eine nützliche Analogie zwischen der bisher üblichen marxistischen Praxis, für Exekutivämter zu kandidieren, und der Losung einer „revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft“ für das zaristische Russland, die von Lenin vor 1917 vertreten wurde. Das Dokument stellte fest, dass „eine bestimmte Politik für Revolutionäre eine ganze Zeitlang brauchbar sein kann, bis sie sich schließlich durch die Entwicklung des Klassenkampfes als nicht mehr tauglich erweist“. Es erklärt weiter:

„Lenin war kein Klassenverräter, als er diese mangelhafte Losung gegen die Menschewiki und Liberalen ins Feld führte. Und auch Trotzki, Cannon und wir selbst haben nicht die Klassenlinie übertreten, als wir mit einer latent fehlerhaften Politik den Menschewismus zu bekämpfen versuchten.

Doch nach der erfolgreichen Revolution von 1917 und der erwürgten Chinesischen Revolution von 1927 trat dieser ,latente‘ Fehler der leninschen Formel der ,revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft‘ offen zu Tage; inzwischen wurde sie bewusst zu einem ganz anderen Zweck verwendet. An dieser Formel gegen Trotzkis Programm der permanenten Revolution festzuhalten stellte also einen Verrat dar. Und das gilt auch für das Festhalten an einer von unseren Vorgängern übernommenen Praxis, deren innewohnender Fehler damals noch nicht evident war. Wir sind dazu verpflichtet und wir haben heute auch den Vorteil, dass wir aus den katastrophalen Folgen des deutschen (und bulgarischen) Versagens von 1923 die Lehren ziehen können. Wer leugnet, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem unvollkommenen Bruch der Komintern mit dem sozialdemokratischen Ministerialismus, wie er sich 1923 in Bulgarien und Deutschland manifestierte, und der gleichzeitigen Unterstützung seitens des EKKI [Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale] für Wahlkampagnen zu Exekutivämtern, der muss willentlich blind sein.“

Oder der will absichtlich, wie im Falle der IG, zentristische Verwirrung stiften.

Historisch betrachtet ist die Vorstellung, Kommunisten sollten für Regierungsposten im Staat der herrschenden Klasse — welche sie stürzen wollen — kandidieren, einfach grotesk. Dass die Arbeiterbewegung heutzutage an dieser Auffassung festhält, ist ein Gradmesser für die durchdringende demokratische Verlogenheit und widerspiegelt direkt die politische Stärke der kapitalistischen Ordnung. In der Geschichte haben selbst ernannte Marxisten unzählige Male die Seite gewechselt, um den kapitalistischen Staat gegen die Arbeiter und Unterdrückten direkt zu verwalten. Dafür beispielhaft ist die britische Militant-Tendenz (inzwischen Socialist Party), die Mitte der 80er-Jahre den Stadtrat von Liverpool kontrollierte und damit zum Arbeitgeber von mehr als 30 000 städtischen Arbeitern wurde. Einmal drohten diese „sozialistischen“ Bosse sogar damit, die gesamte städtische Belegschaft zu entlassen, angeblich als „Taktik“, um eine von der (Tory-) Zentralregierung verursachte Haushaltskrise zu meistern. Neulich übernahm ein Führer der brasilianischen VS-Gruppe als Landwirtschaftsminister der bürgerlichen Lula-Regierung direkt Verantwortung für die gewaltsame Vertreibung militanter Aktivisten der Bewegung der Landlosen (MST).

Während unserer Diskussion zur Frage der Exekutivämter machte ein Genosse auf einen äußerst wichtigen Unterschied zwischen dem Kapitalismus und vorherigen Klassengesellschaften, wie dem Feudalismus, aufmerksam. Diese Gesellschaften waren gekennzeichnet durch klare Klassen- und Kastenbeziehungen, die den Platz eines jeden in der Gesellschaftsordnung festlegten. Der Kapitalismus verschleiert den Charakter seiner Klassenausbeutung mit Begriffen wie „Markt“, „Angebot und Nachfrage“ und, insbesondere in der fortgeschrittenen industriellen Welt, den mannigfaltigen Zierden der „Demokratie“, die angeblich Ausbeutern wie Ausgebeuteten gleiche Rechte und Chancen bietet. Unsere Aufgabe als Kommunisten ist es, diese Maske herunterzureißen und die Realität eines brutalen Gesellschaftssystems zu entlarven, das nichts anderes ist als die Diktatur der Bourgeoisie.

Lehren der DDR 1989/90 …

Ein ganzer Tagesordnungspunkt der Konferenz war der Einschätzung unserer Intervention in die beginnende politische Revolution in Ostdeutschland 1989/90 gewidmet, als Teil einer gründlicheren Auswertung der größten und längsten Intervention in der Geschichte unserer Tendenz. Die beiden Referenten waren Genosse F. Zahl, ein erfahrener Führer der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands, und R. Henry vom scheidenden Internationalen Sekretariat. Genossin Henry zitierte einen Trotzki-Text von 1931 über die Revolution in Spanien in den 30er-Jahren, der sich gegen die defätistische Ansicht richtete, wonach ein Sieg ohne eine bereits existierende Massenpartei unmöglich sei: „Aber der Vorteil einer revolutionären Situation besteht gerade darin, dass selbst eine kleine Gruppe in einem kurzen Zeitraum eine große Kraft werden kann, wenn sie eine richtige Prognose stellt und die richtigen Losungen zur rechten Zeit ausgibt“ („Der Charakter der Revolution“, Juni 1931, in Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931–39 [1975]). Sie fügte hinzu: „Damit will ich sagen, diese Organisation waren wir. Wir hatten das richtige Programm, um in der DDR zu intervenieren.“

Wir waren bedingungslose Gegner der kapitalistischen Wiedervereinigung mit dem imperialistischen Westdeutschland und riefen zu einer proletarisch-politischen Revolution im Osten und einer sozialistischen Revolution im Westen auf, um zu einem roten Rätedeutschland in den Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu kommen. Die Macht unseres Programms trat am 3. Januar 1990 besonders klar zu Tage, als im Treptower Park in Ostberlin 250 000 gegen die faschistische Schändung des Ehrenmals für die sowjetischen Soldaten demonstrierten, die für die Befreiung Deutschlands von der Nazipest 1945 gestorben waren. Diese Mobilisierung geschah auf unsere Initiative hin, die dann von der herrschenden stalinistischen SED-PDS aufgegriffen wurde, die vor der großen Resonanz unseres Programms bei den Ostberliner Arbeitern Angst hatte und sich daher gezwungen sah, ihre Basis zu mobilisieren. Wie das Hauptdokument unserer Zweiten Internationalen Konferenz von 1992 feststellte:

„Doch wie später Treptow zeigte, standen wir von Anfang an in einem politischen Kampf mit dem abdankenden stalinistischen Regime über die Zukunft der DDR. Während wir eine Regierung von Arbeiterräten forderten, handelten die Stalinisten bewusst, um einen Arbeiteraufstand dadurch zu verhindern, dass sie alle Armee-Einheiten demobilisierten, die auf unsere frühe Propaganda hin Soldatenräte gebildet hatten. Obwohl geprägt durch das Missverhältnis von Kräften, gab es eigentlich einen Wettstreit zwischen dem IKL-Programm der politischen Revolution und dem stalinistischen Programm von Kapitulation und Konterrevolution.“

—„Für den Kommunismus von Lenin und Trotzki!“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 15, Frühjahr 1993

Dieser Wettstreit war der ausschlaggebende Punkt, trotz der zahlreichen Probleme und Schwierigkeiten bei der Umsetzung unseres Programms, von denen viele im Konferenzdokument von 1992 offen zur Sprache kamen. Etwa dass wir erst so spät örtliche Spartakist-Gruppen aufbauten, Übergangsorganisationen für die vielen politischen Aktivisten überall in der DDR, die sich mit unserem Programm identifizierten und unsere trotzkistische Zeitung Arbeiterpressekorrespondenz (Arprekorr) verbreiten wollten, die im Dezember 1989 fast täglich und von Januar bis Anfang April 1990 ein- bis zweimal die Woche herauskam.

Wir halten an der Einschätzung von 1992 fest und wollen anhand von Schilderungen und Memoiren, die seitdem erschienen sind, unser Verständnis jener Ereignisse vertiefen. Zu diesem Zweck gaben wir vor der Konferenz sechs neue interne Bulletins zur DDR-Intervention heraus. Eines davon ist eine Zusammenstellung aller 30 Ausgaben von Arprekorr in englischer Übersetzung. IKL-Genossen erstellten für die Bulletins acht Studien, basierend auf unseren eigenen Archiven sowie auf später erschienenen Materialien, zu Themen wie den Entwicklungen in der abdankenden SED-PDS, zu unserer politischen Arbeit in verschiedenen Betrieben, zur Arbeit unter sowjetischen und NVA-Soldaten, und zur Kampagne für die entscheidende Volkskammerwahl vom März 1990, bei der wir als Einzige eine Kandidatenliste aufstellten, die die kapitalistische Wiedervereinigung kategorisch ablehnte. Hier besprachen wir auch, dass wir bei unserer Arbeit vor Ort die Wichtigkeit der Betriebskampfgruppen unterschätzten, die zum militärisch-politischen Zentrum für eine proletarisch-politische Revolution hätten werden können. Im Lichte der Diskussion auf der Konferenz wurden weitere Untersuchungen in Auftrag gegeben.

Es überrascht nicht, dass das Verständnis, welche massive Wirkung wir in der DDR erzielten, in unseren eigenen Reihen nicht einheitlich war. Diese Diskussion ist ja weiterhin im Gange und eine Reihe von Fragen ist noch zu lösen. Unser Ziel ist es, unser Verständnis der Ereignisse von 1989/90 zu vertiefen und außerdem Propaganda für eine zukünftige Ausgabe des Spartacist zu erstellen. Im Konferenzdokument wurde dies begründet:

„Der Kampf der IKL in Deutschland für politische Arbeiterrevolution und für die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands war eine direkte und die einzige Kampfansage gegen den von den Moskauer und Ostberliner Stalinisten betriebenen Ausverkauf der DDR an den westdeutschen Imperialismus. Aber Kommunisten, die aus der Geschichte lernen wollen — nicht zuletzt aus der eigenen —, müssen verstehen, dass das auch eine kritische Einschätzung der Stärken und Schwächen bei unserer Intervention als Revolutionäre beinhaltet.“

… und der Kampf für politische Revolution in China

Dass die Einschätzung unserer Intervention in der DDR nicht lediglich eine Frage von historischem Interesse ist, sondern von unmittelbarer Bedeutung für unsere jetzigen und zukünftigen Aufgaben, verdeutlichte lebhaft eine scharfe Auseinandersetzung während der Diskussion über die Hauptkonferenzberichte, die weiter vorne auf der Tagesordnung stand. Ein großer Teil der ersten Runde dieser Diskussion konzentrierte sich auf Differenzen eines einzelnen Genossen zu unserem Programm der bedingungslosen militärischen Verteidigung und proletarisch-politischen Revolution in China. Diese Differenzen hatte er über ein Jahr zuvor erstmals vorgebracht und damit eine umfangreiche schriftlich geführte Diskussion ausgelöst. Kurz vor der Konferenz legte er ein zweites Dokument vor, in dem er seine Ansichten zu China mit seiner Einschätzung der Lehren aus den Niederlagen in der DDR und der Sowjetunion verknüpfte. Obwohl dieser Genosse kein Delegierter war, gewährte ihm die Konferenz Redezeit zur Verteidigung seiner Ansichten, um in den umstrittenen Fragen größtmögliche Klarheit zu erzielen. Am Ende der Diskussion erklärte er, dass er seine Ansichten im Lichte der Argumente neu überdenken werde.

In seinem Dokument zitierte der Genosse eine Feststellung in unserem Artikel „Wie der sowjetische Arbeiterstaat erwürgt wurde“ (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 16, Herbst 1994). In diesem Artikel klagen wir die stalinistische Bürokratie dafür an, dass sie das Bewusstsein des sowjetischen Proletariats durch Lügen, Bürokratismus und Nationalismus vergiftet hat, und stellen fest, dass sich die sowjetische Arbeiterklasse deshalb nicht für die Verteidigung des Arbeiterstaates erhob, weil sie politisch atomisiert war. Diese Atomisierung drückte sich im Fehlen einer antikapitalistischen Führung und eines konsequent zusammenhängenden sozialistischen Klassenbewusstseins aus, wozu auch eine tiefe Skepsis über die Möglichkeit revolutionären Kampfes in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern gehörte. Der Genosse griff diese Aussage für sein Argument auf, der Arbeiterklasse im heutigen China fehle, wie früher in der DDR und Sowjetunion, jegliches Verständnis dafür, dass es notwendig ist, die im Arbeiterstaat verkörperten sozialen Errungenschaften zu verteidigen. Da den Arbeitern ein solches Bewusstsein fehle, argumentierte er, sei die stalinistische Bürokratie die einzige bewusste Kraft, die den Arbeiterstaat verteidige, und sei es auch nur, um ihre eigene Macht und ihre Privilegien zu verteidigen. Nach dieser Logik wäre der Aufruf zu einer proletarisch-politischen Revolution eine Forderung, den einzigen verbliebenen bewussten Faktor zu stürzen, der den Arbeiterstaat verteidigt!

In den 30er-Jahren bemerkte Trotzki, dass die stalinistische Bürokratie — eine parasitäre Kaste, die sich auf die kollektivierten Eigentumsformen stützt — die UdSSR nicht mehr deshalb verteidigte, weil sie sich subjektiv mit dem Sozialismus identifizierte, sondern nur insofern, als sie das Proletariat fürchtete. Am Ende haben die Stalinisten das Kollektiveigentum überhaupt nicht verteidigt, sondern den Arbeiterstaat verraten. Konfrontiert mit einer politischen Revolution zerfiel in der DDR die stalinistische Bürokratie. Die ostdeutschen Stalinisten fügten sich der Sowjetbürokratie unter Michail Gorbatschow, als diese grünes Licht für den Anschluss der DDR an Westdeutschland gab.

Unsere Erfahrung in der DDR und der Sowjetunion beweise, behauptete der Genosse auf etwas konfuse Weise, dass unser Aufruf zur bedingungslosen militärischen Verteidigung des Arbeiterstaates China, wie bürokratisch deformiert dieser auch sein möge, während einer politischen Revolution nicht anwendbar sei. Er fügte hinzu, dass eine politische Revolution diesen Staat zerstören würde, und argumentierte: „Was wir im Grunde verteidigen, sind nicht die ,besonderen Formationen bewaffneter Menschen‘ usw., sondern die soziale Struktur dieser Gesellschaften“, mit anderen Worten das Kollektiveigentum. Damit wird eine falsche Unterscheidung gemacht zwischen den Formationen bewaffneter Menschen, die den Arbeiterstaat verteidigen, und den kollektivierten Eigentumsformen, auf deren Grundlage dieser Staat existiert. Im Grunde genommen verwirft dieses Argument die zentrale Bedeutung der Eroberung der Staatsmacht durch das Proletariat, d. h. die Notwendigkeit, dass die Arbeiterklasse ihre eigene Klassendiktatur errichtet. Außerdem steht es im Widerspruch zu unserer eigenen Erfahrung in der DDR, wo unsere Propaganda gewaltigen Einfluss auf ostdeutsche und sowjetische Soldaten ausübte, von denen sich viele der Tatsache sehr bewusst waren, dass sie die vorderste Frontlinie zur Verteidigung der Arbeiterstaaten darstellten und den NATO-Truppen in Westdeutschland auf der anderen Seite der Grenze gegenüberstanden.

In seinem Referat zum Konferenzdokument erinnerte Genosse Bride an die Aussage Lenins: „Politik ist konzentrierte Ökonomie“ — mit anderen Worten, dass ökonomische Fragen politischen Fragen untergeordnet sind. Er sagte: „Die politische Frage ist: Welche Klasse herrscht, das heißt wessen Staat ist es, und nicht wie viel Eigentum befindet sich zu irgendeinem gegebenen Zeitpunkt in der Hand der Regierung.“ Die Oktoberrevolution von 1917 schuf einen Arbeiterstaat, doch auf wirtschaftlicher Ebene wurde die Bourgeoisie erst später enteignet. Wie Trotzki sagte: „Der Sieg einer Klasse über eine andere bedeutet doch, dass sie die Wirtschaft im Interesse des Siegers umgestalten wird“ („Weder proletarischer noch bürgerlicher Staat?“, November 1937).

Genossen wiesen entschieden die Vorstellung zurück, das Bewusstsein des DDR-Proletariats sei nicht adäquat gewesen, um für die Verteidigung seines Arbeiterstaates in Aktion zu treten. In diesem Zusammenhang wiesen sie auf die massenhafte Beteiligung an der prosowjetischen Treptower Kundgebung hin, auf die enorme Resonanz unserer Propaganda bei Abertausenden von Arbeitern und Jugendlichen sowie auf das Entstehen von Soldatenräten in verschiedenen NVA-Einheiten unter dem Einfluss unserer Losungen. Und anders als in der DDR haben die Arbeiter in China bereits eine ganz gute Vorstellung davon, wie im Falle einer sozialen Konterrevolution ihre zukünftigen kapitalistischen Herren aussehen würden. In China hat es in den letzten Jahren gewaltige und stürmische Streiks und Proteste gegeben, als Arbeiter, Bauern und andere gegen die Verwüstungen und Ungleichheiten des um sich greifenden kapitalistischen Marktes kämpften. „Bewusstsein“ ist nicht etwas Statisches und Gleichbleibendes. Proletarisches Bewusstsein lässt sich nicht von der leninistisch-trotzkistischen Arbeiterpartei trennen, dem bewusstesten Ausdruck der sozialistischen Bestrebungen der Arbeiterklasse. Unser Programm stellt die Grundlage dar, um das Proletariat vom stalinistischen Dogma des „Sozialismus in einem Land“ zu brechen und zum revolutionär-internationalistischen Bewusstsein zu gewinnen.

Diese Auseinandersetzung bestätigte anschaulich, wie gefährlich es für das Programm ist, wenn man Ereignisse in der DDR im Nachhinein durch die Brille des Determinismus betrachtet: als wäre eine Niederlage der einzig mögliche Ausgang gewesen, nur weil wir eine solche erlitten haben. Genosse Bride führte aus: Glaubt man, dass die Arbeiter im Sowjetblock nie und nimmer das zur Verteidigung des Arbeiterstaates notwendige Bewusstsein erlangen könnten, kommt das einer Übernahme der von antikommunistischen Ideologen wie Hannah Arendt in den 50er-Jahren verbreiteten Lügen gleich, wonach die Arbeiter im Sowjetblock lediglich Opfer des stalinistischen „Totalitarismus“ gewesen seien — hirnlose, seelenlose Sklaven, niemals fähig zu kämpfen. Dies ist im Wesentlichen die Sichtweise der sogenannten Bolschewistischen Tendenz, die 1990 behauptete, eine wirkliche Möglichkeit für eine proletarisch-politische Revolution habe es in der DDR nie gegeben. In seiner Zusammenfassung zitierte Genosse Bride Trotzkis Die Lehren des Oktober (1924): Wäre es den Bolschewiki 1917 nicht gelungen, die Arbeiterklasse zur Macht zu führen, hätte man ganze Bände darüber geschrieben, wie unmöglich es für die russischen Arbeiter gewesen sei, die Macht zu ergreifen. Wie wir in unserem Konferenzdokument schrieben:

„Wir warfen unsere geringen revolutionären Kräfte in die Waagschale eines Kampfes um die Macht. Wir wurden besiegt, aber wir haben gekämpft. Dabei entscheidend ist, dass man lernt, wie die Lehren auf künftige Kämpfe angewandt werden.“

Wie der Abschnitt des Konferenzdokuments über China zeigt (siehe „China und die russische Frage“, Seite 25), war die Konferenzdebatte nur die letzte in einer Reihe von internen Kämpfen und Diskussionen in letzter Zeit. Nur durch solche internen Kämpfe und durch ständige empirische Überprüfung der Lage können wir zu einer klaren und tieferen Einsicht in die zutiefst widersprüchliche Situation im heutigen deformierten Arbeiterstaat China kommen. Viele dieser Kämpfe drehten sich um eine Tendenz, Entwicklungen in China verkürzt darzustellen und die von der Beijinger Bürokratie eingeführten „Marktreformen“ fälschlicherweise so einzuschätzen, als würden sie unmittelbar zur Restauration des Kapitalismus führen. Diese Sichtweise macht sich die Auffassung unserer reformistischen Kontrahenten zu eigen, die zumeist China als bereits kapitalistisch abgeschrieben haben, um ihre Weigerung zu rechtfertigen, für die bedingungslose militärische Verteidigung Chinas gegen imperialistische Angriffe und innere Konterrevolution einzutreten.

Bereits im Juni 2000 hielten wir in einem Antrag des IS fest, dass die Neigung, bei unseren Schlussfolgerungen ausschließlich von den Handlungen und Absichten der Bürokratie auszugehen, „dem Proletariat in China die Rolle eines bloßen passiven Objekts entweder der stalinistischen Bürokratie oder der imperialistischen Bourgeoisie zuweist, nicht aber die Rolle einer selbstständigen, handlungsfähigen Kraft“. Die Marktreformen haben die Kräfte der kapitalistischen Konterrevolution gefördert und ermutigt, aber sie haben auch zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Wachstum beigetragen sowie zu einer weiteren Entwicklung des Industrieproletariats. Dadurch haben sie auch die Widersprüche in China verschärft. Es existieren zwar auf dem Festland die ersten Keimzellen einer Kapitalistenklasse, doch diese ist keine politisch bewusste Klasse mit ihrer eigenen politischen Partei oder einer entsprechenden Formation. Früher oder später werden die explosiven sozialen Spannungen die politische Struktur der herrschenden Bürokratenkaste zersprengen. Dann wird sich mit aller Macht die Alternative stellen: kapitalistische Restauration oder eine proletarisch-politische Revolution unter der Führung einer leninistisch-trotzkistischen Partei, Sektion einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale.

Mexiko und der Kampf gegen den bürgerlichen Populismus

Die gegenwärtige Periode ist allerdings reaktionär, doch das schließt keinesfalls Möglichkeiten zur Intervention in soziale Kämpfe aus. Wir werden nicht durch Repression oder starken Antikommunismus von einem potenziellen Publikum abgeschottet, und in jedem Land, wo wir eine Sektion haben, bieten uns defensive Kämpfe Öffnungen für unsere kommunistische Propaganda und gelegentlich auch für exemplarische Aktionen. Nach solchen Gelegenheiten Ausschau zu halten gehört ja zum Wesen einer kämpfenden Propagandagruppe. In diesem Zusammenhang zitiert das Konferenzdokument die internationale Mobilisierung unserer Kräfte 2006 zur Unterstützung unserer französischen Sektion während der hauptsächlich studentischen Massenproteste gegen Versuche der Regierung, die Rechte junger Arbeiter noch weiter zu beschneiden. Das Dokument betont allgemeiner, dass unsere Sektionen die Fraktionen der Parteijugend wiederbeleben und verstärken müssen, indem diese regelmäßige Arbeit an den Unis durchführen.

Das Konferenzdokument stellt fest, dass besonders Mexiko seit Jahren äußerst labil ist. Eine besondere Kommission, bestehend aus Delegierten der Grupo Espartaquista de México (GEM) und anderen sachkundigen Genossen, wurde eingerichtet, um unsere Intervention zu diskutieren. Diese Diskussion wurde dann im Konferenzplenum eingebracht.

Den Massenprotesten gegen eine einschneidende Preiserhöhung bei Lebensmitteln vorausgegangen waren auch andere Kämpfe gegen die vom US-Imperialismus und von der einheimischen Bourgeoisie auferlegten Entbehrungen. Im ländlichen Süden gärt es erheblich; das zeigte sich in dramatischer Weise bei der monatelangen Besetzung von Oaxaca durch streikende Lehrer, Bauern und Studenten. Es gab bedeutende Arbeiterkämpfe, und auf die Niederlage des PRD-Kandidaten López Obrador bei den Präsidentschaftswahlen 2006 folgten riesige Proteste seiner Anhänger gegen die Wahlmanipulationen der herrschenden rechten Partei. Wie ein Delegierter bemerkte, hat die Politik der Bush-Regierung und des mexikanischen Regimes das Proletariat, die arme Stadtbevölkerung und die Bauernschaft im Kampf zusammengeschweißt. Ohne zu übertreiben kann man in Mexiko eine gewisse Radikalisierungswelle beobachten, deren Ebbe und Flut bis zum Studentenstreik von 1999 an der Universität UNAM in Mexiko-Stadt zurückreichen.

Doch der als radikal angesehene Flügel bei den jüngsten Kämpfen besteht aus kleinbürgerlichen nationalistischen Populisten, wie den Zapatistas und der Volksversammlung der Völker Oaxacas (APPO), denen wiederum die meisten mexikanischen linken Gruppen hinterherlaufen. Das Konferenzdokument erklärte: „Die Hauptstoßrichtung des linken Populismus besteht darin, die zentrale strategische Bedeutung der Arbeiterklasse zu leugnen, indem er das Proletariat im ,Volk‘ auflöst, um es der Bourgeoisie unterzuordnen.“ In einem Flugblatt, das kurz vor der IKL-Konferenz herauskam und inzwischen als Artikel in Espartaco Nr. 27 (Frühjahr 2007), der Zeitung der GEM, erschienen ist, heißt es ausführlicher:

„Populisten beschränken ihr Programm auf demokratische Reformen innerhalb eines kapitalistischen und engen nationalistischen Rahmens. Ungeachtet ihrer Militanz und ihrer Absichten werden ,radikale‘ Populisten wie die EZLN [Zapatistas] und die APPO als Satelliten der PRD enden, auf die sie Druck auszuüben versuchen.“

—„¡Por movilizaciones obreras contra el hambre y la represión!“
[Für Arbeitermobilisierungen gegen Hunger und Repression!]

Organisationen wie die IG oder die Moreno-Anhänger der LTS umkreisen ihrerseits die „radikalen“ kleinbürgerlichen Kräfte, die zur PRD hingezogen werden. Im Konferenzdokument wurde festgehalten, dass die jüngsten Polemiken der GEM gegen die Zapatistas „faktisch die Überbewertung des Bewusstseins der Zapatista-Bewegung korrigieren, die wir 1994 im Spartacist [englische Ausgabe Nr. 49/50, Winter 1993/94] veröffentlichten, dessen Artikel ,Rumblings in the New World Disorder‘ [Gepolter in der Neuen Welt-Unordnung] den Kampf der Zapatistas als eine Widerlegung der Lüge der Bourgeoisie vom ,Tod des Kommunismus‘ verherrlichte, ohne aber zu erwähnen, dass die Zapatistas bewusst die proletarische Revolution ablehnen.“

Im Gegensatz zu den Reformisten, die dem gegenwärtig in weiten Teilen Lateinamerikas wiederauflebenden bürgerlichen Populismus hinterherlaufen, kämpft die IKL für die trotzkistische Perspektive der permanenten Revolution. Wie Trotzki 1938 in einer Diskussion erklärte: „Die Arbeiterklasse Mexikos beteiligt sich, ja muss sich an der Bewegung beteiligen, am Kampf für die Unabhängigkeit des Landes, für die Demokratisierung der Verhältnisse in der Landwirtschaft und so weiter... Es ist notwendig, die Arbeiter zu führen, anzuleiten — ausgehend von den demokratischen Aufgaben bis hin zur Eroberung der Macht“ („Latin American Problems: A Transcript“ [Lateinamerikanische Probleme: eine Abschrift], November 1938). Diese Perspektive ist notwendigerweise mit dem Kampf für die proletarische Revolution in den USA und anderen imperialistischen Zentren verbunden, die letzten Endes allein den sozialistischen Fortschritt garantieren kann. Die Konferenz beschloss, einen Artikel über Trotzkis Ausarbeitung seiner Theorie der permanenten Revolution zu schreiben, der die GEM dabei unterstützt, junge Aktivisten im heutigen Mexiko anzuziehen.

Der Kampf gegen Protektionismus und immigrantenfeindlichen Chauvinismus

Eigens einberufene Kommissionen besprachen diverse strittige oder sonst für uns wichtige Fragen, ehe diese in das Plenum eingebracht wurden. Eine Kommission diskutierte die Lage der Arbeiterinnen in China und deren Kämpfe, damit unsere zukünftige Propaganda kenntnisreich darauf eingehen kann. Eine weitere Kommission untersuchte die Arbeit der IKL in Polen sowie die jüngsten Auseinandersetzungen, die zu der Entscheidung führten, eine polnische Sektion der IKL wiederzugründen (siehe „Spartakist-Gruppe Polens wiedergegründet“, Seite 2). Eine dritte Kommission über unsere klassenkämpferische Verteidigungsarbeit befasste sich hauptsächlich mit dem Kampf für eine proletarische Achse in unserer internationalen Arbeit bei Mobilisierungen für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal. Bei einer weiteren Kommission ging es um die Arbeit unserer Unterstützer in den Gewerkschaften in den verschiedenen Sektionen. Und Mitglieder der Redaktionen des viersprachigen Spartacist diskutierten bei einem Treffen die Pläne für zukünftige Ausgaben.

Die größte Kontroverse gab es in der Gewerkschaftskommission, die eine lebhafte Vorkonferenzdiskussion über Pläne der Hafenbosse zur Zerschlagung der Gewerkschaften in den Häfen Europas aufgriff. Diese beabsichtigen, vorwiegend ausländische Seeleute zum Be- und Entladen von Schiffen einzusetzen (die sogenannte „Selbstabfertigung“). Diesem als „Port Package“ bekannten Angriff auf die europäischen Hafenarbeitergewerkschaften stellte sich die Hamburger Hafenarbeitergewerkschaft entgegen, allerdings vom Standpunkt des chauvinistischen Protektionismus, indem sie die Losung nach „Hafenarbeit den Hafenarbeitern“ erhob, also nach „Job Trusting“ (zünftlerische Arbeitsplatzvergabe).

Diese Linie der Gewerkschaftsbürokratie fand Anklang in der IKL, wie ein Flugblatt vom Januar 2006 zeigt, das von der SpAD in Zusammenarbeit mit Genossen unserer internationalen Zentrale herausgebracht wurde. Dieses Flugblatt vertrat zwei entgegengesetzte Positionen: Gegen den Versuch der Gewerkschaftsbürokratie, die ausländischen Seeleute auszuschließen und abzusondern, stellte es die richtige Forderung auf, dass das Be- und Entladen von Schiffen nach Hamburger Hafentarif bezahlt wird, egal wer diese Arbeit tut, und eröffnete so eine Perspektive von internationaler Zusammenarbeit zwischen deutschen Hafenarbeitern und ausländischen Seeleuten. Doch gleichzeitig wurde im Flugblatt behauptet: „Selbstabfertigung heißt Zerstörung der Gewerkschaften der Hafenarbeiter und noch schlechtere Arbeitsbedingungen für Seeleute!“ Dies bedeutet, dass Hafenarbeit nicht von Seeleuten gemacht werden sollte! Die nationale Konferenz der SpAD vom August 2006 hatte entschieden, diese Anpassung an den chauvinistischen Protektionismus der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie zu korrigieren, doch erst mit den Diskussionen vor und während der internationalen Konferenz wurde die Frage völlig geklärt.

Die Losung „Hafenarbeit den Hafenarbeitern“ ist nationalistisch und protektionistisch, und zwar nicht nur potenziell, wie es zuvor in unserer Propaganda behauptet wurde. Im gegebenen Zusammenhang bedeutet sie: „Deutsche Arbeit für deutsche Arbeiter.“ Wie ein Redner auf der Konferenz bemerkte, muss der Ausgangspunkt einer internationalistischen Perspektive darin bestehen, dass wir uns mit unserem revolutionären Programm an die hauptsächlich philippinischen Seeleute wenden und diese mit ihren deutschen Klassenbrüdern und -schwestern im Kampf gegen die Kapitalisten vereinigen wollen. Das Konferenzdokument bekräftigte unsere Opposition gegen Protektionismus in imperialistischen Ländern: „Für die Bourgeoisie sind Protektionismus und ,Freihandel‘ Optionen, über die sich debattieren lässt. Wenn das Proletariat sich aber für Protektionismus entscheidet, dann lehnt es das Programm des Internationalismus ab, d. h. es verzichtet auf die Revolution. Die Lösung der vom Kapitalismus hervorgerufenen Krisen liegt allein in einer internationalen sozialistischen Planwirtschaft.“

Die Anpassung an Protektionismus im Zusammenhang mit dem „Port Package“ in Hamburg war ein weiteres Zeichen für den zunehmenden Druck des bürgerlichen Liberalismus, der hier durch Gewerkschaftsreformismus vermittelt wird. Die kapitalistische Restauration in Osteuropa und die verschärfte imperialistische Ausbeutung der halbkolonialen Welt haben neue Einwanderungswellen in die Metropolen des Westens ausgelöst. Teile der Bourgeoisie sowie der Gewerkschafts- und der sozialdemokratischen Bürokratie propagieren wirtschaftlichen Nationalismus, um damit die Unzufriedenheit über Arbeitslosigkeit und sinkende Lebensstandards in Feindseligkeit gegen ausländische Arbeiter und Immigranten umzulenken. Ein Hauptvertreter des protektionistischen Giftes in Deutschland ist Oskar Lafontaine, Führer der linkssozialdemokratischen Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), die inzwischen mit der exstalinistischen, sozialdemokratischen PDS fusioniert und Die Linke (auch bekannt als Linkspartei) gegründet hat. Die WASG wurde ebenso wie ihre Nachfolgepartei von einem Großteil der pseudotrotzkistischen Linken freudig begrüßt.

Wir kämpfen stattdessen für eine internationalistische Avantgardepartei, die als „Volkstribun“ handelt und sich für die Verteidigung von Immigranten und ethnischen oder nationalen Minderheiten einsetzt. Unsere Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten für alle Immigranten ist entscheidend für die Verteidigung der Integrität der Arbeiterklasse, denn sie untergräbt die Fähigkeit der Kapitalisten, die verletzlichen Schichten der Bevölkerung einer Superausbeutung zu unterwerfen; sie dient auch der Verteidigung aller Werktätigen. Doch die Minderheiten in Westeuropa sind zu einem Großteil nicht mehr Immigranten, sondern die Kinder und Enkel der eingewanderten Arbeiter, die nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs den Arbeitskräftemangel ausgleichen sollten. Heute tragen diese Jugendlichen die Hauptlast von Arbeitslosigkeit und rassistischer Polizeirepression. Die Unterdrückung ethnischer Minderheiten zu bekämpfen erfordert daher nicht lediglich einen Kampf für demokratische Rechte, sondern einen auf dem Übergangsprogramm basierenden Kampf für das wirtschaftliche Überleben — Organisierung der Unorganisierten, anständige Arbeitsplätze für alle durch eine gleitende Skala der Löhne und der Arbeitszeit —, was den Kampf gegen das kapitalistische System selbst auf die Tagesordnung setzt.

Die Alternative zu dieser revolutionären Perspektive ist eine Art abgekupferter Reformismus, der das Elend, das die kapitalistische Ausbeutung den Menschen „ganz unten“ zufügt, irgendwie anders verteilen will. Das zeigt sich in der Debatte in der US-Arbeiterbewegung darüber, ob eingewanderte Arbeiter die Löhne anderer niedrig bezahlter und besonders unterdrückter Schichten der Arbeiterklasse, insbesondere der schwarzen Bevölkerung, weiter nach unten drücken. Im Hauptkonferenzdokument heißt es dazu: „Aus unserer Sicht ist die Frage von Immigrantenrechten keine ökonomische, sondern eine politische Frage. Unsere Forderungen sind negativ, zusammengefasst in der Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten für jeden, der es in dieses Land geschafft hat, und sie richten sich gegen die Politik des bürgerlichen Staates. Wir haben kein positives Programm. Das heißt, dass wir nicht für eine andersartige Immigrationspolitik unter dem Kapitalismus eintreten... Über Ebbe und Flut der Weltwirtschaft werden wir uns erst dann Sorgen machen, wenn wir sie leiten.“ Das Dokument bekräftigte erneut „die progressive Rolle, die ausländische Arbeiter dabei spielen, die Arbeiterbewegung aus ihrer nationalen Beschränktheit zu reißen“.

Die Kampagne für die Freiheit Mumia Abu-Jamals

Bei der Diskussion in der Kommission für rechtliche und Verteidigungsfragen ging es in erster Linie um die dringende Notwendigkeit, unsere internationalen Anstrengungen für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal zu verdoppeln, dessen Prozess gerade bedrohlicherweise zu einem „beschleunigten Gerichtsverfahren“ erklärt wurde. Mumia, ein Unterstützer der Organisation MOVE, war in seiner Jugend ein Sprecher der Black Panther Party und wurde zu einem sprachgewandten Journalisten, der machtvoll für die Belange der Unterdrückten eintritt. Das rassistische amerikanische „Rechts“system verurteilte ihn aufgrund einer abgekarteten Anklage, im Dezember 1981 einen Polizisten in Philadelphia ermordet zu haben. Die US-Herrscher sind entschlossen, Mumia zu ermorden oder ihn für immer lebendig im Gefängnis zu begraben, um jeden einzuschüchtern, der sich ihrem System zu widersetzen wagt.

Wir kämpfen für eine klassenkämpferische Verteidigungsstrategie, mit dem Ziel, die einzigartige soziale Macht der Arbeiterbewegung zu mobilisieren und den Arbeitern das Verständnis zu vermitteln, dass Mumias Kampf ihr Kampf ist und dass dies ein Kampf gegen den kapitalistischen Staat sein muss. Um diesen Kampf zu gewinnen, ist die Mobilisierung einer zentral auf die Arbeiterbewegung gestützten Massenprotestbewegung notwendig; daher kommt es, wie Genossen betonten, entscheidend darauf an, die Bemühungen der bürgerlichen Liberalen und reformistischen Linken zu bekämpfen, die Illusionen in die kapitalistischen Gerichte verbreiten. Diese Leute ordnen den Kampf für Mumias Freiheit der Forderung nach einem „neuen Prozess“ unter, den das gleiche Justizsystem durchführen soll, das ihn in die Todeszelle beförderte. Diese Forderung bedeutet einen vorsätzlichen Bruch mit Generationen früherer Protestbewegungen, die Forderungen hatten wie „Freiheit für Sacco und Vanzetti“, „Freiheit für die Scottsboro Boys“, „Freiheit für Angela Davis“ usw. Viele dieser Gruppen und Einzelpersonen haben versucht, einen besonders machtvollen Beweis für Mumia Abu-Jamals Unschuld zu verunglimpfen und unter den Teppich zu kehren, nämlich die beeidete Aussage Arnold Beverlys, dass er, nicht Mumia, den Polizisten aus Philadelphia getötet hat und Mumia nichts mit der Ermordung zu tun hatte.

Die Liberalen und ihre reformistischen Mitläufer sind darauf bedacht, dem Justizsystem Amerikas ein sauberes Image zu verpassen; also müssen sie den staatlichen Rachefeldzug gegen Mumia als Anomalie und „Justizirrtum“ darstellen. Sie halten das Beverly-Geständnis für „unglaubwürdig”, weil sie nicht wahrhaben wollen, was Millionen von Menschen weltweit problemlos verstehen: Mumia ist Opfer eines abgekarteten Staatskomplotts. Nichts zeigt klarer, wie sehr unsere reformistischen Opponenten in dieser Periode zu offenen Befürwortern der bürgerlichen Demokratie geworden sind, die darauf hinarbeiten, die Entstehung von antikapitalistischem Klassenbewusstsein zu verhindern, das sich aus Mobilisierungen für Mumias Freiheit ergeben könnte. Indem sie mit der tödlichen Illusion hausieren gingen, dass die kapitalistischen Gerichte „Recht“ sprechen könnten, haben diese Kräfte die Massenprotestbewegung demobilisiert, die es jetzt neu zu beleben gilt.

Für uns stellte sich spätestens seit Ende der 90er-Jahre dringend die Notwendigkeit, die Demobilisierungsarbeit der Liberalen und Reformisten politisch zu bekämpfen. Aber erst die klärenden internen Auseinandersetzungen nach unserer Parteikrise 2003 versetzten uns in die Lage, dies effektiv in Angriff zu nehmen. Voraussetzung für die Wiederbelebung unserer Kampagne für Mumias Freiheit war, dass wir unsere frühere verächtliche Haltung zur Verteidigungsarbeit als ihrem Wesen nach irgendwie opportunistisch revidierten. Wie das Konferenzdokument feststellt, „erforderte dies auf der SL/U.S.-Konferenz [2004] eine Überprüfung unserer Arbeit bis zurück zum Jahr 1987, als wir Mumias Fall aufgriffen. Wir waren es, und nur wir, die seinen Fall international bekannt machten, wobei es nicht nur um Mumia ging, sondern auch um die Barbarei der rassistischen Todesstrafe in den USA.“ Es gelang uns, viel größere soziale Kräfte zum Kampf für Mumia zu aktivieren: Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass es unserer Arbeit zu verdanken ist — und dazu gehört auch unsere Unterstützung anderer Mumia-Aktivisten —, dass er noch am Leben ist.

Gleichzeitig erkannten wir, dass diese anderen Kräfte unserer kommunistischen Politik und unserer Mitwirkung an dem Fall feindlich gegenüberstanden. Doch benutzten wir diese Einsicht, um unseren Rückzug aus dem politischen und polemischen Kampf mit unseren reformistischen Opponenten über Mumias Fall zu rechtfertigen. Vor einiger Zeit bemerkte ein Genosse zu der Reihe solch sektiererischer Rückzüge nach der Zerstörung der Sowjetunion, dass unsere Partei sich „vor einer neuerdings fremd gewordenen Welt in einer Burg versteckte und die Zugbrücke hochzog“. Es folgte eine Anpassung an den menschewistischen Opportunismus, indem „wir die Zugbrücke herunterließen und hinausrannten, um uns in die Menge aufzulösen, wobei wir unsere Banner in der Burg zurückließen“.

Unsere jüngsten internen Kämpfe haben unsere Partei politisch wiederbewaffnet und uns dazu befähigt, bei der Kampagne für Mumias Freiheit wichtige Fortschritte zu erzielen. Das Partisan Defense Committee und andere mit IKL-Sektionen verbundene brüderliche Verteidigungsorganisationen haben in den USA, Kanada, Britannien, Deutschland und anderen Ländern Kundgebungen für die Freiheit von Mumia initiiert, bei denen ein weites Spektrum von Rednern aus der Arbeiterbewegung und anderen Bereichen auftrat. Mumia-Broschüren, die Mumias Unschuld und den jahrelangen Kampf für seine Freiheit dokumentieren und gegen das Vertrauen unserer Opponenten in den bürgerlichen Staat polemisieren, wurden in Englisch, Französisch und Deutsch herausgegeben; Mumia-Faltblätter wurden in vielen Sprachen verteilt. Das PDC und seine Schwesterorganisationen sammelten viele Hunderte von Unterschriften, insbesondere aus der Arbeiterbewegung, für die vom PDC initiierte Erklärung „Wir fordern die sofortige Freiheit von Mumia Abu-Jamal — Mumia ist unschuldig!“, die das Beverly-Geständnis anführt und in einer Reihe von Ländern als Anzeige in Zeitungen von Schwarzen und in liberalen Zeitschriften erschienen ist. Arbeitermassenorganisationen wie der Congress of South African Trade Unions und der Scottish Trades Union Congress verabschiedeten Resolutionen, die Mumias Unschuld verfechten und seine Freiheit fordern.

Wir organisierten öffentliche Veranstaltungen, auf denen wir erklärten, wie der Kampf für Mumias Freiheit Teil unseres Kampfes für die Befreiung der Schwarzen durch sozialistische Revolution in den USA ist. Mumias Fall ist ein Mikrokosmos kapitalistischer Klassenherrschaft und der untrennbar damit verbundenen Unterdrückung der Schwarzen. In den USA ist die barbarische Todesstrafe das Erbe der Sklaverei, der legalisierte Lynchstrick. Mumia wurde in einem abgekarteten Verfahren zum Tode verurteilt, weil er als Kämpfer gegen rassistische und kapitalistische Ungerechtigkeit eine Geschichte hat, die bis zu seiner Teenager-Zeit als Mitglied der Black Panther Party zurückreicht.

Zu den Panthers gingen die Besten einer Generation von jungen schwarzen Kämpfern, die abgestoßen waren von der kriecherischen Beschwichtigungspolitik der Demokraten-freundlichen Mainstream-Führer der Bürgerrechtsbewegung. Doch der schwarze Nationalismus der Black Panther, der jegliche Hoffnung auf die Möglichkeit integrierten Klassenkampfes gegen den rassistischen amerikanischen Kapitalismus aufgab, stellte genauso eine Sackgasse dar wie die Träumerei der liberalen Integrationspolitik, Schwarze könnten innerhalb der Schranken der amerikanischen kapitalistischen Gesellschaft soziale Gleichheit erlangen.

Schwarze in den USA sind keine Nation. Sie sind eine durch Rasse und Hautfarbe bestimmte unterdrückte Kaste: Seit den Anfängen des Sklavensystems sind sie ein integraler Bestandteil der amerikanischen Klassengesellschaft, jedoch ganz unten abgesondert. Der Weg zur Befreiung der Schwarzen ist der Kampf für eine revolutionäre Integrationspolitik — die volle Integration der schwarzen Bevölkerung in einem egalitären sozialistischen Amerika. Vierzig Jahre nach der Bürgerrechtsbewegung sind Schwarze in den USA mit einer Situation konfrontiert, wo Massen von Schwarzen in Haft sind und im Elend leben, ihre Gesundheitsversorgung immer schlechter wird und Rassentrennung an den Schulen zunimmt. Doch schwarze Arbeiter bleiben weiterhin ein entscheidender Bestandteil des multirassischen US-Proletariats. Der Kampf für die Befreiung der Schwarzen ist die strategische Frage der amerikanischen proletarischen Revolution. Eine sozialistische Revolution in den USA kann es erst dann geben, wenn das Proletariat den Kampf für die Befreiung der Schwarzen aufnimmt — gegen jede Erscheinungsform rassistischer Unterdrückung und Diskriminierung —, und eine Befreiung der Schwarzen ist nur möglich durch den Sturz dieses rassistischen kapitalistischen Systems.

Das Konferenzdokument hielt fest, dass unser Kampf für Mumias Freiheit „die seltene Gelegenheit geboten hat, dass unsere Intervention den Gang der Ereignisse ändern kann in einer Frage, die für sehr viele Menschen große Bedeutung hat“. In den Diskussionen auf der Konferenz wurde betont, dass im Kampf für Mumias Freiheit noch viel mehr vonnöten ist. Unsere Hauptaufgabe bei dieser Arbeit besteht darin, die politischen Lehren zu ziehen — angefangen vom Charakter des kapitalistischen Staats bis hin zur Frage der Schwarzen in den USA —, damit wir Arbeiter, Minderheiten und Jugendliche zur Perspektive einer klassenkämpferischen Verteidigung gewinnen, für das umfassende Programm des Kampfes für die sozialistische Revolution, die das kapitalistische System von Ungerechtigkeit und Unterdrückung hinwegfegt.

Der Kampf für revolutionäre Kontinuität

Die Wiedergründung einer polnischen Sektion der IKL war ein Höhepunkt der Konferenz. Die Sektion war 2001 aufgelöst worden, und für die Wiederschmiedung der Gruppe war es entscheidend, dass die falschen Positionen der damaligen internationalen Führung korrigiert wurden. Sehr wichtig war die Klärung der Rolle von Solidarność nach der Restauration des Kapitalismus in Polen als eine rechte politische Organisation und zugleich als eine Gewerkschaft, die ökonomische Kämpfe führt. Eine weitere für die Konsolidierung der Gruppe wichtige Diskussion ging um die trotzkistische Position zum Zweiten Weltkrieg: unser revolutionärer Defätismus gegenüber den imperialistischen Kriegsparteien und damit auch gegenüber dem mit ihnen verbündeten Polen, gleichzeitig bedingungslose militärische Verteidigung der UdSSR. Die Wiedergründung unserer polnischen Gruppe verschafft uns einen äußerst wichtigen, wenn auch kleinen Brückenkopf in Osteuropa.

Die Konferenz bekräftigte die zentrale Bedeutung unserer Verteidigung der Integrität des marxistischen Programms — nach außen durch Interventionen und polemische Auseinandersetzungen, intern durch politische Kämpfe und Klärungsprozesse und nicht zuletzt durch systematische Kaderschulungen, um die Lehren der Geschichte kritisch zu überprüfen und unseren Mitgliedern nahezubringen. Das Hauptdokument stellte fest: „Bei dem gegebenen Charakter und den Schwierigkeiten der Periode können wir in unmittelbarer Zukunft nicht mit wesentlichem Wachstum rechnen. Die Kräfte der IKL sind bis zum Äußersten angespannt.“ Dennoch ist es wichtig, unsere geografische Ausbreitung aufrechtzuerhalten, da keiner weiß, wo die nächsten Klassenkämpfe ausbrechen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Prioritäten zu setzen und an ihnen festzuhalten. Äußerst wichtig ist es in dieser Hinsicht, die zweiwöchentliche Erscheinungsweise von Workers Vanguard aufrechtzuerhalten, der Zeitung der Spartacist League/U.S., die weiterhin die gesamte IKL politisch zusammenschweißt.

Eine Nominierungskommission wurde eingerichtet, um die Vorschläge der scheidenden Führung und der Delegierten für ein neues Internationales Exekutivkomitee zu beraten, das die IKL bis zu unserer nächsten Konferenz leiten soll. Im Unterschied zur Konferenz von 2003, als die Parteikrise zu bedeutenden Veränderungen bei der Zusammensetzung des IEK führte, weist das auf dieser Versammlung gewählte IEK weit mehr Kontinuität auf — eine Widerspiegelung unseres Fortschritts beim Wiederaufbau der Partei und ihrer Führung. Dem neuen IEK, das nach der Diskussion auf der letzten Sitzung der Konferenz in geheimer Abstimmung gewählt wurde, gehört auch eine Schicht jüngerer Genossen aus Sektionen der gesamten IKL an.

Seit der letzten IKL-Konferenz haben wir Fortschritte darin gemacht, den Druck zur Anpassung an liberal-bürgerliches Bewusstsein zu erkennen und zu bekämpfen sowie die Normen des demokratischen Zentralismus auf unsere internen Beratungen anzuwenden. Dennoch gilt, wie das Hauptdokument nüchtern feststellt: „Wir müssen unsere Fähigkeit erheblich schärfen, unter unseren Kadern den Sinn zu bewahren, wozu wir eigentlich da sind — dass nämlich die Macht unseres Programms es uns ermöglicht, Einfluss auf soziale Kämpfe auszuüben; dass wir die einzigen sind, die über ein Programm verfügen, das den Kapitalismus abschaffen kann, die Ursache von Ausbeutung, imperialistischen Kriegen, rassistischer Diskriminierung und der Unterdrückung der Frau.“ Mehrere Jahrzehnte lang haben wir unter vorgeblich trotzkistischen Gruppierungen von Frankreich bis Sri Lanka, Griechenland und anderen Ländern nach Gleichgesinnten gesucht. Doch schließlich mussten wir erkennen, dass wir wirklich die einzige verbleibende trotzkistische Organisation auf der Welt sind.

Weltweit rekrutierten wir viele revolutionär gesinnte Kader aus verschiedenen zentristischen und reformistischen Gruppen bzw. deren Umfeld. Das ermöglichte es unserer Tendenz, aus der nationalen Isolierung in den USA auszubrechen, zuerst nach Australien und Europa und dann nach Japan, Südafrika, Mexiko und in andere Länder. Eine solche internationale Ausweitung war und bleibt absolut entscheidend für die politische Überlebensfähigkeit der IKL gegenüber dem deformierenden Druck, der auf jeder national begrenzten politischen Organisation lastet. Heute besitzt die IKL einen internationalen Kaderstamm, darunter auch jüngere Genossen, die beim Prozess des Wiederaufbauens der Partei hervorgetreten sind. Wir stehen vor der Herausforderung, die angesammelte programmatische Erfahrung früherer Parteigenerationen an diejenigen, die unsere Partei in Zukunft führen werden, weiterzugeben. Dazu gehören breite Kenntnisse der Klassiker des Marxismus und die Aneignung unserer eigenen Geschichte sowie der fortgesetzte Kampf, unser marxistisches Programm in dieser Periode der nachsowjetischen Reaktion zu schärfen und weiterzuentwickeln. Wie bei der gesamten Arbeit der IKL ist unser Ziel nichts Geringeres als die Wiederschmiedung einer authentisch trotzkistischen Vierten Internationale, die das Proletariat dahin führen kann, weltweit die kapitalistische Barbarei durch neue Oktoberrevolutionen hinwegzufegen.

Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr. 25

DSp Nr. 26

Frühjahr 2008

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V. Internationale Konferenz der IKL

Die Aufrechterhaltung eines revolutionären Programms in der nachsowjetischen Periode

Auszüge aus dem Hauptdokument der V. IKL-Konferenz:

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Rezension einer Biografie von Bryan Palmer:

James P. Cannon
und die Ursprünge der revolutionären Linken in Amerika, 1890–1928

James P. Cannon in Moskau, 1922:

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Spartakist-Gruppe Polens wiedergegründet

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Diana Kartsen, 1948–2007

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Aus den Archiven des Marxismus: Rede von Leo Trotzki, 1924

Der Kommunismus und die Frauen des Ostens

(Frauen und Revolution)