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Spartakist Nummer 202

März 2014

Viertes Reich unterstützt ukrainische Faschisten – wieder mal

Ukraine: Rechter Putsch geführt von Faschisten, unterstützt von EU/USA

Nieder mit der imperialistischen EU! Für ein Arbeitereuropa!

Nach Monaten von Demonstrationen gegen die korrupte kapitalistische Regierung von Janukowitsch haben die Imperialisten ihr Ziel erreicht, die Regierung der Ukraine wegzuputschen. Die Speerspitze für diesen von den Imperialisten herbeigeführten Staatsstreich waren die ukrainischen Faschisten und Terroristen des „Rechten Sektors“ und der von den Imperialisten hofierten Stepan-Bandera-Nazis von „Swoboda“. Wie stark der Einfluss der Faschisten in den letzten Wochen der Proteste gewachsen ist, wird daran deutlich, dass sie sogar den mit Janukowitsch von den Imperialisten ausgehandelten und von den Oppositionsführern abgesegneten Deal durch Terror auf der Straße wegfegten und den Sturz Janukowitschs durchsetzten. Während hier die bürgerliche Presse von einer „Revolution“ spricht, bedeutet die Entwicklung für die Arbeiterklasse und alle Unterdrückten in der Ukraine eine Katastrophe. Eine revolutionäre Arbeiterorganisation in der Ukraine hätte dafür mobilisieren müssen, die Faschisten in ihre Rattenlöcher zurückzutreiben.

Der Terror der Faschisten richtet sich wie immer gegen die Arbeiterbewegung, die Linke und die Minderheiten. So gab es bereits am Anfang der Proteste den Sturm der Faschisten auf das Gewerkschaftshaus, welches dann zu ihrer Zentrale wurde. Und die Angst unter den Minderheiten ist schon lange da. Ein Autor auf linksunten.indymedia.org berichtete am 27. Februar von dem sich ausbreitenden rechten Terror gegen linke Aktivisten: „Betroffene Aktivisten haben fluchtartig ihre Arbeits- und Studienplätze aufgegeben und sich vorläufig zum Teil in Restgebiete des Landes geflüchtet, wo die Nazi-Freikorps noch nicht durchregieren.“

Die Demonstranten und ihre imperialistischen Unterstützer erhoben den Anspruch, für die angeblich höheren Werte europäischer Kultur und Zivilisation zu kämpfen. Wie diese „Werte“ aussehen, lässt sich an der bedeutenden Rolle ablesen, die unverhohlene Faschisten von der Swoboda-Partei bei den jüngsten Protesten spielen. Diese Organisation stammt von den ukrainischen Faschisten unter der Führung Stepan Banderas ab, die während des Zweiten Weltkriegs Massenmorde an Juden, Linken, Sowjetsoldaten und Polen begangen haben. Um ihren wütenden Antikommunismus zu unterstreichen, standen die Faschisten in vorderster Front bei der Zerstörung einer Statue W. I. Lenins, dessen bolschewistische Partei die russische Oktoberrevolution von 1917 angeführt hatte, die die Werktätigen und Untertanenvölker des ehemaligen Zarenreiches – Juden, Aserbaidschaner, Ukrainer usw. – von kapitalistischer und gutsherrlicher Unterdrückung befreite. Der Rechte Sektor, der laut BBC (21. Januar) selbst die faschistische Swoboda für „zu liberal und konformistisch“ hält, trat martialisch bei den Demonstrationen auf. Die mit Stahlrohren und Brandbomben bewaffneten Männer übernahmen anfangs nur den „Schutz“ der Proteste und später die Kontrolle wichtigster Gebäude in der Innenstadt und waren die Sturmtruppen beim Umsturz.

Zur Zeit sieht es so aus, als wenn wieder einmal die „Vaterlandspartei“ der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ans Ruder kommt, die das Ziehkind und die Hoffnung des US-Imperialismus ist. Die deutschen Imperialisten hielten Timoschenko und Konsorten eher für zu diskreditiert, um einen Neuanfang zu machen. 2004 nach der sogenannten „Orangenen Revolution“ hatten Timoschenko und Co. durch Ränkespiele, schmutzigste Korruption und In-die-eigene-Tasche-Wirtschaften die Ukraine dem Ruin so nahe gebracht, dass sie von Janukowitsch abgelöst wurden. Bundeskanzlerin Merkel hatte mehr auf Witali Klitschko gesetzt, der direkt von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gesponsert wird und dessen Partei Udar im Bündnis mit der konservativen Europäischen Volkspartei ist.

Die deutsche Regierung mischt also wieder mal kräftig in der Ukraine mit. Hatte der heutige „Ostbeauftragte der Bundesregierung“ Gernot Erler (SPD) noch im Dezember den damaligen Außenminister Westerwelle kritisiert, weil dieser sich mit den Demonstranten gezeigt hatte – neben anderen imperialistischen Einheizern wie dem amerikanischen Senator John McCain und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton – so war später davon keine Rede mehr. SPD-Außenminister Steinmeier führte selber mit seinem polnischen und französischen Kollegen die Verhandlungen, die zum Sturz der Janukowitsch-Regierung führten, und er zeigte sich dabei auch mit dem Faschisten-Führer Oleg Tjagnibok. Dies steht in der schrecklichen Tradition des deutschen Imperialismus, der – wie andere Imperialisten auch – nicht sonderlich wählerisch ist bei der Auswahl seiner Verbündeten, um seine Herrschaft über abhängige Länder durchzusetzen und sie sich untertan zu machen. Im Zweiten Weltkrieg waren es in der Ukraine die Bandera-Faschisten, und in den frühen 1990er-Jahren griff die deutsche Regierung auf die kroatischen Faschisten der Ustascha zurück, um den deformierten Arbeiterstaat Jugoslawien zu zerstören. Jetzt setzte man erneut auf ukrainische Faschisten. Damit die Verbindungen nicht zu offensichtlich wurden, half die Frankfurter Allgemeine am 17. Februar aus, und zwar mit einem Persilschein für die Faschisten von „Swoboda“ und „Rechter Sektor“. Unter dem Titel „Der jüdische Kommandant vom Majdan“ wollte sie widerlegen, „in der Protestbewegung in Kiew gäben Antisemiten den Ton an“. Den anonymen am Maidan-Protest teilnehmenden jüdischen Kommandanten mag es geben oder nicht, das ändert aber überhaupt nichts am rassistischen und antisemitischen Charakter der Faschisten. Der FAZ-Artikel dient nur dazu, die imperialistischen Hintermänner dieser Faschisten weißzuwaschen.

Die westlichen Imperialisten sind mit ihren Bestrebungen, an der Grenze Russlands einen Klientenstaat zu errichten, einen großen Schritt weitergekommen. Russland mit seinem kapitalistischen Machthaber Wladimir Putin war ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Und die Ukraine wäre ein großer Gewinn. Ihre industrielle Basis versorgt den russischen Markt, und ihre Gebiete am Schwarzen Meer und auf der Halbinsel Krim sind für das russische Militär von strategischer Bedeutung.

In den vergangenen Wochen hatte die Obama-Regierung, während sich US-Senator McCain und Swoboda-Führer Oleg Tjagnibok die Hände schüttelten, die für europäische und eurasische Angelegenheiten zuständige Staatssekretärin Victoria Nuland nach Kiew geschickt. Nuland betonte: „Wir stehen hinter den Menschen in der Ukraine, die ihre Zukunft in Europa sehen.“ Gleichzeitig erklärte sie: „Die Rechtsstaatlichkeit muss gewahrt bleiben“, was von den Anführern der Proteste als Zeichen für die mangelnde Bereitschaft der USA gewertet wurde, einen gewaltsamen Sturz des Janukowitsch-Regimes zu unterstützen. Eine kleine Krise zwischen den USA und der EU ergab sich dann auch noch, als Nuland in einem abgehörten Telefongespräch ihren Frust über die als nicht hart genug verstandene Politik mit „Fuck the EU!“ zum Ausdruck brachte. Kanzlerin Merkel ging dies zu weit, sie kritisierte es als „absolut inakzeptabel“ (7. Februar, zeit.de). An solchem Zögern und den Auseinandersetzungen lässt sich ablesen, welche Schwierigkeiten Washington und die EU haben, ihre zum Teil entgegengesetzten strategischen Interessen weltweit zu verfolgen, nicht zuletzt in den Beziehungen zu der russischen Regierung. Die kapitalistische Restauration in der ehemaligen Sowjetunion hatte die nun nicht mehr durch die sowjetische Militärmacht herausgeforderten US-Imperialisten bei ihren Plünderungen ermutigt. Zusätzlich zu ihren Versuchen, durch eine Reihe von nach Farben benannten „Revolutionen“ in ehemaligen Sowjetrepubliken willfährige Regime zu installieren, haben die USA in ganz Zentralasien und anderswo an der Peripherie Russlands Stützpunkte errichtet. Diese militärische Expansion hat nicht nur die Einkreisung des kapitalistischen Russlands zum Ziel, das immer noch die zweitgrößte Atommacht der Welt ist, sondern auch die von China, dem größten und mächtigsten der verbliebenen bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten.

Bürgerliche Rivalitäten

Die Ukraine ist politisch zwischen rivalisierenden Cliquen kapitalistischer Magnaten gespalten, die sich auf Kosten der arbeitenden Massen bereichert haben, indem sie den industriellen Reichtum, der in der Sowjetunion einst Kollektiveigentum war, an sich rissen. Janukowitsch hat seinen Rückhalt in der Ostukraine und auf der Krim. Sein Sohn Oleksandr, einer der reichsten Männer des Landes, besitzt bedeutende Anteile im Bau- und Bankgewerbe und im Kohlebergbau. Andere Oligarchen, die mehr auf europäische Investitionen aus sind, richten sich nach der EU aus.

Beide Seiten schüren auf demagogische Weise Feindseligkeiten zwischen der stark russifizierten und orthodoxen Ostukraine, wo sich der Großteil der Industrie befindet, und der eher ländlichen und uniert-katholischen Westukraine, die seit langem eine Brutstätte des ukrainischen Nationalismus ist. Die Teilnehmer der jüngsten Proteste in Kiew, das in der Landesmitte liegt, kamen überwiegend aus Galizien und anderen Gegenden der Westukraine.

In einer Stellungnahme zum geplanten Abkommen der EU mit der Ukraine gab ein westlicher Diplomat in Kiew unumwunden zu, dass „diese Assoziierungsabkommen eine gewisse koloniale Haltung widerspiegeln“, und bemerkte, dass der Abschluss „für europäische Investoren weit vorteilhafter ist als für die ukrainische Wirtschaft“. Ähnlich bemerkte Stefan Meister in Internationale Politik (Januar/Februar 2014), mit „einer Öffnung der Märkte wären enorme Anpassungskosten angefallen und die Arbeitslosenzahlen in die Höhe geschnellt. Damit wären innerhalb eines Jahres die Zustimmungsraten zu einer Integration mit der EU und Präsident Janukowitsch massiv gesunken.“ Tatsächlich wären die wirklichen Verlierer die Werktätigen in der Ukraine. Ein Freihandelsabkommen mit der EU würde zu massenhaften Fabrikschließungen und zu Massenentlassungen führen, besonders im Osten, wo die Produktion von Stahl, Metallen, Eisenbahnwaggons und Nuklearanlagen schlecht dafür gerüstet ist, mit der Industrie in Deutschland zu konkurrieren. Es würde auch die massiven Öl- und Gasimporte der Ukraine aus Russland gefährden.

Als imperialistischer, von Deutschland dominierter Handelsblock beutet die EU notwendigerweise die Arbeiterklassen Europas aus und unterdrückt dessen schwächere, abhängigere Länder. Nachdem Merkel & Co. die Griechen, Iren, Portugiesen und andere auf Hungerration gesetzt haben, beabsichtigen sie nicht, der armutsgeplagten Ukraine mit ihren 46 Millionen Einwohnern Zugeständnisse zu machen. Tatsächlich sollen die Ukrainer nicht einmal die angeblichen Rechte einer EU-Mitgliedschaft bekommen. So hätte, während die Kapitalisten in der Ukraine investieren und Waren dorthin exportieren dürfen, deren Bevölkerung kein Recht, in EU-Länder zu reisen, um dort zu arbeiten. Darüber hinaus werden jede finanzielle Unterstützung durch die EU und jeder IWF-Kredit an massive Bedingungen gekoppelt sein. Schon frühere IWF-Programme sahen ein Austeritätsprogramm vor, darunter Haushaltskürzungen und die Streichung von Gas- und Ölbeihilfen, ohne die viele im eisigen Winter ihre Wohnungen nicht werden heizen können. Der später zum „Russland-Koordinator“ der Bundesregierung ernannte SPD-Politiker Gernot Erler hatte schon am 12. Dezember in einem Interview mit dem Think-Tank DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) deutlich gemacht, dass die Ukraine von der EU an finanzieller Unterstützung nichts zu erwarten hat: „Denn es gibt gegenwärtig null Zustimmung in Europa für neue Versprechungen an andere Länder.“ Über eine Beitrittsperspektive zur EU bemerkte Erler, diese „würde die russische Seite auch noch mehr provozieren“. Das seit den Bundestagswahlen wieder von der SPD geführte Außenministerium soll die Interessen des deutschen Imperialismus durchsetzen und gleichzeitig versuchen, das Verhältnis zu Russland etwas zu entspannen. So argumentiert Erler dafür, dass Russland sich an den Kosten der Stabilisierung des imperialistischen Klientenstaats Ukraine beteiligen soll.

Während die westlichen Staaten ihren Druck erhöhten, spielte Putin gegenüber der ukrainischen Regierung mit harten Bandagen und drohte die russischen Handelspräferenzen zu beenden, sollte das EU-Abkommen unterzeichnet werden. Später stellte er Zugeständnisse in Aussicht, darunter einen Kredit von bis zu 15 Milliarden Dollar und eine Gaspreisermäßigung von einem Drittel. Es war ein Angebot, welches auszuschlagen sich die ukrainische Regierung nicht leisten konnte.

Daraufhin fasste der US-Senat einen Beschluss, der die „russische wirtschaftliche Erpressung“ verurteilt und der Ukraine im Falle weiterer staatlicher Gewaltanwendung gegen Pro-EU-Demonstranten, und wohl auch gegen die Faschisten, mit Sanktionen droht! Und nun empörten sich europäische und amerikanische Wortführer über die kurzfristig dann noch von Janukowitsch erlassenen Gesetze, die ein hartes Durchgreifen gegen die Proteste erlauben. So wurde erst mal anerkannt, das Putin in dieser Runde einen Sieg errungen hatte, wenn auch einen finanziell riskanten. Die New York Times (17. Dezember 2013) stellte fest: „Für Herrn Putin ist die Rangelei um die Ukraine nur der jüngste mehrerer außenpolitischer Schritte, die dazu dienen, Russland wieder als Gegengewicht zur westlichen Dominanz im Weltgeschehen zu etablieren.“ Die Times erwähnte auch Putins Herausforderung Washingtons durch das vorübergehende Asyl, das er Edward Snowden gewährt hat, und die Abwendung eines US-Militärschlags gegen Syrien, die er mit einem Vorschlag zur Beseitigung von Syriens Chemiewaffen erreicht hatte.

Bandera-Faschisten

Die Faschisten von Swoboda sind keine Randerscheinung. Bei den Wahlen von 2012 bekamen sie mehr als 10 Prozent der Stimmen und 38 der 450 Sitze im ukrainischen Parlament. Swoboda, die ihre Basis im Westteil der Ukraine hat, wurde von den anderen Hauptkräften der Opposition als Teil der Anti-Janukowitsch-Koaliton anerkannt; dies sind die vom ehemaligen Boxer Vitali Klitschko geführte Udar-Partei und die Vaterland-Koalition, die mit der ehemaligen Ministerpräsidentin und Liebling der westlichen Medien Julia Timoschenko verbunden ist.

Swoboda nannte sich bis 2004 Sozialnationalistische Partei, eine Bezugnahme auf den Nationalsozialismus der Nazis, und hatte ein hakenkreuzähnliches Abzeichen. Damals hielt der Swoboda-Führer Tjagnibok eine berüchtigte Rede gegen die „jüdisch-russische Mafia“, welche die Ukraine angeblich regiere. Swoboda unterhält Verbindungen zu anderen faschistischen Parteien Europas wie den Nazis der NPD und der britischen National Party. 2012 sagte ein Swoboda-Abgeordneter, die aus der Ukraine stammende Hollywood-Schauspielerin Mila Kunis sei keine „echte Ukrainerin“, und nannte sie eine „dreckige Jüdin“.

Der ukrainische Nationalismus hatte schon immer einen stark antisemitischen Einschlag und ordnete sich der einen oder anderen größeren kapitalistischen Macht unter. Während der Oktoberrevolution und des darauffolgenden Bürgerkriegs verbündeten sich ukrainische Nationalisten mit einer Reihe reaktionärer Kräfte gegen die Bolschewiki, darunter mit dem kaiserlichen Deutschland, den russischen Weißgardisten und dem imperialistischen Frankreich. Schließlich verbündete sich der ukrainische Nationalist Simon Petljura, der berüchtigt ist für Massaker an der jüdischen Bevölkerung in der Westukraine, mit dem polnischen Nationalisten Pilsudski und trat die westlichen Gebiete an Polen ab. Dieser Landraub teilte die Ukraine praktisch in zwei Teile, dies wurde konsolidiert durch den sowjetisch-polnischen Krieg, als die östliche Region an der von der Oktoberrevolution 1917 geschaffenen neuen proletarischen Macht festhielt.

Später verbündeten sich die ukrainischen Faschisten mit Nazideutschland. Am 1. Januar dieses Jahres organisierte Swoboda in Kiew einen Marsch von 15 000 Teilnehmern, um den Geburtstag des faschistischen Nationalisten Stepan Bandera zu feiern. Unter offener Zurschaustellung ihrer faschistischen Sympathien trugen sie die rot-schwarzen „Blut-und-Boden“-Banner von Banderas Streitkräften vor sich her. Viele trugen die Uniformen der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), die 1940 in Zusammenarbeit mit der deutschen Wehrmacht in der besetzten Westukraine für den Kampf gegen die Rote Armee gegründet worden war.

Alle Flügel der ukrainischen Bourgeoisie kollaborierten mit Hitler, als dieser 1941 ins Land einmarschierte. Die Deutschen gaben schnell zu erkennen, dass sie vor slawischen „Untermenschen“ wenig Achtung hatten und noch weniger vor der ukrainischen Unabhängigkeit; die nationale Stimmung wandte sich schnell gegen die Deutschen. Dennoch verbrachte die UPA, die von Banderas Flügel, der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B), dominiert wurde, mehr Zeit damit, die antifaschistischen Sowjetpartisanen zu bekämpfen, als die deutschen Streitkräfte. Bandera wurde 1944 von den Deutschen „rehabilitiert“, als die Sowjets die Kontrolle über einen Großteil der Ostukraine wiedererlangt hatten. Die Nazis hofften, die ukrainischen Nationalisten könnten den Vormarsch der Roten Armee aufhalten. Bandera schlug sein Hauptquartier in Berlin auf und beaufsichtigte die Ausbildung von Ukrainern durch die Wehrmacht.

Die UPA beging nicht nur Gräueltaten an Juden und Kommunisten, sondern schlachtete auch Tausende von Polen ab. Ihr allgegenwärtiger Antisemitismus wurde in den Memoiren Michail Baitalskis beschrieben, eines ukrainisch-jüdischen Trotzkisten, der von Stalins bürokratischem Regime ins berüchtigte Arbeitslager von Workuta gesteckt worden war, wo er in den 1950er-Jahren einigen von Banderas Anhängern begegnete. Baitalski erzählte, was er über die Taten der Bandera-Schergen in der Ukraine erfuhr:

„Ich möchte nicht vom Schicksal der örtlichen Juden sprechen; ihr könnt euch vorstellen, was mit ihnen passierte. Aber auch Polen lebten dort. Die Bandera-Kräfte schlachteten einen nach dem anderen ab, alle polnischen Familien, die es nicht geschafft hatten, sich zu verstecken. Sie massakrierten sie nicht mit Gewehren, sondern mit Säbeln. Es bereitete ihnen Vergnügen, anderer Leute Kinder mit bloßen Händen zu zerstückeln und Frauen zu massakrieren.“ (nachgedruckt in Bulletin in Defense of Marxism, März 1991)

1947 waren die meisten UPA-Einheiten in die offenen Arme der westlichen Geheimdienste geflüchtet, die sie zu einer Guerillatruppe gegen die Sowjets machten. Doch 1950 hatten sie kaum Einsatzkräfte in der Ukraine. Und 1959 verübte der KGB einen erfolgreichen Anschlag gegen das Faschistenschwein Bandera, der bei seinen imperialistischen Herren in Westdeutschland Unterschlupf gefunden hatte.

Ukrainischer Nationalismus und Konterrevolution

Der historische Sieg der Roten Armee über Hitlers Nazis schuf die Voraussetzungen, um die Westukraine in die UdSSR einzugliedern. Die Planwirtschaft der Sowjetunion ermöglichte Fortschritte für die Minderheitenvölker trotz der parasitären, russisch-zentrierten stalinistischen Bürokratie und grub nationalistischen Kräften massiv das Wasser ab. Ärmere Regionen wie Zentralasien und auch die Ukraine wurden wirtschaftlich gefördert.

Doch während des endgültigen Niedergangs der UdSSR wurden nationalistische Feindschaften und Rivalitäten wiederbelebt und wurden zu einer Triebkraft für die Konterrevolution. Mitte der 1980er-Jahre setzte die Politik der Perestroika (Marktreformen), die der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow zur Wiederbelebung der Wirtschaft eingeleitet hatte, eine Dezentralisierung in Gang, die das Wiederaufleben lange unterdrückter nationaler Gegensätze förderte. Blutige kommunalistische Massaker, wie zwischen Aserbaidschan und Armenien, waren die Folge. Die westlichen Imperialisten, die schon immer die UdSSR durch das Schüren nationaler Feindseligkeiten zu zersetzen versucht hatten, förderten das Anwachsen prokapitalistischer „Unabhängigkeits“bewegungen im Baltikum, der Ukraine und anderswo.

Faschistische Gruppen wie Pamjat in Russland und die Bandera-Anhänger in der Westukraine kamen aus ihren Rattenlöchern hervorgekrochen. Die meisten unserer linken Kontrahenten gingen angesichts des imperialistischen Feldzug für eine kapitalistische Konterrevolution, der 1991/92 triumphierte und den sowjetischen Arbeiterstaat zerstörte, in die Knie. Diese vorgeblichen Marxisten unterstützten alle möglichen antisowjetischen Kräfte, darunter offene Faschisten. 1991 zogen sich Vertreter der Internationalen Kommunistischen Liga aus der Redaktion von Revolutionary History zurück, einer archivarischen Zeitschrift, die sich schwerpunktmäßig der trotzkistischen Bewegung widmet. Ein Grund dafür war der Wunsch eines beträchtlichen Teils der Redaktion, offenkundig faschistoides ukrainisch-nationalistisches Material zu veröffentlichen. Wie ein Artikel in der Zeitung unserer britischen Sektion feststellte: „Michail Baitalski hieß die Bandera-Leute nicht als Kampfgenossen gegen Stalin willkommen; wir können keiner Redaktion angehören, die sich gewissermaßen mit deren Entsprechungen in der heutigen Sowjetunion verbündet“ („ICL Withdraws from Revolutionary History Editorial Board“ [IKL zieht sich aus Revolutionary-History-Redaktion zurück], Workers Hammer Nr. 122, April 1991).

Der Flirt mit den Faschisten der ehemaligen Sowjetrepubliken war unter Pseudotrotzkisten allzu gebräuchlich. Das Vereinigte Sekretariat des verstorbenen Ernest Mandel bejubelte die estnischen „Waldbrüder“-Nazis als „Freiheitskämpfer“ im „Kampf gegen den Stalinismus“. Workers Power, die Schwesterorganisation der Gruppe Arbeitermacht, tourte 1990 mit einem gewissen Juri Butschenko durch Britannien, der sowohl zu russischen Faschisten als auch zu einer Streikbrecher-„Gewerkschaft“ in Britannien Verbindungen unterhielt. Wir blieben dem trotzkistischen Programm treu: Festhalten an der bedingungslosen Verteidigung des degenerierten sowjetischen Arbeiterstaates gegen jeden imperialistischen Angriff und die Kräfte der inneren Konterrevolution, gleichzeitiger Kampf für eine politische Revolution zum Sturz der stalinistischen Bürokratie und zur Wiedererrichtung eines Regimes der Arbeiterdemokratie und des revolutionären Internationalismus.

Die in der Linkspartei vergrabenen „Drittes-Lager“-Sozialdemokraten von Marx21 – mit der International Socialist Tendency verbunden – waren seit dem Koreakrieg in den frühen 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts bereits Apologeten für alle Spielarten des „demokratischen“ Imperialismus, solange er sich nur gegen die Sowjetunion richtete, und feierten den Untergang der Sowjetunion. Tatsächlich ist ihre Dritte-Lager-Position, bekannt geworden im Kalten Krieg durch ihre Parole „Weder Washington noch Moskau“, immer nur eine leere Hülse gewesen, um am Ende im Lager des Imperialismus zu landen. Am 19. Februar veröffentlichte Marx21 auf ihrer Website ein Interview mit Ilya Budraitskis, einem Mitglied der Sozialistischen Bewegung Russlands (Rossiyskoye Socialisticheskoye Dvizheniye, RSD). Unter der Überschrift „Die Ukrainer kämpfen für eine bessere Gesellschaft“ werden die faschistischen Sturmtruppen als quasi revolutionär verherrlicht. Auf die Frage: „Wie reagieren die Demonstranten auf die Ultra-Rechten?“ antwortet Budraitskis: „Überwiegend positiv. Aber nicht, weil viele ihre Ideologie unterstützen, sondern weil sie objektiv die mutigsten und buchstäblich kämpferischsten Teile der Bewegung sind. Keiner geht so offensiv gegen die Polizei vor, wie die Ultra-Rechten.“ Das ist nichts anderes als eine offene Apologie für faschistischen Terror. Waren nicht auch Hitlers SA- und SS-Truppen der „kämpferischste Teil der Bewegung“? Die Logik von Marx21 und ihrer Internationale ist einfach: Alles was sich gegen die Sowjetunion/Russland richtet und für die „demokratischen“ Imperialisten ist, ist gut. Das Märchen von der „Mehrheit der Menschen auf dem Maidan“, die sich „selbst organisieren“ wird zur Apologie für faschistische Sturmtruppen und eine imperialistische Intervention. Die „Maidan-Bewegung“ ist eine von den Imperialisten unterstützte reaktionäre nationalistische Bewegung.

Gerangel um Einfluss zwischen dem Westen und Russland

Die kapitalistische Konterrevolution, die die UdSSR zerstückelte, versetzte der ukrainischen Wirtschaft, die in die gesamtsowjetische wirtschaftliche Arbeitsteilung eingebunden war, einen schweren Schlag. In der gesamten ehemaligen UdSSR sank der Lebensstandard. In der Ukraine betrugen die Reallöhne im Jahr 2000 allenfalls noch ein Drittel der Höhe von 1991 und im Jahr 2002 die Hälfte. Die Beschäftigung in der Industrie ging zwischen 1991 und 2001 um 50 Prozent zurück.

Mangels wichtiger Rohstoffe und wirtschaftlich erschöpft ist die kapitalistische Ukraine notgedrungen auf stärkere kapitalistische Mächte angewiesen. Trotz der einseitigen Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von der Rohstoffgewinnung verschafft das große Atomwaffenarsenal Russland eine Großmachtstellung. Bei dem Versuch der Imperialisten, den russischen Einfluss zu untergraben, arbeitet Polen eng mit den USA zusammen, um seinen ehemaligen Einfluss in der Ukraine wiederzuerlangen.

Putin benutzt den Hebel relativ hoher Ölpreise, um die russischen Interessen in der Region zu verfolgen. Die russische Bourgeoisie herrscht über die Minderheitenvölker in ihrem eigenen Hinterhof; siehe die zwei blutigen, wie zu Kolonialzeiten geführten Kriege zur Unterwerfung des vorwiegend muslimischen Tschetschenien. Über einen möglichen islamischen Aufstand an seiner Südflanke beunruhigt schloss sich Putin mit Freuden dem „Krieg gegen den Terror“ vom früheren US-Präsidenten Bush Jr. an und handelte ein Abkommen aus, welches es US-Truppen erlaubte, auf dem Weg nach Afghanistan Russland zu durchqueren.

Gazprom, der vom Kreml kontrollierte Gaskonzern, ist ebenfalls ein Instrument der Moskauer Außenpolitik. Nach der „Orangenen Revolution“ von 2004, die zur Niederlage von Moskaus Wunschkandidaten in der Ukraine führte, drohte Gazprom mit Preiserhöhungen. Als sich die ukrainische Regierung widersetzte, drehte Gazprom den Gashahn zu. Da die meisten russischen Gasexporte nach Europa per Pipeline über die Ukraine laufen, bedrohte diese Maßnahme auch den Nachschub für europäische Kunden. Obwohl ein Kompromiss gefunden wurde, stiegen die Preise und die Russen hatten erstmal gewonnen. Auch gegenüber anderen Nachbarländern ließ Russland seine wirtschaftlichen Muskeln spielen. So verhängte Moskau ein Importverbot für moldawischen Wein, eines der wichtigsten Exportprodukte des Landes, um Moldawien davon abzuhalten, sich um engere Beziehungen zu Europa zu bemühen.

Russland unterhält auch seine eigene Freihandelszone, die Eurasische Zollunion, deren Zweck es ist, die ehemaligen Sowjetrepubliken im Machtbereich Russlands und von der EU fern zu halten. Kasachstan und Weißrussland sind beigetreten. Armenien, das hinsichtlich seiner militärischen Verteidigung von Russland abhängig ist, kam kürzlich an Bord. Als Antwort auf das EU-Assoziierungsabkommen wurde der Ukraine die Mitgliedschaft angeboten. Doch Putin ließ den Vorschlag vorerst fallen, wohl wissend, dass dieser in einem Großteil der Ukraine nicht erfolgreich sein würde, insbesondere im Westen.

Vor fast zwei Jahrzehnten diskutierte die IKL über Losungen, mit denen man auf die künftige Notwendigkeit sozialistischer Revolutionen in den verschiedenen neu entstehenden kapitalistischen Ländern hinweisen könnte, die auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion aus dem Boden schossen. In „On Slogans Regarding the Former Soviet Union“ [Über Losungen zur ehemaligen Sowjetunion] WV Nr. 614, 13. Januar 1995) stellten wir fest:

„Das Auseinanderbrechen der Sowjetunion hat eine beträchtliche gegenseitige Durchdringung von Völkern und von wirtschaftlichen Produktionseinheiten offenbart, die von einer zentralisierten Planwirtschaft ererbt und auf diese ausgerichtet waren. So lässt sich in einer Anzahl von Regionen (insbesondere der Ostukraine, der Krim, Nordkasachstan) die nationale Frage demokratisch nur lösen durch eine die nationalen Grenzen überschreitende sozialistische Föderation von Arbeiterstaaten oder durch mehrere Förderationen.“

Der Artikel wies auf die Gefahren hin, die jeglicher Zusammenschluss erheblich ungleicher Partner, wie etwa Russlands mit anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, in sich birgt, und betonte, dass eine solche Föderation freiwillig sein müsse.

Wohin wird sich die Bevölkerung der Ostukraine nach einer proletarischen Revolution wenden: Richtung Russland, zur Westukraine, hin zu einer sozialistischen Föderation zwischen beiden oder zu irgendeiner anderen Variante? Die Antwort hängt sehr von dem Verlauf künftiger Klassenkämpfe ab. Doch eines ist klar: Die Zukunft für die arbeitenden Massen in der Ukraine, Russland und anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion ist unter dem Kapitalismus düster. Die entscheidende Aufgabe ist es, leninistisch-trotzkistische Parteien zu schmieden, die einen kompromisslosen Kampf gegen alle Erscheinungsformen von Nationalismus und großrussischem Chauvinismus führen, als Teil einer geduldigen, aber beharrlichen Propaganda, um das Proletariat für das Programm der internationalen sozialistischen Revolution zu gewinnen.

 

Spartakist Nr. 202

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