|
Spartakist Nummer 202 |
März 2014 |
|
|
Südafrika: Streiks und Proteste nehmen zu
Metallarbeitergewerkschaft entzieht ANC Unterstützung
Für eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung!
Für eine leninistisch-trotzkistische Partei!
Nachfolgender Artikel ist übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 1039, 7. Februar.
Bis zu 80 000 Mitglieder der Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU, Bergarbeiter- und Bauarbeitergewerkschaft) befinden sich am 4. Februar in Rustenburg im Streik gegen die drei größten Platinproduzenten Südafrikas – Impala Platinum, Anglo American Platinum (Amplats) und Lonmin – und fordern für die Arbeiter sowohl unter als auch über Tage bedeutende Lohnerhöhungen. Der Ausstand, der am 23. Januar begann, legt die Produktion eines der führenden Exportgüter des Landes lahm und folgt auf einen elfwöchigen Streik der National Union of Mineworkers (NUM, Bergarbeitergewerkschaft) gegen Northam Platinum, der mit der Durchsetzung einer 9,5-prozentigen Lohnerhöhung für die Arbeiter zu Ende ging. Die National Union of Metalworkers (NUMSA, Metallarbeitergewerkschaft), die Scheide- und Hüttenbetriebe von Amplats gewerkschaftlich organisiert, jedoch ihre Mitglieder während des AMCU-Streiks weiterarbeiten ließ, trat am 3. Februar mit eigenen Forderungen ebenfalls in den Ausstand. Im Kampf gegen die Platin-Bosse, die in Erwartung des Bergarbeiterstreiks das Edelmetall massenhaft gehortet haben, ist Gewerkschaftssolidarität von entscheidender Bedeutung.
Derweil terrorisiert die Polizei weiterhin verzweifelte schwarze Township-Bewohner, die Versorgung mit grundlegenden Dienstleistungen wie Wohnraum, Wasser und Elektrizität fordern. Am 13. Januar wurden in Mothutlong, einem Township der Nordwestprovinz in der Nähe des Platingürtels, vier Menschen getötet, als sie für etwas demonstrierten, was ein Grundrecht sein sollte: Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zehn Tage später wurde im Durban-Deep-Bezirk Johannesburgs ein Mann, der an einer Demonstration für Wohnraum teilnahm, von der Polizei erschossen.
Streikwellen und allgegenwärtige „Versorgungsproteste“ zeugen von der zunehmenden Enttäuschung der größtenteils schwarzen Arbeiterklasse und der verarmten Massen über die immer noch schlimmen Lebensbedingungen 20 Jahre nach dem formellen Ende der Apartheid, einem System gesetzlich erzwungener weißer Rassenvorherrschaft. Die vornehmlich auf Superausbeutung schwarzer Arbeitskraft basierende Wirtschaftsstruktur dieser kapitalistischen Gesellschaft hat sich nicht geändert, seit Nelson Mandela und der Afrikanische Nationalkongress (ANC) 1994 durch Wahlen an die Macht gekommen sind. Heute befindet sich der allergrößte Teil des Reichtums des Landes – Bergwerke, Industrie und Land – immer noch in der Hand weißer Kapitalisten und ihrer imperialistischen Schirmherren in Britannien und den USA. Zwar kamen in den Vorstandsetagen der Unternehmen einige schwarze Gesichter hinzu, doch die Masse der schwarzen Arbeiter und der städtischen und ländlichen Armen kämpft ums nackte Überleben.
Während des wilden Streiks der Lonmin-Bergarbeiter 2012 in Marikana war die regierende Dreierallianz – eine nationalistische Volksfront aus ANC, der dem Stalinismus entstammenden Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) und dem Kongress Südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU) – für den schlimmsten Fall tödlicher Polizeigewalt gegen die kämpfenden schwarzen Massen seit dem Ende der Apartheid verantwortlich. In Szenen, die an die Ermordung schwarzer Demonstranten in Sharpeville 1960 und Soweto 1976 erinnerten, knallten Bullen 34 Bergarbeiter kaltblütig ab.
Jetzt, wo sich diese und andere von der AMCU organisierte Platin-Bergarbeiter wieder im Streik befinden, betätigt sich die dem COSATU angeschlossene NUM, die Zehntausende ihrer Mitglieder an die AMCU verloren hat, als Streikbrecher. Und COSATU rief zu mehr tödlicher Repression gegen Streikende auf und forderte in einer Erklärung vom 29. Januar, dass Polizei und Werkschutz die Streikbrecher schützen sollen! Tatsächlich feuerte die Polizei am 4. Februar Blendgranaten und Gummigeschosse, um an einem Amplats-Grubenschacht etwa 3000 Streikende zu zerstreuen. Die AMCU wiederum betätigte sich im vergangenen Jahr bei einem landesweiten NUM-Streik der Goldgruben als Streikbrecherin und offenbarte so, wie verräterisch ihre eigene Führung ist.
Am 10. Dezember zeigte sich die wachsende Wut in der gesellschaftlichen Basis über den ANC öffentlich, als Präsident Jacob Zuma bei einer offiziellen Trauerfeier für den historischen ANC-Führer Nelson Mandela im FNB-Stadion von Johannesburg ausgebuht wurde. Im ganzen Land wurden riesige Trauerfeiern für Mandela abgehalten, der von dem brutalen rassistischen Regime 27 Jahre lang eingekerkert worden war, bevor er freigelassen wurde, um Verhandlungen zu erleichtern, bei denen man sich schließlich auf das Ende der Apartheid-Herrschaft einigte. Wir Trotzkisten verteidigten den ANC und andere Apartheidgegner gegen staatliche Unterdrückung. Doch gaben wir dem ANC, dessen bürgerlich-nationalistisches Programm die schwarze Mehrheit nur weiterhin an das System kapitalistischer Lohnsklaverei ketten kann, nie auch nur die geringste politische Unterstützung. Bei den Wahlen von 1994 lehnte die Internationale Kommunistische Liga jegliche Unterstützung für den ANC ab und erklärte:
„Eine Stimme für den ANC – einschließlich seiner SACP-Mitglieder und der angeschlossenen COSATU-Gewerkschaftsführer – ist eine Stimme für die Fortsetzung der rassistischen Unterdrückung und Superausbeutung der schwarzen, farbigen (gemischtrassigen) und indischen Werktätigen unter einer anderen politischen Herrschaftsform. Die Arbeiter und alle Unterdrückten müssen unabhängig von den kapitalistischen Herren mobilisiert werden.“ („South Africa Elections: ANC’s Deal with Apartheid Bosses“ [Wahlen in Südafrika: Deal des ANC mit den Apartheid-Bossen], WV Nr. 598, 15. April 1994)
Während jetzt die Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse weiter wächst, zeigen sich Risse in der Dreierallianz. Auf einem außerordentlichen nationalen Kongress im Dezember beschloss die NUMSA – eine dem COSATU angeschlossene und mit 338 000 Mitgliedern größte Gewerkschaft des Landes – bei den bevorstehenden landesweiten Wahlen, die im April oder Mai stattfinden sollen, dem ANC die Unterstützung zu entziehen. NUMSA, die ihre Basis vornehmlich in der Autoindustrie hat, beschloss auch, keine andere Partei zu unterstützen, und erklärte, sie würde die Zahlungen in die politische Kasse von COSATU/SACP einstellen und COSATU dazu drängen, mit der Allianz zu brechen. Zusammen mit acht anderen Gewerkschaften widersetzt sich NUMSA auch der Suspendierung des Generalsekretärs Zwelinzima Vavi im vergangenen August, weil er im Verbandshauptsitz angeblich mit einer anderen COSATU-Mitarbeiterin geschlafen habe. Doch die meisten dieser Gewerkschaften haben gerade beschlossen, ihre Wahlunterstützung für den ANC aufrechtzuerhalten.
Der Johannesburger Sunday Independent (19. Januar) berichtete, dass auf dem NUMSA-Kongress die „Delegierten kämpferischer waren als ihre nationale Führung, einschließlich des forschen Generalsekretärs Irvin Jim“. Während ANC-Parteigrößen zu dem Kongress nicht eingeladen waren, befanden sich unter den Gästen imperialistische Botschaftsvertreter der USA und Deutschlands. Auf dem Papier markiert der NUMSA-Beschluss zu den Wahlen einen bedeutsamen Bruch mit dem ANC, doch dessen Grundlage war nicht prinzipielle Ablehnung der Unterstützung für eine kapitalistische Partei.
In einem Flugblatt vom 11. Dezember 2013 stellten unsere Genossen von Spartacist/South Africa (SSA) fest, dass die NUMSA-Führung an ihrer Loyalität zu Mandelas ANC festhält, insbesondere zur 1955 beschlossenen bürgerlich-populistischen Freiheitscharta. Die NUMSA-Führer schwören auch auf die SACP-Doktrin der „Zwei-Etappen-Revolution“, schon lange ein Rezept für ein Bündnis mit einem angeblich fortschrittlichen Flügel der Bourgeoisie. Während Irvin Jim eine gewisse, von der Allianz vertretene, „neoliberale“ Politik anprangert, wie zum Beispiel das GEAR-Programm der späten 1990er-Jahre und den gegenwärtigen Nationalen Entwicklungsplan (NDP), hält er am Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm (RDP) der ersten ANC-geführten Regierung fest, einem Entwurf für einen „reformierten“ Kapitalismus, der nichts zur Befriedigung der Bedürfnisse der Massen beitrug.
Auf der folgenden Seite drucken wir das Flugblatt unserer Genossen ab, das auf dem NUMSA-Kongress verteilt wurde.
|