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Spartakist Nummer 178

Juli 2009

Aus den Archiven des Marxismus

1979: Iran und permanente Revolution

Nachfolgend drucken wir Auszüge aus unserem Artikel „Nein zu den persischen Pinochets! Nein zur ,gerechten Herrschaft des Islam‘! Für eine Arbeiterrevolution in Iran!“ (Kommunistische Korrespondenz Nr. 24, Februar 1979 – Zeitung der Trotzkistischen Liga Deutschlands, die seit 1980 als Spartakist weitergeführt wurde) ab. Gerade angesichts der jetzigen Massenproteste ist es umso wichtiger, die Lehren aus den Ereignissen vor über dreißig Jahren zu ziehen, wo unsere Tendenz durch unser Bestehen auf der politischen Unabhängigkeit des Proletariats einzigartig in der Linken hervorstach. Auch wenn die jetzigen Proteste heterogen zusammengesetzt sind, so sind sie doch politisch einem Flügel der islamischen Hierarchie und iranischen Bourgeoisie um Mussawi und Rafsandschani untergeordnet, an deren Händen das Blut tausender Linker, Kurden und Frauenrechtsaktivisten klebt aus der Zeit, als sie die Macht im Iran innehatten. So war Mussawi 1988 Premierminister, zur Zeit der Massenhinrichtungen linker politischer Gefangener. Zu der im Artikel erwähnten Tudeh-Partei ist heute zu bemerken, dass sie der Chomeini-Regierung ihre volle Unterstützung gab und die Unterdrückung der linksgerichteten Fedajin begrüßte – zwei Jahre bevor sie selber von der islamischen Reaktion vernichtet wurde. Die programmatischen Punkte am Artikelende, insbesondere die Notwendigkeit einer leninistisch-trotzkistischen Partei, sind heute genauso relevant wie damals.

5. Januar [1979] – Ein Jahr nach Beginn der massiven Proteste in Iran gegen den Schlächter Schah scheint dessen Ende besiegelt. „Der Sieg ist nah!“, skandieren Chomeinis Anhänger immer häufiger. Sich zynisch den Hass der iranischen Massen gegen den blutbefleckten Despoten zunutze machend, betreibt der schiitische Klerus den Sturz Mohammed Reza Pahlevis mit allen Mitteln, um die Tyrannei des Schah durch das Joch einer reaktionären islamischen „Republik“ zu ersetzen. Die am 6. November eingesetzte Militärregierung hat sich keine zwei Monate halten können, unfähig, die Millionen Schah-Gegner unter Kontrolle zu halten, wie die Massendemonstrationen anlässlich des religiösen Trauermonats Moharram am 11./12. Dezember gezeigt haben. Zur Jahreswende musste der vom CIA trainierte General Gholam Reza Azhari zurücktreten, nicht ohne vorher seine Dollar-Millionen ins Ausland transferiert zu haben. Jetzt setzt der Schah, der sich mit „Urlaubs“absichten im Ausland trägt, erneut auf die Karte einer Zivilregierung: er beauftragte Schapour Bachtiar, einst Mitglied des bürgerlich-nationalistischen Mossadegh-Regimes, mit der Bildung einer neuen Regierung, das „Parlament“ bestätigte Bachtiars Nominierung zum Ministerpräsidenten. Ziel dieser scheindemokratischen Schmierenkomödie: „das Land vor weiterem inneren Zerfall und den Pfauenthron für den Schah zu retten“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Januar). In der Tat, die erfolgreiche Durchführung von Bachtiars Programm, „arbeiten, arbeiten, arbeiten“, würde für die iranischen Massen nur die Fortsetzung der Herrschaft der Mörder-Monarchie und der kapitalistischen Ausbeutung bedeuten. So war es nur konsequent, als Bachtiar noch vor seiner Ernennung die Werktätigen aufrief, alle Streiks zwecks „Rettung der Nation“ einzustellen.

Aber diese neue Regierung im Sold des Schahinschah ist bereits so diskreditiert, dass die oppositionelle bürgerliche Nationale Front sich genötigt sah, Bachtiar bereits Stunden nach den ersten Gerüchten über dessen Nominierung aus ihren Reihen auszuschließen.

Nichts geht mehr im Iran. Weder die Peitsche des SAVAK und des Militärs, noch das Zuckerbrot einer „demokratisch“ aufgepäppelten Monarchie vermag die unterjochten iranischen Werktätigen im Zaum zu halten. Die Demonstrationen in Teheran und vielen anderen Städten des Landes reißen nicht ab. Am 30./31. Dezember erhängten wutentbrannte Demonstranten in der Stadt Mesched drei Agenten des verhassten SAVAK, woraufhin Armeeeinheiten unter der Menge ein Blutbad anrichteten und schätzungsweise 700 Tote hinterließen. Aber selbst diese bisher zuverlässigste Stütze des Despoten, die Armee, scheint gegen den Virus der Opposition nicht immun zu sein. So sollen sich in Täbris im Nordwesten des Landes Mitte Dezember mehrere hundert Soldaten mit Demonstranten verbrüdert haben. Die größte Sorge jedoch bereiten dem Schah die mächtigen Streiks, die den öffentlichen Dienst, die Banken, die Stahlindustrie und die Erdölproduktion lahmlegen: „Die Räder der Wirtschaft müssen wieder laufen.“ Sonst „sehe ich kaum eine Zukunft für dies Land“. Bisher haben freilich weder die Aufrufe Bachtiars, der Nationalen Front, noch die Appelle des islamischen Klerus von Schariat Madari bis zu Chomeini, doch für den Inlandsbedarf zu produzieren, die Arbeiter auf den Ölfeldern von Abadan zum Aufgeben bewegen können.

Diese Aufforderung zum Streikabbruch auch seitens der schiitischen Geistlichkeit, der Ulema, macht deutlicher als alles andere, was das iranische Proletariat von einer „gerechten islamischen Regierung“, wie Chomeini sie fordert, zu erwarten hätte. Der moslemische Klerus ist nicht nur der geschworene Gegner des Kommunismus, er ist entschiedener Feind aller Rechte der gesamten Arbeiterklasse. Es gibt keinerlei gemeinsame Interessen zwischen Proletariat und Islam. Mullahs und Arbeiter stehen auf verschiedenen Seiten der Barrikade. Allein das iranische Proletariat unter einer revolutionären Führung vermag die Massen von Unterdrückung und Ausbeutung zu befreien. [...]

Die Arbeiterklasse muss die iranische Revolution führen!

Indonesien, Pakistan: beide liefern auf negative Weise eine Bestätigung für die trotzkistische Theorie der permanenten Revolution. In der Epoche des Imperialismus können weder reaktionäre Despoten wie der Schah noch panislamische Fanatiker wie Chomeini in irgendeiner Weise die demokratischen Sehnsüchte der arbeitenden Massen erfüllen. Die einzige soziale Kraft, die diesen Kampf führen kann, ist die Arbeiterklasse unter revolutionärer Führung.

Der Iran ist nicht mit Ländern wie Paraguay oder Botswana gleichzusetzen. Diese Länder sind so rückständig, dass ein sozialer Wandel nur durch die Auswirkungen proletarischer Kämpfe der Nachbarländer vorstellbar ist. Wäre dies in Iran der Fall, würde möglicherweise die Führung der Kämpfe durch die Mullahs weder die gleiche Bedeutung noch solche potenziell verheerenden Konsequenzen haben. Doch ist der Iran in Wahrheit die Heimat der größten und wichtigsten Arbeiterklasse der gesamten Region, einer Arbeiterklasse, die in der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Male die Führung explosiver sozialer Kämpfe übernommen hat.

Die Schaffung einer unabhängigen bolschewistischen Partei in Iran ist heute für Revolutionäre eine unaufschiebbare Aufgabe. Um diese können sich die arbeitenden Massen sammeln, um sowohl gegen die Diktatur des Schah als auch gegen die reaktionäre islamische Geistlichkeit, die heute die Opposition dominiert, zu kämpfen. In der Rebellion von 1945 waren die türkisch-sprechenden aserbeidschanischen Arbeiter führend, und in den Kämpfen von 1951–1953 gegen den britischen Imperialismus standen wiederum die Arbeiter an der Spitze. Letztere gaben schließlich den Anstoß zu den Nationalisierungen der Ölindustrie durch die bürgerlich-nationale Mossadegh-Regierung. Doch wurde die Kontinuität des proletarischen Kampfes unterbrochen, nicht nur aufgrund der blutigen Repression durch die von den USA wieder eingesetzte Diktatur des Schah, sondern auch durch den dauernden Verrat der iranischen Stalinisten.

Die moskauorientierte Tudeh-Partei, die die Hegemonie in der Führung der ersten zwei Wellen von Arbeiterkämpfen nach dem Kriege innehatte, führte ihre Anhänger nicht nur in die Irre, indem sie diese in die politische Abhängigkeit von dem „progressiven“ Nationalisten Mossadegh leitete, sondern wurde auch durch die konterrevolutionäre Pro-Schah-Haltung ihrer Kreml-Mentoren schwer diskreditiert. Die in der Folge iranische Studenten anziehenden maoistischen Gruppen sind gleichermaßen durch Pekings „friedliche Koexistenz“ und mehr noch durch die offene Unterstützung für den Tyrannen auf dem Pfauenthron kompromittiert worden.

Die militanten Arbeiter, die massive ökonomische und politische Streiks in Iran begonnen haben, sind heute ohne eine breit verankerte, unabhängige proletarische Führung. In dieses Vertrauen treten nunmehr Chomeini und die moslemischen Mullahs. Die Koran-Fundamentalisten haben ihren stärksten Halt in den kleinbürgerlichen Basarhändlern und den rückständigen unterdrückten Bauern. Aber sie behalten auch einen bedeutenden Einfluss über weite Sektoren der Textil- und Bauarbeiter, die frisch vom Lande kommen. Aber auch die Facharbeiter der Ölindustrie, die weniger vom religiösen Obskurantismus beeinflusst sind, haben sich nicht gänzlich vom fremdenfeindlichen Chauvinismus befreit, den die von den Mullahs geführte Bewegung praktiziert.

Daher haben z. B. die Mullah-Liebhaber unter den westlichen Linken versucht, die Forderung der Ölarbeiter nach der Ausweisung aller ausländischen Arbeiter einfach als „antiimperialistische“ Parole darzustellen. Doch richtet sich die fremdenfeindliche Kampagne nicht nur gegen amerikanische Aufseher, sondern potenziell auch gegen die vielen tausend Palästinenser, Inder, Koreaner und Afghanis, die einen bedeutenden Teil der Arbeitskräfte ausmachen. Überdies scheint der letzte Streik der Erdölarbeiter, im Gegensatz zu den vorangegangenen, direkt auf Geheiß Chomeinis begonnen worden zu sein.

Die einzige Lösung: proletarische Revolution

Nur das Programm des revolutionären Trotzkismus zeigt den Ausweg für die iranischen Massen. Es steht im schroffen Gegensatz sowohl zur islamischen Reaktion als auch zur brutalen Unterdrückung des „modernisierenden“ Schah:

– Carters „Menschenrechte“ bedeuten die Schlächterei des Schah! Keine US-Intervention in Iran! Keine Militärhilfe für den Schah! Für internationale proletarische Solidarität: Boykott aller für den Iran bestimmten militärischen Güter!

– Für das Recht auf Selbstbestimmung für die Aserbeidschaner, Kurden und alle anderen unterdrückten Nationalitäten in Iran! Volle sprachliche und kulturelle Rechte für alle Nationalitäten!

– Land dem, der es bebaut! Enteignet die Großgrundbesitzer, den Klerus und die königliche Familie! Enteignet den ausländischen Großgrundbesitz! Um die Bauernschaft vom Wucher zu befreien: billige Kredite für kleine Landbesitzer!

– Volle demokratische Rechte für Frauen! Nieder mit dem Schleier! Für die Abschaffung aller restriktiven Familiengesetze! Für die Abschaffung aller Anti-Abtreibungsgesetze! Für gleichberechtigten Zugang zu Erziehung und Beruf!

– Gewinnt die einfachen Soldaten, die Söhne der Arbeiter und Bauern, für die Sache des Proletariats! Kein Vertrauen in „antiimperialistische“ Offiziere!

– Nieder mit dem Kriegsrechtsregime des Schah! Zerschlagt den SAVAK! Für Volkstribunale zur Bestrafung der SAVAK-Folterknechte! Freiheit für alle Opfer des weißen Terrors des Schah!

– Nieder mit dem Schah! Nieder mit den Mullahs! Für eine souveräne, säkulare konstituierende Versammlung! Für eine Arbeiter- und Bauernregierung!

– Für eine trotzkistische Partei in Iran! Für die Wiederschaffung der Vierten Internationale, der Weltpartei des Proletariats!

 

Spartakist Nr. 178

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