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Spartakist Nummer 178

Juli 2009

Sozialdemokratisches Vertrauen in den Staat entwaffnet Arbeiter

Nazischläger überfallen DGB-Mai-Demos

Für multiethnische, gewerkschaftlich organisierte Verteidigung gegen Faschisten!

Am 1. Mai überfielen Nazis die traditionelle DGB-Demonstration in Dortmund. Über 300 rotteten sich in der Dortmunder Innenstadt zusammen. Mit Holzstangen bewaffnet stürmten Dutzende der Nazischläger auf den Demonstrationszug zu, der gerade die Innenstadt verließ, und schleuderten Flaschen, Pflastersteine und Feuerwerkskörper auf die Arbeiter. Besondere Zielscheibe waren die Kontingente kurdisch- und türkischstämmiger Arbeiter am Ende der Demo, die sich mutig zur Wehr setzten, um die Demo zu verteidigen. Dieser Überfall fand parallel zu zahlreichen anderen Naziprovokationen am 1. Mai im ganzen Land statt, einschließlich Angriffen auf Demonstranten in Ulm, Rotenburg (Wümme) sowie in Freiberg in Sachsen. Diese Angriffe am internationalen Tag der Arbeiterklasse zeigen ganz klar, dass die Faschisten die Todfeinde der multiethnischen Arbeiterbewegung sind. In den letzten Jahren richtete sich ihr Terror vor allem gegen Flüchtlinge, Immigranten und ethnische Minderheiten sowie einzelne Linke. Ihr ultimatives Ziel ist die Zerschlagung der Gewerkschaften und aller unabhängigen Arbeiterorganisationen.

Die Rolle des bürgerlichen Staates wurde ebenfalls durch die Ereignisse am 1. Mai deutlich, wo die Bullen ihre Hauptangriffe gegen Linke und Gewerkschafter richteten. In Dortmund griffen einige der anwesenden Polizisten brutal Arbeiter an, die versuchten, die DGB-Demo zu verteidigen. Aufnahmen von Hayat TV, die tags darauf vom WDR ausgestrahlt wurden, zeigen, wie ein Polizist in Kampfmontur einem Arbeiter, der am Boden festgehalten wird, voll gegen den Kopf tritt. Am selben Tag in Berlin wurden Demonstranten, die eine NPD-Provokation im Stadtteil Köpenick verhindern wollten, brutal von der Polizei des SPD/LINKE-Senats daran gehindert, und die paar hundert NPD-Nazis wurden von der Polizei vor tausenden Gegendemonstranten geschützt. Ähnliche Szenarien spielten sich bundesweit in anderen Städten ab. Gleichzeitig gab es massive Polizeirepression gegen die linke „Revolutionäre 1.-Mai-Demo“ in Berlin mit über 200 Verhafteten (siehe KfsV-Protestbrief auf Seite 19).

Die Antwort auf die Naziprovokationen muss die organisierte Verteidigung durch die multiethnischen Gewerkschaften sein. Es ist notwendig, die Arbeiterorganisationen an der Spitze aller potenziellen Opfer der Faschisten zu mobilisieren, um durch disziplinierte Einheitsfrontaktionen, unabhängig von den Kapitalisten und ihrem Staat, die Nazis zu stoppen und sie in ihre Rattenlöcher zurückzutreiben. Diese notwendigen Mobilisierungen erfordern in erster Linie einen politischen Kampf in der Arbeiterbewegung. Die Nazis haben heute das Gewicht einer Fliege im Vergleich zu den Gewerkschaften, die Millionen deutscher, ex-jugoslawischer, kurdischer und türkischer Arbeiter und deren Kinder und Enkel umfassen. Doch durch die Politik des Vertrauens in den kapitalistischen Staat werden die Arbeiter entwaffnet. Die Verantwortung dafür liegt bei der prokapitalistischen Gewerkschaftsbürokratie und den eng mit ihr verbundenen sozialdemokratischen Parteien SPD und LINKE. Mit ihren endlosen ohnmächtigen Appellen an Polizei und Gerichte, gegen die Nazis vorzugehen, sowie generell durch die Unterordnung der Arbeiterorganisationen unter den bürgerlichen Staat haben sie systematisch das elementare Klassenverständnis zerstört, dass sich die Arbeiter gegen die Faschisten selbst verteidigen müssen. Die Arbeiter werden an den Staat des Klassenfeindes gekettet und dadurch werden die Nazis zu neuen, dreisteren Provokationen ermutigt.

Den Angriffen am 1. Mai voraus ging der Naziüberfall im Februar auf Gewerkschaftsbusse an der Autobahnraststätte Teufelstal nach einem Naziaufmarsch in Dresden. Die Gegner der Nazis wurden abgelenkt durch die Volksfrontdemonstration „Geh-Denken“, deren Zweck es nicht war, die Nazis zu stoppen, sondern vielmehr, das Image des deutschen Imperialismus aufzupolieren. Den ganzen Tag wurde von Spitzenpolitikern sozialdemokratischer und bürgerlicher Parteien Vertrauen in den „demokratischen“ bürgerlichen Staat gepredigt, während 6000 Nazis staatlich geschützt für ihr Völkermordprogramm durch Dresden marschierten. Die Arbeiter und andere Nazigegner wurden durch diese Volksfrontpolitik entwaffnet – die Politik von Bündnissen, die sich auf das beschränken, was dem sogenannten demokratischen Flügel der Bourgeoisie in den Kram passt. Die Nazis dagegen traten mit gestärktem Selbstbewusstsein auf, wie auch die Angriffe am 1. Mai zeigen.

Der Dortmunder DGB-Bezirksvorsitzende Eberhard Weber hatte im Vorfeld der 1.-Mai-Demo an die Polizei appelliert, die Demo vor den Nazis zu schützen. Dass diese Art Appelle direkt entgegengesetzt zur notwendigen Vorbereitung einer disziplinierten Verteidigung der Demo durch Gewerkschaftsmitglieder sind, zeigte sich, als bekannt wurde, dass die Nazischläger auf dem Weg zur Kundgebung waren. Weber organisierte die Flucht und ließ die Demo von 2500 Leuten einfach abmarschieren, wodurch die Kontingente der türkisch- und kurdischstämmigen Arbeiter am Ende des Demozuges kriminellerweise weitgehend alleingelassen wurden, wo sie gegen die Naziangriffe kämpften. Weber kritisierte im Nachhinein die Polizei, nicht massiv genug vor Ort gewesen zu sein, und lobte groteskerweise die Bullen, die in Wirklichkeit einen der Arbeiter, die die Demo verteidigten, zusammenschlugen!

Die Linkspartei stieß ins gleiche Horn. So beschweren sich der Dortmunder Kreisverband-Vorstand und MdB Ulla Jelpke (eine Galionsfigur für die „Linke der Linken“, d. h. DKP und junge Welt) in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 4. Mai, „dass die Dortmunder Polizeiführung im Kampf gegen Neofaschisten auf der ganzen Linie versagt“ habe:

„Wir betonen ausdrücklich unseren Respekt vor jenen Polizeibeamten, die sich, teilweise ohne Kampfmontur, den Nazis in den Weg gestellt haben, um die DGB-Demo zu schützen. Für absolut unverantwortlich halten wir aber den weiteren Verbleib von Polizeipräsident Schulze im Amt… DIE LINKE wiederholt ihre Forderung: Schulze muss abgesetzt werden, damit Nazis in Zukunft der Weg blockiert wird!“

So versuchen Jelpke und Co. die demokratische Fassade wiederherzustellen, gerade wo der bürgerliche Charakter der Polizei als Organ zur Klassenunterdrückung gegen die Arbeiter deutlich wurde. Ihr ekelerregender „Respekt“ vor der rassistischen Polizei hat den Hintergrund, dass das grundlegende Programm der LINKEN darin besteht, Regierungsverantwortung für den kapitalistischen Staat zu übernehmen, ihn zu verwalten (wie zurzeit im Berliner Senat). Die reformistische Linke stellt den Kampf gegen Faschismus als eine Frage von klassenloser „Demokratie“ kontra Diktatur hin, was die Klassengrundlage des Faschismus verschleiert und die reformistische Beschönigung der bürgerlichen Demokratie, d. h. der Diktatur der Kapitalistenklasse, rechtfertigt.

Die Faschisten sind die Kettenhunde der Kapitalistenklasse, die in Zeiten relativer bürgerlicher Stabilität zurückgehalten werden, um in Perioden der Krise von der Leine gelassen zu werden, wenn die kapitalistische Ordnung durch Arbeiterrevolution gefährdet ist. Anfang der 30er-Jahre hatte Leo Trotzki, zusammen mit Lenin Führer der Oktoberrevolution von 1917, in seinen Schriften über Deutschland erklärt:

„Die Reihe ist ans faschistische Regime gekommen, sobald die ,normalen‘ militärisch-polizeilichen Mittel der bürgerlichen Diktatur mitsamt ihrer parlamentarischen Hülle für die Gleichgewichtserhaltung der Gesellschaft nicht mehr ausreichen. Durch die faschistische Agentur setzt das Kapital die Massen des verdummten Kleinbürgertums in Bewegung, die Banden deklassierter, demoralisierter Lumpenproletarier und all die zahllosen Menschenexistenzen, die das gleiche Finanzkapital in Verzweiflung und Elend gestürzt hat“ (Was nun? – Schicksalsfragen des deutschen Proletariats, Januar 1932).

Wenn die Bourgeoisie ihr Privateigentum an den Produktionsmitteln bedroht sieht, wird sie wieder versuchen, die faschistische Karte zu spielen. Deshalb ist es notwendig, die Faschisten zu zerschlagen, solange sie noch klein sind.

Gegenwärtig sind die „,normalen‘ militärisch-polizeilichen Mittel“ für die Bourgeoisie vollkommen ausreichend, um die Arbeiter niederzuhalten. Deswegen zügeln Polizei und Gerichte gelegentlich auch die eine oder andere Naziprovokation, insbesondere um die „demokratische“ Glaubwürdigkeit des deutschen Imperialismus aufzupolieren. Die SPD/Grünen-Koalition, die von 1998 bis 2005 regierte, setzte geschickt „antifaschistische“ Rhetorik ein, um den Nachfolgestaat des Dritten Reichs weißzuwaschen und so die Interessen des Exportweltmeisters international voranzubringen. Gleichzeitig werden Arbeiter, Immigranten und Linke umso schärfer vom bürgerlichen Staat verfolgt. In Hannover wurde eine geplante Nazidemo am 1. Mai mit der Begründung verboten, dass „Gewaltbereitschaft“ zu erwarten sei. Und mit ähnlichen Argumenten wurde am selben Abend in Dortmund eine antifaschistische Demonstration verboten.

Auf der Anti-NPD-Demonstration am 1. Mai in Berlin-Köpenick forderte der LINKE-Vorsitzende Gregor Gysi das Verbot der NPD, und linke Anhängsel der Linkspartei wie MLPD, DKP und junge Welt machen dies gemeinsam mit dem VVN-BdA zu einem Dreh- und Angelpunkt ihrer Kampagnen gegen Nazis. Appelle an den bürgerlichen Staat, die Faschisten zu verbieten, demobilisieren das Proletariat. Solche Verbote werden letztlich immer gegen Arbeiter und Linke verwendet. Das hat sich immer wieder gezeigt: Die Einleitung des Verbotsverfahrens gegen die KPD 1951 wurde abgedeckt mit der Aufnahme eines Verbotsverfahrens gegen die faschistische SRP im gleichen Jahr. Unmittelbar auf das Verbot der faschistischen FAP folgte 1993 das Verbot der kurdischen PKK. Während die Kurden, linke türkische Gruppen, Kommunisten und andere Linke unnachgiebig verfolgt werden, ließ der Staat die Nazis sich weitgehend ungestört neu organisieren. Unter dem Deckmäntelchen der Parteienfinanzierung stopft der Staat Millionen Euro in die Kassen der NPD-Nazis, und V-Leute des Verfassungsschutzes sitzen in Naziorganisationen und wirken – zum „Sammeln von Informationen“! – bei der Organisierung von Naziangriffen mit.

Dieser kapitalistische Staat – im Kern Polizei, Armee, Justiz und Gefängnisse – ist nicht neutral, sondern ein Instrument zur Verteidigung der Herrschaft und des Privateigentums der Bourgeoisie. Das wird bei jedem Streik deutlich, der sich zuspitzt. Als Anfang Mai französische Continental-Arbeiter nach Aachen kommen wollten, um dort gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen zu protestieren, wurden hunderte Polizisten mit Pferden, Hunden und Wasserwerfern mobilgemacht, um das Gebiet vor dem Werk in eine Festung zu verwandeln. Als Infineon-Arbeiter 2005 gegen die drohende Werksschließung streikten und den Betrieb wirklich dichtmachten, so dass keine Streikbrecher durchkamen, griffen die anwesenden Bullen die Arbeiter brutal an und zogen sogar die Pistole gegen einen Streikposten. Die Polizisten sind die professionellen Streikbrecher der Bosse.

Kapitalistisches Elend und Nationalismus nähren die Faschisten

Mit dem Schlachtruf „Arbeit zuerst für Deutsche“ wie z. B. bei der NPD-Provokation am 1. Mai in Berlin-Köpenick setzen die Nazis soziale Demagogie ein, um die weitverbreitete Angst vor Arbeitslosigkeit und Verelendung in rassistischen Terror gegen Flüchtlinge und Arbeiter kurdischer, türkischer und osteuropäischer Herkunft zu kanalisieren. Das Heer von Arbeitslosen – von Karl Marx auch als industrielle Reservearmee bezeichnet – ist ein untrennbarer Bestandteil des Kapitalismus. In Zeiten des Aufschwungs werden sie benutzt, um die Löhne so niedrig wie möglich zu halten, in Zeiten der Wirtschaftskrise wie heute wächst ihre Zahl an, da die Kapitalisten „Überkapazitäten“ abbauen, um ihre Profite zu retten. Traditionell bilden Frauen und Arbeiter ausländischer Herkunft und ethnischer Minderheiten den Kern der industriellen Reservearmee. Sie sind die letzten, die eingestellt werden, und die ersten, die die Bosse feuern. Der faschistische Terror begleitet die Angriffe der Kapitalisten und ihres Staates gerade gegen diesen Teil der ärmeren Bevölkerung.

Wie soziale Verelendung die Faschisten nährt, zeigen die Folgen der Konterrevolutionen von 1990 bis 1992 in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion, die von Ostberlin bis Moskau mit einem mörderischen Aufstieg von Nationalismus und Naziterror einhergingen. In der im Herbst 1989 beginnenden proletarisch-politischen Revolution kämpften wir damals mit all unseren Kräften, um die Arbeiter gegen die Konterrevolution zu mobilisieren, und warnten:

„Noch ist der wiederaufsteigende Faschismus eine extremistische Randerscheinung. Er würde erneut die ganze Menschheit bedrohen, sobald die ersten Krisen in einem wiedervereinigten Großdeutschland auftauchen. Heute ist aber die SPD/SDP das Hauptinstrument, ein solches Großdeutschland herbeizuführen. Das vielköpfige faschistische Ungeheuer abzuwürgen heißt, diesem sozialdemokratischen Vordringen Einhalt zu gebieten.“ (Spartakist Nr. 66, 3. Januar 1990)

Die kapitalistische Wiedervereinigung und die darauffolgende ökonomische Verwüstung der Ex-DDR war mit einer rassistischen Hetzkampagne gegen das Asylrecht verbunden. Dem von unter führender Beteiligung Oskar Lafontaines im Sommer 1992 durchgesetzten Beschluss der SPD zur Abschaffung des Asylrechts folgte das staatlich genehmigte Nazipogrom in Rostock-Lichtenhagen auf dem Fuß. Es folgten die mörderischen Brandanschläge in Mölln und Solingen. Die Folgen von Konterrevolution und kapitalistischer Fäulnis zeigen sich auch in Westdeutschland: Dortmund, eine Hochburg der faschistischen Szene, liegt im Ruhrgebiet, wo Industriearbeitsplätze seit Jahrzehnten zerstört worden sind und die Arbeitslosigkeit in einigen Bezirken das Niveau Ostdeutschlands erreicht.

Heute sind Massenentlassungen aufgrund der Weltwirtschaftskrise in vielen Ländern schon voll im Gang oder stehen kurz bevor, wie hierzulande, sobald die Bundestagswahlen vorbei sind. Dies unterstreicht die Dringlichkeit von gemeinsamem internationalen Klassenkampf, um die rassistische und nationalistische Teile-und-Herrsche-Politik der Bosse und ihres Staates zu durchkreuzen, die auf der Straße von den Faschisten ausgetragen wird. Eine klare Warnung, welche Gefahr nationalistischer Protektionismus für die Arbeiter darstellt, war kürzlich in Britannien zu sehen. Dort mobilisierten die Führer der Baugewerkschaft zu reaktionären Streiks für „britische Jobs für britische Arbeiter“, eine reaktionäre nationalistische Losung, die historisch von den Faschisten der BNP benutzt wurde und 2007 vom britischen Premierminister Gordon Brown (Labour Party) aufgegriffen wurde. (Siehe dazu: „Britannien: Gewerkschaften müssen immigrierte Arbeiter verteidigen!“, Spartakist Nr. 176, März 2009.) Und kurz danach bei den Wahlen zum Europaparlament haben rechtspopulistische Parteien mit rassistischen Wahlkampagnen in den Niederlanden und Österreich erfolgreich abgeschnitten, während in Ungarn die faschistische Jobbik über 14 Prozent und in Britannien die BNP-Nazis 6 Prozent verzeichnen konnten.

Die sozialdemokratische Klassenkollaboration der Gewerkschaftsbürokratie beruht auf der Unterordnung der Arbeiter unter die „eigene“ Bourgeoisie im Namen des „Standorts“. Es bedeutet die nationalistische Spaltung der Arbeiter, wie beim Arbeitsverbot in Deutschland gegen Arbeiter aus osteuropäischen EU-Staaten, das kriminellerweise von der DGB-Führung im Namen der „Sicherung von Arbeitsplätzen“ unterstützt wurde. In Wirklichkeit spaltet solcher Chauvinismus die Arbeiterklasse und hindert den gemeinsamen Klassenkampf, der notwendig ist, um eingewanderte Arbeiter zu organisieren und die Lebensbedingungen aller Arbeiter zu verteidigen. Die Gewerkschaften müssen gegen das Arbeitsverbot gegen osteuropäische Arbeiter kämpfen als Teil eines Kampfes für die Organisierung der Unorganisierten und für volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben. Solch ein Kampf Klasse gegen Klasse, verbunden mit der Forderung nach Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich, würde machtvoll die Teile-und-Herrsche-Strategie der Kapitalisten durchkreuzen und einen proletarischen Gegenpol zu den braunen rassistischen Terroristen und ihrer nationalistischen Demagogie bilden.

Ein solcher Kampf würde notwendigerweise mit dem Rahmen der kapitalistischen Herrschaft kollidieren und müsste mit den Spielregeln der Bosse und ihres Staates brechen. Die Zusammenarbeit der Gewerkschaftsführung mit dem bürgerlichen Staat – einschließlich der Organisierung der professionellen Streikbrecher der „Gewerkschaft“ der Polizei als Teil des DGB – ist zentraler Bestandteil der Klassenzusammenarbeit der Gewerkschaftsführung. Der Kampf für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Faschismus muss mit dem Kampf für eine klassenkämpferische Führung der Gewerkschaften verbunden werden.

Die einzige „Zukunft“, die SPD und Linkspartei mit den reformistischen Linken im Schlepptau bieten, ist die Hoffnung auf eine „linke“ bürgerliche Regierung, um den Kapitalismus sozial zu gestalten. Was es tatsächlich bedeutet, den Staat der Bourgeoisie zu verwalten, zeigt sich deutlich in Berlin, wo die LINKE gemeinsam mit der SPD regiert. SPD und PDS wurden 2002 in die Regierung geholt, um die Berliner Bankgesellschaft auf dem Rücken der Arbeiter im öffentlichen Dienst und durch massive Sozialkürzungen zu retten. Diese „Sanierungs“angriffe gingen Hand in Hand mit rassistischem Terror und Repression gegen Linke. Am 8. Juni wurde eine Massenabschiebung von über einhundert Vietnamesen vom Flughafen Schönefeld in Berlin durchgeführt, die erste Massenabschiebung seit Mitte der 90er-Jahre. Gleichzeitig lief eine rassistische Hetzkampagne gegen ca. hundert Mitglieder von Roma-Familien, die auf der Flucht vor Verfolgung, einschließlich Pogromen, und wirtschaftlichem Elend aus Rumänien hierherkamen. Der Berliner Senat schikanierte sie permanent und vertrieb sie schließlich. Die Gewerkschaften müssen gegen Abschiebungen mobilisiert werden!

Unser Ziel ist es, eine multiethnische Arbeiterpartei aufzubauen, um die Arbeiter mit einem Programm des Klassenkampfes gegen die kapitalistischen Ausbeuter zu bewaffnen, letztlich ausgerichtet auf das Ziel, dieses marode kapitalistische System zu stürzen und durch eine internationale sozialistische Planwirtschaft zu ersetzen. Die Produktivkräfte könnten dann weiterentwickelt werden, um den Interessen der gesamten Bevölkerung zu dienen und nicht den Profitinteressen der winzigen Minderheit der Kapitalistenklasse. Erst dies würde auch den Faschisten endgültig den Boden entziehen.

Falsche Lehren von 1933

Ein Beschluss der Delegiertenversammlung der IG Metall Gelsenkirchen vom 18. Mai unter der Überschrift „Wehret den Anfängen“ erinnert anlässlich der Naziüberfälle vom 1. Mai an den März 1933, als SA und Polizei Gewerkschaftshäuser stürmten. Aber das Dokument propagiert Wehrlosigkeit der Arbeiter gegen die Faschisten geradezu als ein „Ideal“:

„Wir in der IG Metall Gelsenkirchen fordern alle politischen Parteien in diesem Lande dazu auf, unverzüglich die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, die NPD und andere faschistische Organisationen, mitsamt deren Gedankengut, zu verbieten, damit die Zeit nicht wieder zurückgedreht werden kann. Damit Gewerkschaften nie mehr dazu gezwungen sein müssen, bei Veranstaltungen wie dem 1. Mai Ordnungskräfte aufzustellen, um ihre Mitglieder vor Naziterror zu schützen.“

Dies zeigt, dass die falschen Lehren aus der bitteren Niederlage von 1933 gezogen werden, als aufgrund des Verrats der Führung eine der mächtigsten Arbeiterbewegungen kampflos vor dem Hitler-Faschismus kapitulierte.

Damals hatten die Gewerkschaften Millionen Mitglieder, die KPD war ebenso wie die SPD eine Massenpartei, und die Arbeiter wollten kämpfen. Die SPD-Führung unternahm alles, um ihre Arbeiterbasis fest an den bürgerlichen Staat zu ketten und von unabhängigem Kampf zurückzuhalten – bis hin zur Unterstützung Hindenburgs bei der Wahl zum Reichspräsidenten als angebliche Alternative zu Hitler. Im Januar 1933 ernannte Hindenburg Hitler dann zum Reichskanzler. Die KPD, auf die die fortgeschrittensten Arbeiter schauten, die sich mit der Oktoberrevolution in Russland von 1917 identifizierten, weigerte sich, die SPD in Einheitsfrontaktionen zur gemeinsamen Verteidigung aller Arbeiterorganisationen – unter der Losung „Getrennt marschieren, vereint schlagen!“ – zu zwingen, wofür Trotzki und die Linke Opposition kämpften. Solche Aktionen hätten nicht nur die Nazis stoppen können, sondern im Verlauf des Kampfes hätten die SPD-Arbeiter auch ihre eigene verräterische Führung auf den Prüfstand stellen und sich in der Praxis von der Richtigkeit des kommunistischen Programms überzeugen können. Die Führungen von KPD und Kommunistischer Internationale (Komintern) spielten, nach einigen Jahren stalinistischer Degeneration, die Gefahr der Faschisten herunter, indem sie in hirnrissigem Sektierertum die SPD als „sozialfaschistisch“ bezeichneten und gleichzeitig durch Illusionen in den „demokratischen“ Ablauf im Staatsapparat – „Nach Hitler wir“ – Passivität verbreiteten.

Trotz der Ähnlichkeit, dass wir heute auch am Anfang einer Wirtschaftskrise stehen, sieht die Bourgeoisie ihre Herrschaft nicht unmittelbar durch proletarische Revolution bedroht. In den 30er-Jahren steckte der Kapitalistenklasse noch die Furcht vor den Auswirkungen der Oktoberrevolution von 1917 und der revolutionären Nachkriegswelle in Europa in den Knochen. Heute, nach der kapitalistischen Konterrevolution in der Sowjetunion und den ehemaligen Ostblockstaaten, ist das Proletariat international weit zurückgeworfen worden und identifiziert seine Kämpfe nicht mehr mit dem Endziel des Sozialismus. So fühlt sich die herrschende Klasse trotz internationaler Wirtschaftskrise sicherer im Sattel und sieht keine unmittelbare Notwendigkeit, die Faschisten zur Verteidigung ihrer Herrschaft an die Macht zu bringen. Das bedeutet keineswegs, dass die Arbeiterbewegung die tödliche Gefahr des Faschismus herunterspielen darf. Gerade wo die heranrollende Wirtschaftskrise Millionen Kleinbürger und Arbeiter zu ruinieren und ganze Teile der Bevölkerung zu deklassieren und zu lumpenisieren droht, können die Faschisten sehr wohl durch blutigen Terror und Demagogie auf diesem Nährboden wachsen.

Auf den Verrat von 1933 folgte die nicht weniger verräterische Wende der Komintern hin zur Volksfront, der Unterordnung der Arbeiterklasse unter einen illusorischen „demokratischen“ Flügel der Bourgeoisie im Namen des Kampfes gegen den Faschismus. Zahlreiche Revolutionen wurden so in die Niederlage geführt – in Spanien schlug die Volksfront die Arbeiterrevolution, die 1931 begann, nieder und bahnte so den Franco-Faschisten den Weg an die Macht (siehe „Trotzkismus kontra Volksfrontpolitik im Spanischen Bürgerkrieg“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 27, Frühjahr 2009). Genau diese Volksfrontpolitik wird als Lehre aus der Niederlage von 1933 verkauft: Man solle sich auf den Staat des Klassenfeindes verlassen, die demokratische geläuterte deutsche Bourgeoisie von Auschwitz überzeugen, die Nazis zu verbieten, im Namen der „Einheit gegen rechts“ Bündnisse nur auf Grundlage der bürgerlichen Demokratie eingehen usw. Verstärkt durch die Ideologie vom angeblichen „Tod des Kommunismus“ aufgrund der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion durchdringt diese Politik umso mehr den „Antifaschismus“ der heutigen reformistischen Linken.

Die Faschisten sind ein Produkt der Fäulnis des Kapitalismus, und genau deshalb ist eine Beschränkung des Proletariats auf den Rahmen des Kapitalismus so tödlich. Die Arbeiterklasse als einzige wirklich schöpferische und revolutionäre Klasse in der heutigen Gesellschaft muss den Unterdrückten und Verarmten einen progressiven Ausweg aus der kapitalistischen Sackgasse weisen, den Weg zu einer klassenlosen, internationalen kommunistischen Gesellschaft, den Weg der proletarischen Revolution. Das bedeutet, eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei zu schmieden, die revolutionäre Führung gibt.

 

Spartakist Nr. 178

Spartakist Nr. 178

Juli 2009

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