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Spartakist Nummer 178

Juli 2009

Benno Ohnesorg: Opfer des kapitalistischen Staates

Anti-DDR-Hetze soll deutschen Imperialismus weißwaschen

„Rein zufällig“– direkt vor der Wahl zum Bundespräsidenten und zum 60. Jahrestag des Grundgesetzes – wird enthüllt, dass der Westberliner Polizist Karl-Heinz Kurras, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, seit 1955 auch für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS), genannt Stasi, arbeitete. Darüberhinaus wird bekannt, er sei seit 1964 Mitglied der SED gewesen. Die Frankfurter Allgemeine, Zeitung der deutschen Bourgeoisie, jubelte: „Köhler gewählt! Wolfsburg Meister! Grundgesetz 60! Kurras SED-Mitglied!“ Natürlich schwarz-rot-gold. Ausgerechnet Ohnesorgs Tod, der als Polizeiwillkür schlechthin gilt, zum Auftragsmord der Stasi umzubiegen, passt zum Konzept der Ideologen der deutschen Bourgeoisie, die Geschichte antikommunistisch umzuschreiben und die DDR im Gegensatz zum „demokratischen“ kapitalistischen Deutschland als Unrechts- und Schurkenstaat auszumalen. Ohnesorgs Ermordung galt als einer der blutigen Flecken auf der angeblich weißen Weste des imperialistischen Westdeutschlands. So soll man jetzt wohl auch vergessen, welcher Bullenterror dieser Tage im März linken Demonstranten in Straßburg beim NATO-Gipfel widerfuhr, und noch bei Drucklegung dieses Artikels sitzen Demonstranten im Knast, die am 1. Mai in Berlin von Polizisten niedergeprügelt wurden.

Die Ermordung von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 in der NATO-Frontstadt des Kalten Kriegs Westberlin gilt als Fanal der Studentenbewegung, die in Deutschland für eine Radikalisierung in der Gesellschaft, vor allem der Jugend (Studenten und Arbeiter), sorgte. Helmut Müller-Enbergs, Enthüllungsjournalist der Birthler-Behörde, die seit 1990 für die „Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen“ verantwortlich zeichnet, erklärt: „Mit Karl-Heinz Kurras hat ein Genosse der SED und ein IM des MfS den Studenten Benno Ohnesorg erschossen – ein Polizist also, der allein auf Wunsch der Staatssicherheit seinen Dienst bei der West-Berliner Polizei versah“ („Der 2. Juni 1967 und die Staatssicherheit“, Deutschland Archiv 42). Jedoch kann er keinen Hinweis aufführen, dass Kurras im Auftrag der Stasi geschossen hätte. Im Gegenteil, das MfS brach den Kontakt mit Kurras sofort danach ab und vermerkte auf der Akte „Mörder Benno Ohnesorgs“ (Tagesspiegel, 2. Juni).

Wir Trotzkisten waren für die bedingungslose militärische Verteidigung des deformierten Arbeiterstaates DDR gegen Imperialismus und innere Konterrevolution. Wir kämpften auf dieser Grundlage für proletarische politische Revolution, um die stalinistische Bürokratie zu stürzen und die Arbeiter politisch an die Macht zu bringen. Dass die Stasi sich einen Informanten in der Westberliner Polizei zunutze machte, ist aus der Sicht der Arbeiterklasse überhaupt kein Verbrechen (im Gegenteil, sicher waren viele der Informationen angesichts des Kalten Krieges und der permanenten Hetzarbeit des Westberliner SPD-Senats von Nutzen). Die Ermordung von Benno Ohnesorg war jedoch ganz klar ein Verbrechen, das Kurras in seiner Funktion als kapitalistischer Polizist beging. Dazwischen verläuft die Klassenlinie, die Linie zwischen dem kapitalistischen Westdeutschland und dem deformierten Arbeiterstaat DDR. Die Bourgeoisie bestätigt das von ihrem Klassenstandpunkt aus auf eigene Weise: Solange Kurras als „normaler“ Polizist galt, der einen linken Studenten niedergeschossen hat, war er ihr Mann. Jetzt, wo herausgekommen ist, dass er Informationen an ihren Klassenfeind, die DDR, gegeben hatte, wird er dafür verurteilt.

Zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft benötigt die Kapitalistenklasse, wie Marx und Engels erklärten, einen Repressionsapparat – „besondere Formationen bewaffneter Menschen“, im Kern Polizei, Armee, Gefängniswesen –, um die anderen Klassen, vor allem das Proletariat, zu unterdrücken. Wie Trotzki 1932 in Was nun? schrieb: „Die Arbeiter, die Polizisten im Dienst des kapitalistischen Staates geworden sind, sind bürgerliche Polizisten und nicht Arbeiter.“ Ihr Job ist es, die Herrschaft der Kapitalisten und ihres Staates zu verteidigen, die Aufgaben sind tagtägliche Verhaftungen, Abschiebungen, Streikbruch, Arbeiter zu verprügeln. Bullen sind kein Teil der Arbeiterbewegung, sondern ihr tödlicher Feind. Deshalb gehören Polizisten auch nicht in die Arbeitermassenorganisationen, die Gewerkschaften.

Kurras wurde in zwei Verfahren von fahrlässiger Tötung freigesprochen – zu einer Mordanklage kam es nie. Fritz Teufel dagegen, ein linker Teilnehmer an den Protesten am 2. Juni 1967 gegen den Schah, wurde, nachdem er von der Polizei zusammengeschlagen worden war, des schweren Landfriedensbruchs beschuldigt und kam erst nach Protesten mehr als zwei Monate später vorübergehend aus der Untersuchungshaft. Kurras konnte ungestört seinen Dienst einschließlich einiger Beförderungen in der Westberliner Polizei bis zum Renteneintritt weiterführen. Sorgen brauchte er sich dabei nie machen, wesentliche Beweisstücke (einschließlich des Schädelknochens mit der Einschussstelle) verschwanden, wichtige Zeugen wurden nicht gehört. Beim „Freispruch“ stellte der damalige Richter Geus sogar noch fest, dass „auf Ohnesorg auch dann noch eingeschlagen wurde, als er tödlich getroffen bereits am Boden lag“ (stern online, 1. Dezember 2007).

Es war nicht die Stasi, sondern die „Gewerkschaft“ der Polizei (GdP) des kapitalistischen Westberlins, die 60 000 DM für seinen Rechtsanwalt zahlte. Jetzt nach der Enthüllung über Kurras’ Stasitätigkeit hat SPD-Innensenator Körting die Überprüfung seiner Pensionsansprüche angeordnet und die Akten angefordert. Nun wurde auch auf einmal eine Strafanzeige wegen Mordes gefordert. Otto Schily, einstiger Anwalt der Ohnesorg-Hinterbliebenen, der ab 1998 unter der SPD/Grünen-Regierung Innenminister und damit oberster Chef der Polizei war, erklärte im Spiegel (25. Mai): „Wenn die Polizei gewusst hätte, was es mit diesem Herrn auf sich hatte, hätte sie den Fall ganz anders angefasst. Dann wäre Ohnesorgs Tod richtig aufgeklärt worden.“ Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) forderte, der Kriminalobermeister im Ruhestand müsse „nachträglich degradiert werden“, weil er „unwürdig war und ist, im Polizeidienst eines Rechtsstaats gestanden zu haben“ (Spiegel online, 25. Mai). Folgerichtig wurde jetzt der 81-jährige Kurras aus dem Polizeisportverein und der Polizei„gewerkschaft“ ausgeschlossen. Die Causa Kurras ist ein wahres Lehrstück über den kapitalistischen Staat und seine Justiz. Die bürgerliche Klassenjustiz kann ebenso wenig den Interessen der Unterdrückten dienen wie der bürgerliche Staatsapparat insgesamt, der das Privateigentum an Produktionsmitteln sichert.

2. Juni 1967 – Notstandsprobe für kapitalistischen SPD-Senat

Der 2. Juni ist als „Notstandsprobe“ in die Geschichte eingegangen, als ein Exempel, wie die bürgerliche Staatsmacht mit Gegnern umgeht. Es begann mit tagelangen Bürgerkriegsmobilisierungen, für die 30 000 Polizisten aufgeboten wurden – Maßnahmen, wie sie heute noch angewendet werden. Der Staatsbesuch des verhassten bluttriefenden iranischen Schahs, einer Marionette der Imperialisten, diente dabei als Anlass für Übungen unter Notstandsgesetzbedingungen (Gesetze, bei denen Militär eingesetzt werden kann, um Streiks niederzuschlagen, die bis heute noch gelten). Seit Anfang der 1960er-Jahre radikalisierten sich Studenten und Schüler weltweit unter anderem durch den mörderischen Krieg der USA gegen eine soziale Revolution in Vietnam. Unsere Tendenz trat für den militärischen Sieg des Vietkong ein und forderte: „Ganz Indochina muss kommunistisch werden!“ Wirtschaftlich hatte Westdeutschland gerade eine tiefe Wirtschaftskrise hinter sich, Arbeiterproteste, einschließlich wilder Streiks, breiteten sich aus. In Westberlin, Schaufenster der „freien Welt“ gegenüber dem Arbeiterstaat DDR, schürte die bürgerliche Presse eine ungeheuerliche Kampagne mit rassistischen und faschistoiden Sprüchen gegen Studenten und Jugendliche. Der antikommunistische SPD-Senat hetzte dabei fleißig mit und ging mit Brachialgewalt gegen alle vor, die Sympathie mit Vietnam und etwas gegen imperialistische Unterdrückung hatten. Seit der Bildung einer großen Bonner Regierungskoalition von CDU und SPD 1966 und dem Eintritt der Gewerkschaftsführungen 1967 in die „Konzertierte Aktion“ (einer Maßnahme, mit der versucht wurde, die Arbeiter an ihre Bosse zu binden) brachen immer mehr Jugendliche und Arbeiter von der SPD, die sie zunehmend als Teil des Repressionsapparates ansahen.

Der Angriff beim Schahbesuch auf die Studenten begann mit den berüchtigten „Jubelpersern“ (Angehörige des iranischen Geheimdienstes SAVAK), die mit langen Stangen ungehindert auf Demonstranten einprügeln konnten; iranische Kommilitonen der Studenten waren vorab festgenommen worden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb damals, die Polizei habe „einer Brutalität Lauf gelassen“, wie sie „bisher nur aus Zeitungsberichten über faschistische oder halbfaschistische Länder bekannt wurde“ (Die Zeit, 17. Mai 2007, „Der Tag, der die Republik veränderte“). Sebastian Haffner, Autor einer damaligen wöchentlichen stern-Kolumne, schrieb:

„Was sich in der Berliner Blutnacht des 2. Juni ereignet hat, war nicht die Auflösung einer Demonstration mit vielleicht etwas zu rauen Mitteln. Es war ein systematischer, kaltblütig geplanter Pogrom, begangen von der Berliner Polizei an Berliner Studenten. Die Polizei hat die Demonstranten nicht, wie es üblich ist, verjagt und zerstreut, sie hat das Gegenteil getan: Sie hat sie abgeschnitten, eingekesselt, zusammengedrängt und dann auf die Wehrlosen, übereinander Stolpernden, Stürzenden mit hemmungsloser Bestialität eingeknüppelt und eingetrampelt.“ („Die Nacht der langen Knüppel“, 25. Juni 1967)

Dieser Artikel brachte Haffner eine Anzeige der Polizei ein und stachelte Uwe Soukop zur Untersuchung der Tatumstände an, niedergelegt im lesenswerten Buch Wie starb Benno Ohnesorg? Der 2. Juni 1967. Ein Greiftrupp zur Festnahme von Rädelsführern hatte die Aufgabe, kleine Gruppen schnell in einer Gasse zusammenzutreiben, sogenanntes „Füchsejagen“. Dies passierte Benno Ohnesorg, der zum ersten Mal in seinem Leben zu einer Demo ging, völlig unbewaffnet war, aufgrund seines roten Hemdes gut gesehen werden konnte und von den Bullen eingekesselt und dann von Kurras in einem Hofeingang der Krummen Straße erschossen wurde. Der Westberliner SPD-Polizeipräsident Duensing, mit Erfahrungen als Generalstabsoffizier der Wehrmacht, war stolz auf seine berüchtigte „Leberwursttaktik“, „in die Mitte hineinstechen, damit sie an den Enden auseinanderplatzt“. Der SPD-Bürgermeister Albertz verteidigte die Polizei, und die Springer-Presse hetzte über „SA-Methoden“ der Studenten! Die Autoren des linken Kursbuch vom April 1968 „Der nicht erklärte Notstand – Dokumentation und Analyse eines Berliner Sommers“ drückten aus, was viele Jugendliche und Studenten damals dachten: „Die Justiz kann hier keinen Verantwortlichen finden, weil sie selbst zu dem Apparat gehört, der gegen die Demonstranten eingesetzt wird. Schießen und Bestrafen sind nur zwei Bewegungen des Staatsapparates in die gleiche Richtung.“

Benno Ohnesorgs Tod wurde zum Symbol, nun erst recht zu kämpfen. Viele politisierte und international inspirierte Linke und Jugendliche gründeten linke Zirkel an den Unis, gingen in die Betriebe, und einige wandten sich dem bewaffneten Guerillakampf zu. Hass auf die SPD allein führt jedoch nicht zu einem revolutionären Programm. Ohne revolutionäre Partei, die den Schulterschluss der Studenten mit der Arbeiterklasse propagiert – der einzigen sozialen Macht, die die Gesellschaft an der Wurzel packend grundlegend ändern kann – verblieb der überwiegende Teil der Jugendlichen in kleinbürgerlichen Bewegungen gefangen oder gesellte sich zu den Maoisten. Deren falsche Theorie von der Sowjetunion als imperialistischem Staat führte dazu, dass sich die jugendlichen Studenten und Arbeiter mit dem wesentlichen Punkt der deutschen Bourgeoisie versöhnten, nämlich dass der sogenannte „Hauptfeind“ in Moskau bzw. Berlin-Pankow ist. Die Klassenlinie verlief mitten durch Deutschland. Nachdem die Rote Armee das Naziregime 1945 zerschlagen und ganz Europa von der Nazibarbarei befreit hatte, gab es im Westen das antikommunistische Bollwerk Westdeutschland, wo die deutsche Bourgeoisie von Auschwitz an der Macht weiterhin ihre bürgerliche Klassendiktatur, diesmal mit „demokratischem Antlitz“, ausübte, während im Osten die Kapitalisten enteignet und die Produktionsmittel vergesellschaftet wurden und der bürokratisch deformierte Arbeiterstaat DDR entstanden war.

Die besten Elemente dieser Bewegung der „Neuen Linken“ versuchten wir Trotzkisten zu gewinnen. Rekruten zum revolutionären Marxismus bildeten die Grundlage für die wichtige internationale Ausweitung unserer Tendenz, die in den USA im Kampf gegen die revisionistische Degenerierung der damals noch trotzkistischen Socialist Workers Party Anfang der 60er-Jahre entstanden war. Wir verteidigten den deformierten Arbeiterstaat DDR und den degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion bedingungslos militärisch gegen den Imperialismus und innere Konterrevolution, so wie wir heute die verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten China, Kuba, Nordkorea und Vietnam verteidigen. Unser Programm für proletarisch-politische Revolution im Osten Deutschlands zum Sturz der Bürokratie sowie für soziale Revolution im Westen zum Sturz der Kapitalistenklasse drückte sich durch unsere Losung „für die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands“ und unseren Namen Trotzkistische Liga Deutschlands aus. 1974 wurde die TLD als deutsche Sektion der internationalen Spartacist Tendenz gegründet.

In den 70er-Jahren machte derselbe monströse kapitalistische Staatsapparat Jagd auf die Rote Armee Fraktion und andere Gruppen wie die „Bewegung 2. Juni“. Er trampelte auf den elementarsten demokratischen Rechten von RAF-Angeklagten herum, verurteilte sie in Schauprozessen zu langjährigen Gefängnisstrafen, folterte sie mit Isolationshaft. Der Staat schickte 1974 Holger Meins und 1976 Ulrike Meinhof – angeblich „Selbstmord durch Erhängen“ – in den Tod. Im Oktober 1977 starben Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Dunkel der Nacht bei einem angeblichen „geplanten Gruppenselbstmord“ mit Pistolen und Messern im rund um die Uhr videoüberwachten Hochsicherheitstrakt von Stammheim, in dem alle Zellen permanent durchsucht wurden. Im sogenannten deutschen Herbst (zehn Jahre nach Ohnesorgs Tod) zeigte die bürgerliche „Demokratie“ ihr unverhülltes Gesicht als Diktatur der Bourgeoisie, die sich auf ihre Repressionsorgane, „besondere Formationen bewaffneter Menschen“, stützt, um jeden Widerstand zu brechen oder gleich ganz zu vernichten. Wir vergessen nicht, dass elf RAF-Unterstützer durch polizeiliche Todesschüsse ermordet wurden. Und dieser Staatsterror wurde von der gleichen SPD durchgeführt, die 60 Jahre zuvor Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermorden ließ.

Als nach der Konterrevolution in der DDR, Mitte 1990, zehn ehemalige Mitglieder der RAF und Bewegung 2. Juni in verschiedenen DDR-Städten verhaftet wurden, wo sie seit Jahren normal gelebt und überlebt hatten, übernahm die SPD die Führung bei einer Hetze gegen „RAF-Stasi-Verbindungen“, die das Ziel hatte, die DDR als einen kriminellen Staat zu brandmarken, der „den Terroristen“ Unterschlupf gewährt habe. Wir verurteilten dies und schrieben: „Schluss mit Hexenjagd gegen Ex-RAF!“ (Spartakist Nr. 73, 3. Juli 1990). 1993 wurde Wolfgang Grams von der GSG 9 niedergestreckt, dies war eine weitere Lektion über den kapitalistischen Staat. Grams wurde keine einzige Tat vorgeworfen, allein „die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“. Dies reichte der Bourgeoisie als Freibrief zum Töten. Die Spartakist-Arbeiterpartei und vorher die Trotzkistische Liga haben immer die RAF und die anderen linken Gruppen gegen die Repression des bürgerlichen Staats verteidigt, so wie wir alle Opfer antikommunistischer Hexenjagden verteidigen.

Trotzkistischer Kampf gegen Konterrevolution

Schon in den 70er-Jahren war es abstoßend, festzustellen, wie viele linke Gruppen die Forderung nach Freilassung der RAF fallengelassen hatten. Die Kapitulation vor der eigenen Bourgeoisie verschärfte sich noch mit Ausbruch des zweiten Kalten Kriegs Ende 1979, als die Rote Armee dem bedrängten modernisierenden Regime in Afghanistan gegen einen reaktionären Aufstand der von der CIA und den Imperialisten unterstützten Mullahs und Großgrundbesitzer zu Hilfe kam. Viele Linke, die zehn Jahre zuvor noch „Ho, Ho, Ho Chi Minh“ gerufen hatten, heulten nun mit den imperialistischen Wölfen im antisowjetischen Chor. Als Ausdruck unserer grundlegenden Verteidigung von Fortschritt sowie aufgrund unserer bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion erklärten wir: „Hoch die Rote Armee in Afghanistan!“ und riefen zur Ausweitung der Errungenschaften der Oktoberrevolution auf die Völker Afghanistans auf. In Fortsetzung ihres politischen Kurses landeten die reformistischen Linken auf Seiten der kapitalistischen Konterrevolution in der DDR 1990 und dann in der Sowjetunion 1991/92. So waren wir einzigartig in unserem Kampf gegen die Konterrevolution.

Mit den „Enthüllungen“ über Kurras wurde jetzt eine neuerliche groteske Hexenjagd angefacht. Sie soll von den Verbrechen des kapitalistischen Deutschlands ablenken, in dessen Rahmen Kurras am 2. Juni funktionierte. Die Stasi ist nun angeblich Urheber und Ursünde für Krawall und Randale der Studentenbewegung und verantwortlich für die RAF! So fragt sich Stasi-Enthüller Helmut Müller-Enbergs (früher mal Mitglied des RJVD, Vorläufer-Jugendorganisation der maostalinistischen reformistischen MLPD): „Welches Signal wäre das gewesen, wenn der beginnenden studentischen und außerparlamentarischen Bewegung das im Juni 1967 bekannt geworden wäre?“ (Deutschland Archiv 42). „Haben sich die 68er im Feindbild geirrt?“, titelt die Frankfurter Rundschau. So fragt der ehemalige KBWler (maoistischer Kommunistischer Bund Westdeutschland) Gerd Koenen: „Und da man schon fast alles für möglich hält: War es reine Paranoia oder eine nicht unplausible Intuition, als der DDR-Abhauer Rudi Dutschke in den letzten Jahren seines Lebens zu der Vermutung kam, sein Attentäter, der junge Rechte Josef Bachmann, der wie er aus dem Osten kam und mit dem er etliche Briefe gewechselt hatte, könnte auch von Mielkes Staatssicherheit angestiftet worden sein?“ (Süddeutsche Zeitung, 27. Mai).

Der Bau der Mauer im August 1961 hatte das von den Imperialisten betriebene ökonomische Ausbluten der DDR gestoppt. Die Mauer war eine bürokratische Maßnahme zur Verteidigung des Arbeiterstaats. Deshalb haben wir Trotzkisten sie verteidigt. Sie war als Frontlinie der Verteidigung der Oktoberrevolution das Hassobjekt der Imperialisten. Die stalinistische Bürokratie war eine parasitäre Kaste, die sich auf die proletarischen Eigentumsformen eines deformierten Arbeiterstaates stützte und dabei durch bürokratische Polizeistaatsmaßnahmen ein politisches Machtmonopol über die Arbeiterklasse ausübte, gegen die sie ihre Privilegien verteidigte. Sie wurde vom Gespenst der proletarisch-politischen Revolution verfolgt, eines erneuten 17. Juni 1953, wo sich ein Streik von Bauarbeitern in Ostberlin rasch zu einem Flächenbrand ausweitete. Unter dem Eindruck dieses prosozialistischen Arbeiteraufstandes ging ein Teil der SED auf die Seite der Arbeiter über, und erst das Eingreifen der Sowjetarmee rettete die Herrschaft der SED-Bürokratie. Die Furcht vor der Arbeiterklasse war die Grundlage für den Aufbau eines obszön überzogenen inneren Sicherheitsapparates in Form des MfS, der eben nicht nur dem notwendigen Kampf gegen imperialistische Spionage und konterrevolutionäre Subversion diente, sondern in hohem Maße auch zu allgemeiner Schnüffelei und intellektueller Unterdrückung.

Gleich nach dem kapitalistischen Anschluss 1990 wurde eine Kampagne losgetreten, bei der jeder Stasi-Mitarbeiter und viele Grenzsoldaten mit Prozessen überzogen und ihre Existenz vernichtet wurde. Die Stalinisten wurden von der falschen Klasse für die falschen Verbrechen angeklagt. Zum Beispiel wurde der verhasste Ex-Stasi-Chef Erich Mielke verurteilt wegen der angeblichen Erschießung zweier Polizisten im Jahre 1931, basierend auf einem Nazi-Prozess und auf Aussagen, die durch die Gestapo erpresst worden waren. Insgesamt gab es um die 100 000 Ermittlungsverfahren. Diese Hexenjagd diente dazu, jeden Widerstand gegen die folgende Zerschlagung der DDR-Industrie zu ersticken und zu kriminalisieren. Die Prozesse waren Teil des Rachefeldzugs der Bourgeoisie und ihrer SPD-Helfer. Wir Spartakisten haben von Anfang an Ex-DDR-Bürokraten wie Erich Honecker, Mielke und Markus Wolf sowie alle Opfer der Hexenjagd vor den arroganten Imperialisten und ihrer Siegerjustiz verteidigt – auch viele PDSler, deren eigene Jasager-Parteiführung vor dieser Hexenjagd kapitulierte, um so ihre neue Loyalität gegenüber der deutschen Bourgeoisie unter Beweis zu stellen. Nieder mit der antikommunistischen Hexenjagd!

Als wir 1989/90 mit allen uns verfügbaren Kräften in der DDR für eine proletarisch-politische Revolution intervenierten, um die kollektivierten Eigentumsformen zu verteidigen und die stalinistischen Irreführer durch die Herrschaft von Arbeiterräten zu ersetzen, hätte dies der Funke für sozialistische Arbeiterrevolution im Westen werden können. Wir waren die Einzigen, die für eine revolutionäre Lösung im Sinne der Arbeiterklasse kämpften, denn die Pseudolinke im Westen war seit Jahrzehnten im Schlepptau der SPD, die die Grundlagen der DDR unterhöhlte und auf die Konterrevolution hinarbeitete (siehe „SPD: Trojanisches Pferd der Konterrevolution“, Spartakist Nr. 176, März 2009). Ende Januar 1990 fügte sich die SED-PDS Gorbatschows Ausverkauf der DDR und unterstützte die kapitalistische Wiedervereinigung. Wir haben uns mit unserem Kampf zur Mobilisierung des Proletariats gegen den kapitalistischen Anschluss der DDR nicht durchgesetzt. Aber wir Trotzkisten standen auf unserem Posten. Wie Trotzki in Verteidigung des Marxismus schrieb: „Es ist die Pflicht von Revolutionären, jede Errungenschaft der Arbeiterklasse zu verteidigen, auch wenn sie durch den Druck feindlicher Kräfte entstellt sein mag. Wer alte Positionen nicht verteidigen kann, wird niemals neue erobern.“ Am besten werden wir Benno Ohnesorg und die vielen anderen Opfer brutalen Polizeiterrors ehren, indem wir geduldig und hart unser Ziel verfolgen, eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei aufzubauen, die die Arbeiterklasse in ihrer historischen Aufgabe führen kann, das kapitalistische System dahin zu befördern, wo es hingehört: auf den Müllhaufen der Geschichte.

Spartakist Nr. 178

Spartakist Nr. 178

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