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Spartakist Nummer 167

Sommer 2007

Herrschende nutzen G8-Räubertreff für Ausbau des Staatsapparats

Nur Arbeiterrevolution kann Imperialismus stürzen!

Spartakist-Jugend

Nachfolgend drucken wir das Flugblatt der Spartakist-Jugend vom 27. Mai ab, das unter anderem bei der Großdemonstration am 2. Juni in Rostock verteilt wurde.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai wurde die Linke in Deutschland wieder einmal an einen marxistischen Grundsatz erinnert: Der bürgerliche Staat ist nicht neutral. Bundesweit stürmten 900 Bullen Wohnungen und Büros von Gegnern des G8-Gipfels. Dabei wurden unter dem verhassten Gesinnungsparagrafen 129a („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) willkürlich persönliches Eigentum durchwühlt sowie PCs und anderes Material beschlagnahmt. Der „Krieg gegen den Terror“ (in Deutschland unter der SPD/Grünen-Regierung begonnen), der sich zuerst rassistisch gegen die besonders unterdrückte muslimische Minderheit richtet, zielt letztendlich auch auf die Linke und Arbeiterbewegung. Die Herrschenden nehmen die geplanten Massenproteste gegen den imperialistischen Räubertreff in Heiligendamm zum Anlass, eine groß angelegte Bürgerkriegsübung durchzuführen: Ein Heer von fast 20 000 Bullen wird aufgestellt, unterstützt von 1100 Bundeswehrsoldaten, Kriegsschiffen und Aufklärungsflugzeugen. Das ist die Übung für den Ernstfall, gegen sozialen Aufruhr bis hin zum Arbeiteraufstand. Gewerkschaften müssen G8-Gegner verteidigen! Nieder mit dem rassistischen „Krieg gegen Terror“! Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben!

Der weit verbreitete Hass auf die G8 und ihr System ist mehr als berechtigt, aber letztlich ist die Frage entscheidend, mit welchem Programm man siegen kann. Die reformistischen und liberalen Gruppen und Parteien, die Proteste wie die gegen den G8-Gipfel organisieren, verbreiten die Ansicht, die Verschärfung der Verhältnisse in den letzten Jahren liege an der „Globalisierung“. Mit diesem Mythos rechtfertigen sie Klassenkollaboration mit „ihrer eigenen“ Bourgeoisie gegen so genannte „Heuschrecken“ und „multinationale Konzerne“. Tatsächlich ist die aktuelle Weltordnung nach wie vor vom kapitalistischen Imperialismus geprägt. Die Tatsache, dass die kapitalistische Marktwirtschaft „global“ ist, dass Banken und Konzerne diejenigen (Niedriglohn-)Länder aussuchen, wo sie den höchsten Gewinn machen können, und die Internationalisierung des Finanzkapitals wurden von W. I. Lenin vor fast 90 Jahren erklärt:

„Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“ (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus)

Die Organisatoren der Proteste appellieren an die Herrschenden, ihre „Politik“ sozialer zu gestalten. Tatsächlich sind Armut, Krankheit, Ausbeutung und Krieg keine Abweichungen im kapitalistischen System, sondern ein wesentlicher Bestandteil seiner Funktionsweise, die nicht reformiert werden kann. Es ist die Arbeiterklasse, die aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess die soziale Macht hat, die gesamte kapitalistische Wirtschaft zum Stillstand zu bringen. Nur durch den Sturz des Kapitalismus können die Produktivkräfte so entwickelt werden, dass sie der gesamten Menschheit einen würdigen Lebensstandard bieten.

Eine ganz reale Veränderung der Welt brachten die Konterrevolutionen im Sowjetblock mit sich. Als Trotzkisten verstehen wir, dass mit dem Streben nach sozialistischer Revolution das Festhalten an bereits erkämpften Errungenschaften fest verbunden sein muss. Aus diesem Grund kämpften wir für die bedingungslose militärische Verteidigung des degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion und der deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas gegen imperialistischen Angriff und kapitalistische Restauration. In der DDR 1989/90 und dann in der Sowjetunion intervenierten wir, um die Arbeiter zu mobilisieren für eine politische Revolution zur Verteidigung der kollektivierten Eigentumsformen und zur Ersetzung der stalinistischen Bürokratenkaste durch die Herrschaft von Arbeiterräten. Reformistische Gruppen wie Linksruck und SAV unterstützten die Konterrevolution. Am Tagungsort der G8 kann man deutlich sehen, was die kapitalistische Wiedervereinigung bedeutet: Mecklenburg-Vorpommern ist heute eine soziale Einöde geprägt von Massenarbeitslosigkeit und Naziterror. Es war der Sieg der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg, der die Enteignung der Bourgeoisie von Auschwitz in einem Drittel Deutschlands ermöglichte – ein historischer Fortschritt im Interesse aller Unterdrückten. In der Praxis bedeutete das für die DDR das Recht auf einen Arbeitsplatz, Ausbildungsplätze für alle, kostenlose Kinderbetreuung, fortschrittliche Abtreibungsrechte und vieles mehr. In der DDR existierte die materielle Grundlage für die vollständige Befreiung der Frauen, trotz der stalinistischen Bürokratie. Für Frauenbefreiung durch sozialistische Revolution!

Seit die Imperialisten ihren gemeinsamen Feind Sowjetunion besiegt haben, treten Interessenkonflikte zwischen ihnen wieder stärker hervor. So verwandelt der deutsche Imperialismus die Bundeswehr von einem schweren Panzerheer, das Richtung Moskau rollen sollte, in eine flexiblere Interventionsarmee und hat heute Truppen auf dem Balkan, in Afghanistan, am Horn von Afrika und vor der Küste Libanons. Alle Imperialisten streben danach, den deformierten Arbeiterstaat China zu zerstören und wieder neokolonial zu unterjochen. Das ist ihr strategisches Ziel. China wird heute durch einen Ring militärischer Stützpunkte der USA und kapitalistische Durchdringung aller Imperialisten bedroht. Gegen die ständige Drohung der USA mit nuklearen „Präventivschlägen“ gegen China und Nordkorea verteidigen wir ausdrücklich deren Entwicklung und Test von Atomwaffen. Ein Sieg der Konterrevolution in China würde Frauen wieder in Knechtschaft werfen und 1,3 Milliarden Menschen in bitterste Armut stürzen. Es reicht ein Blick in die frühere Sowjetunion: Ein Indikator für das unermessliche Elend, das die kapitalistische Konterrevolution brachte, ist die Tatsache, dass die Lebenserwartung schlagartig um zehn Jahre gefallen ist! Verteidigt die verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten China, Vietnam, Nordkorea und Kuba gegen imperialistische Bedrohung und innere Konterrevolution!

Reformisten denunzieren Militante

Erinnert euch an den G8-Gipfel 2001 in Genua: Die mörderische Repression gegen die damaligen Proteste, die in der Erschießung des jungen Aktivisten Carlo Giuliani gipfelte, haben dem bürgerlichen Staat die demokratische Maske runtergerissen. Der Staat ist nichts anderes als ein Instrument der Bourgeoisie zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft gegen die Arbeiterklasse und alle Unterdrückten. Diverse Reformisten und Liberale, allen voran prominente attac-Vertreter, hatten es nach Genua sehr eilig, den Herrschenden ihre Treue zu schwören und die Schuld für den blutigen Staatsterror den Anarchisten und Autonomen des Schwarzen Blocks zuzuschieben.

Im Vorfeld von Heiligendamm gibt sich die Sozialistische Alternative (SAV) ähnlich staatstragend. In ihrer Zeitung Solidarität (Mai 2007) spricht sie sich in vorauseilendem Gehorsam gegen militante Aktionen aus. Um solche zu verhindern, tritt die SAV dafür ein, dass „das Vorgehen im Vorfeld demokratisch diskutiert und beschlossen wird“. Dass bei diesen „Bündnissen“ immer das rechteste Programm den kleinsten gemeinsamen Nenner und damit die „Mehrheit“ bildet, weiß auch die SAV. Die Gruppen, die sich diesen „Mehrheiten“ nicht unterwerfen wollen, bezeichnen sie als „destruktiv und undemokratisch“. Da klingt das nachgeschobene „Die SAV verteidigt alle Opfer staatlicher Repression“ wie ein schlechter Witz. Die SAV liegt auf dem Bauch vor der bürgerlichen Presse und deren Lüge, die Gewalt gehe von „Chaoten“ aus und nicht vom Staat. So bereiten sie schon mal die Entsolidarisierung mit den Militanten vor, sollten die Proteste aus dem sozialdemokratischen Ruder laufen. Dazu passt auch, dass die SAV Bullen als „Arbeiter in Uniform“ verniedlicht. Polizisten sind die professionellen Streikbrecher der Kapitalisten, tagtäglich führen sie Abschiebungen durch, schützen Naziaufmärsche und verprügeln linke Demonstranten. Weg mit der Hetze gegen linke G8-Gegner! Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle! Bullen raus aus dem DGB!

Wir halten es mit Lenin, der in Staat und Revolution erklärte, dass der bürgerliche Staat nicht übernommen und für die Interessen der Unterdrückten eingesetzt werden kann. Vielmehr muss man ihn durch eine Revolution zerschlagen und durch die Diktatur des Proletariats, also die Herrschaft von Arbeiterräten, ersetzen, um den Widerstand der Bourgeoisie zu brechen. Die Autonomen und Anarchisten leisten zwar oft mutigen Widerstand gegen Polizeiübergriffe, ihr Elan wird aber vergeudet, da sie die Arbeiterklasse als Subjekt revolutionärer Umgestaltung ablehnen. Ohne eine sozialistische Perspektive kann „Antikapitalismus“ nichts anderes sein als militante Verteidigung des Status quo, auf dass es „nicht noch schlimmer“ werde. Sie teilen den vorherrschenden Mythos der „nachsowjetischen“ Welt: dass Klassenkampf gegen die kapitalistische Ordnung ein Ding der Vergangenheit sei; dass die Arbeiterklasse als ein Faktor für gesellschaftliche Veränderungen ohne Bedeutung sei. In Wahrheit ist das kapitalistische System wie eh und je von der Arbeiterklasse abhängig. Würden z. B. beim aktuellen Telekom-Streik die Datenleitungen abgeschaltet werden, würden die Finanzmärkte lahmgelegt und die Telekombosse da getroffen werden, wo es wirklich weh tut: bei den Profiten. Um ihre Macht zu nutzen, muss sich die Arbeiterklasse bewusst werden, dass ihre eigenen Interessen mit denen der Kapitalisten unvereinbar sind. Dafür ist die sozialdemokratische Führung der Arbeiterklasse ein Hindernis, ob SPD oder Linkspartei.

Die Methoden der Herrschenden, mit Protest gegen sie umzugehen, sind einerseits staatliche Repression und andererseits politische Übernahme. An der Spitze der Mechanismen zur Übernahme von „Anti-Globalisierungs“-Protesten stehen das Welt-Sozialforum (WSF) und das Europäische Sozialforum (ESF), Bündnisse, die auf Klassenzusammenarbeit, also „Volksfront“, beruhen. Von Anfang an, seit 2001, wurden diese Sozialforen dazu benutzt, die Welle von Massenprotesten zu entschärfen, die sich gegen G8 und Co. richten. Der Zweck war es, radikale Jugendliche wegzuholen von offenen Auseinandersetzungen mit dem kapitalistischen Staat und sie hinter der „demokratischen Alternative“ des parlamentarischen Reformismus zusammenzutreiben, aber gleichzeitig so zu tun, als wären diese Schwatzbuden „außerparlamentarisch“. Der Einsatz von blankem Staatsterror wie in Genua galt nicht ESF und WSF, denn sie wurden von verschiedenen kapitalistischen Agenturen unterstützt und finanziert (von der Banko do Brasil über den Rockefeller Brothers Fund bis hin zu diversen kapitalistischen Lokalregierungen und der Friedrich-Ebert-Stiftung). Die Gruppe Arbeitermacht und ihre „Liga für die fünfte Internationale“ tönen in ihrer Propaganda zum G8-Gipfel zwar „Nieder mit der imperialistischen Weltordnung“. Aber tatsächlich haben sie ihren Teil zu eben dieser Weltordnung beigetragen, als sie 1991 auf Jelzins konterrevolutionären Barrikaden in Moskau standen. Heute sind sie der „linke“ Flügel der volksfrontlerischen Sozialforen. Wie Trotzki feststellte, ist die Volksfront keine „Taktik“, sondern das größte Verbrechen. Sie bedeutet die Unterordnung der Interessen der Arbeiterklasse unter die der Kapitalisten.

Das Haupthindernis für die Entwicklung von revolutionärem Klassenbewusstsein sind die sozialdemokratischen Irreführer der Arbeiterklasse. Hierzulande sind dies vor allem SPD und Linkspartei. Als bürgerliche Arbeiterparteien haben sie eine Arbeiterbasis, die Führung ist jedoch prokapitalistisch. Die mit ihnen verbundene Gewerkschaftsbürokratie sorgt dafür, dass Klassenkämpfe möglichst im Rahmen bürgerlicher Legalität gehalten werden. Der Berliner SPD/PDS-Senat ist die Speerspitze von Angriffen auf soziale Errungenschaften: Kündigung des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst, Schließung von Kitas, massive Kürzungen bei Hochschulen, Durchführung rassistischer Abschiebungen und Vollstreckung von Hartz IV. Es ist notwendig, die Arbeiterbasis von ihren prokapitalistischen Führern zu brechen.

Das imperialistische System hat die Menschheit schon zweimal an den Rand des Abgrunds geführt – für das nächste Mal haben sie ein Atomwaffenarsenal, mit dem der Planet gleich mehrmals zerstört werden könnte. Wie Rosa Luxemburg sagte, stellen sich nur zwei Alternativen: Sozialismus oder Barbarei. Die Spartakist-Jugend tritt ein für eine Welt frei von Ausbeutung, Rassismus, Frauenunterdrückung und imperialistischem Krieg. Dazu brauchen wir eine multiethnische Arbeiterpartei, die für neue Oktoberrevolutionen weltweit kämpft!

Spartakist Nr. 167

Spartakist Nr. 167

Sommer 2007

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Klassenkämpferische Verteidigung und der Kampf für neue Oktoberrevolutionen

Nieder mit der bürgerlichen Klassenjustiz!

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