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Spartakist Nummer 161

Winter 2005/2006

US-Imperialismus hetzt gegen Chávez

Venezuela: Proletarische Revolution kontra populistischer Nationalismus

Nachfolgend drucken wir die Übersetzung eines Artikels aus Workers Vanguard Nr. 860, 9. Dezember 2005 ab.

Der US-Imperialismus stellt weiterhin eine klare und akute Gefahr für die Regierung von Hugo Chávez in Venezuela dar. Seit Chávez 1998 zum Präsidenten gewählt wurde, hat er einen kurzlebigen Putsch (2002) ebenso überlebt wie monatelange Versuche eines Teils der venezolanischen Bourgeoisie, die Ölproduktion lahmzulegen, und ein gut finanziertes Referendum zu seiner Abwahl, alles von Washington unterstützt. Und wenn die Bush-Gang nicht im Irak tief im Schlamassel stecken würde, hätte sie wohl noch weitere Provokationen organisiert.

Aber die gleichen Gründe, aus denen Chávez den arroganten US-Herrschern ein Dorn im Auge ist, haben ihn zum Idol von Massen verarmter Barrio-Bewohner Venezuelas und einer großen Zahl junger Linker weltweit gemacht. Chávez nannte Bush einen Schwachsinnigen (pendejo) und unterhält demonstrativ freundschaftliche Beziehungen zu Washingtons Haupt-Nemesis in der westlichen Hemisphäre, dem kubanischen Führer Fidel Castro. Chávez verurteilte die US-Besetzung des Irak und prangerte die von den USA in Lateinamerika und anderswo vorangetriebene „neoliberale“ Wirtschaftspolitik an. Er startete Sozialprogramme für die ländlichen und städtischen Armen in Venezuela und brachte die Bush-Regierung in Verlegenheit, als er Hilfe für die Menschen von New Orleans anbot, die alles verloren hatten. Kürzlich hat Venezuela über einen Ableger von CITGO [seiner staatlichen Erdölgesellschaft] damit begonnen, den Armen der Bronx und Teilen von Massachusetts billiges Gas und Öl zum Heizen in diesem Winter zu liefern.

Als Chávez letzten Januar im Rahmen des vom Imperialismus finanzierten Welt-Sozialforums in Porto Alegre, Brasilien, in seiner Rede erklärte, man müsse über den Kapitalismus „hinausgehen“ zum Sozialismus, brach seine größtenteils linke Zuhörerschaft in freudige Sprechchöre aus, als wären sie auf dem Fußballplatz: „Olé, Olé, Olé, Chávez, Chávez“. Doch Chávez ist kein Sozialist. Als ehemaliger Armeeoberst, der jetzt an der Spitze des kapitalistischen Staates steht, ist er ein Feind des Kampfes für Sozialismus – d. h. des Kampfes für Arbeiterrevolution zur Enteignung der Bourgeoisie. In der Tat passt Chávez ganz ins Muster einer Reihe bürgerlicher Militäroffiziere, die auf der Grundlage von nationalistischem Populismus an die Macht gelangt sind, von Oberst Juan Perón im Argentinien der 1940er-Jahre bis Oberst Gamal Abdel Nasser im Ägypten der 1950er-Jahre. In den 1950er- und 60er-Jahren, als überall in der halbkolonialen Welt von der Sowjetunion unterstützte nationalistische Bewegungen entstanden, erklärte sich so gut wie jeder kapitalistische Demagoge in der Dritten Welt zu irgendeiner Art „Sozialist“ oder „Marxist-Leninist“. Nasser verkündete „arabischen Sozialismus“, entriss 1956 den französischen und britischen Imperialisten den Suezkanal und führte eine Reihe von Verstaatlichungen durch. Dennoch präsidierte er über die Ausbeutung der ägyptischen Arbeiter im Interesse des Imperialismus: Er brach Streiks, ordnete die Gewerkschaften dem kapitalistischen Staat unter, verhaftete und folterte Kommunisten.

Im Falle eines weiteren von den USA unterstützten Putsches würden wir als marxistisch-internationalistische Gegner des US-Imperialismus erneut die Arbeiterklasse dazu aufrufen, für die militärische Verteidigung der Chávez-Regierung zu mobilisieren (siehe „CIA Targets Chávez“ [CIA hat Chávez im Visier], Workers Vanguard (WV) Nr. 787, 20. September 2002). Gleichzeitig sind wir politische Gegner des bürgerlich-nationalistischen Chávez-Regimes. Bei dem Referendum zu seiner Abberufung 2004, das von den rechtsgerichteten Opponenten des Regimes organisiert wurde, waren wir für Stimmenthaltung und nicht für eine Nein-Stimme, die ein Ausdruck des Vertrauens in Chávez gewesen wäre. Wie wir in „Referendum in Venezuela: Manöver des US-Imperialismus gescheitert – Bürgerlicher Populist Chávez setzt sich durch“ (Spartakist Nr. 156, Herbst 2004) schrieben: „Die sich unmittelbar aufdrängende Perspektive besteht nicht nur darin, sich den Vorstößen des US-Imperialismus in Venezuela und anderen Ländern zu widersetzen; man muss auch dafür kämpfen, die Unterstützung der Arbeiterbewegung für Chávez oder die Opposition zu erschüttern und eine revolutionäre internationalistische Arbeiterpartei zu schmieden, um die Arbeiterklasse zur Macht zu führen.“

Dagegen fungiert die breite Mehrheit selbsternannter Sozialisten und Revolutionäre als „linke“ Marketingabteilung für Chávez’ „bolivarische Revolution“. Führend dabei ist Ted Grants in Britannien beheimatete International Marxist Tendency (IMT), die jetzt von Alan Woods geführt wird, dem Autor einer Lobeshymne mit dem Titel „Die Venezolanische Revolution – eine marxistische Perspektive“ (2005). Während andere Opportunisten gelegentlich Kritik an Chávez anbringen, rühmen sich Woods und seine Gruppierung tatsächlich, „trotzkistische“ Berater des sich links gebenden Caudillos zu sein. Die IMT u.a. bieten Chávez als Kämpfer für die Sache der Armen und Unterdrückten feil und helfen so dabei mit, die Arbeiter ans Messer zu liefern. Die Arbeiterklasse und ihre Organisationen an irgendeinen bürgerlichen Herrscher zu binden dient nur dazu, den unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse zu behindern. Im Gegensatz zu Gruppen wie der IMT versuchen Marxisten, die venezolanische Arbeiterklasse darauf vorzubereiten, die mörderischen Kräfte der bürgerlichen Reaktion effektiv zu bekämpfen, ob diese nun unter der Führung von Chávez oder seiner bürgerlichen Opponenten stehen.

Chávez und der Imperialismus

Eine Untersuchung der Argumente, die Pseudomarxisten wie die IMT benutzen, um ihre Unterstützung der „bolivarischen Revolution“ zu rechtfertigen, wird helfen, den Unterschied zwischen populistischem Nationalismus und authentischem proletarischem Marxismus zu erhellen. In einem Artikel auf ihrer Website (www.marxist.com) vom 1. März 2005 unter dem Titel „President Chavez Reaffirms Opposition to Capitalism“ [Präsident Chávez bekräftigt seine Gegnerschaft zum Kapitalismus] behauptet IMT-Wortführer Jorge Martin: Bei seiner Machtübernahme 1998 ging Chávez „nicht von einem sozialistischen Standpunkt aus. Er wollte die Probleme von Ungleichheit, Armut und Elend von Millionen von Venezolanern lösen. Doch er dachte anfangs, dies könne innerhalb des Rahmens des kapitalistischen Systems getan werden.“ Martin fährt fort:

„Da Präsident Chavez sich ernsthaft der Lösung dieser Probleme verschrieben hat, ging die Oligarchie massenhaft auf die Seite der bewaffneten Revolte gegen die demokratisch gewählte Regierung über...

Es war diese reichhaltige Erfahrung der revolutionären Bewegung, die mit den ständigen Provokationen der herrschenden Klasse konfrontiert ist, die Chavez und viele in der bolivarischen revolutionären Bewegung zu der Schlussfolgerung drängte: ,Innerhalb des Rahmens des Kapitalismus ist es unmöglich, die Herausforderungen des Kampfes gegen Armut, Elend, Ausbeutung, Ungleichheit zu bestehen‘...

Diese Dynamik von Wirkung und Gegenwirkung der venezolanischen Revolution erinnert uns ganz stark an die ersten Jahre der kubanischen Revolution. In einem Prozess aus Angriff und Gegenangriff wurde die Führung der kubanischen Revolution, die anfangs nicht vorhatte den Kapitalismus zu stürzen, dazu gezwungen, den Kapitalismus zu stürzen, um die dringendsten Bedürfnisse der Massen zu befriedigen.“

Abgesehen von der Feststellung, dass Chávez nicht „von einem sozialistischen Standpunkt“ ausging (und ausgeht), ist jede Behauptung in dieser Passage falsch oder irreführend. Wir werden uns weiter unten mit der Vorstellung auseinandersetzen, „die Führung der kubanischen Revolution“ solle lateinamerikanischen Revolutionären als Vorbild dienen. Im Moment reicht es aus, zu zeigen, dass der Vergleich der IMT von Castros Kuba mit Chávez‘ Venezuela die Tatsachen bis zur Unkenntlichkeit verdreht. Als Castros Rebellenarmee am 1. Januar 1959 in Havanna einmarschierte, brach die bürgerliche Armee und der Rest des kapitalistischen Staatsapparates, der die von den USA unterstützte Batista-Diktatur aufrechterhalten hatte, in wildem Chaos zusammen. Als Castro dann 1961 Kuba für „sozialistisch“ erklärte, waren die kubanische Bourgeoisie und die US-Imperialisten und ihre CIA- und Mafia-Spießgesellen schon alle geflohen, und auch das letzte Stück kapitalistischen Eigentums bis hinunter zum kleinsten Eisverkäufer war enteignet worden. In Kuba war ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat geschaffen worden. Im Gegensatz dazu kam Chávez an die Macht und regiert weiterhin als Herrscher eines kapitalistischen Staates, die venezolanische Bourgeoisie ist quicklebendig und die Imperialisten betreiben weiterhin trotz aller Drohungen und Provokationen des Weißen Hauses florierende Geschäfte mit Venezuela.

Chávez’ Hauptanliegen nach der Machtübernahme war, das „Problem“ der ins Stocken geratenen Ölprofite „zu lösen“, des Lebensbluts der venezolanischen Bourgeoisie. Er machte sich sofort daran, die Ölarbeiter-Gewerkschaft zu disziplinieren und auf andere Weise die Leistungsfähigkeit der staatseigenen Ölindustrie zu erhöhen, während er das OPEC-Ölkartell dazu drängte, die Preise zu erhöhen. Diese Bemühungen und die Sorge darum, politische Stabilität durchzusetzen, waren der Grund dafür, dass Chávez anfangs von einem Großteil der herrschenden Klasse unterstützt wurde. Dazu gehörten nicht zuletzt auch seine ehemaligen Kameraden in der obersten Militärführung, die ihm dabei behilflich waren, nach dem Putsch von 2002 die Macht wiederzuerlangen. Als die Ölpreise anstiegen, zweigte Chávez tatsächlich von den enormen Profiten einiges ab, um eine Reihe von Sozialmaßnahmen zu finanzieren: Verdreifachung des Bildungshaushaltes, Einrichtung von Kliniken für kostenlose Gesundheitsversorgung und Programme zur kostenlosen Essensabgabe für die Armen usw. Doch der Zweck solcher Maßnahmen ist nicht, eine soziale Revolution zu bewirken, sondern von ihr abzulenken – durch engere Bindung der besitzlosen Massen an den venezolanischen Staat.

Wie sehr auch die rein weiße venezolanische Oligarchie diesen emporgekommenen Unteroffizier, der seine Herkunft als Zambo (afrikanische und einheimische Vorfahren) groß herausstellt, verabscheuen mag – Chávez dient doch den Klasseninteressen der Bourgeoisie von Caracas, und durch diese Klasse dem Weltimperialismus. Ein Artikel der New York Times (3. November 2005) spricht unter der Überschrift „Chávez gestaltet Venezuela in Richtung ,Sozialismus des 21. Jahrhunderts‘ um“ von „Unruhe in den Vorstandsetagen“ wegen der populistischen Politik des Regimes, berichtet aber nüchtern: „Bislang hat es keine erkennbare Abwanderung ausländischer Firmen, die in Venezuela Geschäfte machen, gegeben. Banken und Ölgesellschaften machen Rekordprofite dank der Ölpreise, die das Land, das der fünftgrößte Ölexporteur der Welt ist, mit Petrodollars überspülen.“

In seiner Rede in Porto Alegre war Chávez schnell bei der Sache, der venezolanischen Bourgeoisie und ihren imperialistischen Oberherren zu versichern, dass sein Sozialismus nicht „die Art von Sozialismus, die wir in der Sowjetunion sahen“, sei – d. h. kollektive Planwirtschaft basierend auf dem Sturz kapitalistischer Herrschaft –, was er als „Staatskapitalismus“ und „Perversion“ verurteilte. Er stellte ganz klar, dass seine Freundschaft mit Kubas Führer nicht dessen kollektivierte Wirtschaft miteinbezog und sagte: „Kuba hat sein Profil und Venezuela hat das seine.“ Er pries und identifizierte sich mit Brasiliens Lula, einstiger Populist, der vom Imperialismus diktierte drastische Sparmaßnahmen durchsetzt. Kurz gesagt ist es so, wie Chávez in seiner Fernsehshow „Alo Presidente“ am 22. Mai 2005 erklärte: Seine Vision eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ steht „nicht im Widerspruch zu Privatunternehmen, steht nicht im Widerspruch zum Privateigentum“.

In der Tat. Und solange kapitalistisches Privateigentum die Oberhand hat, werden die Massen Ausbeutung und Unterdrückung unterworfen sein, und die wirtschaftliche Entwicklung wird dem Diktat des kapitalistischen Weltmarktes folgen, insbesondere dem der imperialistischen Ölmonopole. Es kann keine dauerhafte Erleichterung des Elends der städtischen und ländlichen Armen geben ohne die Zerschlagung des kapitalistischen Staats und den Sturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch eine Reihe von proletarischen Revolutionen weltweit, die zu einer globalen klassenlosen Ordnung führen, in der alle Formen von Ausbeutung und Unterdrückung abgeschafft worden sind.

Trotzki und die permanente Revolution

Dieses Verständnis war Triebfeder der Oktoberrevolution von 1917. Unter der Führung von Lenins und Trotzkis bolschewistischer Partei fegten die Arbeiter Russlands – organisiert für ihre eigenen Klasseninteressen in demokratisch gewählten Arbeiterräten (Sowjets) – den kapitalistischen Staat hinweg und ersetzten ihn durch einen Arbeiterstaat. Die von den Bolschewiki geführten Arbeiter standen an der Spitze aller Unterdrückten, nicht zuletzt der riesigen Armee armer und landloser Bauern, und sie sahen ihre Revolution als Auftakt eines notwendigerweise internationalen Kampfes der Arbeiterschaft gegen die Herrschaft des Kapitals.

Dies ist weit entfernt von dem, was in der Kubanischen Revolution geschah: Castros Bewegung des 26. Juli bestand aus Bauern-Guerillas und deklassierten kleinbürgerlichen Intellektuellen, die sich der Bourgeoisie entfremdet hatten und unabhängig vom Proletariat waren. Unter normalen Bedingungen wären Castros Rebellen den Fußstapfen zahlloser ähnlicher Bewegungen in Lateinamerika gefolgt und hätten mit radikaldemokratischer Rhetorik um sich geworfen, um die bürgerliche Herrschaft erneut zu besiegeln. Es war nur den außerordentlichen Umständen zu verdanken – die Arbeiterklasse trat nicht als eigenständiger Anwärter auf die Macht in Erscheinung, es existierte eine feindliche imperialistische Umzingelung, die nationale Bourgeoisie suchte das Weite und die Sowjetunion warf eine Rettungsleine –, dass Castros kleinbürgerliche Regierung die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zerschlagen konnte.

Die Existenz des sowjetischen degenerierten Arbeiterstaates war dabei entscheidend, er lieferte wirtschaftliche Unterstützung und einen militärischen Schild, der half, dem knapp 150 Kilometer entfernten imperialistischen Raubtier Einhalt zu gebieten. Anders als in der Sowjetunion, wo das ursprüngliche revolutionäre und internationalistische Programm des Oktober von einer konservativen, nationalistischen Bürokratie, die 1923/24 die politische Herrschaft an sich riss, in den Staub getreten wurde, war in Kuba der Arbeiterstaat von Anfang an bürokratisch deformiert.

Durch den Sturz der kapitalistischen Herrschaft beendete die Kubanische Revolution die Ausplünderung der Insel durch Imperialisten und lokale Bourgeoisie. Genauso wie wir es beim sowjetischen degenerierten Arbeiterstaat taten, als es ihn noch gab, rufen wir zur bedingungslosen militärischen Verteidigung Kubas und der anderen verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten – China, Nordkorea und Vietnam – gegen innere Konterrevolution und imperialistischen Angriff auf. Gerade die stalinistische Castro-Bürokratie untergräbt die Verteidigung Kubas, nicht zuletzt durch ihren Schmusekurs gegenüber allen möglichen arbeiterfeindlichen kapitalistischen Regimen, denen sie ein „revolutionäres“ Deckmäntelchen verleiht. Wie wir in unserer „Grundsatzerklärung und einige Elemente des Programms“ (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 20, Sommer 1998) der Internationalen Kommunistischen Liga erklärten:

„Unter den historisch denkbar günstigsten Bedingungen war die kleinbürgerliche Bauernschaft nur fähig, einen bürokratisch deformierten Arbeiterstaat zu schaffen, das heißt einen Staat, der qualitativ mit der Sowjetunion nach der politischen Konterrevolution von Stalin identisch war, ein antiproletarisches Regime, das die Möglichkeiten zur Ausweitung der sozialen Revolution nach Lateinamerika und Nordamerika blockierte und die weitere Entwicklung von Kuba in Richtung Sozialismus unterdrückte. Um die Arbeiterklasse politisch an die Macht zu bringen und den Weg zur sozialistischen Entwicklung zu bahnen, ist zusätzlich eine politische Revolution notwendig, die von einer trotzkistischen Partei geführt wird. Da der sowjetische degenerierte Arbeiterstaat zerstört wurde und folglich kein Rettungsanker mehr gegen imperialistische Umzingelung vorhanden ist, ist die kurzfristige historische Öffnung vorbei, in der es kleinbürgerlichen Kräften möglich war, auf lokaler Ebene die kapitalistische Herrschaft zu stürzen. Dies unterstreicht die trotzkistische Perspektive der permanenten Revolution.“

Trotzkis Theorie der permanenten Revolution, die von der Russischen Revolution bestätigt wurde, besagt, dass in den Ländern, in denen der Kapitalismus verspätet entstanden ist, die historisch mit den bürgerlich-demokratischen Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts verbundenen Aufgaben nur unter der Klassenherrschaft des Proletariats ausgeführt werden können. Wie radikal ihre politischen Repräsentanten auch tönen mögen, die Bourgeoisien in den unterentwickelten Ländern sind zu schwach, haben zu viel Angst vor dem aufstrebenden Proletariat und sind zu sehr abhängig von der imperialistischen Ordnung, als dass sie die Probleme der politischen Demokratie, der Agrarrevolution und einer unabhängigen nationalen Entwicklung lösen könnten.

In gewisser Hinsicht ist es recht passend, dass der kapitalistische Demagoge Chávez Simón Bolívar verehrt, einen Mann, den Karl Marx in einem Brief an Friedrich Engels vom Februar 1858 den „feigsten, gemeinsten, elendesten Lump“ nannte. Wie Marx in einem Beitrag über Bolívar, den er für The New American Cyclopaedia von 1858 schrieb, erläutert, verkörperte der Begründer des lateinamerikanischen Nationalismus viele der Eigenschaften der spät entstandenen halbkolonialen Bourgeoisie Südamerikas. Er war käuflich, korrupt, feige und herrisch. Wiederholt ließ er seine Truppen im Stich, wenn diese unter Beschuss standen, er fiel seinen Kameraden in den Rücken und verließ sich bei seinen Siegen auf die Streitkräfte des britischen Imperialismus. Nach seinem ersten Triumph im Jahre 1813 gönnte er sich eine öffentliche Ehrung und ließ sich dafür von 12 jungen Damen aus den vornehmsten Familien von Caracas in einer Kutsche ziehen, und er ernannte sich selbst zum „Diktator und Befreier der westlichen Provinzen Venezuelas“.

Die bolivarischen „Marxisten“ der IMT stellen die permanente Revolution auf den Kopf; sie argumentieren, dass eine bürgerliche Formation, die wirklich entschlossen ist, für Demokratie zu kämpfen, irgendwie ihre historischen Beschränkungen überwinden und nicht nur Demokratie, sondern auch Sozialismus erreichen kann. So schreibt IMT-Sprecher Jorge Martin: „Die zentrale Idee der Theorie der permanenten Revolution ist, dass in kolonialen oder exkolonialen Ländern der Kampf für bürgerlich-demokratische Rechte, wenn er bis zum Ende geführt wird (in kontinuierlicher oder permanenter Art und Weise), zur sozialistischen Revolution führen muss.“ Der programmatische Kern der permanenten Revolution ist der Kampf für die Klassenunabhängigkeit des Proletariats von allen Flügeln der halbkolonialen Bourgeoisie – wie „progressiv“ oder „antiimperialistisch“ deren Proklamationen auch sein mögen. Dieser Kampf kann nur durch die Schmiedung einer revolutionären, internationalistischen Arbeiterpartei in Opposition zu allen Arten des bürgerlichen Nationalismus verwirklicht werden.

Reform kontra Revolution

Die Aufgabe von Marxisten ist es, dem Chávez-Regime die „sozialistische“ Maske herunterzureißen, zu warnen, dass es den Klassenfeind repräsentiert. Was die opportunistischen Konkurrenten der IMT betrifft, so katzbuckeln diese zwar nicht einfach vor Chávez und seiner „bolivarischen Revolution“, aber sie machen dennoch dabei mit, den linkstönenden Caudillo als einen potenziellen, wenn auch nicht vollständigen und nur unzuverlässigen Verbündeten der Arbeiterklasse darzustellen. So lobt Peter Taaffes in Britannien beheimatetes Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI/KAI – in Deutschland SAV) Chávez dafür, eine „Debatte um die Entwicklung des Sozialismus“ entfacht zu haben, die „entscheidend für die Entwicklung der venezolanischen Revolution“ sei, bemängelt aber, „unglücklicherweise“ habe Chavéz keinen „Plan, eine sozialistische Revolution in andere [!] Länder Lateinamerikas auszubreiten“ („Sozialismus steht wieder auf der Tagesordnung“, 2. November 2005).

Dann gibt es da noch die Liga für die Fünfte Internationale (L5I), basiererend auf der britischen Gruppe Workers Power, die in ihrem Anti-Capitalism: A Rough Guide to the Anti-Capitalist Movement [Antikapitalismus: Ein grober Leitfaden für die antikapitalistische Bewegung] (2005) ein Kapitel betitelt: „Hugo Chávez: A New Leader for the Anticapitalist Movement?“ [Hugo Chávez: Ein neuer Führer für die antikapitalistische Bewegung?] L5I polemisiert gegen Bewunderer der mexikanischen Zapatistas, die glauben, es sei möglich, soziale Veränderung zu bewirken, ohne die Macht zu übernehmen:

„Chávez zeigt zumindest, dass wirkliche Reformen nicht durch Bitten erreicht werden können, was den mexikanischen Bauern herzlich wenige Ergebnisse gebracht hat, sondern vielmehr durch den Versuch, die Staatsmacht zu ergreifen. Chávez’ Fehler liegt in seinem Widerwillen, all jene Elemente des venezolanischen Staates zu zerschlagen – die Justizbehörden und vor allem die Polizei –, die den Fortschritt behindern und zunichte machen.“

Chávez wird die Repressionsinstrumente, die den Kern des bürgerlichen Staates ausmachen – Justizwesen, Polizei, das Gefängnissystem und „vor allem“ die Armee – nicht zerschlagen, denn er verwaltet den bürgerlichen Staat. Die Diktatur des Kapitals in Venezuela hinwegzufegen bedeutet, das bürgerliche Regime durch proletarische Revolution zu stürzen und nicht dem kapitalistischen starken Mann Vorträge zu halten, als wäre er ein eigensinniger Lehrling. Tatsächlich hat Chávez, wie seine linken Anhänger beklagen, noch nicht einmal besonders viele einzelne aufsässige Personen aus seinen Militär- und Polizeikommandoposten gesäubert, wie es nach fast jedem lateinamerikanischen Putsch geschieht.

Unter der Patina ihrer pseudoleninistischen Rhetorik propagiert die L5I das Kernstück des sozialdemokratischen Reformismus – die Vorstellung, dass der bürgerliche Staat nicht auf dem Amboss der proletarischen Revolution zerschlagen werden muss, sondern reformiert werden kann, um als Instrument zur Gesellschaftsumwandlung zu dienen. In Britannien, dem heimischen Terrain von Workers Power, hat dies von jeher die Form sklavischer Loyalität zur prokapitalistischen, parlamentaristischen Labour Party angenommen (in der die britische Gruppe der IMT weiterhin tief vergraben ist). In Venezuela bedeutet es, die Tatsache schönzufärben, dass der populistische starke Mann Chávez der Klassenfeind des proletarischen Kampfes für den Sozialismus ist.

Populismus, Neoliberalismus – zwei Seiten derselben Medaille

Die Popularität, die Chávez und seine „bolivarische Revolution“ bei idealistischen jungen Linken – und vertrockneten Opportunisten – genießen, muss vor dem Hintergrund der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion gesehen werden. Radikale Jugendliche, denen mehr als ein Jahrzehnt lang „linke“ und rechte Propaganda über den „Tod des Kommunismus“ eingetrichtert wurde, sehen die Oktoberrevolution weithin als ein „gescheitertes Experiment“. Sie lehnen auch das marxistische Verständnis ab, dass die Arbeiterklasse der einzige Träger einer sozialen Revolution gegen die kapitalistische Ordnung ist. Darüber hinaus wird Kapitalismus im Großen und Ganzen mit der speziellen Ansammlung von wirtschaftlichen Maßnahmen gleichgesetzt, die als „Neoliberalismus“ bekannt sind – weitreichende Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, Vernichtung von Sozialleistungen, ungehinderte imperialistische Ausdehnung.

Die jüngste Geschichte Venezuelas ist reich an Beispielen darüber, dass Neoliberalismus und Populismus zwei Seiten derselben Medaille sind, manchmal von demselben bürgerlichen Regime jeweils zu verschiedenen Zeiten ausgeführt. Nehmt beispielsweise Carlos Andrés Pérez von der Demokratischen Aktion (AD) – man erinnert sich an ihn als an den Präsidenten, der Mitte der 1970er-Jahre Ölindustrie und Bergbau verstaatlichte, aber auch als an den Präsidenten, der die IWF-Schockbehandlung einführte. AD erging sich in sozialdemokratischer Rhetorik und kontrollierte die korporatistische Gewerkschaftsföderation CTV. Auf der Woge eines Anstiegs der Öleinnahmen in den 1970er-Jahren häufte die Bourgeoisie enormen Reichtum an. Gleichzeitig gab es unter der AD und der bürgerlichen prokatholischen Partei COPEI, die zeitweise Rivale und dann wieder Partner der AD war, die höchsten Arbeiterlöhne in ganz Lateinamerika, außerdem umfangreiche Preiskontrollen und Zuschüsse für Nahrungsmittel, Transport, Bildung, Gesundheitsversorgung und andere Lebensnotwendigkeiten.

Doch in den 80er-Jahren krachte der Ölboom zusammen und die riesige imperialistische Schuldenbombe explodierte, der Lebensstandard der Werktätigen ging den Bach hinunter, Sozialleistungen wurden massiv abgebaut und weitere harte Austeritätsmaßnahmen eingeführt. Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der Armutsgrenze lebt, hat sich zwischen 1984 und 1995 nahezu verdoppelt, von 36 auf 66 Prozent. In dem Maße, wie Industrie und Landwirtschaft schrumpften, wurden Massen ehemals gewerkschaftlich organisierter Arbeiter und besitzloser Landbewohner in Niedriglohnjobs der „informellen Wirtschaft“ getrieben, und sie versuchen mühsam, sich als Straßenverkäufer, Hausbedienstete, Zeitarbeiter usw. durchzuschlagen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad fiel von 26,4 Prozent im Jahre 1988 auf 13,5 Prozent im Jahre 1995, das machte die CTV zur Domäne einer relativ privilegierten Schicht von Ölarbeitern und anderen Arbeitern des öffentlichen Dienstes.

1989 führte Pérez sein Paquetazo ein, das „große Paket“ mit drakonischen Austeritätsmaßnahmen. Dies führte zu Massenprotesten, Caracazo, die brutal unterdrückt wurden. In einem Aufsatz in Venezuelan Politics in the Chávez Era (Venezolanische Politik in der Chávez-Ära, Hrsg. Steve Ellner und Daniel Hellinger, 2003) schreibt Kenneth Roberts:

„Die Kombination von sozialer Polarisierung und politischer Loslösung erwies sich nach 1989 als äußerst explosiv, als sich Venezolaner gegen das politische Establishment wandten und eine Reihe von unabhängigen Führern und Protestparteien unterstützten. Ende der 1990er-Jahre führte weit verbreitete Desillusionierung zu einer zunehmend größer werdenden Unterstützung für das Paradebeispiel eines politischen Außenseiters: ein ehemaliger Fallschirmjäger-Kommandeur, der durch einen erfolglosen Putschversuch gegen ein diskreditiertes demokratisches Regime die Fantasie der Bevölkerung anregte.“

Das waren klassische Bedingungen für den Aufstieg eines populistischen starken Mannes wie Chávez.

Ein weiteres Beispiel eines lateinamerikanischen populistischen Nationalisten war Lázaro Cárdenas in Mexiko, der in den 1930er-Jahren ausländische Ölgesellschaften verstaatlichte und in bedeutendem Ausmaß Land an die Bauern verteilte. Er brach auch Streiks und unterwarf die Arbeiterklasse mittels der korporatistischen Gewerkschaftsföderation CTM. Trotzki bemerkte in einem Artikel vom Mai 1939 mit dem Titel „Nationalized Industry and Workers’ Management“ [Verstaatlichte Industrie und Arbeiterverwaltung]:

„In den industriell rückständigen Ländern spielt das ausländische Kapital eine entscheidende Rolle. Daher rührt die relative Schwäche der nationalen Bourgeoisie im Verhältnis zum nationalen Proletariat. Dies schafft besondere Bedingungen der Staatsmacht. Die Regierung schwankt zwischen ausländischem und einheimischem Kapital, zwischen der schwachen nationalen Bourgeoisie und dem relativ machtvollen Proletariat. Dies gibt der Regierung einen unverkennbar bonapartistischen Charakter. Sie erhebt sich sozusagen über die Klassen. Tatsächlich kann sie entweder regieren, indem sie sich zum Instrument des ausländischen Kapitalismus macht und das Proletariat in den Ketten einer Polizeidiktatur hält, oder indem sie mit dem Proletariat manövriert und sogar so weit geht, ihm Konzessionen zu machen, und dadurch die Möglichkeit einer gewissen Freiheit gegenüber den ausländischen Kapitalisten erlangt.“

Bonapartismus in Venezuela

AD-Gründer Rómulo Betancourt, der von Sozialismus redete, regierte in Venezuelain den 1940er-Jahren zusammen mit dem Militär und säuberte die Gewerkschaften von Kommunisten, wodurch er die CTV zu einem zahmen korporatistischen gewerkschaftlichen Anhängsel der AD machte. Nach demselben Drehbuch trieb Chávez soziale Reformen voran, die darauf abzielten, sich eine Unterstützerbasis unter den plebejischen Armen zu sichern. Sein Ziel war, diese Basis als Rammbock nicht nur gegen seine Feinde in der Oligarchie zu benutzen, sondern insbesondere gegen die Gewerkschaftsföderation CTV, deren oberste Führung nicht nur der AD angehörte, sondern über die AFL-CIO-Gewerkschaftsbürokratie in den USA auch Verbindungen zur CIA hatte.

Chávez versuchte mit dem Schlachtruf, der CTV „Demokratie“ zu bringen, die Gewerkschaften an die Kandare zu nehmen. Als er 1998 sein Amt antrat, erklärte er, die CTV „muss aufgelöst werden“, und versuchte zwei Jahre später ein Referendum zur Zerschlagung der Gewerkschaft durchzudrücken, ohne Erfolg. Was die notorisch proimperialistischen CTV-Gewerkschaftsführer anging, so schlossen sich diese im verpfuschten Putsch von 2002 und bei den ausgedehnten Streiks/Aussperrungen in der Ölindustrie, die im gleichen Jahr darauf folgten, den Ölbossen und anderen Chávez-feindlichen Teilen der Bourgeoisie und des Militärs an.

Im April 2003 gründeten die Bolivarische Arbeiterkraft (FBT) in der CTV und andere Chávez-Anhänger unter der Gewerkschaftsbürokratie eine neue Gewerkschaftsföderation unter Schirmherrschaft der Regierung. Die Unión Nacional de Trabajadores (UNT – Nationale Gewerkschaft der Arbeiter) konnte nach Angaben von Chávez’ Arbeitsministerium volle 76,5 Prozent der 2003/04 geschlossenen Arbeitsverträge einheimsen, während die CTV bloß 20 Prozent abbekam. Die UNT hat sich jetzt das Wohlwollen der Internationalen Arbeitsorganisation der UN und der proimperialistischen Oberhäupter des Trades Union Congress in Britannien erworben. Sie wird auch international von der Pseudolinken enthusiastisch als heißer Tipp gehandelt, auch von jenen Gruppen, die an Chávez selbst einige lauwarme Kritik anbringen. Insbesondere bejubeln solche Gruppen die gelegentlichen Fabrikbesetzungen und den Ruf der UNT nach „cogestión“ (fälschlich als „Arbeiterkontrolle“ ausgegeben) als Beweis dafür, dass die „bolivarische Revolution“ nicht einfach nur ein Produkt der Regierungspolitik sei, sondern durch Kämpfe der Arbeiterklasse an der Basis der venezolanischen Gesellschaft vorangetrieben werde.

Socialist Worker (5. August 2005), Zeitung der International Socialist Organization (ISO) in den USA, schwärmt überschwänglich, UNT-Führer hätten aufgerufen zur „Gründung einer Arbeitermassenpartei, die für die sozialistische Revolution in Venezuela kämpfen kann“. Ein bisschen kritischer gibt sich die Internationalist Group (IG), sie schreibt im Internationalist (September/Oktober 2005): „Die UNT hat sich eine sozialistische Redeweise zugelegt und kritisiert sogar Regierungspläne für ,Arbeitermitverwaltung‘, indem sie zu ,Arbeiterkontrolle‘ aufruft. Doch keiner der Hauptbestandteile der UNT hat ein revolutionäres Programm angenommen, das die Vorbereitung der sozialistischen Revolution zum Ziel hat. Vielmehr versuchen sie die Chávez-Regierung nach links zu drängen.“ Dies ist, insbesondere weil es von der IG kommt, eine ziemlich milde Beschreibung einer Gewerkschaftsföderation, die unter den Fittichen der Chávez-Regierung entstanden ist.

Es erschlösse sich einem nicht aus der Lektüre ihres jüngsten Artikels, aber im November 2000 hatte die IG in einem Artikel mit der Überschrift „Against Chávez, the Stock Market and the IMF – Venezuela: Mobilize Workers Power to Defeat the Anti-Union Referendum!“ [Gegen Chávez, die Börse und den IWF – Venezuela: Mobilisiert Arbeitermacht, um das gewerkschaftsfeindliche Referendum zu Fall zu bringen!] einen ganz anderen Ton angeschlagen. Dieser Artikel, der auf ihrer Website in Spanisch erschien, stellte den venezolanischen Populisten als bloßen Handlanger der Börse von Caracas und der Imperialisten dar und spielte sowohl die Gefahren einer US-imperialistischen Intervention herunter als auch die organischen Bindungen der CTV an die bürgerliche AD und ihre historischen Verbindungen zu den „gewerkschaftlichen“ Frontorganisationen der CIA in Lateinamerika.

Damals fiel uns besonders ins Auge, dass die IG die CTV nicht als korporatistisch bezeichnete, eine Unterlassung, die umso bemerkenswerter ist, als sie dieses Prädikat für die mexikanische Arbeiterföderation CTM benutzt als Rechtfertigung, um diese nicht gegen Angriffe der Regierung zu verteidigen. Wir bemerkten: „Angesichts ihrer Vorgeschichte, ,antiimperialistischen‘ Nationalisten von Mexiko bis Puerto Rico und darüber hinaus hinterherzulaufen, hätte man erwarten können, dass sich die IG bei dem nationalistisch-populistischen Chávez einschmeichelt“ („IG on Venezuela: Opportunism Makes Strange Bedfellows“ [IG über Venezuela: Opportunismus bringt dir sonderbare Leute ins Bett], WV Nr. 787, 20. September 2002). Nachdem die IG endlich erschnuppert hat, aus welcher Richtung der Wind weht, beeilt sie sich jetzt, ihren Platz an der linken Flanke des Fanklubs der bolivarischen Revolution einzunehmen. Die IG überantwortet die CTV jetzt dem Mülleimer.

Die UNT-Führer geben gewiss Radikaleres von sich als die mit der CIA verbundenen CTV-Oberen, doch sie sind der kapitalistischen Regierung nicht weniger verpflichtet. Im September organisierten nach einem Bericht von Jorge Martin (www.handsoffvenezuela.org, 26. September 2005) UNT und FBT in Caracas „in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium“ einen „Workshop für politische Bildung“. Eine dort verabschiedete Resolution sprach von „dem historischen Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse“, von „Sozialismus als der Hoffnung der unterdrückten Klassen aller Länder“ und der Notwendigkeit, die Produktionsmittel zu enteignen. All dieser feurigen Rhetorik ging ein unterwürfiges Versprechen voraus, „die führende Rolle unseres Präsidenten Hugo Chavez Frias in dieser demokratischen und partizipatorischen Revolution [zu] bestätigen“. Alles Gerede von sozialistischer Revolution und einer Arbeitermassenpartei ist einfach nur heiße Luft, wenn man nicht für die vollständige und bedingungslose Unabhängigkeit des Proletariats vom kapitalistischen Staat und seinen politischen Parteien kämpft.

Der „cogestión“-Schwindel

Wenn die reformistische Linke den Schwindel mit „cogestión“ [Arbeitermitverwaltung] propagiert – was von Chávez und der UNT als „Arbeiterkontrolle“ angepriesen wird –, trägt sie dazu bei, den Würgegriff des kapitalistischen Staates über die venezolanische Arbeiterbewegung zu verstärken. In den USA jubelt die Workers World Party: „Arbeiter übernehmen die Kontrolle in Venezuela“, und: „Überall in Venezuela machen Arbeiter heute Fortschritte mit neuen Formationen zur Organisierung der Arbeiter. Hier wird eine Fabrik übernommen, dort mit Arbeitermitverwaltung experimentiert. Arbeiter stellen die alten Klassenbeziehungen in Frage und gelangen zu einer kollektiven Erkenntnis ihrer historischen Rolle im Kampf für den Sozialismus“ (Workers World, 5. Mai 2005).

In marxistischen Begriffen ausgedrückt ist Arbeiterkontrolle keine Einrichtung, und sie ist auch keine Forderung, die man zur Durchführung an die Bourgeoisie richten kann. Sie bedeutet Doppelherrschaft am Arbeitsplatz in einer revolutionären Krise – d. h. die Arbeiter haben die Macht, ihr Veto einzulegen gegen Maßnahmen der Betriebsleitung, die sie ablehnen. Dies kann nur dazu führen, dass die Arbeiter durch eine sozialistische Revolution die Staatsmacht ergreifen oder dass die Kapitalisten durch eine Konterrevolution ihre Herrschaft von neuem geltend machen. Was von der zynischen Pro-Chávez-„Linken“ als „Arbeiterkontrolle“ ausgegeben wird, ist in Wirklichkeit ein Programm zur institutionalisierten Klassenkollaboration und bindet die Arbeiterorganisationen enger an die Kapitalisten und deren Staat. Das ist alles nicht neu. In seinem unvollendeten Artikel „Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niederganges“ schrieb Trotzki 1940:

„Die Verwaltung von Eisenbahnen, Ölfeldern usw. durch Arbeiterorganisationen hat nichts gemein mit der Kontrolle der Arbeiter über die Industrie, denn letztlich liegt die Verwaltung in den Händen der Arbeiterbürokratie, die von den Arbeitern unabhängig, dagegen aber vollständig vom bürgerlichen Staat abhängig ist.“

In Venezuela ist heute das wichtigste Beispiel von „Arbeiterkontrolle“ die Papierfabrik Venepal (jetzt Invepal). Früher waren dort 1600 Arbeiter beschäftigt. Als die inzwischen bankrotte Fabrik letzten Januar verstaatlicht wurde, waren es nur noch 350. Die Firma, seit 1997 in großen Schwierigkeiten, hatte es einfach nicht geschafft, die Produktion wieder in Gang zu setzen, nachdem sie die Aussperrungen von 2002 gegen Chávez unterstützt hatte. Die Arbeiter wandten sich schließlich an Chávez, der das Unternehmen verstaatlichte. Doch das Unternehmen sollte zunächst direkt vom Staat geleitet und erst in einer späteren Phase in eine Arbeitermitverwaltungs-Struktur zwischen Arbeitern und dem Staat unter direkter Aufsicht der Arbeitsministerin María Cristina Iglesias umgewandelt werden. Sechs Monate nachdem die IMT wegen der Verstaatlichung von Venepal erstmals „Sozialismus!“ verkündet hatte, mussten die Grant-Leute in einem Internet-Artikel (18. Juli 2005) zugeben: „Die Führer der Gewerkschaft sind dazu übergegangen, die Gewerkschaft aufzulösen, und sie hoffen, den Anteil des Staates am Unternehmen aufkaufen zu können, so dass sie die einzigen Eigentümer sind und den gesamten Profit aus der Produktion behalten können“ (Jorge Martin, „Chavez Announces Expropriation of Closed Factories“ [Chávez kündigt Enteignung geschlossener Fabriken an]).

Ein anderes Beispiel von „Arbeitermitverwaltung“ ist das Aluminiumwerk Alcasa in Ciudad Guayana, dessen Vorstand nach einem Bericht des Militant (15. August 2005), Zeitung der Socialist Workers Party in den USA, jetzt zwei von den Arbeitern gewählte und vier vom Staat ernannte Direktoren umfasst. Ein örtlicher Führer der Gewerkschaft Sintralcasa sagte, er sei nicht für vollständige Verstaatlichung, und erklärte: „Wir sind sehr von der US-Wirtschaft abhängig, also sind wir nicht für den Sturz des Imperiums.“ Ein anderer sagte: „Jetzt, wo wir Arbeitermitverwaltung haben, spricht die Gewerkschaft nicht mehr nur von Lohnerhöhungen“, und fuhr fort: „Wir müssen die Produktion steigern und die Kosten senken.“

Der Socialist Worker der ISO versichert seinen Lesern: „Cogestion hat nichts mit sozialdemokratischer Mitbestimmung gemein.“ Tatsächlich ist es aber im Wesentlichen genau das, eine Variante dessen, was in Deutschland als Mitbestimmung bekannt ist, umgesetzt in den Aufsichtsräten durch die Gewerkschaften und Betriebsräte, die so Teil des Managements werden und auf das „Wohlergehen“ der Firma eingeschworen sind. Vielleicht noch größeren Bezug zur Lage in Venezuela hat das Beispiel der „Autogestion“ [Selbstverwaltung] im nachkolonialen Algerien der frühen 1960er-Jahre. Die Union Générale des Travailleurs Algérien (UGTA) organisierte unabhängige Arbeiterselbstverwaltungskomitees in den Fabriken und auf den Landgütern, die von den abziehenden französischen Kolonialisten aufgegeben worden waren. Aus Furcht vor einer Herausforderung seiner Herrschaft drückte das sich außerordentlich links gebende bürgerlich-nationalistische Regime der FLN (Nationale Befreiungsfront) unter Ahmed Ben Bella die Institutionalisierung der Selbstverwaltung und immer stärkere staatliche Reglementierung der UGTA durch. Sobald die Macht der Arbeiterklasse an die Kette gelegt war, wurde der „Sozialist“ Ben Bella durch eine Palastrevolution entmachtet.

Eine zentrale Rolle bei dem Verrat an den algerischen Arbeitern spielte Michel Pablo, der der kapitalistischen FLN-Regierung als Berater diente. In seiner Broschüre World in Revolution prahlte Pablo damit, dass er „mithalf, die Selbstverwaltung in Algerien zu kodifizieren und zu institutionalisieren und die algerische Reformgesetzgebung und die Wirtschafts- und Sozialpolitik des Landes zwischen 1962 und 1965 zu entwerfen“ (siehe „They Never Learn“ [Sie lernen es nie], WV Nr. 86, 21. November 1975). Einige Jahre zuvor hatte Pablo als ein zentraler Führer der trotzkistischen Vierten Internationale (VI) das liquidatorische Programm verfasst, das für die Zerstörung der VI verantwortlich war. Alan Woods’ IMT, die politisch in direkter Linie von Pablo abstammt, möchte gerne Pablos Rolle in Venezuela übernehmen.

Die Geschichte wird ein hartes Urteil über diejenigen „Linken“ fällen, die den einen oder anderen sich links gebärdenden kapitalistischen Caudillo unterstützen. Der Weg vorwärts für die Geknechteten in ganz Amerika besteht nicht darin, nationalistische starke Männer als Revolutionäre und populistische Intermezzi als Revolutionen darzustellen. Er besteht vielmehr im Aufbau nationaler Sektionen einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale im Geiste kompromissloser revolutionärer Feindschaft gegenüber jeglicher Art von kapitalistischer Herrschaft. Südlich des Rio Bravo müssen solche Parteien im politischen Kampf gegen weit verbreitete Illusionen in Populismus und Nationalismus aufgebaut werden. In den Vereinigten Staaten, in der Höhle des imperialistischen Monsters, wird eine revolutionäre Arbeiterpartei aufgebaut im Kampf dafür, das Proletariat von den Parteien des Kapitals – Demokraten und Republikanern – zu brechen und die proimperialistischen AFL-CIO-Oberhäupter durch eine klassenkämpferische Führung zu ersetzen.

 

Spartakist Nr. 161

Spartakist Nr. 161

Winter 2005/2006

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