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Spartakist Nummer 161 |
Winter 2005/2006 |
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Elizabeth King Robertson 1951-2005 Unsere Genossin Elizabeth King Robertson starb nach sechsjährigem Kampf am 12. Oktober zu Hause an Krebs. In ihrer mehr als 30jährigen Laufbahn als Berufsrevolutionärin zeichnete sich Lizzy als hervorragende Organisatorin, Propagandistin und Redakteurin aus. Als geduldige Lehrerin und Vorbild für jüngere Genossen war Lizzy ein lebendiges Bindeglied im Kampf um die Bewahrung unseres revolutionären Erbes, das auf Lenins und Trotzkis Kommunistische Internationale zurückgeht. Als sie starb, war sie Vollmitglied des Zentralkomitees der Spartacist League/U.S. und des Internationalen Exekutivkomitees der Internationalen Kommunistischen Liga. Ihr Tod ist ein unermesslicher Verlust, sowohl für unsere Partei international als auch für ihre Familie Jim Robertson, Martha, Marthas Kinder Rachel, Sarah und Kenneth wie auch für ihren Vater Henry, ihre Mutter Mary King und die übrige Familie King.
Lizzy wuchs in New York in einer großen Familie auf. Nach dem Tod ihrer Mutter Barbara heiratete ihr Vater Henry King, ein erfolgreicher Firmenanwalt, erneut. Mary King zog Lizzy wie ihre eigene Tochter auf und wurde für Lizzy zu Mom. Lizzy besuchte die Mädchen-Privatschule Brearley in New York. Sie schätzte stets die Ausbildung, die sie dort bekam, und viele der Freundschaften, die sie in Brearley schloss, hielten bis zu ihrem Lebensende. Als Teenager wurde sie zu Miss Porters geschickt, einem exklusiven Mädchenpensionat für Angehörige des alten Geldadels. Ihre dortige eigene Erfahrung mit Antisemitismus und Klassenüberheblichkeit trugen dazu bei, dass sie zu einer leidenschaftlichen Kämpferin gegen Rassismus und Ungleichheit wurde.
Lizzy kam mit der Spartacist League erstmals Anfang der 70er-Jahre in Kontakt, als Studentin an der Bostoner Universität. Unter dem Einfluss des Vietnamkrieges waren die Bostoner Unis eine Brutstätte des neulinken Radikalismus. Lizzy war im Cambridge Tenants Organizing Committee (Mieter-Organisationskomitee) aktiv, einer Gruppe, die versuchte Arbeiterfamilien zu verteidigen, die durch den Ausbau der Universitäten aus ihren Wohnungen vertrieben werden sollten. Sie wurde zum Trotzkismus rekrutiert und trat 1973 der Revolutionary Communist Youth (Revolutionär Kommunistische Jugend) bei, der Jugendgruppe der SL. Für viele Studenten war die Berührung mit dem radikalen Aktivismus nur eine Episode jugendlicher Rebellion auf dem Weg zu einer schließlich bequemen Karriere. Doch Lizzys Rekrutierung zum Kampf für die internationale sozialistische Revolution war von Dauer.
Lizzy wurde im Juli 1974 als Mitglied in die Partei aufgenommen. Inzwischen war sie nach Detroit gezogen, wo die SL danach strebte, beim großenteils schwarzen Proletariat der Autofabriken zu intervenieren. Sie beeindruckte Genossen sowohl als Jugendorganisatorin als auch durch ihre Beteiligung an den regen Debatten, als die Partei mehr Erfahrung in der Gewerkschaftsarbeit gewann. Hier begann sie auch die schwierige Ausbildung zur Gerichtsstenographin, ein Beruf, den sie bis zu ihrer Schwächung durch den Krebs ausübte.
1976 zog sie nach New York, um ein Teil der nationalen Führung der Jugendorganisation (die in Spartacus Youth League umbenannt wurde) zu sein. Lizzy wurde im Juli 1976 ins Nationalbüro der SYL gewählt und war von Oktober 1976 bis September 1978 Redaktionsmitglied der Monatszeitung Young Spartacus. Ein Jahr lang war sie die Nationale Organisationssekretärin der SYL. Ihre Erfahrung als Jugendorganisatorin und Ãführerin war entscheidend für Lizzys Verständnis, was eine Jugendorganisation für die Ausbildung von Parteikadern bedeutet.
Im August 1978 trat sie von ihren Führungspositionen in der Jugendorganisation zurück, um die Arbeit als Sekretärin des Politischen Büros zu übernehmen. Während ihrer ganzen Zeit in New York erfüllte Lizzy nicht nur die anspruchsvolle Aufgabe, regelmäßige und genaue Protokolle herauszugeben, sondern sie machte auch den Posten des PB-Sekretärs zu einer Schaltstelle für die Organisierung politischer Diskussionen. Zu dieser Zeit begann ihre enge persönliche Beziehung zu James Robertson, dem nationalen Vorsitzenden der SL, und sie blieb bis zu ihrem Tod seine liebende Lebensgefährtin und engste Parteimitarbeiterin. Nachdem sie dem Zentralkomitee der Partei als SYL-Vertreterin angehört hatte, wurde Lizzy 1979 direkt selbst kooptiert und auf der Nationalkonferenz im August 1983 zum ZK-Vollmitglied gewählt. Sie übernahm auch die Verantwortung für die Erstellung des Inhaltsverzeichnisses der gebundenen Ausgaben unserer Zeitung, in denen unsere politische Linie und unsere Arbeit dokumentarisch festgehalten werden. Anfang der 90er-Jahre zog Lizzy in die Bay Area von San Francisco. Sie war unermüdliche Beraterin der örtlichen Führung, war Sekretärin der ZK-Gruppe der Westküste und übernahm auch kontinuierlich Verantwortung für unsere Ortsgruppe in Los Angeles.
Lizzys Stärke lag darin, den Zusammenhang zwischen politischem Prinzip und konkreter sozialer Wirklichkeit anzupacken und dabei Taktiken und Losungen zu entwickeln, die unser Programm zum Ausdruck bringen können. Sie verfolgte die Arbeit der Spartacist-Unterstützer in den Gewerkschaften aufmerksam, und ihr Rat wurde von denen, die an dieser Arbeit beteiligt waren, sehr geschätzt. Sie war langjähriges Mitglied der Bay-Area-Ortsleitung und kämpfte darum, trotz ihrer vielen anderen Verpflichtungen in diesem Gremium zu bleiben, denn sie wusste genau, dass die Umsetzung politischer Entscheidungen ein tägliches Abwägen bedeutet, was man zugunsten der wichtigsten Aufgaben verraten muss; es bedeutet, für die jeweiligen Aufgaben die richtigen Genossen zu finden und sie darauf politisch vorzubereiten.
Lizzy war als leninistische politische Organisatorin unübertroffen. Nach einer Parteisitzung beschäftigte sie sich unweigerlich damit, herauszufinden, wie man Personal oder Aufgaben verteilen muss, um die gerade festgelegten politischen Prioritäten in die Tat umzusetzen. Sie hatte ein tiefgehendes Verständnis davon, wie unser organisatorisches Funktionieren unserem revolutionären Zweck entspricht. Jahrzehntelang war Lizzy eine von einer Handvoll Genossen, die bei der Formulierung, Verbesserung und Kodifizierung unserer internen Normen und Praktiken die Initiative ergriffen, wenn sich für die Partei neue Situationen ergaben oder wenn sich Probleme bei den bestehenden Regeln zeigten.
Auf der Dritten Internationalen Konferenz der IKL 1998 hielt sie einen Vortrag Über die Ursprünge und die Entwicklung leninistischer Organisationspraktiken. Zusammen mit unseren überarbeiteten Organisationsregeln und Ãrichtlinien, im Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 20 (Sommer 1998) veröffentlicht, schulte Lizzys Vortrag sowohl junge Genossen als auch erfahrene Kader, um die Konferenzdelegierten zu einer Erörterung der Regeln zu befähigen, indem sie, beginnend mit den ersten von Karl Marx selbst gegründeten marxistischen Organisationen, den historischen Hintergrund darstellte. In diesem Vortrag führte sie aus: Die lebendigen Organisationsregeln sind eines der vielleicht halben Dutzend Elemente, die eine Organisation kennzeichnen; in diesem Sinne sind sie politisch. Sie sind jedoch nicht allein entscheidend. Stichhaltige Organisationsregeln allein liefern keinen Schutz vor politischen Abirrungen, obwohl das Abweichen von unseren Organisationsnormen in der Regel politische Probleme signalisiert. Ohne bolschewistische Praktiken ist eine Organisation notwendigerweise formlos, das heißt menschewistisch.
Auch wenn Lizzy selten ihre Stimme erhob, war sie auf Parteisitzungen eine machtvolle Rednerin. Ihr scharfsinniges Urteil und ihre offene Art gaben ihr eine einzigartige Autorität bei den Beratungen, in denen die Partei eine Führung auswählt. Oft wurde sie zur Vorsitzenden der Nominierungskommission gewählt, die verantwortlich dafür ist, der Parteikonferenz, die das Führungsgremium (das ZK in der SL/U.S. oder das IEK in der IKL) wählt, eine Kandidatenliste vorzuschlagen. Lizzy hatte ein gutes Auge für die Schwächen und Stärken der Genossen, auch ihrer engsten Freunde, und sie war bekannt für ihre Unvoreingenommenheit. Diese Fähigkeit ist äußerst wichtig in einer leninistischen Partei, die ihre Führung als ein Kollektiv aufbauen will, das stärker ist als die Summe von Einzelpersonen.
Lizzy war auch ihre eigene schärfste Kritikerin. Obwohl sie große Schmerzen hatte, verfasste sie am 7. Oktober ein Dokument, in dem sie ihre Rolle in einem politischen Kampf in der Ortsgruppe von Los Angeles ansprach, der getrübt war durch extreme Charakterisierungen von Genossen und bürokratische Praktiken. Ihre Absicht war kein mea culpa, sondern eine sorgfältig auf Klarheit bedachte Stellungnahme, um die politischen Lehren zu ziehen, die zur Stärkung der Partei notwendig waren.
Seit Anfang 1979 war Lizzy eine Hauptstütze der Redaktion von Women and Revolution (W&R), der Zeitschrift der Kommission des ZK der SL/U.S. für Arbeit unter Frauen. Lizzy war Verfasserin oder Mitverfasserin einer Reihe von Artikeln in W&R zu den sensibelsten Fragen, bei denen es um die Verteidigung der menschlichen Sexualität und die Entlarvung der barbarischen Grausamkeit des bürgerlichen Staates ging, der das Leben von Menschen zerstört, deren einziges Verbrechen darin besteht, dass ihre sexuellen Neigungen und Bedürfnisse von den repressiven, auf Religion basierenden Einschränkungen des heuchlerischen bürgerlichen Moralismus abweichen. Sie schrieb Artikel über die AIDS-Krise, über das Verbrechen der genitalen Verstümmelung von Frauen, über die erfundenen Skandale um Kindesmissbrauch in Kindertagesstätten, über Inzest und die Aufregung über sogenanntes Date Rape (Vergewaltigung beim Date). Als das Erscheinen von W&R nach der Ausgabe vom Frühjahr 1996 eingestellt wurde, leistete Lizzy weiterhin Beiträge zu den Artikeln, die unter dem W&R-Titel in den Zeitungen der nationalen Sektionen der IKL, wie Workers Vanguard (WV), und im Spartacist erschienen. In den letzten Wochen ihres Lebens befasste sich Lizzy intensiv mit der Bearbeitung eines Artikels für die nächste Ausgabe des Spartacist, wo die Debatten und Diskussionen in der bolschewistischen Partei über die Frauenemanzipation nach der Russischen Revolution untersucht werden.
Die endgültige Annullierung der Oktoberrevolution in den Jahren 1991/92 war eine historische Niederlage für die Arbeiter aller Länder und leitete eine für Revolutionäre schwierige Periode ein. Unsere Schwierigkeiten, mit der neuen Periode zu Recht zu kommen, kamen in politischer Desorientierung und den entsprechenden internen Schwierigkeiten zum Ausdruck (siehe Spartacist League 12th National Conference A Hard Look at Recent Party Work and Current Tasks [12. Nationalkonferenz der Spartacist League ein nüchterner Blick auf die jüngste Parteiarbeit und die gegenwärtigen Aufgaben], WV Nr. 841, 4. Februar 2005). Niemand ist gegenüber diesen Problemen immun gewesen, doch Genossin Lizzy spielte eine Vorreiterrolle bei dem Versuch, die Partei aus diesem Morast herauszubekommen. Mehrmals in den letzten fünf oder sechs Jahren enthielten unsere internen Bulletins ein von Lizzy in einer frühen Phase der Diskussion vorgelegtes Dokument, oft weniger als eine Seite lang, das den Anstoß zu weiteren Beiträgen gab. Häufig ging ihr Dokument von einer konkreten, scheinbar taktischen Frage bei einer bestimmten irgendwo geplanten Intervention aus und ging dann logisch weiter zur Erläuterung programmatischer und prinzipieller Fragen.
Nachdem Lizzys Krebserkrankung festgestellt worden war, unterzog sie sich einer Operation, Chemotherapie und schließlich Bestrahlung. Ihr Vater stellte sicher, dass sie eine sehr gute Behandlung erhielt, die aber letztendlich nicht anschlug. Sie machte weiterhin ihren zweiwöchentlichen Verkauf und andere öffentliche Aktivitäten. Im April 2003 wurde sie durch ein nicht-tödliches Geschoss verwundet, das bei dem brutalen Polizeiangriff auf Anti-Kriegs-Demonstranten, Hafenarbeiter und LKW-Fahrer im Hafen von Oakland aus einem Bullengewehr abgefeuert wurde.
Ihre Genossen, ihre Familie und ihre Freunde werden Lizzy vermissen, solange wir noch bewusst im Leben stehen. Wir werden ihren scharfen Verstand vermissen, ihren Humor, ihre Wärme und ihr Mitgefühl. Wir werden uns immer an ihre Schönheit und ihren Mut erinnern. Selbst inmitten unserer Trauer feiern wir ihr Leben und finden Trost in dem Wissen, dass sie ihr Leben nach ihrer eigenen Vorstellung lebte und nie in ihrer Überzeugung geschwankt hat, dass der Kampf für die Befreiung aller Ausgebeuteten und Unterdrückten der richtige Lebensweg für sie war. Für uns war sie ein sehr starkes Glied in der Kette der Kontinuität, die geradewegs auf Marx und Engels, Lenin und Trotzki sowie Cannon zurückführt. Wir sind entschlossen unsere geliebte Genossin Lizzy zu ehren, indem wir ihren Kampf weiterführen.
Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 857, 28. Oktober 2005
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