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Spartakist Nummer 161 |
Winter 2005/2006 |
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Für eine proletarische Perspektive im Kampf gegen Faschismus Nahezu jede Woche versuchen Nazis ihre mörderischen Provokationen gegen Juden, Immigranten, Linke, Schwule auf den Straßen durchzuführen und fast jedes Mal treffen sie auf Widerstand. In Göttingen brannten Barrikaden, Kreuzungen wurden besetzt, es wurde versucht, die Nazi-Kundgebung mit lauter Musik zu übertönen, und 3500 Menschen beteiligten sich an der Gegendemo, als am 29. Oktober die Nazis der NPD versuchten, in der Universitätsstadt aufzumarschieren. Dass die 220 Nazis trotz dieser Proteste mehrere Stunden ihre Provokation durchziehen konnten, verdanken sie dem bürgerlichen Staat, der seine Bullen schickte, um wieder einmal das Demonstrationsrecht des völkermörderischen Nazi-Abschaums durchzusetzen. Hierbei wurden dreizehn linke Demonstranten verhaftet. Weg mit allen Anklagen gegen die antifaschistischen Demonstranten von Göttingen! Dafür, dass sie auf Grund der Gegendemonstrationen früher abziehen mussten, nahmen die Nazis später Rache an links aussehenden Jugendlichen im Bahnhof Northeim, nachdem sie zuvor eine junge Frau krankenhausreif geprügelt hatten. Aus anderen Zügen wurde berichtet, dass Immigranten mit Horror vor den Nazis flohen, als diese von den Bullen in die Züge eskortiert wurden.
Nur zwei Wochen später versuchten Nazis, im brandenburgischen Dorf Halbe die Waffen-SS-Mörder des Zweiten Weltkriegs zu ehren. Hier brannten aber keine Barrikaden, sondern es gab ein Fest mit diversen Musikgruppen, Prominenten und der Politikerriege des Brandenburger Landtags, inklusive Innenminister Schönbohm, das sich als Straße der Demokraten den Nazis in den Weg stellte, natürlich unter dem Schutz von 2000 Polizisten. In Potsdam besetzten am 5. November Demonstranten mehrere Stunden lang eine Straßenkreuzung und machten es auf diese Weise 300 Nazis unmöglich, ihre Provokation in voller Länge durchzuführen. Die Nazis mussten sich mit einer Kundgebung unter massivem Polizeischutz an einem S-Bahnhof abfinden. In Köln wurde am 19. November eine Nazi-Provokation nach drei Minuten von der Polizei aufgelöst, als der Nazi-Redner das staatliche Nazi-Pogrom von 1938 gegen die Juden feierte.
Es ist erschreckend, wie viele Nazi-Provokationen Woche für Woche stattfinden, dass Nazi-Terroristen im südlichen Sachsen ihr Unwesen treiben können, was eine der Ursachen für die NPD-Wahlerfolge ist, und das sich vor allem dunkelhäutigere Immigranten dem täglichen Terror durch Nazis ausgesetzt sehen. Widerstand gegen den Nazi-Terror ist also sehr wichtig. Bei allen obigen Beispielen wurden die Demonstrationen gegen die Nazis von den Organisatoren und Antifa-Gruppen als Siege über die Nazis dargestellt und gefeiert. Bei so vielen Siegen sollten die Nazis dann aber doch irgendwann demoralisiert sein, was sie jedoch tatsächlich nicht sind. Eine größere Niederlage, bei der eine ihrer Provokationen zerschlagen worden wäre, mussten die Nazis in keinem dieser Fälle hinnehmen, trotz des oft heldenhaften Einsatzes von Antifaschisten wie in Göttingen. Während wir Trotzkisten uns bei solchen berechtigten Protesten gegen Nazis nach Möglichkeit beteiligen und intervenieren, unterscheiden wir uns als klassenbewusste Kommunisten durch unsere Strategie im Kampf gegen die Nazis von den Organisatoren mit ihren liberalen, klassenübergreifenden Konzepten. Diese appellieren mehr oder weniger offen an den bürgerlichen Staat, die Nazis zu verbieten, oder sie versuchen, die Polizei auf die richtige Seite rüber zu ziehen, während sie sich zur gleichen Zeit Straßenschlachten mit ihr liefern. Vertrauen in den bürgerlichen Staat ist aber eine gefährliche Illusion. Wir hingegen wollen die soziale Macht der Arbeiterklasse mit ihrem strategischen Bestandteil von Immigranten und ethnischen Minderheiten mobilisieren und die Nazis so zurück in ihre Rattenlöcher treiben. Damit das Bewusstsein von Arbeitern und Immigranten über ihre eigenen Möglichkeiten, mit den Nazis fertig zu werden, geschaffen wird, ist ihre Mobilisierung unabhängig vom bürgerlichen Staat und seinen Agenturen entscheidend. Vor allem heißt das, einen politischen Kampf gegen die Sozialdemokraten von SPD und Linkspartei.PDS zu führen, die die Arbeiterklasse an das kapitalistische System binden.
Was ist Faschismus und wie kämpft man dagegen?
Es ist notwendig, die Faschisten im Keim zu zerschlagen, bevor sie zu einer Massenbewegung anwachsen können, wie es in den 20er/30er-Jahren der Fall war. Dafür müssen wir aber die richtigen Lehren aus der Geschichte ziehen. Der Faschismus ist die Sturmabteilung der Bourgeoisie, sobald ihr die alte, an Legalität und Demokratie gebundene Staatsmaschinerie als untauglich erscheint, sobald sie eine Streitmacht braucht, um den Druck des Proletariats abzuwehren. In dieser Situation schafft sich die Bourgeoisie eine zu allem bereite Kampftruppe und trampelt auf ihrer eigenen Legalität und Demokratie herum, um ihre Macht aufrechtzuerhalten. So definierte Leo Trotzki 1924 richtig den Faschismus nach Mussolinis Machtergreifung in Italien drei Jahre zuvor. Die Nazis sind heute im Vergleich zum Ende der 20er- und Anfang der 30er-Jahre eine kleine Minderheit, die zurzeit vor allem Terror gegen Immigranten, ethnische Minderheiten und alle, die nicht in ihr rassistisches Bild passen, betreiben. Um die Organisationen der Arbeiterklasse zentral anzugreifen, wie es die Nazis in der Weimarer Republik taten, sind sie im Moment zu schwach, und die Kapitalisten brauchen sie zurzeit nicht dafür. Doch wenn die Bourgeoisie die Nazis an der Macht braucht, dann zur Zerschlagung und Atomisierung der Arbeiterbewegung.
Trotzki, neben Lenin der Führer der bolschewistischen Oktoberrevolution in Russland 1917, analysierte in seinen Schriften über den Aufstieg des Faschismus in Deutschland die Klassenbasis des Nationalsozialismus. Während Liberale und die Ideologie heutiger Antifa-Gruppen unterscheidet sich davon nicht Faschismus im wesentlichen als eine extreme und gewalttätige Form rassistischer Ideologie darstellen, die mit Klassenkampf und Kapitalismus nichts zu tun hat, ist der Faschismus in Wahrheit nur die extreme Form der Herrschaft der Kapitalistenklasse und Produkt des Todeskampfes des Kapitalismus auf seiner höchsten und letzten Entwicklungsstufe, dem Imperialismus. Daher kann der Faschismus nur besiegt werden, indem der Kapitalismus, der ihn brütet, durch sozialistische Revolution zerstört wird und die Arbeiterklasse ihre eigene Herrschaft errichtet. Als Massenbewegung ist der Faschismus die reaktionäre Mobilisierung des Kleinbürgertums, wenn die kapitalistische Gesellschaft in eine tiefgehende politische und soziale Krise gestürzt wird. Das war in Italien der Fall und auch in Deutschland in den späten 20er- und frühen 30er-Jahren.
Die SPD war verantwortlich für die Unterdrückung des revolutionären Aufstands der Arbeiter 1918/19 und für die Ermordung der KPD-Führung, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Sie wurde die Hauptstütze der kapitalistischen Weimarer Republik. 1923 spitzte sich die Krise des kapitalistischen Systems in Deutschland unter dem Druck der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen erneut extrem zu. Damit verbunden kam es zu einer Hyperinflation. Es entstand eine außergewöhnliche revolutionäre Situation. Doch die KPD-Führung unter Brandler/Thalheimer zeigte sich unfähig, die Chance für den revolutionären Aufstand zu nutzen, und ließ die beste Möglichkeit, die es bisher für eine Arbeiterrevolution in Deutschland gab, verstreichen, während Stalin in der Kommunistischen Internationale (Komintern) empfahl, die deutschen Kommunisten zurückzuhalten (siehe hierzu: Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001). Die Niederlage der deutschen Revolution ermöglichte es der stalinistischen Bürokratie 1924, die politische Macht in der Sowjetunion an sich zu reißen. Hätte die KPD die Chance genutzt und die Revolution geführt, hätte es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben und auch keinen Holocaust.
Die Weltwirtschaftskrise 1929 ließ die zerbrechliche soziale und politische Struktur der Weimarer Republik einstürzen. Die Massenarbeitslosigkeit wurde durch die Austeritätspolitik der Regierung noch verstärkt. Die ökonomische Krise richtete nicht nur die Arbeiterklasse zugrunde, sondern auch das Kleinbürgertum, das sich vor den Großkapitalisten fürchtete, gleichzeitig aber auch Angst hatte, in die Arbeiterklasse abzustürzen. Zehntausende von Kleinbauern und Ladenbesitzern wurden in den Ruin getrieben; Beamte und Angestellte wurden das erste Mal in ihrem Leben entlassen, während den Studenten jede ökonomische Zukunft genommen wurde. Unter diesen Bedingungen stiegen die Nazis zur Massenpartei auf und richteten die Verzweiflung des Kleinbürgertums gegen die Arbeiterbewegung. Hitler und seine Schläger kombinierten Angriffe auf jüdische Bankiers, denen sie mit ihrer antisemitischen Demagogie die Schuld an Deutschlands ökonomischem Ruin gaben, mit mörderischer Gewalt gegen die sozialdemokratische und die kommunistische Massenpartei und die Gewerkschaften.
Im Januar 1933 übergaben die entscheidenden Teile des deutschen Kapitals die Regierungsmacht an die Nazis, um die sich im Verfall befindende bürgerliche Ordnung zu stabilisieren und eine sozialistische Revolution zu verhindern. Die Arbeiterklasse wollte kämpfen, wurde aber von ihrer Führung, KPD wie SPD, schmählich verraten. Das Wachstum und die Machtübernahme der Nazis wurden von den beiden Arbeiterparteien auf verschiedenen Wegen ermöglicht. Die SPD unterstützte, alles Geschwätz von Reform aufgebend, die Regierungspolitik, die die Massen immer weiter verelendete. Die radikaleren Teile der Arbeiterklasse hatten sich, von der Russischen Revolution inspiriert, in der KPD organisiert. Die stalinisierte KPD unter der Führung von Thälmann und von Stalins Komintern nahm eine ultralinke Pose ein und setzte die Sozialdemokraten mit den Nazis gleich. Sie nannte die SPDler Sozialfaschisten. So stieß sie die sozialdemokratischen Arbeiter ab, die gegen die Nazis kämpfen wollten, aber noch nicht bereit waren mit ihrer Partei und ihren Führern zu brechen. Damit wischte die KPD-Führung den Widerspruch weg, den Trotzki 1929 anhand der österreichischen Sozialdemokratie aufzeigte und den es auszunutzen galt: Der Faschismus nährt sich von der Sozialdemokratie, aber er muß ihr den Schädel einschlagen, um an die Macht zu kommen. Die österreichische Sozialdemokratie tut, was sie kann, um ihm diese chirurgische Operation zu erleichtern.
Trotzki und die trotzkistische Linke Opposition agitierten für Einheitsfrontaktionen von Kommunisten und Sozialdemokraten. Nach dem Motto getrennt marschieren, vereint schlagen einigt man sich auf die gemeinsame militärische Verteidigung der Arbeiterbewegung gegen die Nazi-Terrortrupps bei völliger Freiheit der Propaganda und Kritik. So können die sozialdemokratischen Arbeiter auch in der Praxis prüfen, welche Führung die bessere ist. In einzelnen Städten wie Oranienburg, Erkenschwick oder Bruchsal gelang es den Trotzkisten, solche Einheitsfronten zu verwirklichen. Trotzkis taktische Perspektive der Arbeitereinheitsfront gegen die Nazis basierte darauf, dass die grundlegende Frage, die anstand, der Kampf für die sozialistische Revolution war: die Übernahme der Staatsmacht durch die Arbeiterklasse. Das Programm Trotzkis war der Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Das war die einzige Perspektive den Faschismus wirklich zu beseitigen, weil es die Ursache des Faschismus, den Kapitalismus, beseitigt. Bis 1933 orientierte sich Trotzkis Internationale Linke Opposition darauf, die Kommunistische Internationale zum authentischen bolschewistischen Programm zurück zu gewinnen. Als sich aber keine Sektion der Komintern gegen Stalins Politik opponierte, die Hitlers Nazis erlaubt hatte, ohne irgendeine ernsthafte Gegenwehr an die Macht zu kommen, erklärte Trotzki die Komintern als revolutionäre Organisation für tot und rief dazu auf, die Vierte Internationale aufzubauen.
Volksfront keine Taktik, sondern das größte Verbrechen
Stalins Komintern wechselte nach der fürchterlichen Niederlage in Deutschland von einem ultralinken Kurs hin zur Volksfront. Die Volksfront ist eine Koalition von Organisationen des Proletariats mit der Bourgeoisie in Gestalt einer liberalen Partei oder ähnlichem. Die Koalition kann sich sowohl auf das parlamentarische als auch auf das außerparlamentarische Gebiet erstrecken. Auf beiden Gebieten schränkt die Bourgeoisie durch ihre Agenten die Arbeiterklasse ein, während sie selbst volle Handlungsfreiheit behält. Als der Komintern-Vorsitzende Dimitroff auf dem VII. Weltkongreß 1935 den Faschismus als die Herrschaft des reaktionärsten Teils der Finanzbourgeoisie definierte, leugnete er damit einerseits die Massenbasis des Faschismus im Kleinbürgertum und legte andererseits die Basis dafür, Volksfronten zustande zu bringen, und sei es mit einem erbärmlichen Schatten der Bourgeoisie.
Im spanischen Bürgerkrieg führte die Volksfrontpolitik direkt in die größte Katastrophe. Mit dem Argument, zuerst den Krieg gegen Franco gewinnen zu müssen und deshalb den Status quo die bürgerliche Demokratie und die Herrschaft der Kapitalisten und das Privateigentum an Land und Produktionsmitteln aufrechtzuerhalten, wurde der Kampf gegen die Kapitalisten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben und die Arbeiterklasse ihrer revolutionären Kraft beraubt. Weil die Fabriken nicht enteignet wurden, war die Frage der Bewaffnung und Versorgung der Front gegen Franco ein Problem. Die kapitalistischen Ausbeuter und Großgrundbesitzer verteidigen zu müssen, demoralisierte die Arbeiter und Bauern, die gegen Franco kämpften. Gleichzeitig verhinderte diese Politik die revolutionäre Zersetzung der Franco-Truppen, die zu einem Gutteil aus marokkanischen und armen Bauern bestanden. Genauso das räuberische Festhalten an den Kolonien. Trotzki erklärte: Indem sie die Arbeiter und Bauern durch parlamentarische Illusionen einschläfert, ihren Kampfwillen lähmt, erzeugt die ,Volksfront die günstigsten Bedingungen für den Sieg des Faschismus. Die Politik der Koalition mit dem Bürgertum muss die Arbeiterklasse mit Jahren neuer Qualen und Opfer, wenn nicht mit Jahrzehnten faschistischen Terrors bezahlen (Der neue revolutionäre Aufschwung und die Aufgaben der 4. Internationale, Juli 1936). Trotzkisten kämpften dagegen für die sozialistische Revolution und den Sturz der Bourgeoisie, die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats und seiner Armee, deren Ersetzung durch die Bewaffnung der Arbeiterklasse und die Errichtung ihrer eigenen Herrschaft: Dies stellte die einzige Garantie dar, dass Franco nicht an die Macht kommen würde.
Kein Vertrauen in den bürgerlichen Staat
Die Antifa-Gruppen trennen als Ein-Punkt-Organisationen den Kampf gegen den Faschismus vom Kampf gegen den Kapitalismus und lehnen oft die Organisierung in breiteren politischen Organisationen ab. Mit ihrer Beschränkung auf die Verteidigung des Status quo setzen sie die Niederlagenstrategie der Volksfront fort. Da ruft man schon mal zu Regierungsfeierlichkeiten wie denen zum 8. Mai 2005 mit auf, wie es die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) tat, und feiert es dann als Sieg, dass die Bullen an diesem Tag den Nazis den Weg nicht frei prügelten. Doch die Nazis durften an diesem Tag nur deshalb nicht durchs Brandenburger Tor laufen, weil dies schlecht für das Image des deutschen Imperialismus gewesen wäre.
Tatsächlich aber ist es der bürgerliche Staat Gerichte und Polizei der die Nazis immer wieder gegen die berechtigte Wut ihrer Gegner schützt. Die Farce von Schilys Versuch, die NPD zu verbieten, zeigte plastisch, dass diese Nazis von Agenten des bürgerlichen Staates geführt und bezahlt werden. Der bürgerliche Staat schürt Rassismus mit dem so genannten Krieg gegen Terror, der der Ausgrenzung und Stigmatisierung von Immigranten und ethnischen Minderheiten mit arabischem/muslimischem Hintergrund dient, was insbesondere Türken, Kurden und hier lebende Palästinenser treffen soll. Dies gehört zur Teile-und-herrsche-Politik der Kapitalisten, die damit die Arbeiterklasse entlang ethnischer Linien spalten wollen.
Linke Organisationen verbreiten massiv Illusionen, dass der bürgerliche Staat neutral sein könnte oder gar auf der Seite der Opfer des Nazi-Terrors stehen würde, wie die erzreformistische MLPD, die das Verbot aller faschistischen Organisationen fordert. Linksruck zeigte sich entrüstet: Statt Nazi-Verbrecher, bekämpfte die Polizei Menschen, die gegen ein Verbrechen, den Krieg, protestieren (Linksruck, 13. April 2005). Gesetze, die vom bürgerlichen Staat unter dem Vorwand erlassen werden, sich gegen Extremismus zu richten, werden immer gegen die Linke und Arbeiterbewegung eingesetzt werden. Deshalb sind solche Verbotsforderungen selbstmörderisch. Aber nicht nur die Reformisten verbreiten diese Illusionen. Auch und gerade die Göttinger Antifa, die sich gern militant gibt, beschwerte sich: Eine Sprecherin der A.L.I. beschuldigte die Polizeiführung, nach Ende der Neonaziveranstaltung offenbar falsche Prioritäten gesetzt zu haben, denn Polizeieinheiten in Göttingen [hatten] nichts Besseres zu tun, als Jagd auf ,schwarz gekleidete Menschen zu machen. Während den abreisenden Nazigruppen ,freie Bahn signalisiert wurde,
Das ist aber genau das, wofür die Bullen und der bürgerliche Staat da sind. Eine Erklärung von Berliner Antifa-Gruppen Keine Homezone für Faschisten! vom 4. November zeigt sich weinerlich darüber, dass die Rechtsextremisten nicht wirklich behindert werden. Die Berliner Polizei hat sich inzwischen einen neuen Feind ausgesucht die antifaschistische Szene der Stadt. Tatsächlich ist es nicht ein neuer Feind, sondern ihr alter, und die Bullen waren nie Feinde der Nazis. Die Bullen des SPD/PDS-Senats haben über den Sommer diverse Antifa-Veranstaltungen und -Partys terrorisiert und auch Wohnungen durchsucht. In welche Demoralisierung und Passivität dieses Vertrauen, das hinter solchen Erklärungen steht, führen kann, zeigten AntifaschistInnen aus Köln in dem Bericht Naziblamage in Köln und Bonn (Indymedia, 19. November). Sie argumentieren dafür, Nazi-Aufmärschen die gebührende Nichtbeachtung zuteil werden zu lassen, da das in Zeiten, in denen die Polizei hier oft bessere Antifaarbeit leistet, durchaus sinnvoll
sei.
Hier wird offensichtlich, dass trotz der Konfrontationen mit der Polizei, der Hausdurchsuchungen und endlosen Gerichtsverfahren gegen Linke das Märchen geglaubt wird, der demokratische bürgerliche Staat könnte in irgendeiner Weise antifaschistisch sein, wenn man nur genügend moralische Empörung verbreitet und ihn nach links drückt. Doch der kapitalistische Staat ist ein Instrument zur Durchsetzung und Verteidigung der Klasseninteressen der Bourgeoisie und verteidigt deshalb die Faschisten als ihre Reservearmee gegen das Proletariat.
Das kapitalistische Westdeutschland war so, wie es jetzt das wiedervereinigte Deutschland ist, der selbst ernannte Nachfolgestaat des Dritten Reiches. Diejenigen, die in Nazi-Deutschland das Sagen hatten, hatten es auch in Westdeutschland. Die Kontinuität der deutschen Bourgeoisie ist ungebrochen, man erinnere sich nur an den Arisierer und Deutsche-Bank-Manager Hermann Josef Abs oder die unzähligen Nazis, die den BND, die Polizei, das BKA und die Bundeswehr wieder aufbauten. Antifaschisten, die Illusionen darin säen, dass der bürgerliche deutsche Staat irgendwas ernsthaft gegen Nazis tun würde, sind nichts als die Hofnarren der deutschen Bourgeoisie und entwaffnen jeden ernsthaften Kampf gegen die braune Pest, die nicht zu trennen ist von der Bourgeoisie, die sie mal mehr, mal weniger braucht.
Autonome Antifa und die Arbeiterklasse
Antifa-Gruppen haben sich das Symbol von Thälmanns Antifaschistischer Aktion der 30er-Jahre zu Eigen gemacht. Die AA war aber eine mit der KPD politisch eng verbundene Arbeiterorganisation, die dabei versagte, die Nazis zu stoppen. Tatsächlich haben die meisten heutigen Antifa-Gruppen für die Arbeiterklasse nichts als Verachtung übrig. Sie teilen und fördern die Lüge der deutschen Bourgeoisie und der anderen Imperialisten von der Kollektivschuld des deutschen Volkes, das verantwortlich sei für den Völkermord an Juden und Sinti/Roma und für die anderen Nazi-Gräueltaten. Wenn aber alle gleichmäßig verantwortlich sind, dann ist es am Ende keiner mehr. Welch ein wunderbares Geschenk an die deutsche Kapitalistenklasse, die Hitler an die Macht brachte, um die Arbeiterbewegung endlich zerschlagen zu können und die Revolution zu verhindern. Hitler und Co. waren das Werkzeug der deutschen Bourgeoisie, die wieder versuchte, ihre Welteroberungspläne in die Realität umzusetzen. Auch deshalb mussten die Organisationen der machtvollen deutschen Arbeiterklasse zerschlagen und ihrer Führung beraubt werden, durch endlosen brutalsten Nazi-Mord und -Terror.
Die Kollektivschuld-Lüge stellt der deutschen Bourgeoisie genau den Persilschein aus, den sie braucht, um sich ideologisch wieder aufzurüsten für ihren nächsten Kampf um die Aufteilung der Welt, und sie fesselt die Arbeiterklasse genau an diese mörderische Bourgeoisie. Die bürgerliche Ideologie von der Kollektivschuld wird von so unterschiedlichen Organisationen wie dem antiimperialistischen Gegeninformationsbüro, diversen stalinistischen und pseudotrotzkistischen Organisationen geteilt. Wer in der Linken glaubt, den Faschismus bekämpfen zu können und auf die Arbeiterklasse spucken zu können, hat nicht verstanden, worum es beim Kampf gegen den Faschismus geht. Die Arbeiterklasse als wesentlichsten Faktor im Kampf gegen den Faschismus abzuschreiben führt zwangsläufig dazu, sich anderswo Verbündete zu suchen, seien es die Bullen, Pfaffen, diese oder jene kapitalistische Regierung.
Dass die Nazis breite Unterstützung in der Arbeiterklasse hatten, gehört zu einer weit verbreiteten Lüge von Sozialdemokraten und Stalinisten. Diese Lüge dient dazu, die Arbeiterklasse ideologisch zu knebeln, und im Fall von Stalinisten und Sozialdemokraten, ihre eigene Verantwortung dafür, dass die Nazis an die Macht kommen konnten, zu leugnen. Marlis Steinert hat in ihrem Buch Hitlers Krieg und die Deutschen (1970) gezeigt, dass es in der Arbeiterklasse trotz massiven Terrors seitens der Nazis immer wieder Widerstand gegen die Nazis, gegen den Krieg und gegen die Verfolgung der Juden gab. Die Nazis setzten alle ideologischen und terroristischen Mittel ein, dass es nicht wieder einen November 1918 geben würde, das heißt einen revolutionären Aufstand der Arbeiter und Soldaten. Aber nicht nur die Nazis und die deutsche Bourgeoisie befürchteten dies, sondern auch die sozialdemokratischen Führer. Vorausschauend bat Fritz Tarnow, SPD- und ADGB-Bürokrat, im Mai 1939 den amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL, wohl wissend um dessen Verbindungen zu US-Geheimdiensten, um Unterstützung der Untergrundarbeit des ADGB, um später eine Revolution zu verhindern: Wir wissen aus den Erfahrungen kurz nach dem Weltkrieg nur zu gut, welche Verwirrung bei den Massen eintreten kann, wenn ein Staatsregime zusammenbricht, besonders wenn damit auch ein ökonomischer Zusammenbruch verbunden ist. Deswegen sind wir uns klar darüber, daß nach dem Sturz des Hitlerregimes sofort die kommunistische Gefahr sehr groß werden kann
Genau dies geschah dann auch beim Zusammenbruch des Nazi-Regimes, als Gewerkschafter die Betriebe übernahmen und die Nazis vertrieben. Anfang 1947 gab es riesige Demonstrationen im Ruhrgebiet, an denen hunderttausende Arbeiter teilnahmen. Die Arbeiter forderten die entschädigungslose Enteignung des Bergbaus, der Stahl- und der Chemieindustrie und die öffentliche Kontrolle der Lebensmittelverteilung, die sich in den Händen der alliierten Besatzungsmächte befand. Als sich die Streiks ausweiteten, erklärten britische, französische und US-Kommandanten diese für illegal und drohten mit der Todesstrafe gegen streikende Arbeiter. Das macht deutlich, dass Nazis und Sozialdemokraten die revolutionäre Energie der Arbeiterklasse richtig eingeschätzt hatten. Dass alle Parteien, außer der stalinistischen KPD, in ihren Programmen papierne Zugeständnisse an den Sozialismus und die Enteignung der Schlüsselindustrien machen mussten, ist ebenso ein Ausdruck von dieser revolutionären Stimmung. Nur eine revolutionäre Partei fehlte, die dieser Stimmung organisatorischen Ausdruck und ein Programm geben konnte; und Versuche, eine solche trotzkistische Partei aufzubauen, wurden sowohl von den imperialistischen Besatzern als auch von den Stalinisten unterdrückt. Die Lüge von der Akzeptanz der Nazis durch die Arbeiterklasse ist die Geschichtsschreibung der herrschenden Klasse und ihrer sozialdemokratischen und stalinistischen Lakaien.
Die rassistischen Antideutschen sind völlig auf die andere Seite der Klassenlinie gewechselt. Ihren provokatorischen Charakter zeigten sie deutlich, als sie im Januar 2004 in Hamburg bei einer Demonstration gegen einen Nazi-Aufmarsch versuchten, mit US- und Israel-Fahnen die Demo zu übernehmen, und damit das Eingreifen der Bullen gegen die Demo provozierten. Oder im Sommer 2004 provozierten sie mit einem rassistischen Marsch durch Berlins Immigranten-Bezirke Kreuzberg und Neukölln, eine Provokation die seinerzeit Innenminister Schily (SPD) wohl Freudentränen entlockte, passte sie doch so punktgenau in die rassistische staatliche Kampagne gegen Immigranten oder ethnische Minderheiten mit arabischem oder muslimischem Hintergrund.
Das proimperialistische antideutsche Pack lobpreist gleichberechtigt mit der Sowjetunion deren demokratische imperialistische Alliierten, die angeblich den Faschismus in Deutschland bekämpft hätten. Schwachsinn. Was ist mit den französischen Kollaborateuren der Nazis, die ihre jüdische Bevölkerung auslieferten, was mit den rassistischen US-Herrschern, die das System der Segregation der schwarzen US-Bevölkerung bis in die 60er-Jahre offiziell aufrechterhielten und die schwarze und auch ihre eigene jüdische Bevölkerung dem faschistischen Klan-Terror aussetzten. Warum öffneten die amerikanischen Imperialisten nicht ihre Tore für die verfolgten Juden Europas am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, wie die amerikanischen Trotzkisten dies forderten? Warum bombardierten sie die Arbeiterviertel der Großstädte, aber nicht die Bahnstrecken zu den Vernichtungslagern?
Die Ehre, die Nazis besiegt zu haben, gebührt einzig und allein dem degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion und seiner Roten Armee, die die Hauptlast des Kampfes trugen, Titos kommunistischen Partisanen, den heldenhaften jüdischen und Widerstandskämpfern aus der Arbeiterbewegung, unter denen Trotzkisten vielfach in der ersten Reihe standen, wie z. B. beim Aufstand im Warschauer Ghetto 1943. Der amerikanische, britische und französische Imperialismus kämpften im Zweiten Weltkrieg, genauso wie der deutsche und japanische, für ihre eigenen imperialistischen Interessen bei der Neuaufteilung der Welt. Für den britischen und den US-Imperialismus war der Kampf gegen die Nazis nichts weiter als ein Mittel, ihre eigene Bevölkerung für ihren imperialistischen Krieg zu mobilisieren, und die Eröffnung der zweiten Front in der Normandie diente nur dazu, möglichst viel von Europa vor der Roten Armee zu erobern, um den Kommunismus einzudämmen. Revolutionäre konnten im Zweiten Weltkrieg nur die Seite der Sowjetunion einnehmen, welche wir Trotzkisten, trotz und gegen Stalin, bedingungslos militärisch verteidigten. Die Sowjetunion verteidigen hieß, das verstaatlichte Eigentum zu verteidigen, das in Folge der Oktoberrevolution errichtet wurde. Nur der Krieg der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland war ein progressiver Krieg.
Für Arbeiter-/Immigrantenmobilisierungen, um die Nazis zu stoppen!
Das Neue Deutschland vom 14. November 2005 berichtete, dass für die Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch in Halbe die IG Metall drei Busse mit Auszubildenden des Stahlwerks Eisenhüttenstadt mobilisierte. Diese Mobilisierung von jugendlichen Stahlarbeitern wie auch der Aufruf von ver.di Berlin zur Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch am 3. Dezember in Berlin-Johannisthal sind Ausdruck der in der Arbeiterklasse gefühlten Notwendigkeit, die Nazis zu bekämpfen aus dem Wissen heraus, dass die Nazis tödliche Feinde der organisierten Arbeiterbewegung sind. Aber wie in Halbe werden solche Mobilisierungen nur dazu genutzt, jeden effektiven Kampf gegen den Nazi-Abschaum zu verhindern. So war die Demonstration am 3. Dezember in Berlin sehr frustrierend für die meisten Teilnehmer, da der Demoleitung gegenüber einem großen Polizeiaufgebot nichts anderes einfiel, als zum Tanzen gegen Nazis aufzurufen, während diese ungehindert ihre Provokation durchziehen konnten. So etwas kann nur demoralisieren.
Arbeiter-/Immigrantenmobilisierungen, um die Nazis zu stoppen sind etwas fundamental anderes als die volksfrontartigen Mobilisierungen in Halbe oder am 3. Dezember in Berlin. Ethnische Minderheiten insbesondere türkischer und kurdischer Herkunft sind in Deutschland ein zentraler Bestandteil der Arbeiterklasse. Sie stellen in den wichtigen Industrien einen großen Teil der Arbeiterschaft und sind oft mit den militanteren Traditionen ihrer Herkunftsländer verbunden. Auch sind die Illusionen in die Sozialdemokratie oft geringer, da die vielfältige rassistische Diskriminierung mehr Sinn für die Realität dieser kapitalistischen Ausbeutergesellschaft gibt. Wir wollen gewerkschaftlich organisierte, disziplinierte, kämpferische Kontingente von Arbeitern gemeinsam mit allen potenziellen Opfern der Faschisten, politisch unabhängig vom bürgerlichen Staat, zu dem Ort und zu der Zeit mobilisieren, wo die Nazis sich versammeln wollen und damit im Keim jede Ansammlung der Nazis verhindern und sie stoppen. Mobilisierungen dieser Art wurden in den USA von unserer größeren Schwesterorganisation, der Spartacist League/U.S., wiederholt initiiert und durchgeführt, wie zum Beispiel im Oktober 1999 in New York City gegen den mörderischen KKK.
Militante Antifa-Gruppen versuchten in der Vergangenheit oft, ihr Umfeld zu dem Treffpunkt der Nazis zu mobilisieren. Sie werden aber immer öfter einfach von der Polizei weggeräumt oder kommen überhaupt nicht erst dahin, weil alles weiträumig abgesperrt ist. Es klappt auch nicht, dies in kleinen Gruppen von ein paar Linken umzusetzen. Wenn tausende entschlossene und disziplinierte Arbeiter, mobilisiert in Kontingenten aus den Betrieben, versuchen die Nazis zu stoppen, dann werden wahrscheinlich auch die Knüppelgarden des bürgerlichen Staates es sich genauer überlegen, eine solche Mobilisierung einfach auseinander zu prügeln. Denn dies könnte am nächsten Tag in den Betrieben zu Unruhen führen und zu Solidarisierungen mit den Arbeitern bis hin zu Streiks. Wenn die Arbeiter in einer solchen Mobilisierung die Nazis stoppen, dann würde dies auch das Bewusstsein der Arbeiter in ihre eigene soziale Macht wesentlich steigern. Gewerkschaftliche Ordnertrupps einer solchen Mobilisierung könnten der Keim von Arbeitermilizen sein, die dafür sorgen, dass Immigrantenviertel, Streikpostenketten und Demonstrationen wirksam vor faschistischen Banden und rassistischem Terror geschützt werden.
Der Kampf gegen die Nazis findet nicht auf Parlamentstribünen oder in Sonntagsreden statt, sondern auf der Straße. Voraussetzung einer Mobilisierung, die Nazis zu stoppen, ist ein politischer Kampf in den Gewerkschaften gegen die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung, die Klassenkollaboration und Vertrauen in den bürgerlichen Staat und die Demokratie predigt, während die Sozialdemokraten, egal ob SPD oder Linkspartei.PDS, in der Regierung Hartz IV und Agenda 2010 durchsetzen und die Arbeiterklasse auf allen Ebenen angreifen und den Widerstand dagegen zu desorganisieren suchen. Trotzdem sucht die Arbeiterklasse nach Wegen, dagegen zu kämpfen, wie die aktuellen Proteste in Krankenhäusern, gegen Betriebsschließungen usw. immer wieder zeigen. Zentral ist also die Frage der Führung der Arbeiterklasse. Um die verrottete sozialdemokratische Führung zu ersetzen, braucht es einen bewussten Kern, eine revolutionäre Avantgardepartei nach dem Muster von Lenins Bolschewiki. Es gibt keinen anderen Weg.
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