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Spartacist (deutschsprachige Ausgabe) Nummer 32

Herbst 2020

Warum die PCI im Mai 1946 zu Recht für die Verfassung stimmte

Nachkriegsfrankreich: Programm und Taktik der Trotzkisten

Der folgende Artikel ist übersetzt aus Spartacist, französischsprachige Ausgabe Nr. 44, Frühjahr 2019. Faktische Fehler wurden korrigiert.

Als im August/September 1944 die Nazi-Besetzung in Frankreich sich dem Ende näherte, setzte in dem Land eine Periode turbulenter Klassenkämpfe ein. Die französische Bourgeoisie war zutiefst diskreditiert. Sie hatte, genau wie die Bourgeoisien in Italien, Griechenland und anderen Ländern, in ihrer überwiegenden Mehrheit mit den Nazis kollaboriert. Die stalinistische Parti communiste français (PCF – Französische Kommunistische Partei) konnte exponentiell anwachsen, weil sie von ihrem enormen Gewicht in der Widerstandsbewegung profitierte sowie von ihrem fälschlichen Anspruch, das Vermächtnis der Russischen Revolution von 1917 zu repräsentieren. Durch ihre Verbindungen zur Sowjetunion gewann die PCF an Ansehen bei den Arbeitern, die sahen, wie die Rote Armee über den Nazi-Abschaum triumphierte und die Todeslager in Ost- und Mitteleuropa befreite.

Die französischen Kapitalisten klammerten sich an die Überreste ihres Kolonialreichs und wollten ihren Platz unter den siegreichen imperialistischen Mächten zurückerlangen, der ihnen ihrer Meinung nach rechtmäßig zustand. Doch zuerst mussten sie die drohende Gefahr eines Aufstands des bewaffneten Proletariats beseitigen. Mit dem Ende der deutschen Besetzung kam es in größeren Städten zu Straßenschlachten sowie zu Streiks und Fabrikbesetzungen und sogar zur Herausbildung von Organen der Doppelherrschaft in Embryonalform. In Paris übernahmen die Arbeiter die Kontrolle über die Metro. In Toulouse hielten sie unter anderem die Flugzeugfabriken unter ihrer Kontrolle.

Aber die PCF-Führer begingen Verrat. Nachdem sie in der Résistance mit dem gaullistischen Flügel der Bourgeoisie zusammengearbeitet hatten, entwaffneten sie dann das Proletariat und taten alles, um im Namen der „bataille de la production“ (Produktionsschlacht) die kapitalistische Ordnung neu zu stabilisieren. Nach Aufständen in Paris, Marseille und anderen Städten im August 1944 beschrieb es die trotzkistische Zeitschrift Fourth International [Vierte Internationale] (Oktober 1944): Hätte eine Partei mit dem Einfluss der PCF zur Bildung von Sowjets (Arbeiterräten) aufgerufen und um die Macht gekämpft, so „hätte sich sehr schnell der Aufstand zu einer Arbeiterrevolution entwickelt. Tatsächlich waren alle notwendigen Bedingungen für eine revolutionäre Situation vorhanden, außer der Existenz einer ausreichend starken revolutionären Partei.“

Dank des Verrats der Stalinisten wurde die Unzufriedenheit der Arbeiter schließlich in parlamentarische Bahnen gelenkt. Doch die Unruhen hörten nicht vollständig auf. Die PCF ging als stärkste Partei aus den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung im Oktober 1945 hervor und bildete mit der Sozialistischen Partei (PS oder SFIO, „Section française de l’internationale ouvrière“ [französische Sektion der Arbeiterinternationale]) und einer bürgerlichen Partei, den Volksrepublikanern (MRP), eine bürgerliche Koalitionsregierung. Dies war eine klassische Volksfront: Die PCF ordnete die Arbeiterklasse genau wie 1936 dem sogenannten „fortschrittlichen“ Flügel der Bourgeoisie unter. Doch die Bourgeoisie war nicht gewillt, sich längerfristig mit einer Situation abzufinden, in der die PCF die dominierende Partei im Parlament war – eine Partei, die mit den Sowjets verbündet war, die die östliche Hälfte Europas besetzt hielten. Außerdem begann in den ersten Monaten von 1946 offiziell der Kalte Krieg, ein imperialistischer Kreuzzug, der letztendlich auf die konterrevolutionäre Zerstörung der Sowjetunion gerichtet war.

Gerade zu dieser Zeit verabschiedete die PCF-SFIO-Mehrheit in der Nationalversammlung den Entwurf einer neuen Verfassung, der im Mai 1946 einer Volksabstimmung vorgelegt wurde. Dieser Verfassungsentwurf, der eine Reihe unterstützenswerter demokratischer Reformen enthielt (insbesondere die Abschaffung des Senats und eine Beschränkung der Befugnisse des Präsidenten der Republik), entzweite die französische Gesellschaft zutiefst. Alle bürgerlichen Parteien, inklusive MRP, riefen zu einem „Nein“-Votum auf, und das Referendum wurde zum Brennpunkt einer bösartigen antikommunistischen Kampagne.

Die Trotzkisten der Parti communiste internationaliste (PCI) standen vor einer ungewöhnlichen Frage: Sollten sie angesichts der einhelligen Opposition der Bourgeoisie bei dem Referendum für „Ja“ stimmen? Ihre anfängliche Entscheidung für einen Boykott des Referendums machte die PCI-Führung mit knapper Mehrheit rückgängig und sie rief zwei Wochen vor dem Referendum zu einem „Ja“-Votum auf. Der Aufruf zu einem „Ja“-Votum wurde nicht nur von einer Minderheit in der PCI abgelehnt, sondern auch von der Führung der Vierten Internationale und ihrer stärksten Sektion, der amerikanischen Socialist Workers Party (SWP).

Die Internationale Kommunistische Liga hat die Debatten in der PCI und der Vierten Internationale zum Referendum vom Mai 1946 noch einmal überprüft. Wir kamen zu dem Schluss, dass es trotz der ernsten politischen Probleme der PCI korrekt war, zu einem „Ja“-Votum aufzurufen. Zu einem Zeitpunkt, als tiefe soziale Spannungen in einem parlamentarischen Rahmen gehalten wurden, also in Ermangelung einer revolutionären Situation, war es eine Frage der Taktik und keine Prinzipienfrage, ob man bei einem Referendum zur Stimmabgabe für eine bürgerliche Verfassung auffordern sollte. In einem im Dezember 2014 angenommenen Antrag erklärte das Internationale Exekutivkomitee der IKL:

„Wir würden niemals fordern, dass eine bürgerliche Verfassung erstellt wird, noch dafür werben; wird uns aber ein Gesetz, eine Gesetzesänderung oder sogar eine neue Verfassung vorgelegt, ist es unsere Pflicht, zu prüfen, ob deren Verabschiedung im Interesse der Arbeiterklasse ist, um dann unsere Taktik zu bestimmen.

Im Falle des Referendums vom Mai 1946 entsprach es nicht nur unseren Prinzipien, für die Verfassung zu stimmen, es war auch taktisch gerechtfertigt und intelligent. Diese Verfassung stellte eine Änderung in eine demokratische Richtung gegenüber der vorhergehenden Verfassung der Dritten Republik dar; außerdem deutete die einhellige antikommunistische Offensive der bürgerlichen Parteien gegen den von der PCF und der Mehrheit der SFIO unterstützten Verfassungsentwurf darauf hin, dass im Falle der Ablehnung der Verfassung – eine Änderung des Kräfteverhältnisses der Klassen zu Gunsten der Bourgeoisie widerspiegelnd – der nächste Verfassungsentwurf wahrscheinlich weniger demokratisch sein würde als der vom Mai (was dann tatsächlich eintrat).“

Heute scheint diese Volksabstimmung weitgehend ein Detail der Geschichte zu sein. Doch damals spaltete sie die französische Gesellschaft und führte zu ernsthaften Differenzen in der trotzkistischen Bewegung. Strittige Fragen waren unter anderem: die Beziehung demokratischer Reformen zum proletarischen Klassenkampf; wie man den damals wütenden Antikommunismus bekämpfen sollte; und welche Regierungslosungen man in einer Periode starker Klassenspannungen aufstellen sollte, in der die marxistische Avantgarde nur eine kleine Minderheit der Arbeiterklasse anführte. Eine erneute Aufarbeitung dieser Debatten kann wertvolle Erkenntnisse für künftige proletarische Kämpfe liefern. Das setzt jedoch ein Verständnis des historischen Hintergrunds voraus.

Der Zweite Weltkrieg und die Sowjetunion

Der Zweite Weltkrieg war wie der Erste ein interimperialistischer Konflikt. Marxisten traten für die Niederlage von beiden kapitalistischen Lagern ein, sowohl der Alliierten als auch der Achsenmächte. Die Niederlage in einem solchen Konflikt schwächt, demoralisiert und diskreditiert die Bourgeoisie, was dem Proletariat, wie der bolschewistische Führer Lenin sagte, die Möglichkeit zur „Umwandlung des imperialistischen Kriegs in einen Bürgerkrieg“ eröffnet – also in einen Kampf für eine soziale Revolution. Das Weltproletariat hatte allen Grund, den Nationalsozialismus zu fürchten und zu hassen. Den USA und Britannien (und den Gaullisten) ging es in dem Krieg allerdings um die Neuaufteilung der Welt – genau wie ihren deutschen und japanischen Feinden (und der Vichy-Regierung). Dass die Alliierten diesen Zweck erfolgreich hinter der Maskerade von „Demokratie“ und „Antifaschismus“ verbergen konnten, lag nicht nur an der Barbarei der Nazis, sondern auch an der politischen Unterstützung der PCF und anderer stalinistischer Massenparteien für die westlichen Bourgeoisien.

Der Kriegseintritt der Sowjetunion auf der Seite der Alliierten nach Hitlers Einmarsch in die UdSSR im Juni 1941 änderte gar nichts an der Position des revolutionären Defätismus der Trotzkisten gegenüber den imperialistischen Mächten. Die Sowjetunion war ein bürokratisch degenerierter Arbeiterstaat, der die sozialen Errungenschaften der Arbeiterrevolution vom Oktober 1917 verkörperte. Ihre zentrale Planwirtschaft funktionierte nicht auf Basis von kapitalistischem Profitstreben. Trotzkisten riefen zur bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion auf, blieben aber Defätisten gegenüber den imperialistischen Alliierten. Die Vierte Internationale erklärte in einem im August 1941 von ihrem Exekutivkomitee angenommenen Manifest: „Die Vierte Internationale hat immer und immer wieder erklärt, was der sowjetische Arbeiter durch seinen Klasseninstinkt versteht: bedingungslose Verteidigung der Sowjetunion! Wir verteidigen die Sowjetunion ungeachtet des Verrats der Bürokratie und trotz dieses Verrats“ (Fourth International, Oktober 1941).

Gleichzeitig rief die Vierte Internationale zu einer proletarisch-politischen Revolution zum Sturz der stalinistischen Bürokratie und zur Wiedererrichtung eines Regimes der Arbeiterdemokratie und des revolutionären Internationalismus auf. Die bolschewistische Partei, die die Oktoberrevolution angeführt und die Kommunistische Internationale (Komintern, KI) geschmiedet hatte, um den Kampf für eine sozialistische Weltrevolution zu führen, war vom Internationalismus durchdrungen. Doch die revolutionären Erhebungen, die Europa nach 1917 erschütterten, insbesondere die Deutsche Revolution von 1923, endeten in Niederlagen, vor allem wegen des Verrats der Sozialdemokraten und des Fehlens erfahrener und programmatisch gefestigter kommunistischer Parteien. Die darauffolgende Welle der Demoralisierung unter den sowjetischen arbeitenden Massen bildete den Nährboden für das Entstehen einer nationalistischen Bürokratie unter der Führung Josef Stalins, die ab 1923/24 die politische Macht an sich riss.

Das Ende 1924 verkündete stalinistische Dogma vom Aufbau des „Sozialismus in einem Land“ bedeutete eine Zurückweisung der marxistischen Auffassung, dass der Sozialismus – also eine klassenlose Gesellschaft – nur durch Weltrevolution erreicht werden kann. Stattdessen begann sich die im Entstehen begriffene Bürokratie an die Imperialisten und ihre Lakaien anzupassen. Leo Trotzki und andere Kader der bolschewistischen Partei gründeten die Linke Opposition und kämpften weiter für den authentischen Marxismus, während Stalin seine Macht dadurch festigte, dass er viele der führenden Kader der Oktoberrevolution von 1917 zu Exil, Gefängnis und später zum Tod verurteilte. Trotzki selber wurde im August 1940 von einem stalinistischen Agenten ermordet.

Die Machtergreifung Hitlers und der Nazis Anfang 1933 und die kriminelle Passivität der Führung der mächtigen Sozialistischen und Kommunistischen Parteien waren ein Schock für die internationale Arbeiterbewegung. Die Stalinisten hatten sich auf das sektiererische Abenteurertum der „Dritten Periode“ zurückgezogen und lehnten es ab, die sozialdemokratischen Führer zu gemeinsamen Einheitsfrontaktionen zur Zerschlagung der faschistischen Bedrohung herauszufordern. Als die Katastrophe in Deutschland in der Komintern nicht die geringste Auflehnung hervorrief, erklärte Trotzki sie als revolutionäre Kraft für tot und rief zum Aufbau neuer marxistischer Parteien auf, die das Banner des Bolschewismus wieder hochhalten sollten. Das war die Grundlage, auf der 1938 die Vierte Internationale gegründet wurde.

Durch den Sieg der Nazis in Panik versetzt, wollte Stalin ein Bündnis mit den imperialistischen „Demokratien“ (Britannien, Frankreich und den USA). Zu diesem Zweck verkündete er 1935, dass nunmehr die „Volksfront gegen den Faschismus“ – d.h. Koalitionen von Arbeiterparteien mit Parteien der „demokratischen“ Bourgeoisie – Priorität habe. Dies war eine Rückkehr zur Politik der Klassenzusammenarbeit, die die Bolschewiki abgelehnt hatten. Es war im Namen der Volksfront, dass die PCF den Verrat vom Juni 1936 und dann wieder von 1944/45 beging.

Wiederholter Verrat der PCF

Der Zweite Weltkrieg begann kaum mehr als drei Jahre nach dem Generalstreik vom Juni 1936 in Frankreich, der eine vorrevolutionäre Situation eröffnet hatte. Dieser Streik wurde von der PCF im Namen der Unterstützung für die im Mai gewählte und von den Sozialisten geführte Volksfrontregierung verraten. Zur Rechtfertigung dieses Verrats machte der PCF-Chef Maurice Thorez den berüchtigten Ausspruch: „Man muss wissen, wie man einen Streik beendet.“ Aber die Bourgeoisie hatte Angst bekommen und für sie galt: lieber Hitler als eine Arbeiterrevolution. Außer einer winzigen Minderheit um de Gaulle, der im Juni 1940 in England Zuflucht suchte, akzeptierte die Bourgeoisie die Nazi-Besetzung und unterstützte vehement die Errichtung des mit Deutschland verbündeten Vichy-Regimes unter Marschall Philippe Pétain. Das zeigt auch der Film von Marcel Ophüls Das Haus nebenan aus dem Jahr 1969.

Am 3. September 1939 erklärte die französische Bourgeoisie den Krieg, kurz nachdem die Sowjetunion mit Deutschland einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte. Die PCF wurde verboten und viele ihrer Führer wurden ins Gefängnis geworfen. Nach einem anfänglichen patriotischen Impuls, sich im Krieg hinter die französische Regierung zu stellen, richtete sich die PCF-Führung wieder an Moskau aus und ging dazu über, die Regierung anzuprangern und gleichzeitig die Verbrechen der Nazis herunterzuspielen.

Als Deutschland nach mehrwöchigem Blitzkrieg im Juni 1940 gesiegt hatte, war in der französischen Bourgeoisie die Angst vor einer Arbeiterrevolution größer als je zuvor. Robert Paxton schreibt in seinem hervorragenden Buch Vichy France: Old Guard and New Order 19401944 [Vichy-Frankreich: Alte Garde und Neue Ordnung 1940–1944] (Columbia University Press, New York 1972): „Sobald die französische Regierung am 10. Juni Paris verlassen hatte, begannen sich Gerüchte zu verbreiten über einen Pariser Sowjet.“ Der Oberbefehlshaber General Weygand berichtete sogar auf einer Kabinettssitzung vom 13. Juni, dass die Kommunisten Paris eingenommen hätten. Aber Paris einzunehmen war das Letzte, was der PCF in den Sinn kam. Sie bemühte sich weiterhin um ein Gleichgewicht zwischen ihren beiden zuweilen widersprüchlichen Loyalitäten: der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung in Frankreich einerseits und der Unterstützung der stalinistischen Bürokratie in Moskau andererseits.

Nach der militärischen Niederlage Frankreichs übergab die Nationalversammlung mit überwältigender Mehrheit die ganze Macht an Pétain, der dann seine eigene „nationale Revolution“ durchführte. Paxton widerlegt den Mythos, das Vichy-Regime sei eine reine Marionette der Nazis gewesen: „In Berlin scherten sich weder Diplomaten noch Soldaten um die inneren Angelegenheiten Vichys, solange die Ordnung aufrechterhalten wurde und der französische Reichtum in die deutsche Kriegsmaschinerie floss.“ Ohne von den Nazis dazu gedrängt zu werden, ergriff das Vichy-Regime die Initiative, seine eigenen antijüdischen Gesetze einzuführen, und beteiligte sich dann aktiv an den Massendeportationen von Juden in die Todeslager.

Die Besetzung stürzte die Arbeiter und die unteren Schichten des Kleinbürgertums in tiefstes Elend, während Spekulanten und Industrielle, die für das Deutsche Reich produzierten, Reichtümer anhäuften. Streiks und Demonstrationen wurden gewaltsam unterdrückt und ihre Führer hingerichtet oder in Lager gesteckt. Hunderttausende von Arbeitern gerieten in Kriegsgefangenschaft oder wurden als „Freiwillige“ zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschickt. Die französischen Bullen spielten eine unverzichtbare Rolle bei den Razzien gegen Juden und Roma, Homosexuelle, Linke und andere sowie ihrer Deportation in Todeslager.

Für die Politik der PCF war der entscheidende Wendepunkt das abrupte Ende des Hitler-Stalin-Pakts durch das Unternehmen Barbarossa, den Einmarsch Nazi-Deutschlands in die Sowjetunion im Juni 1941. Die PCF-Führung strebte nun erneut nach einem Bündnis mit einem Flügel der französischen Bourgeoisie.

Im Frühjahr 1943 beging die Parteiführung das Verbrechen, Teil einer bürgerlichen politischen Koalition zu werden, indem sie von Anfang an Mitglied des von de Gaulle gegründeten Conseil national de la Résistance (CNR – Nationaler Widerstandsrat) war. Die PCF versicherte de Gaulle, dass sie keinerlei Absicht hat, für eine Arbeiterrevolution zu kämpfen. So verkündete Thorez im Januar 1944: „Meine Partei denkt nicht im Traum daran, die Macht zu übernehmen, weder jetzt noch während der Befreiung noch in der Zeit der Erholung und des Wiederaufbaus des Landes“ (zitiert in Philippe Buton, Les lendemains qui déchantent: Le Parti communiste français à la Libération [Die entzauberten Tage danach: Die Kommunistische Partei Frankreichs bei der Befreiung], Presses de Sciences Po, Paris 1993).

Nachdem Tausende von Arbeitern untertauchten, um der Zwangsarbeit in Deutschland zu entgehen, versuchte die PCF die Kontrolle über die heterogenen Guerillagruppen zu übernehmen, indem sie die Francs-tireurs et partisans (FTP – Freischärler und Partisanen) gründete, die sie dem CNR unterstellte. Die PCF beging auch Sabotageakte und verfolgte eine Strategie des individuellen Terrors; so ermordete sie auch einfache deutsche Soldaten und schürte damit abscheulichen antideutschen Chauvinismus. Tausende von PCF-Partisanen wurden von der Vichy-Polizei und der Gestapo umgebracht. Bei Kriegsende hatte die PCF in der Arbeiterklasse enorme Autorität erlangt, hauptsächlich weil sie sich das Image der „Parti des fusillés“ [Partei der Hingerichteten] zulegen konnte.

De Gaulle, der auf die angelsächsischen statt auf die deutschen Imperialisten gesetzt hatte, war zunächst völlig isoliert. Doch die öffentliche Meinung in Frankreich wandelte sich schließlich: als Ergebnis der Gräueltaten von Vichy und der Gestapo und nachdem die Rote Armee nach der Schlacht von Stalingrad im Osten die Oberhand gewann. Um sich die Loyalität der PCF zu erkaufen, schlug de Gaulle im April 1944 widerwillig vor, ihre Führer sollten seiner Exilregierung beitreten. Die PCF stimmte zu und blieb auch dann noch in de Gaulles provisorischer Regierung, als dieser einige Monate später im Tross der US- und britischen Armeen nach Frankreich zurückkehrte.

Im August 1944 traf de Gaulle als selbst ernannter „Retter“ eines zerstörten Landes in Paris ein. Die provisorische Regierung stattete ihn auf dem Papier mit enormen Befugnissen aus. Aber „Befreiungskomitees“, die aus Verbündeten der PCF bestanden, hatten in vielen Städten die Kontrolle übernommen und zahlreiche bürgerliche Amtsträger, die mit Deutschland kollaboriert hatten, getötet oder verhaftet. Die einzigen Armeen, auf die de Gaulle im Falle einer Konfrontation mit der Arbeiterklasse zählen konnte, waren die US- und britischen Truppen. In Wirklichkeit konnte er nichts tun ohne die Unterstützung der PCF, die Thorez & Co. ihm loyal anboten. Am 13. Januar 1945 veröffentlichte das Zentralorgan der PCF L’Humanité den Befehl der Pariser Militärregierung, dass diejenigen, die ihre Waffen nicht abgeben würden, vor ein Kriegsgericht gestellt werden könnten. Im gleichen Monat forderte Thorez „eine Armee, eine Polizei, eine Regierung“: Die Arbeiter sollten ihre Waffen abliefern. Schließlich half die PCF de Gaulle, die verschiedenen Résistance-Milizen in den kapitalistischen Staat einzugliedern.

Die entscheidende Rolle der PCF bei der Rettung des Kapitalismus, und damit auch bei der Verteidigung von Frankreichs Kolonialbesitz, stand im Einklang mit der Politik Stalins. Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 und der von Potsdam im Juli desselben Jahres billigte Stalin, gemeinsam mit den USA und Britannien, die Teilung Europas nach dem Krieg. Der Kapitalismus in Westeuropa sollte aufrechterhalten werden als Gegenleistung für die Anerkennung der sowjetischen Besetzung der meisten mittel- und osteuropäischen Länder. Fast alle diese Länder wurden später zu deformierten Arbeiterstaaten.

Die stalinistischen Führer in Italien und Frankreich verrieten eindeutige Gelegenheiten zu einer proletarischen Revolution. In Griechenland bedurfte es eines blutigen Bürgerkriegs, bis es den Imperialisten und ihren griechischen monarchistischen/faschistischen Handlangern gelang, das Proletariat niederzuschlagen (siehe „Griechenland 1940–49: Eine verratene Revolution“, Spartacist, deutschsprachige Ausgabe Nr. 30, Winter 2014/15).

Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Kalten Krieg

Im Juni 1945 prahlte Benoît Frachon, ein PCF-Führer und stellvertretender Generalsekretär der Confédération générale du travail (der Gewerkschaftsverband CGT, mit der PCF verbunden) gegenüber Richard Eldridge, einem Attaché des US-Arbeitsministeriums, dass es der Regierung oder den Sozialisten anzulasten sei, falls es in der Arbeiterklasse immer noch Unzufriedenheit gäbe. Über die Kommunisten sagte er: „Wir waren es, die einen Generalstreik verhindert haben“ (L’influence américaine sur la politique française 1945–1954 [Der amerikanische Einfluss auf die französische Politik 1945–1954], Balland, Paris 1989). Frachon hatte allen Grund sich zu brüsten. Damals gab es in Frankreich fünf Millionen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter – fast die Hälfte der Arbeiterklasse – und 80 Prozent von ihnen waren in der CGT.

Obwohl die Nachkriegsunruhen im Sommer 1945 abgeebbt waren, hatte die Bourgeoisie noch immer richtig Angst vor einer Arbeiterrevolution. Die Sowjetarmee, die die Nazis zerschlagen hatte, stand weniger als 400 Kilometer von der französischen Grenze entfernt, und die revolutionären Erschütterungen in Griechenland und Italien dauerten weiterhin an. Zwischen der US- und der französischen Bourgeoisie war es zu Spannungen gekommen, doch in puncto Antikommunismus waren sie sich völlig einig. Die USA befürchteten, die Rote Armee könne weiter in Europa vorstoßen, während die französische Bourgeoisie gegen soziale Unruhen und die starke Unterstützung für die Kommunisten im Proletariat zu kämpfen hatte. Die US-Besatzungstruppen in Westeuropa stellten mit Unterstützung der Briten die unerlässliche militärische Macht, unter deren Schutz die Kapitalisten mit Hilfe der Stalinisten das Proletariat entwaffnen konnten.

Der US-Botschafter in Frankreich alarmierte die amerikanischen Behörden über die Popularität der Kommunisten, und der Direktor der Central Intelligence Group (Vorläufer der CIA) erklärte Präsident Truman, dass „die Kommunisten nunmehr ausreichend stark sind, um in Frankreich die Macht zu ergreifen, wann immer es ihnen beliebt“ (zitiert in Daniele Ganser, NATO-Geheimarmeen in Europa – Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung, Orell Füssli Verlag, Zürich 2014). Washington hatte bereits einen Plan für ein antikommunistisches „Komitee Freier Gewerkschaften“, der im November 1944 auf einem Kongress der American Federation of Labor (AFL – Amerikanischer Gewerkschaftsverband) gebilligt worden war. Im November 1945 traf Irving Brown, der Operationschef der AFL in Europa, in Paris ein und startete sofort eine Kampagne zur Diskreditierung und Spaltung der CGT. Vier Monate später verkündete Winston Churchill, der zu Kriegszeiten Britannien regiert hatte, auf einem Besuch in den USA: „Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria hat sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt.“

Als der Krieg in Europa zu Ende ging und Hitlers Armeen sich auflösten, kehrten Massen von Gefangenen und Deportierten nach Frankreich zurück. De Gaulle befürchtete, dieser Zustrom würde zu noch größerer Instabilität führen, und so organisierte er im April/Mai 1945 Kommunalwahlen, um die „Befreiungskomitees“, die aus der Résistance hervorgegangenen außerparlamentarischen Organe, endgültig aufzulösen. Parlamentswahlen wurden im Oktober abgehalten, zu einem Zeitpunkt, als die Autorität der PCF unter den Arbeitern und sogar bei den Bauern ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die PCF erhielt 26 Prozent der Stimmen und wurde zur stärksten Partei der Nationalversammlung. De Gaulle war auf die Zusammenarbeit mit der PCF angewiesen, um die von ihm gewünschten Gesetze zu verabschieden. Dies beinhaltete auch die Ausarbeitung einer neuen Verfassung für eine Vierte Republik. Eine zeitgleich mit den Parlamentswahlen abgehaltene Volksabstimmung billigte die Umwandlung des Parlaments in eine konstituierende Versammlung.

In der Nationalversammlung brauchte die PCF für die Mehrheit nur die Sozialisten. Doch die stalinistischen Führer wollten eine Volksfront bilden und akzeptierten, dass die MRP, die wichtigste bürgerliche Partei, der Koalition angehören sollte. Die Einbeziehung einer bürgerlichen Partei (egal wie klein) in eine Volksfront sorgt dafür, dass die Koalition den Rahmen der bürgerlichen Ordnung nicht überschreitet. Die reformistischen Führer verschaffen sich so ein Alibi, um ihre eigene Billigung arbeiterfeindlicher Maßnahmen und allgemein der kapitalistischen Ordnung zu verschleiern. Und die PCF-Abgeordneten schlossen sich mit MRP und SFIO zusammen, um de Gaulle zum Regierungschef zu wählen.

Die PCF nutzte ihre gesteigerte Autorität, um die Massen dazu zu bringen, die äußerst harten Lebensbedingungen der Nachkriegszeit hinzunehmen. 1944 lag der Ölverbrauch bei einem Zehntel des Vorkriegsniveaus, und der von Kohle bei einem Drittel. Brot und andere Grundnahrungsmittel wurden noch bis 1949 rationiert. 1946 gab es eine Lohnerhöhung von 25 Prozent, doch die Nahrungsmittelpreise waren um fast 70 Prozent gestiegen. In dieser ganzen Periode war die PCF damit beschäftigt, Streiks zu verhindern. Im Juli 1945 sagte Thorez den Bergleuten: „Produktion, Produktion und nochmals Produktion, die Förderung von Kohle ist heute eure oberste Klassenpflicht, eure Pflicht als Franzosen“ (zitiert in Philippe Buton, Les lendemains qui déchantent [Die entzauberten Tage danach]).

Doch die Arbeiter hatten immer noch Illusionen in die PCF, die unter anderem mit der Einführung der Sozialversicherung durch ihren Minister Ambroise Croizat identifiziert wurde. Die PCF indes erfüllte ihre Rolle in der bürgerlichen Regierung beim Wiederaufbau der kapitalistischen Wirtschaft in Frankreich, indem sie die Illusion verbreitete, es ginge dabei um den Kampf für Arbeitsplätze und für die Versorgung. Die PCF erweiterte ihre Mitgliederbasis erheblich, von 60 000 im August 1944 auf eine Million im folgenden Jahr. 80 Prozent der Delegierten bei dem CGT-Kongress 1946 waren PCF-Anhänger.

Die PCF war damals eine der größten stalinistischen Parteien in der kapitalistischen Welt. Sie gab 12 Tageszeitungen und 47 Wochenzeitungen heraus. L’Humanité war die auflagenstärkste Zeitung des Landes. De Gaulle hütete sich, irgendetwas zu tun, was die PCF dazu hätte provozieren können, die Kampfbereitschaft ihrer Arbeiterbasis zu entfesseln. Was die Sozialisten betrifft, so hatten sie viel an Einfluss verloren, besonders in ihren traditionellen Industriehochburgen. Selbst die bürgerlichen Parteien waren genötigt, sich linker Rhetorik zu bedienen. Die MRP gab sich als fortschrittliche Partei, obwohl jeder wusste, dass eine Stimme für die MRP eine Stimme für de Gaulle bedeutete.

Probleme des französischen Trotzkismus

So hatte die Bourgeoisie dank des Verrats der PCF eine gewisse Rückkehr zur Normalität und zum bürgerlichen Parlamentarismus erreicht. Doch war die Lage alles andere als stabil. Um jedoch die Arbeiterbasis der PCF gegen ihre Führung richten und revolutionären Kämpfen den Weg bahnen zu können, fehlte eine Voraussetzung: eine politisch gefestigte trotzkistische Partei mit hinreichender Verankerung in der Arbeiterklasse.

Von seiner Entstehung an litt der französische Trotzkismus daran, dass eine gefestigte kollektive Führung fehlte. Gegründet wurde er durch aufeinanderfolgende heterogene Wellen von Oppositionellen aus der PCF, die sich 1930 nur mit Schwierigkeiten zur Ligue communiste vereinigten. Ganz anders verhielt es sich mit dem Kern des amerikanischen Trotzkismus, der aus der von James P. Cannon geführten Fraktion in der amerikanischen Kommunistischen Partei hervorging. Etwa die Hälfte dieser Fraktion wurde 1928 geschlossen für den Trotzkismus gewonnen, und Cannon gelang es, in den USA eine gefestigte trotzkistische Organisation aufzubauen, die seit den 1930er-Jahren die stärkste und politisch am besten bewaffnete Sektion der Vierten Internationale war. 35 Jahre lang hielt diese Organisation dem Druck stand, den revolutionäre Arbeit in jener Bastion des Imperialismus mit sich bringt. Über diese Partei ist die Kontinuität des revolutionären Trotzkismus auf die heutige IKL übergegangen.

Dagegen war der französische Trotzkismus durch Dilettantismus und eigensüchtiges Gezänk gekennzeichnet, was ihn daran hinderte, bei dem Generalstreik vom Juni 1936 eine maßgebliche Rolle zu spielen. Auf ihrem Gründungskongress von 1938 verabschiedete die Vierte Internationale eine Resolution zur französischen Sektion, der Parti ouvrier internationaliste (POI – Internationalistische Arbeiterpartei), in der es heißt:

„Die Unzulänglichkeiten der Führung der POI zeigen sich in einem zunehmenden Erschlaffen der Organisation, das eine gewisse ‚revolutionäre‘ Amateurhaftigkeit mit sich bringt, sowie dem Fehlen einer ernsthaften Anleitung der Partei, eines normal funktionierenden Kassenwesens und einer stabilen sowie zum Nacheifern anspornenden Redaktion von Lutte ouvrière [POI-Zeitung].“

– „Resolution über die Aufgaben der französischen Sektion“, Les congrès de la IVe Internationale [Die Kongresse der IV. Internationale], Bd. 1 (1930–1940), Éditions La Brèche, 1978

Um dem abzuhelfen, wurde Anfang 1939 Cannon nach Frankreich geschickt. Er sollte die POI auf eine mutige und energische bolschewistische Arbeit hin orientieren, ausgerichtet auf die PSOP (Parti socialiste ouvrier et paysan [Sozialistische Arbeiter- und Bauernpartei] – eine Linksabspaltung von der SFIO). Cannon verbrachte dort mehrere Wochen, um seine erhebliche Erfahrung in wirklicher bolschewistischer Massenarbeit weiterzugeben und um zu versuchen, eine trotzkistische Führung zu schmieden. Aber die französische Sektion ignorierte ihn hochmütig und widersetzte sich durch alle möglichen Verzögerungstaktiken den dringenden Empfehlungen Trotzkis und der Vierten Internationale, in die PSOP einzutreten und dort für die Vierte Internationale zu kämpfen (siehe James P. Cannon, „The French question“ [Die französische Frage], SWP Internal Bulletin Bd. 1, Nr. 10, Juni 1939 und auch die LTF-Broschüre von 1983, „‚La question française‘ – Discours inédit, avril 1939, de James P. Cannon, fondateur du trotskysme américain“).

Die trotzkistische Bewegung in Frankreich war daher am Vorabend des Zweiten Weltkriegs sehr schwach und zersplittert. Einige ihrer Kader, wie Jean Rous, haben sich damals offen vom Trotzkismus losgesagt. Andere wie Barta (aus dessen Gruppe die heutige Organisation Lutte ouvrière hervorging) gründeten ihre eigene kleine halbsyndikalistische Organisation. Einer der Hauptführer einer weiteren Gruppe, die aus der POI hervorging, war Yvan Craipeau, gegen den Trotzki eine schonungslose Polemik schrieb, in der er dessen Weigerung, im bevorstehenden Krieg die Sowjetunion zu verteidigen, verurteilte („Noch einmal: die UdSSR und ihre Verteidigung“, 4. November 1937, in Trotzki Schriften Bd. 1.2, Rasch und Röhring, Hamburg 1988). Und dann gab es die Gruppe von Raymond Molinier, der Ende 1935 wegen Disziplinlosigkeit, die von seiner erzopportunistischen Politik gegenüber der SFIO herrührte, ausgeschlossen worden war. Der Gründungskongress der Vierten Internationale forderte Moliniers „bedingungslosen“ Ausschluss als Voraussetzung einer Wiedervereinigung mit dessen Gruppe.

All diese Gruppen gerieten während des Krieges in ernsthafte politische Schwierigkeiten. Anfangs meinte die POI, man müsse die Mobilisierung der Arbeiterklasse dem gaullistischen Flügel der imperialistischen Bourgeoisie unterordnen. Die Molinier-Anhänger wiederum bestritten, dass es im besetzten Frankreich überhaupt ein Element von nationaler Unterdrückung gebe, und einige von ihnen sollen sogar Entrismus in Vichy-nahen Organisationen betrieben haben. Eine ähnliche Verachtung für die nationale Frage zeigte die Barta-Gruppe, die dann wiederum von ihr als Vorwand benutzt wurde, um der Verteidigung der UdSSR abzuschwören, sobald die Rote Armee 1944 die Grenzen der Sowjetunion überschritten hatte.

Und doch kämpften einige Trotzkisten in scharfem Kontrast zum Chauvinismus der PCF für die Aufrechterhaltung einer revolutionären proletarisch-internationalistischen Perspektive. Besonders heldenhafte internationalistische Arbeit leisteten sie unter deutschen Wehrmachtssoldaten, die in Frankreich stationiert waren, indem sie die deutschsprachige Zeitung Arbeiter und Soldat herausgaben und verteilten. Darin riefen sie die deutschen Soldaten – größtenteils Arbeiter in Uniform – zur Verbrüderung auf und dazu, sich gegen ihren eigenen Imperialismus zu wenden. Viele trotzkistische Kader mussten das mit ihrem Leben bezahlen. (Um mehr über den damaligen französischen Trotzkismus zu erfahren, siehe die Einleitung zu Prometheus Research Series Nr. 2, „Documents on the ,Proletarian Military Policy‘“ [Dokumente über die ,Proletarische Militärpolitik‘], Februar 1989, sowie „Trotskyists in World War Two“ [Trotzkisten im Zweiten Weltkrieg], Spartacist, englischsprachige Ausgabe Nr. 38/39, Sommer 1986).

Bei Kriegsende war die trotzkistische Bewegung sehr geschwächt durch die vielfältige Repression vonseiten des französischen Staats, der Gestapo und der stalinistischen Schläger. Die Wiedervereinigung der ehemaligen POI mit den Molinier-Anhängern zur Parti communiste internationaliste (PCI) erfolgte ohne eine gründliche Aufarbeitung ihrer Probleme während des Krieges. Der Mangel an erfahrenen Kadern erlaubte es Elementen wie Pierre Frank, einem von Moliniers ehemaligen Adjutanten, oder Yvan Craipeau, Führungspositionen in der französischen Organisation einzunehmen. Ebenso konnte der griechische Abenteurer Michel Pablo (Raptis) die Führung des Europäischen Sekretariats der Vierten Internationale und danach des damals in Paris ansässigen Internationalen Sekretariats übernehmen. Im Grunde war in Europa die Kontinuität des Trotzkismus abgerissen.

Die amerikanische trotzkistische Partei, Cannons SWP, hätte weitaus mehr Verantwortung für die Führung der Vierten Internationale übernehmen müssen. Nach Trotzkis Ermordung 1940 war Cannon in Wirklichkeit zum Hauptführer der Vierten Internationale geworden. Gemeinsam mit Trotzki hatte er 1939/40 in der SWP gegen die Shachtman-Burnham-Fraktion einen entscheidenden Kampf für die Verteidigung der Sowjetunion im Weltkrieg geführt. Die SWP-Führung war intakt aus den Kriegsjahren hervorgegangen. Aber anstatt die Führung der Internationale zu übernehmen und sich so der gestellten Aufgabe gewachsen zu zeigen, zog sie sich in eine ihr nicht wirklich aufgezwungene Isolation zurück.

Die Trotzkisten nach dem Krieg

Größe und Einfluss der französischen Trotzkisten in der Arbeiterklasse waren nach Ende des Krieges winzig im Vergleich zur PCF. Die PCI war weit davon entfernt, ein homogenes Programm zu haben. Eine Reihe von Kämpfen hatte im Wesentlichen die rechten Abweichungen korrigiert, die in die Richtung einer Unterstützung der pro-gaullistischen Résistance gingen. Aber bei maßgeblichen Fragen wie dem Klassencharakter der Sowjetunion, die einige Führer (darunter Craipeau) für staatskapitalistisch oder bürokratisch-kollektivistisch hielten, herrschten weiterhin Differenzen. 

Als die Besetzung zu Ende ging, kämpfte die PCI für den Aufbau von Fabrikkomitees, die zu Organen der Doppelherrschaft werden und für die sozialistische Revolution kämpfen könnten. Die Trotzkisten mussten gegen viele politische Hindernisse ankämpfen, vor allem gegen die weitverbreitete Vorstellung, die imperialistischen Alliierten hätten einen fortschrittlichen, demokratischen Krieg gegen den Faschismus geführt. Darüber hinaus waren die Reformisten, und insbesondere die Stalinisten, aus dem Zweiten Weltkrieg mit einem erheblich gestiegenen Ansehen hervorgegangen, ganz im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg, nach dem die Sozialdemokraten völlig diskreditiert dastanden.

Um die Versuche der PCF zu bekämpfen, die Bestrebungen der Arbeiterklasse in parlamentarische Bahnen zu kanalisieren, stellte die PCI die Losung einer „PS-PC-CGT-Regierung“ auf. Diese Forderung war ein wirksames Mittel, um die Basis der Arbeiterbewegung, insbesondere diejenige der PCF, gegen ihre Führung zu kehren, indem sie den Widerspruch zwischen den Bestrebungen und objektiven Interessen der Arbeiterklasse einerseits und der Politik und dem Handeln ihrer verräterischen Führung andererseits verschärfte. Die Einbeziehung der CGT – eine Massengewerkschaft, nicht eine parlamentarische Partei – in die Losung spiegelte den außerparlamentarischen Charakter dieser Perspektive wider; sie deutete auf ein Regime auf Grundlage von Arbeiterräten beziehungsweise anderen Massenorganisationen des Proletariats hin.

Verbunden mit anderen Übergangsforderungen und gerichtet gegen die bürgerliche Volksfront sollte die Losung für eine PS-PC-CGT-Regierung den Kampf der Arbeiter auf eine Arbeiterregierung ausrichten. Ein Beispiel für diese Herangehensweise findet sich in einem Artikel von La Vérité (25. Dezember 1944), der die zentralen Forderungen des „Aktionsprogramms“ der PCI darlegt:

„Ein Wiederaufbauplan, erstellt von der CGT und umgesetzt unter der Kontrolle der Arbeiterkomitees;

Entschädigungslose Verstaatlichung der Banken und Konzerne;

Eine PS-PC-CGT-Regierung;

Volksbewaffnung, Arbeitermilizen;

Internationale Aktionseinheit des Proletariats.“

Die Losung einer „PS-PC-CGT-Regierung“ hatte einen historischen Vorläufer: Nach der Februarrevolution von 1917 riefen die Bolschewiki zu einer Regierung aus Sozialrevolutionären (SR) und Menschewiki auf, die den Sowjets gegenüber verantwortlich sein sollte. Nach dem Sturz des Zaren durch die Februarrevolution war eine Situation der Doppelherrschaft entstanden: auf der einen Seite die Arbeiter- und Soldatensowjets, auf der anderen die bürgerliche Provisorische Regierung. Unter Lenins Führung stellten die Bolschewiki die Losung „Alle Macht den Sowjets“ auf, während die SR und die Menschewiki, die in den Sowjets die Mehrheit hatten, die Provisorische Regierung unterstützten, in die sie im Mai eintraten. Die Losung für eine Regierung aus SR und Menschewiki war daher untrennbar mit der Forderung nach Sowjetmacht verbunden. Trotzki erläuterte in Die Lehren des Oktober (1924), dass die Taktik der Bolschewiki die SR und Menschewiki vor dem Proletariat entlarvte: Diese wollten „ ,Druck‘ auf die herrschende Bourgeoisie [ausüben], in der Voraussetzung, dass dieser Druck nicht über den Rahmen des bürgerlich-demokratischen Regimes hinausführen würde“. In seiner Geschichte der russischen Revolution (1931) bemerkte Trotzki, dass im September, als die Bolschewiki die Mehrheit zuerst im Petrograder Sowjet und dann an anderen Orten gewonnen hatten, „die Losung: ‚Die Macht den Sowjets‘ … einen neuen Sinn [erhielt]: Alle Macht den bolschewistischen Sowjets“.

Die Frage der konstituierenden Versammlung

Trotz der korrekten Losung einer „PS-PC-CGT-Regierung“ forderte die PCI in ihrem Aktionsprogramm, das im November 1944 am Ende der Nazi-Besetzung angenommen wurde, auch eine konstituierende Versammlung – also die Wahl einer neuen bürgerlichen Regierung. Diese Forderung wurde der nicht gewählten „Konsultativversammlung“ entgegengestellt, die ein integraler Bestandteil der provisorischen Regierung de Gaulles war.

Im Gegensatz zu echt demokratischen Forderungen, wie Abschaffung der Monarchie, Recht auf Selbstbestimmung usw., kann die Forderung nach einer konstituierenden Versammlung nur eine Falle für die Arbeiter sein. Wie wir in dem Artikel „Warum wir die Forderung nach einer ‚konstituierenden Versammlung‘ ablehnen“ (Spartacist, deutschsprachige Ausgabe Nr. 29, Sommer 2013) erklärten:

„Obwohl die konstituierende Versammlung in der großen französischen bürgerlichen Revolution von 1789 eine fortschrittliche Rolle gespielt hat, zeigt die spätere historische Erfahrung, dass das danach nicht mehr zutraf. Schon bei den Revolutionen von 1848 diente die konstituierende Versammlung, wann immer diese oder eine ähnliche bürgerliche gesetzgebende Körperschaft im Kontext eines proletarischen Aufstandes einberufen wurde, dazu, die Kräfte der Konterrevolution gegen das Proletariat zu sammeln und die proletarische Macht zu liquidieren. Das war bei der Pariser Kommune 1871, der Oktoberrevolution 1917 und der Deutschen Revolution 1918/19 der Fall. Obwohl die Kommunistische Internationale (KI) diese Position nie zu einer Prinzipienfrage erhob, lief nach der Oktoberrevolution die Politik der Bolschewiki unter der Führung Lenins und Trotzkis darauf hinaus, die konstituierende Versammlung als eine Agentur der Konterrevolution zu behandeln.“

Die Agitation der Trotzkisten zu Kriegsende für eine konstituierende Versammlung war falsch und verschlimmerte die politische Verwirrung innerhalb der PCI. Gegen diese Forderung gab es innerhalb der PCI eine sehr starke Opposition, insbesondere vonseiten ehemaliger Molinier-Anhänger.

Die damalige Forderung nach einer konstituierenden Versammlung war nur ein Aspekt der im Allgemeinen korrekten Propaganda der PCI. Beim Herannahen der Parlamentswahlen vom Oktober 1945 rückte sie aber immer mehr in den Vordergrund. Diese Wahlen wurden mit einer Volksabstimmung darüber verbunden, ob das neue Parlament zu einer konstituierenden Versammlung gemacht werden sollte. Die PCI rief dazu auf, mit „Ja“ zu stimmen sowie Komitees zur Verteidigung der konstituierenden Versammlung zu gründen für den (imaginären) Fall, dass ihre Einberufung bedroht würde.

Die verworrenen Argumente der PCI sagen bereits alles über den Widerspruch zwischen dem Aufruf zu einer konstituierenden Versammlung und dem Kampf für eine Arbeiterrevolution auf Grundlage von Sowjets. Laut einer PCI-Broschüre vom Oktober 1945 über die Wahlen hätte die konstituierende Versammlung „zwei dringende Aufgaben zu erfüllen: erstens, die Wirtschaft in Gang zu bringen, um allen Arbeit und Brot zu geben; zweitens, eine demokratische Verfassung zu erlassen, in der die Souveränität der Volksmassen und ihre unmittelbare und ständige Kontrolle über die Staatsangelegenheiten verankert sind“. Daraus ergibt sich, dass die Arbeiterklasse den bürgerlichen Staat in ihrem eigenen Interesse lenken könnte.

Tatsächlich war die Einführung einer konstituierenden Versammlung in Frankreich nach der Volksabstimmung vom Oktober 1945 einer der Faktoren, die dazu beitrugen, das Potenzial revolutionärer Kämpfe in die Sackgasse des Parlamentarismus umzuleiten. In den Monaten vor dem Referendum vom Mai 1946 über die neue Verfassung gab es in Frankreich kaum Streiks, und das politische Leben beschränkte sich auf die parlamentarische Sphäre.

Der Konflikt über die Verfassung

Die Regierungsparteien hatten gegensätzliche Vorstellungen von der neuen Verfassung. De Gaulle, der die MRP in der Tasche hatte, wollte eine für ihn maßgeschneiderte bonapartistische Verfassung, was die PCF ablehnte. PCF und MRP brachten ihre eigenen Vorschläge ein, wobei die Sozialisten als Vermittler fungierten. Die PCF erhielt von den Sozialisten genügend Unterstützung, um die reaktionärsten und antikommunistischsten Vorschläge der MRP zu vereiteln. Mit Hilfe der SFIO wurden MRP-Vorschläge zur staatlichen Finanzierung religiöser Schulen und andere Maßnahmen zur Stärkung von Kirche und Familie abgeblockt. Die SFIO unterstützte auch die PCF-Forderung nach einem Einkammerparlament – also ohne Senat – und einem schwachen Präsidentenamt. Die SFIO-Führer mussten einige der Forderungen der PCF akzeptieren, weil sie auf deren Einfluss im Proletariat angewiesen waren, um die Arbeiter dazu zu bringen, die Pläne für einen kapitalistischen „Wiederaufbau“ zu akzeptieren. De Gaulle trat schließlich im Januar 1946 zurück und prangerte das „Parteienregime“ an.

Durch seinen Rücktritt geschwächt wollte die MRP die Regierung verlassen. Doch das Offizierskorps folgte den „Ratschlägen“, die ihm die amerikanischen Militärführer in Frankreich hinter den Kulissen erteilten, und zwang die MRP, im Amt zu bleiben. Die Historikerin Georgette Elgey zitiert einen Brief des französischen Generalstabschefs General Billotte an Maurice Schumann, den Führer der MRP:

„Diese Lösung [eine PCF-SFIO-Regierung], die sehr schnell zum völligen Verschwinden der SFIO hinter der PCF führen würde, indem sie letzterer die politische Führung überlässt, ist von den angelsächsischen Militärs sachlich geprüft worden. Sie halten sie für eine schwere Bedrohung im Rücken ihrer Besatzungstruppen und dazu geeignet, einen möglichen militärischen Konflikt mit der UdSSR zu beschleunigen… Ich glaube jetzt, dass die Formel des Tripartismus unter sozialistischer Führung das kleinere Übel ist, das uns ermöglichen wird, die Wahlen ohne allzu großen Schaden abzuwarten. Bis dahin hat sich Frankreich vielleicht wieder gefangen.“

– Georgette Elgey, La république des illusions, 1945–1951 [Die Republik der Illusionen, 1945–1951] (Fayard, Paris 1965)

Das veranschaulicht genau die Rolle bürgerlicher Parteien in einer Volksfront: Sie dienen als Garant für die Aufrechterhaltung des Kapitalismus. Natürlich war die MRP damit einverstanden, in der Regierung zu bleiben.

Die PCF schlug heuchlerisch eine Deklaration über das Privateigentum vor, die für die Enteignung einiger Privatunternehmen die Tür offenließ. Die PCF und die SFIO machten in Bezug auf die Kolonien viele Worte über die „Assimilationslehre“, schlugen jedoch zaghaft ein bisschen Föderalismus vor. Die PCF weigerte sich aber, die bedingungslose Befreiung der Kolonien zu fordern, die einzige revolutionär-marxistische Position. Tatsächlich war die PCF während des kolonialen Massakers von Sétif und Guelma im Mai 1945 in Algerien Teil der Regierung und blieb dies auch noch, als der französische Imperialismus den Indochina-Krieg gegen die Streitkräfte Ho Chi Minhs begann und als in Madagaskar nach dem März-Aufstand von 1947 zehntausende Menschen abgeschlachtet wurden.

Die Stalinisten machten der MRP ein Zugeständnis nach dem anderen. Dennoch enthielt der Verfassungsentwurf wesentliche demokratische Reformen, zumindest im Vergleich zu den reaktionären Verfassungsgesetzen von 1875, die nach der Niederschlagung der Pariser Kommune von 1871 die Grundlage für die Dritte Republik bildeten. Die ersten 39 Artikel bezogen sich größtenteils auf demokratische Rechte, und die kolonialen Untertanen sollten in den Genuss der gleichen wirtschaftlichen und sozialen Rechte und Freiheiten kommen wie französische Staatsbürger. (Bezüglich ihrer politischen Rechte blieb der Entwurf aber im Grunde schwammig.) Außerdem sah der Entwurf, trotz der Einwände der MRP, ein Einkammerparlament und eine schwache präsidiale Exekutive vor.

Am 3. April trat François de Menthon von der MRP als Sprecher der Verfassungskommission zurück. Am 15. April erklärte die MRP, sie werde nicht für den Entwurf stimmen, der wenige Tage später, kurz vor dem Referendum vom 5. Mai, von der PCF-SFIO-Mehrheit gebilligt wurde. Eine wütende antikommunistische Kampagne gegen die PCF wurde gestartet: „Die von SFIO und PCF gewünschte Verfassung wurde ausschließlich mit Kommunismus, Diktatur und Faschismus identifiziert. Ein ,Nein‘-Votum wurde hingegen als eine Stimme für die Freiheit dargestellt“ (Pierre Letamendia, Le Mouvement républicain populaire: Le MRP, histoire d’un grand parti français [Die Republikanische Volksbewegung: Die MRP, Geschichte einer großen französischen Partei], Beauchesne, Paris 1995).

Angesichts dieser Offensive der Rechten lehnte die Bevölkerung den Verfassungsentwurf mit knapper Mehrheit ab, bei einer Wahlbeteiligung von fast 80 Prozent. Einer Umfrage zufolge stimmten mindestens 33 Prozent mit Nein, „um dem Kommunismus entgegenzutreten“. Als die antikommunistische Hysterie heiß lief, machte ein Teil der SFIO einen Rückzieher bei der Kampagne für die Verfassung. Zehn Tage vor der Abstimmung schickte einer der nationalen Führer der Partei ein Telegramm an alle sozialistischen Verbände, in dem er ihnen untersagte, gemeinsam mit der PCF eine Kampagne für ein „Ja“-Votum zu führen. Doch letztendlich stimmten nur 18 Prozent der SFIO-Wähler mit „Nein“. Und während die kolonialen Lobbys die Verfassung als Bedrohung anprangerten, war das „Ja“-Votum in den wenigen Kolonien, in denen die einheimische Bevölkerung tatsächlich das Wahlrecht hatte, überwältigend.

Jacques Fauvet, langjähriger Herausgeber von Le Monde und prominenter Ideologe des französischen Kapitalismus, wies in seinem Buch La IVe République [Die Vierte Republik] (Fayard, Paris 1959) darauf hin, dass im Falle eines Erfolgs des Referendums „Frankreich von einer Nationalversammlung regiert worden wäre, in der, einmalig in seiner Vor- oder Nachkriegsgeschichte, die Sozialisten und die Kommunisten über die absolute Mehrheit der Sitze verfügt und fast die Hälfte der Wähler hinter sich gehabt hätten.“

Die Arbeiterklasse hatte die massive Verlängerung der Arbeitszeit und die Kürzung der Reallöhne geduldig hingenommen, die ihr von PCF und SFIO unter dem Vorwand aufgezwungen wurden, dies würde dem Wiederaufbau der Industrie und der Stärkung des französischen Imperialismus gegenüber den USA und anderen Ländern dienen. Doch der Lebensstandard war unter das Vorkriegsniveau gesunken, und die arbeitenden Massen drohten zu verhungern. Das war nicht die „Befreiung“, für die sie gekämpft hatten, und 1946 verloren sie langsam die Geduld. Die Annahme der Verfassung trotz der antikommunistischen Kampagne der Bourgeoisie hätte die proletarische Kampfbereitschaft im Klassenkampf neu entfachen können. Deshalb war es für die Bourgeoisie so wichtig, den Verfassungsentwurf zu vereiteln und dadurch die PCF zu schwächen.

Die PCI und das Referendum

Die PCI griff die Frage des Verfassungsreferendums auf einer Sitzung des Zentralkomitees (ZK) im März 1946 auf, wo beschlossen wurde, zu einem Boykott (eigentlich zur Enthaltung) aufzurufen. In einem Artikel „Gegen das Plebiszit der Drei-Parteien-Regierung [Tripartismus]: Boykottiert die Volksabstimmung“ (La Vérité, 13. April 1946), erklärte die PCI: „Die Führer der Kommunistischen Partei Frankreichs und der Sozialistischen Partei fordern heute die Arbeiter auf, nicht nur für eine bürgerliche und antidemokratische Verfassung zu stimmen, sondern auch die Politik der Drei-Parteien-Regierung zu bestätigen, die in den vergangenen zehn Monaten das Los der arbeitenden Massen nur noch verschlimmert hat.“

In dem ganzen Zeitraum, als über den Verfassungsentwurf verhandelt wurde, war es der PCI nie in den Sinn gekommen, mit „Ja“ zu stimmen. Durch die Ereignisse änderten sich rasch der Kontext und damit die entsprechende taktische Herangehensweise, die die Trotzkisten hätten anwenden sollen. Die PCI war in zwei Haupttendenzen gespalten: eine um Pierre Frank, Marcel Bleibtreu und Pierre Lambert und die andere – eine rechte Minderheit – hauptsächlich um Craipeau und Albert Demazière. Sobald die MRP ihre Unterstützung für den Verfassungsentwurf zurückzog und der antikommunistische Kreuzzug anfing, begann die Minderheit Argumente für ein „Ja“-Votum vorzubringen. Als die Polarisierung zwischen den bürgerlichen Parteien und der PCF zunahm, begannen auch andere in der PCI ihre Position zu überdenken.

Am 20. April, einen Tag nachdem PCF und SFIO in der Nationalversammlung für den Verfassungsentwurf gestimmt hatten, gab Lambert einen Bericht vor dem Politischen Büro der PCI, der Parteileitung mit Sitz in Paris. Zunächst sprach er sich dafür aus, die PCI solle damit „warten, eine Position zu beziehen“, unterstützte aber letztendlich einen Antrag für ein „Ja“-Votum, der mit fünf gegen vier Stimmen angenommen wurde. Auf einer Notsitzung am 23. April billigte das ZK diese Position mit knapper Mehrheit. Lamberts Bericht auf dieser Sitzung wurde größtenteils in einem Artikel in La Vérité (26. April 1946) veröffentlicht. Der Artikel erwähnte die Kapitulationen der PCF vor der MRP und betonte, dass die PCI „bei der Volksabstimmung vom 5. Mai mit JA stimmen wird, nicht weil sie die ständigen Kapitulationen der Arbeiterparteien gutheißt, nicht weil sie für die Verfassung ist, diesen Bastard des Tripartismus, nicht weil sie die Union française [französische Kolonialunion] und die Versklavung der Kolonialvölker akzeptiert, sondern weil es sich um eine Volksabstimmung für oder wider die Parteien der Reaktion oder die Arbeiterparteien handelt“.

Bei der Beurteilung von Fragen einer Verfassungsreform, auch in Form einer Volksabstimmung, gehen Marxisten von der Frage aus: Was kann den proletarischen Klassenkampf voranbringen? Die Volksabstimmung vom Mai 1946 in Frankreich war einer dieser Fälle, bei denen ein „Ja“-Votum den marxistischen Prinzipien entsprach und auch angemessen war. Der Verfassungsentwurf war aus Sicht der Arbeiter und Unterdrückten eine positive Veränderung der bestehenden bürgerlichen Ordnung. Und er war viel besser als derjenige, der schließlich im Oktober 1946 angenommen wurde und die Vierte Republik begründete.

Der Beschluss der PCI, in der Volksabstimmung mit „Ja“ zu stimmen, war eine Anwendung leninistischer Taktik. Lenin hatte die bolschewistische Partei als unverzichtbares Instrument der sozialistischen Revolution geschmiedet; zu diesem Zweck prangerte er die „konstitutionellen Illusionen“ an, die von den SR und den Menschewiki geschürt wurden, die behaupteten, die Annahme einer demokratischen Verfassung würde Russland stabilisieren und den Staat dem Volk gegenüber verantwortlich machen. Lenin erklärte, der bürgerliche Staat werde die Arbeiter und Unterdrückten mit oder ohne Verfassung weiter angreifen, aber „wir würden es als größte Ungereimtheit betrachten, wenn die revolutionären Sozialdemokraten den Kampf für Reformen überhaupt abschwören wollten, darunter auch den Kampf für die ‚Staatenbildung‘“ („Eine Wendung in der Weltpolitik“, 31. Januar 1917 – vor dem Ausbruch der Revolution). Für Lenin galt: „Die marxistische Lösung der Frage der Demokratie besteht darin, dass das seinen Klassenkampf führende Proletariat alle demokratischen Einrichtungen und Bestrebungen gegen die Bourgeoisie ausnutzt, um den Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie, den Sturz der Bourgeoisie vorzubereiten“ („Antwort an P. Kijewski“, August/September 1916, Hervorhebung im Original).

Eine Frage der Taktik, nicht des Prinzips

Am 22. April verwarf das Internationale Sekretariat (IS), das damals in Paris ansässige Leitungsgremium der Vierten Internationale, die Idee, mit „Ja“ zu stimmen, in einem Antrag, der am darauffolgenden Tag auf einer Sitzung des PCI-Zentralkomitees verlesen wurde. Die wichtigsten Führer des Nachkriegs-IS waren Michel Pablo und Ernest Mandel (Germain), der Führer der belgischen Sektion. In den monatelang andauernden Diskussionen stellten sich beide hartnäckig gegen die Position der PCI.

Das IS argumentierte in seinem Antrag, dass die Linie der PCI „eine typisch opportunistische Abweichung“ sei und die einzige prinzipienfeste Position darin bestehe, alles abzulehnen, „was den bürgerlichen Charakter des Staates festschreibt“. In diesem Antrag heißt es: „Die Ablehnung der Verfassung wird weder zur Verabschiedung einer anderen, reaktionäreren Verfassung führen noch zur Übergabe der Macht an die Bourgeoisie durch die Kommunisten und Sozialisten, sondern lediglich zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung durch eine neue Konstituierende Versammlung“ (Bulletin intérieur der PCI, nicht nummeriert, über die Sitzungen des Zentralkomitees vom 23. April und des Politbüros vom 24. April 1946).

Zunächst einmal lag die Führung der Vierten Internationale falsch, als sie von einem Prinzipienverstoß der PCI sprach. Ein marxistisches Prinzip ist ein konzentrierter Ausdruck der Lehren des Klassenkampfes: Es wird angenommen, weil ein Verstoß gegen dieses Prinzip ausnahmslos bedeutet, gegen die Interessen der Arbeiterklasse zu handeln. Hätte sich Frankreich mitten in einer vorrevolutionären oder revolutionären Situation befunden, so hätte sich die Frage gestellt, für Sowjets oder andere Kampforgane des Aufstandes zu kämpfen. Unter diesen Umständen zur Annahme einer bürgerlichen Verfassung aufzurufen, hätte in der Tat einen Verrat am Proletariat bedeutet. Aber das war in Frankreich im April/Mai 1946 nicht der Fall, im Gegensatz zu den ersten Monaten nach dem Ende der Nazi-Besetzung.

In seiner Kritik an der Position der PCI berücksichtigte das IS nicht, dass die französischen Trotzkisten versuchten, mit den vom Referendum aufgeworfenen politischen Problemen klarzukommen. Mit „Nein“ zu stimmen hätte bedeutet, einen Block mit der Rechten einzugehen. Zu einem Boykott oder zur Stimmenthaltung aufzurufen wäre steril und abstrakt gewesen. Der Aufruf zu einem „Ja“-Votum stimmte mit der Forderung nach einem Bruch mit der bürgerlichen MRP und der Bildung einer PS-PC-CGT-Regierung überein. Das Auseinanderbrechen der Volksfront hätte die reformistischen Arbeiterparteien entlarvt, die ihre Hauptrechtfertigung für den Verrat, die Arbeiterklasse der Bourgeoisie unterzuordnen, verloren hätten. Dadurch wäre der Klassenkampf vorangetrieben worden. Darüber hinaus wäre die Annahme des PCF-SFIO-Verfassungsentwurfs durch die Bevölkerung ein Schlag gegen die Kalte-Kriegs-Kampagne in Frankreich gewesen.

Die Debatte im IEK

Auch die amerikanische SWP lehnte den Beschluss der PCI ab. Im Juni 1946 stimmten ihre Vertreter im Internationalen Exekutivkomitee (IEK) für eine Resolution, in der es heißt, das Referendum sei lediglich „ein Wahlmanöver der Bourgeoisie“ und die Position der PCI „trage dazu bei, parlamentarische Illusionen zu schüren“ (Bulletin intérieur der PCI Nr. 26, Juli 1946).

Konfrontiert mit der neuen Lage nach Kriegsende erkannten Cannon und seine Anhänger erst mit Verzögerung, dass die unmittelbaren revolutionären Gelegenheiten in Frankreich vorbei waren. In den USA bekräftigten sie eine proletarisch-revolutionäre Haltung, aber trotz der Tatsache, dass die amerikanische Bourgeoisie aus dem Krieg sowohl im eigenen Land als auch weltweit mit einer erheblich gestärkten Position hervorgegangen war, sahen sie große Aussichten für die Partei und erwarteten eine unmittelbar bevorstehende Zunahme proletarischer Kämpfe.

Innerhalb der SWP gab es eine Opposition gegen Cannon, die von Albert Goldman und Felix Morrow geführt wurde und sich rasch nach rechts bewegte. Sie unterstützte den Aufruf der PCI für ein „Ja“-Votum beim Verfassungsreferendum, was Cannon dazu brachte, gegen die PCI zu sein. Cannon glaubte stur, dass Europa entweder auf eine proletarische Revolution oder auf eine Variante des Faschismus oder Bonapartismus zusteuere. Goldman und Morrow hingegen erkannten, dass die Kapitalistenklasse ihre Herrschaft durch den Schwindel bürgerlicher Demokratie aufrechterhalten könnte und dass dies in der Arbeiterklasse demokratische Illusionen verstärken würde. Diese empirischen Beobachtungen waren richtig. Goldman und Morrow befanden sich aber auf einem politischen Kurs, der das trotzkistische Programm der sozialistischen Revolution in eine Reihe von demokratischen Forderungen liquidierte. Beispielsweise empfahl Morrow 1945 den französischen Trotzkisten: „Scheut euch nicht, Vérité während des Kampfes um Legalität als eine Zeitschrift aussehen zu lassen, die für nichts anderes als echte Demokratie kämpft“ (SWP Internal Bulletin, Bd. VII, Nr. 12, November 1945).

Goldman und Morrow hatten erklärt, dass in Westeuropa eine Periode bürgerlich-demokratischer Herrschaft notwendig sei, und hatten der bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion abgeschworen. Diese Positionen waren eng miteinander verbunden: Die europäischen bürgerlichen Demokratien waren die antisowjetischen Verbündeten des amerikanischen Imperialismus. Morrow forderte die französischen Trotzkisten auch dazu auf, ihre Kräfte in die SFIO oder sogar in einen Flügel des Mouvement de libération nationale [MLN − Nationale Befreiungsbewegung], einer bürgerlich-nationalistischen Bewegung, zu liquidieren. Nach ihrem Austritt aus der SWP 1946 sagten sich Goldman und Morrow rasch vom Marxismus los und wurden zu proimperialistischen Unterstützern des Kalten Krieges.

Während sich Goldman und Morrow der demokratischen Nachkriegsordnung verschrieben, blieben Cannon und die SWP-Mehrheit trotz einiger Desorientierung dem Programm der proletarischen Revolution und dem Aufbau einer leninistischen Partei in den USA verpflichtet, um diese Revolution anzuführen. Doch die SWP legte eine sterile Orthodoxie an den Tag, besonders hinsichtlich der wiedererlangten Autorität der Stalinisten in Europa, sowie einen gewissen Provinzialismus. Ähnlich wie die neue europäische Führung der Vierten Internationale um Michel Pablo weigerte sich die SWP auf impressionistische Weise, anzuerkennen, dass die proletarischen Kämpfe in Westeuropa vorerst in Schach gehalten wurden. Im April 1946, unmittelbar vor dem französischen Referendum, hielt die Vierte Internationale ihre erste Nachkriegskonferenz ab, die in einem Manifest verkündete, dass zu diesem Zeitpunkt „die Krise der Gesellschaft eine noch nie dagewesene Tiefe und Breite erreicht hat“. Und weiter:

„Existiert in einer Situation, die sowohl wegen der Tiefe der Krise als auch wegen ihres universellen Ausmaßes für die Revolution zweifellos günstiger denn je ist, die Partei, die notwendig ist, um die Revolution zum Sieg zu führen? ...

Es handelt sich hier um eine ganze revolutionäre Periode, im Weltmaßstab. Für die kapitalistische Welt gibt es keinen anderen Ausweg als einen langwierigen Todeskampf.“

Quatrième Internationale Nr. 29, April/Mai 1946

Zu sagen, dass die Kapitalisten nicht in der Lage seien, ihre Ordnung wiederherzustellen, und dass die Arbeiterkämpfe unablässig voranschreiten würden, war einfach unrealistisch. Und die spätere Schwächung der stalinistischen Parteien erfolgte nicht durch einen massiven Linksruck in der Arbeiterklasse, sondern vielmehr durch die schweren Schläge der bürgerlichen Reaktion.

Die Diskussion über das französische Referendum wurde im Juni 1946 auf einem IEK-Plenum fortgesetzt. Jock Haston, Führer der britischen Revolutionary Communist Party, brachte einen Antrag zur Verteidigung eines „Ja“-Votums ein, in dem die Frage wieder in den angemessenen Rahmen gestellt wurde:

„In allen Phasen des Klassenkampfes ist es unsere Pflicht, die Entwicklung und den Kampf für die proletarische Staatsform voranzutreiben und den Sturz des bürgerlich-parlamentarischen Staats anzustreben. Doch Sowjets entstehen aus dem Klassenkampf zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt. In ihrem Eintreten und ihren Kämpfen für Sowjets und die Diktatur des Proletariats sind Revolutionäre verpflichtet, ihre Taktik auf den Klassenkampf zu basieren, nicht wie sie ihn gerne sehen möchten, sondern wie er wirklich ist.“

Der Antrag schloss damit:

„Die Mehrheit der PCI hat dieses Problem richtig erfasst und die richtige Richtlinie gegeben, beim Referendum mit ‚Ja‘ zu stimmen. Sie hat damit keine Illusionen in den bürgerlichen Staat geschaffen, sondern im Gegenteil diese Gelegenheit genutzt, um den bürgerlichen Charakter des Staates bloßzustellen. Sie hat keine Illusionen in die Arbeitermassenparteien geschaffen, sondern im Gegenteil die Gelegenheit genutzt, um die Kapitulation dieser Parteien gegenüber der MRP bloßzustellen. Gleichzeitig hat sie versucht, den Konflikt zu benutzen, um einen Keil zwischen die Arbeiterparteien und die MRP zu treiben und eine Brücke zu den Arbeitern zu schlagen, die die Massenparteien unterstützen. Vom Standpunkt der Prinzipien befanden sich unsere französischen Genossen von der Mehrheit auf solider Grundlage. Vom Standpunkt der Taktik aus war ihre Reaktion dem ihrer Kritiker überlegen.“

– SWP Internal Bulletin, Bd. VII Nr. 9, Juli 1946

Diese Argumente sind stichhaltig. Zwar wurde dieser Antrag auf dem IEK-Plenum abgelehnt, später wurde er aber vom PCI-Zentralkomitee angenommen.

Verwirrung über die Losung der „Arbeiterregierung“

Die Argumente, die von den „Ja“-Befürwortern in der PCI-Führung vorgebracht wurden, waren bei Weitem nicht alle richtig. Zum Beispiel brachte Lambert in seinem Bericht an das Politbüro vom 20. April 1946 die Idee einer „antikapitalistischen“ Verfassung vor, unter bürgerlicher Herrschaft eine Absurdität. Es sieht nicht so aus, als hätten die Trotzkisten ernsthaft untersucht, inwieweit der Verfassungsentwurf im Vergleich zur Verfassung der Dritten Republik eine demokratische Reform darstellte. Ihre Argumente beschränkten sich im Wesentlichen darauf, für die Seite der Arbeiterparteien (das „Ja“-Lager) gegen die MRP und die Bourgeoisie (das „Nein“-Lager) einzutreten.

Tatsächlich legten sowohl die „Ja“-Unterstützer als auch ihre Kontrahenten echte Konfusion an den Tag, was ihre Regierungslosungen anbelangt. Manchmal riefen sie zu einer „Regierung aus Kommunisten und Sozialisten“ auf, also ohne die CGT, manchmal zu einer „PS-PC-Regierung gestützt auf die CGT“. Damit ließen sie die nicht-parlamentarische, und daher revolutionäre, Achse der Losung einer „PS-PC-CGT-Regierung“ fallen.

Für uns in der IKL gibt es eine Verbindung zwischen einem „Ja“-Votum im Referendum inmitten einer scharfen Klassenpolarisierung und der Forderung nach einer außerparlamentarischen PS-PC-CGT-Regierung: Diese miteinander verknüpften Positionen sollten dazu dienen, den Klassenkampf gegen die Bourgeoisie und ihren Staat voranzutreiben. Doch der rechte Craipeau-Demazière-Flügel verband seine Unterstützung des „Ja“-Votums mit Regierungslosungen, die in einem parlamentarischen Rahmen aufgestellt wurden. Solange PCF und SFIO eine Mehrheit in der Nationalversammlung hatten, riefen die rechten Elemente der PCI sie dazu auf, „mit der Bourgeoisie zu brechen und eine Regierung gegen die bürgerlichen Parteien zu bilden“. Doch nachdem PCF und SFIO im Juni 1946 die Mehrheit verloren hatten, zogen Craipeau & Co. den Schluss, dass die Losung einer PS-PC-CGT-Regierung „fallengelassen werden muss“, da sie mit parlamentarischen Mitteln nicht verwirklicht werden könne (Bulletin intérieur der PCI Nr. 30, undatiert).

Eine Reihe von Thesenentwürfen, verfasst von Frank, Bleibtreu und Lambert für den Dritten Kongress der PCI im September 1946, verteidigte zu Recht den außerparlamentarischen Aspekt der Losung:

„Die Losung einer ‚PS-PC-CGT-Regierung‘ dadurch zu verteidigen, dass man ihr einen parlamentarischen Inhalt gibt, bedeutet, eine bürgerliche Regierung zu verteidigen (britische Labour-Regierung). Es heißt, unsere revolutionäre Haltung unerschütterlicher Opposition gegen jegliche bürgerliche Regierung preiszugeben.“

– Bulletin intérieur der PCI Nr. 28, undatiert

Die Mandel-Pablo-Führung der Vierten Internationale erklärte ihrerseits, dass „die Losung ‚einer Arbeiter- und Bauernregierung‘ in der systematisch an die alte konservative Führung gerichteten Formel konkretisiert [ist]: ‚Für eine sozialistisch-kommunistische Regierung! Brecht mit der Bourgeoisie! Übernehmt die Macht, die ganze Macht!‘“ (Les congrès de la IV<CharStyle:Super Ital>e Internationale [Die Kongresse der Vierten Internationale], Bd. 2). Sie behauptete, eine solche Regierung könne „unter außergewöhnlichen Umständen“ aus einer parlamentarischen Kombination reformistischer Arbeiterparteien hervorgehen. Tatsächlich behauptete Mandel, dass es notwendig sei, die Verfassung vom Mai 1946 unter anderem deshalb abzulehnen, weil sie die Situation einfrieren würde, wohingegen die Arbeiter ohne diese Verfassung die parlamentarische PS-PC-Regierung unter Druck setzen könnten, antikapitalistische Maßnahmen zu ergreifen:

„Sie müssen also die Sozialisten und die Kommunisten dazu zwingen, die ganze Macht zu übernehmen. Damit sie voranschreiten und die Trusts angreifen können, dürfen ihnen nicht im Voraus die Hände gebunden werden durch die Annahme einer Verfassung, die ausschließlich dazu dient, die katastrophale Koalition mit der MRP nach den Wahlen fortzusetzen.“

– „La position du parti français sur le référendum“ [Die Position der französischen Partei zum Referendum], Bulletin Intérieur du Secrétariat international de la IVe Internationale Nr. 3, Mai 1946

Und Pablo schrieb:

„Aber kann man die Macht auf parlamentarischem Weg ergreifen?

Diese Hypothese ist unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen theoretisch nicht ausgeschlossen.

Wichtig ist nicht, wie eine ‚Arbeiter‘regierung gebildet wird, sondern die Art der Maßnahmen (rein parlamentarische oder revolutionäre), die sie danach ergreift, und das Programm, das sie umzusetzen versucht.“

– „Sur le Mot d’Ordre du ,GOUVERNEMENT OUVRIER & PAYSAN‘“ [Über die Losung einer ,Arbeiter- und Bauernregierung‘], Quatrième Internationale, Juni/Juli 1946

Diese Argumente wurden von der Geschichte gründlich widerlegt. Es hat sich wieder und wieder gezeigt, dass das Proletariat nicht durch das bürgerliche Parlament oder eine andere Institution des kapitalistischen Staates an die Macht gelangen kann. Karl Marx zog die Lehren aus der Revolution von 1848–51 und erklärte über den bisherigen Klassenkampf in Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (1852): „Alle Umwälzungen vervollkommneten diese [repressive Staats-]Maschine statt sie zu brechen.“ Es ist die Aufgabe des Proletariats, den kapitalistischen Staat durch eine Revolution zu stürzen und seine eigene Klassenherrschaft zu errichten.

Als Pablo und Mandel ihre revisionistischen Schlussfolgerungen vorbrachten, konnten sie auf eine konfuse Diskussion auf dem Vierten Weltkongress der Kommunistischen Internationale von 1922 zurückgreifen. In den „Thesen über die Taktik“ dieses Kongresses wurden verschiedene Arten von „Arbeiterregierung“ beschrieben, darunter parlamentarische Regierungen mit sozialdemokratischer Mehrheit und Koalitionen unter Beteiligung einer kommunistischen Partei wie auch eine „wirkliche revolutionäre proletarische Arbeiterregierung, die in reiner Form nur durch die Kommunistische Partei verkörpert werden kann“ (siehe „Eine trotzkistische Kritik: Deutschland 1923 und die Komintern“, Spartacist, deutschsprachige Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001). Für revolutionäre Marxisten kann die Losung einer Arbeiterregierung nichts anderes sein als eine populäre Bezeichnung für die Diktatur des Proletariats.

Das Nachspiel

Das Scheitern des „Ja“-Votums beim Referendum vom Mai 1946 war eindeutig ein Sieg für die französischen Kapitalisten. Der Antikommunismus bekam freie Fahrt und heizte den Kalten Krieg an. Die Bourgeoisie sah sich bestärkt und verdoppelte ihre Brutalität in den Kolonien. In Vietnam bombardierten französische Truppen im November 1946 Haiphong und hinterließen 20 000 Tote. Das Massaker in Madagaskar fand vier Monate später statt.

Auch in Frankreich hatte die Niederlage des Referendums negative Folgen für die Arbeiterklasse. Bei den Parlamentswahlen vom Juni 1946 verloren SFIO und PCF ihre Mehrheit in der neuen Konstituierenden Versammlung. (Die PCF konnte sich im Großen und Ganzen behaupten, verlor aber Stimmen in ihren proletarischen Hochburgen im Norden und in Paris.) Die revidierte Verfassung, die im Oktober durch ein neues Referendum gebilligt wurde, war deutlich reaktionärer als die zuvor abgelehnte. Sie sah unter anderem ein separates Oberhaus (Senat) und größere Vollmachten des Präsidenten vor.

Die proletarischen Kämpfe lebten wieder auf, angefangen mit dem Renault-Streik im April/Mai 1947. Die PCF-CGT-Führung prangerte den Streik zunächst als das Werk „anarcho-hitlerisch-trotzkistischer Saboteure“ an, musste ihn aber schließlich doch unterstützen, um nicht völlig ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Als die MRP und ihre SFIO-Verbündeten sahen, dass die PCF die Arbeiterklasse nicht mehr bändigen konnte, um Löhne und Lebensbedingungen niedrig zu halten, warfen sie im Mai die PCF aus der Regierung. Im selben Jahr schlug die Regierung eine von der CGT angeführte Streikwelle brutal nieder, und 1948 setzte der sozialistische Innenminister Jules Moch Truppen gegen die Bergleute ein. Die Machenschaften der US-Herrscher, ihrer Agenten in der American Federation of Labor sowie von französischen Sozialdemokraten, die CGT zu spalten, wurden mit der Gründung von Force ouvrière, eines von der CIA finanzierten antikommunistischen Gewerkschaftsverbandes, von Erfolg gekrönt.

Lambert und der rechte Flügel der PCI hatten eindeutig Recht, bei dem Referendum vom Mai 1946 zu einem „Ja“-Votum aufzurufen, doch Rechte wie Craipeau nutzten dies, um im September 1946 auf dem PCI-Kongress deren Führung zu übernehmen. Kaum ein Jahr später suchte Craipeau mit der Hälfte der Organisation das Weite und schloss sich der Rassemblement démocratique révolutionnaire an, einer kurzlebigen kleinbürgerlichen Gruppierung, die u. a. von Jean-Paul Sartre gegründet worden war.

Die in Europa ansässige Führung der Vierten Internationale unter Leitung von Michel Pablo lag nicht nur beim französischen Referendum falsch, sondern griff auch auf Argumente zurück, die kaum besser waren als die der Rechten. Die Desorientierung der Vierten Internationale nahm weiter zu, als in Osteuropa Arbeiterstaaten entstanden. Diese Arbeiterstaaten konnten entstehen, weil die eigentliche Macht in den Händen der Roten Armee lag, den Streitkräften eines degenerierten Arbeiterstaats; aber aus genau diesem Grund waren diese neuen Staaten auch von Anfang an deformiert.

Die Vierte Internationale unter Pablo war unfähig, eine Theorie aufzustellen, die diese Entwicklungen ohne revisionistische Schlussfolgerungen erklären konnte. Zunächst bestritt sie, dass der Kapitalismus ohne eine proletarische Revolution gestürzt werden könne, und sie forderte sogar den Abzug der sowjetischen Truppen, während unmittelbar westlich von ihnen imperialistische US-Truppen stationiert waren. Dann begann sie mit dem jugoslawischen stalinistischen Führer Tito zu flirten (der gerade mit Stalin gebrochen hatte), bis sie dann zu Beginn des Koreakriegs vor Stalin kapitulierte. Entgegen seiner eigenen Behauptung, die Stalinisten würden bald einen raschen Niedergang erleben, rief Pablo dann 1950/51 zu „tiefem Entrismus“ in stalinistische und sogar in manche sozialdemokratische Parteien auf.

Der frühere konfuse Impressionismus wurde zu einem revisionistischen Programm: Pablo rechtfertigte den Verzicht auf den Aufbau einer unabhängigen proletarischen Avantgarde und liquidierte die Vierte Internationale. Er schrieb: „Der objektive Prozess bleibt letztlich der einzige entscheidende Faktor, der alle Hindernisse subjektiver Natur überwindet“, und sah „mehrere Jahrhunderte“ von „Übergangsregimen“ zwischen Kapitalismus und Sozialismus voraus. Er zog den Schluss, dass „unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit weiter besteht, dass die Kommunistischen Parteien sich eine annähernd revolutionäre Orientierung geben“ („Où allons-nous?“ [Wohin gehen wir?], Quatrième Internationale Bd. 9, Nr. 2–4, Februar–April 1951).

Damals waren Bleibtreu und Lambert die Führer der PCI-Mehrheit; sie waren gegen Pablos liquidatorische Perspektive, wurden aber bürokratisch ausgeschlossen und kamen nicht ihrer Verpflichtung nach, den Kampf auf die internationale Ebene zu bringen. 1953 nahm Cannons SWP mit Verspätung den Kampf gegen Pablos Liquidierung der Partei auf und bekräftigte, dass es unerlässlich sei, für eine leninistische proletarische Avantgardepartei zu kämpfen. Die SWP schloss sich mit der PCI und Gerry Healys Gruppe in Britannien zum antirevisionistischen Internationalen Komitee (IK) zusammen. Doch das IK funktionierte nie in zentralisierter Weise und wählte auch keine internationale Führung, die die politische Autorität gehabt hätte, um in die Arbeit seiner Sektionen zu intervenieren und den internationalen Kampf gegen den Pabloismus zu koordinieren (zur pabloistischen Zerstörung der Vierten Internationale in den Jahren 1951–53 siehe „Ursprünge des Pabloismus“, Spartacist, deutschsprachige Ausgabe Nr. 3, März 1975).

Die französischen Trotzkisten hatten beim französischen Referendum von 1946 die richtige Taktik. Aber es war die SWP, die die Prinzipien des Trotzkismus zu bewahren wusste, bis unsere Genossen sie 15 Jahre später in einem Kampf zur Wiederschmiedung der Vierten Internationale ablösten: Als die SWP sich Anfang der 1960er-Jahre mit dem Pabloismus versöhnte, schloss sie die Kader aus ihren Reihen aus, die dann die Spartacist League/U.S. und unsere internationale Tendenz gründeten. Es sind diese Kader, die die Kontinuität des Trotzkismus verkörpern.

 

Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr. 32

DSp Nr. 32

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