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Spartacist (deutschsprachige Ausgabe) Nummer 32

Herbst 2020

Nieder mit der EU!

Keine Beteiligung an ihrem Pseudo-Parlament!

Nieder mit dem deutschen Imperialismus!

Die folgende Erklärung des Internationalen Exekutivkomitees der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten) wurde am 21. April 2019 herausgegeben.

Sozialdemokraten und andere Reformisten trommeln anlässlich der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament für die Europäische Union (EU). Kennzeichnend dafür verkündet die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD): „Europa ist die Antwort“. Allein schon eine Kampagne für das Europäische Parlament und die Teilnahme an ihm sind ein Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse. Dieses „Parlament“ ist kein Parlament, sondern ein diplomatisches Forum. Die Imperialisten benutzen es, um fälschlicherweise ihr Konsortium als eine „freie“ und „demokratische“ Union von Völkern darzustellen, die den Nationalstaat überwindet.

Unsere internationale Tendenz war immer Gegner der EU und ihrer Vorgängerorganisation, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die ursprünglich als ein ökonomisches Anhängsel des von den USA geführten Militärbündnisses NATO gegen den degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion gegründet wurde. Die EU wird heute vom deutschen Imperialismus und in zweiter Linie von Frankreich dominiert. Die EU ist ein Zusammenschluss kapitalistischer Staaten mit dem Zweck, die Ausbeutung der Arbeiterklasse in jedem ihrer Länder zu maximieren und die wirtschaftliche Beherrschung und Unterjochung ärmerer Länder wie Griechenland, Irland, Portugal und osteuropäischer Mitgliedsstaaten durch die imperialistischen Mächte durchzusetzen, auch mit ihrem Finanzinstrument, dem Euro. Die EU ist auch dazu da, die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Imperialisten gegenüber ihren Rivalen in den USA und Japan zu steigern.

Die EU ist kein Superstaat, sondern besteht aus einer Reihe von Abkommen, denen Staaten beigetreten sind. W. I. Lenin entlarvte in Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (1916) die reaktionär-utopische Vorstellung des Sozialdemokraten Karl Kautsky von einem „Ultra-Imperialismus“, in dem die kapitalistischen Mächte angeblich ihre gegenseitigen Rivalitäten überwinden würden, während sie die Welt gemeinsam ausbeuten würden. Da der Kapitalismus auf der Grundlage einzelner Nationalstaaten organisiert ist, ist es reines Kautskyanertum, von einem gesamteuropäischen bürgerlichen Staat oder einer stabilen gemeinsamen Währung auszugehen. Aufgrund der unterschiedlichen nationalen Interessen der europäischen Imperialisten ist die EU andauernden Spannungen ausgesetzt, die sie ständig auseinanderzureißen drohen, und Klassenkampf kann die EU zerbrechen.

Für Marxisten ist es prinzipienlos, sich am Europäischen Parlament zu beteiligen. Vor 1979 wurden seine Delegierten von den Regierungen der EWG ernannt. Dass nach 1979 Abgeordnete direkt gewählt wurden, änderte nichts an seinem wesentlich diplomatischen Charakter. Wie wir vor 40 Jahren in der Zeitung unserer US-Sektion schrieben, als sich das pseudo-trotzkistische Vereinigte Sekretariat (VS) an den Wahlen zum Europaparlament beteiligte: „Was wäre, wenn der Nordatlantikrat der NATO sich durch direkte Wahlen konstituieren oder das kolonialistische britische Commonwealth eine pseudo-parlamentarische Körperschaft aufstellen würde: würde das VS versuchen, in diesen imperialistischen Allianzen einen Sitz zu bekommen? Wir können nur vermuten, dass dies der Fall wäre“ (Workers Vanguard Nr. 233, 8. Juni 1979, siehe auch Kommunistische Korrespondenz Nr. 25, Juni 1979).

Die Internationale Kommunistische Liga will nicht die einzelnen Bestimmungen und Vorschriften der EU neu verhandeln; das zu tun würde Illusionen verstärken, dass die EU im Interesse der Arbeiterklasse reformiert werden könne. Die verräterischen Führer der Arbeiterklasse propagieren die Lüge vom „sozialen Europa“, die falsche Vorstellung, die EU könne ein Instrument des sozialen Fortschritts für die Arbeiter und Unterdrückten sein. Unsere Haltung gegenüber der EU ist unnachgiebige Opposition: Wir wollen sie durch proletarischen internationalistischen Klassenkampf zerschlagen. Wir kämpfen für Arbeiterrevolutionen überall auf dem Kontinent mit dem Ziel der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, freiwillig vereinigt.

Die Institutionen der EU einschließlich ihres „Parlaments“ sind nichts anderes als Gremien, die die Bedingungen der Ausbeutung und Unterdrückung innerhalb der kapitalistischen Ordnung in Europa unter der Führung Deutschlands regulieren. Die Verträge, welche die Regeln der EU festlegen, widerspiegeln das Kräfteverhältnis zwischen den Imperialisten untereinander sowie zwischen den Imperialisten und den unterdrückten abhängigen Ländern. Das Europäische Parlament ist ein machtloses Beratungsgremium, das an den Abkommen herumbastelt, die von den Staatschefs der EU-Mitgliedsstaaten ausgehandelt wurden. Egal auf welcher Plattform ein Mitglied dieses „Parlaments“ gewählt wird, seine Rolle ist die eines diplomatischen Vertreters eines kapitalistischen Staates. Ein solcher Dienst beim Aushandeln reaktionärer Abkommen bringt es zwangsläufig mit sich, für deren Ergebnis mitverantwortlich zu sein.

Wer sich in irgendeiner Weise am EU-„Parlament“ beteiligt, gibt die Klassenunabhängigkeit des Proletariats auf. Deshalb gibt die IKL aus Prinzip linken Opponenten-Organisationen, die für dieses „Parlament“ kandidieren, keine kritische Wahlunterstützung. In Der „linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus (1920) betonte Lenin, dass die Massen aus Erfahrung lernen und nicht einfach durch kommunistische Propaganda. Damals forderte er die Kommunisten in Britannien auf, dazu beizutragen, die Labour Party an die Regierung zu bringen, so dass die Massen lernen können, dass die Labour-Leute Klassenverräter sind. Die IKL hat diese Taktik eingesetzt, wo es angemessen war. Man kann jedoch Reformisten nicht entlarven, indem man sie ins Europäische Parlament wählt. Allein schon sich zur Wahl zu stellen bedeutet, den Rahmen zu akzeptieren, dass man an imperialistischen Abkommen der EU herumbastelt.

Wie der Völkerbund in früheren Jahren (und die Vereinten Nationen heute) ist die EU eine Höhle imperialistischer Räuber und ihrer Opfer. Bis 1934 waren die stalinistische bürokratische Kaste in Moskau und die sie unterstützenden Kommunistischen Parteien gegen eine Beteiligung am Völkerbund. Als der Kreml dann 1934 seinen Kurs änderte und ihm beitrat, markierte das den Beginn der Volksfront-Politik, die auf der Erfindung eines „progressiven“ Flügels des Imperialismus basiert. Die Trotzkisten prangerten Stalins Verrat an und zitierten in einem Artikel von New International (Juli 1934) seine eigene Erklärung von 1927 zum Völkerbund:

„Die Sowjetunion ist nicht gewillt, ein Bestandteil jener die imperialistischen Machenschaften verdeckenden Kulisse zu sein, die der Völkerbund darstellt. Der Völkerbund ist der Treffpunkt der imperialistischen Führer, die ihre Geschäfte dort hinter den Kulissen abwickeln. Worüber im Völkerbund offiziell gesprochen wird, ist nichts als leeres Geschwätz, das zur Täuschung der Arbeiter bestimmt ist. Die Geschäfte, die von den imperialistischen Drahtziehern hinter den Kulissen des Völkerbunds inoffiziell abgewickelt werden, die sind das eigentliche Werk des Imperialismus, das von den schwülstigen Rednern des Völkerbunds pharisäisch bemäntelt wird.“ [unsere Übersetzung*]

Die EU ist ein Bündnis ungleicher Staaten, und die vorherrschenden imperialistischen Unterdrückerstaaten beherrschen die ärmeren unterdrückten Länder. Zusammengehalten wird die EU durch ökonomische Gewalt und Erpressung, die die mächtigeren Imperialisten ausüben. Ein Beispiel ist die Zwangseinführung des Euro, die den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung zerstörte und dem deutschen Kapitalismus nützte. Kontrolle über die Währung ist ein zentraler Bestandteil nationaler Souveränität. Normalerweise kann ein verschuldetes Land sich durch eine Abwertung der Währung etwas Erleichterung verschaffen und ökonomische Konkurrenzfähigkeit zurückgewinnen. Aber innerhalb der Eurozone ist das nicht möglich.

In dem Artikel der Financial Times „Wie der Euro gerettet wurde“ (11. Mai 2014) wird beschrieben, wie in der EU die Imperialisten die abhängigen Länder unterdrücken. Als 2011 der damalige griechische Premierminister Giorgos Papandreou ein Referendum über ein „Rettungspaket“ vorschlug, taten sich die führenden EU-Mächte zusammen, um das Referendum zu stoppen, und organisierten einen politischen Putsch, um ihn zu ersetzen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, Angela Merkel aus Deutschland, IWF-Direktorin Christine Lagarde und die zwei Präsidenten der EU trafen sich, um einen Plan auszuhecken, wie sie das Referendum verhindern. Sie schlugen eine „Regierung der nationalen Einheit“ unter Führung von Loukas Papadimos vor, einem früheren Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank. Innerhalb einer Woche übernahm Papadimos die Macht. Es gab keine Wahlen.

Im Juli 2015 rief Griechenlands Syriza-Regierung zu einem Referendum darüber auf, ob man weitere Kahlschlagmaßnahmen hinnehmen wolle als Bedingung für ein weiteres EU-Rettungspaket. Etwa 60 Prozent der Bevölkerung stimmten mit „Nein“, ein Schlag ins Gesicht der EU. Premierminister Tsipras stimmte dann einem noch brutaleren Programm von Hunger, Elend und Demütigung zu, das die EU-Herren ausgearbeitet hatten. Unsere Genossen der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands (TOE) riefen daraufhin zur Bildung von Arbeiter-Aktionskomitees auf, die diesen Ausverkauf sowie die EU und den Euro ablehnen würden. Die TOE erklärte, diese Komitees würden für solche Forderungen kämpfen wie Streichung der Schulden, Arbeiterverteidigungsgruppen gegen die Faschisten, Enteignung der Banken, Versorgungsbetriebe und Häfen, Arbeitsplätze für alle durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Diese Forderungen waren verknüpft mit der Notwendigkeit eines Kampfes für „eine Regierung, die im Interesse der Werktätigen handelt und diesen gegenüber verantwortlich ist“ („Syrizas Ausverkauf an die EU – Widersetzt euch! Es reicht!“, Spartakist Nr. 209, August 2015).

Die einzige Arbeitermassenpartei im Land, die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), spielte eine verräterische Rolle durch Demobilisierung des Kampfes, als es darauf ankam. Die KKE weigerte sich, beim Referendum zum „Nein“ aufzurufen. Das bewies, wie hohl die angebliche Opposition der KKE gegen die EU ist. Die Tatsache, dass die KKE für das Europäische Parlament kandidiert und an ihm teilnimmt, wofür die EU erhebliche Subventionen zahlt, unterstreicht, dass sie sich tatsächlich der EU und der europäischen kapitalistischen Ordnung unterordnet.

Die verräterischen Gewerkschaftsführer und die reformistischen Arbeiterparteien spielen schon immer die entscheidende Rolle als Stütze der EU und der kapitalistischen Bosse. Exemplarisch dafür steht die „GroKo“ (Große Koalition) der SPD mit Merkel. Für Deutschlands Vorherrschaft in der EU ist nicht zuletzt die SPD verantwortlich. Die letzte SPD-geführte Regierung führte eine Reihe von „Reformen“ ein, die gegen die Arbeiterklasse gerichtet sind, darunter die Hartz-IV-Gesetze und die Agenda 2010, wodurch zahlreiche Sozialleistungen gestrichen wurden. Das führte in Deutschland direkt zu einem riesigen Niedriglohnsektor und stärkte damit erheblich die Konkurrenzposition der deutschen Bourgeoisie.

Die britische Sektion der IKL unterstützt den Brexit und rief beim Referendum 2016 dazu auf, für „Austritt“ zu stimmen. Im Gegensatz dazu verriet der „linke“ Labour-Führer Jeremy Corbyn seine Unterstützer in der Arbeiterklasse, indem er eine Kampagne gegen den Brexit führte und vor kurzem für ein zweites Referendum eintrat, in Missachtung der Abstimmung der Bevölkerung. Während die Arbeiter Europas weiterhin von Austerität geplagt werden, hat die unterwürfige Unterstützung der Reformisten für die EU das Anwachsen der extremen Rechten und der Faschisten vorangetrieben.

Die Opposition der IKL gegen die EU und ihr „Parlament“ ist proletarisch, internationalistisch und revolutionär. Um eine Gesellschaft frei von Hunger, Entbehrungen und Unterdrückung aufzubauen, ist eine Reihe sozialistischer Revolutionen nötig, die die kapitalistischen Herrscher enteignen, besonders in imperialistischen Zentren wie Deutschland und den USA, und eine internationale Planwirtschaft errichten auf der Grundlage von Arbeiterherrschaft. Notwendig ist der Aufbau revolutionärer Arbeiterparteien, Sektionen einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale, um die Arbeiterklasse an die Macht zu führen und das verrottete kapitalistisch-imperialistische System hinwegzufegen.


*In Stalin, Werke Bd. 10, Dietz Verlag Berlin, 1953, übersetzt: „Schließlich nimmt die Sowjetunion am Völkerbund nicht teil, weil sie nicht gewillt ist, ein Bestandteil jener die imperialistischen Machenschaften verdeckenden Kulisse zu sein, die der Völkerbund darstellt, der durch die salbungsvollen Reden seiner Mitglieder die imperialistischen Machenschaften bemäntelt. Der Völkerbund ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein ,Absteigequartier‘ für die imperialistischen Drahtzieher, die ihre Geschäfte hinter den Kulissen besorgen. Das, wovon im Völkerbund offiziell gesprochen wird, ist leeres Geschwätz, das zur Täuschung des Volkes bestimmt ist. Das aber, was die imperialistischen Drahtzieher inoffiziell hinter den Kulissen des Völkerbunds tun, das sind wirkliche imperialistische Taten, die von den schwülstigen Rednern des Völkerbunds pharisäisch bemäntelt werden.“

 

Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr. 32

DSp Nr. 32

Herbst 2020

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Nieder mit der EU!

· IEK-Plenum: Kampf gegen
  zentristischen Kniefall vor der EU

· Keine Beteiligung an
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