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Spartakist Nummer 221

Sommer 2018

Nieder mit dem deutschen Imperialismus!

Trump und Merkel im Streit über den Iran

Der deutsche Imperialismus ist verärgert über die Aufkündigung des Iran-Abkommens seitens des US-Präsidenten Donald Trump, der nun wieder drastischere Sanktionen gegen den Iran verhängt hat. Die deutschen Kapitalisten sehen ihre wirtschaftlichen Interessen im ölreichen Nahen Osten bedroht und möchten nicht rausgedrängt werden. Ökonomisch ist Deutschland ein Riese und spielt eine Weltmachtrolle in Konkurrenz zu den USA und Japan. So ist die Bourgeoisie mächtig frustriert darüber, dass Trump mit seiner protektionistischen und konfrontativen Politik immer mehr Hindernisse gegen sie errichtet, nicht nur im Iran.

Die USA haben weltweit immer noch ein enormes militärisches Übergewicht, während Deutschland militärisch im Augenblick ein Zwerg ist. Die Koalitionsregierung zwischen CDU/CSU und SPD mit Angela Merkel an der Spitze versucht bisher auf diplomatischen Wegen, die Auswirkungen der Aufkündigung des Iran-Deals abzuschwächen. Gleichzeitig wird in Regierungskreisen kontrovers diskutiert, ob und wie wirtschaftliche und politische Allianzen alternativ zur transatlantischen Achse geschmiedet werden können, da sich immer mehr Risse zwischen den USA und Deutschland auftun.

Während antiiranische Scharfmacher der US-Regierung sich mit nichts weniger als einem „Regimewechsel“ im Iran zufriedengeben wollen, hat die deutsche Regierung dies jetzt nicht als Ziel. Historisch gesehen konnte das deutsche Kapital mit jedem Regime im Iran erfolgreich Handel treiben, sei es der Schah bis 1979 oder die Mullahs, die danach an die Macht kamen. Jedoch ist der Bundesregierung eine weitere Destabilisierung der Region ein Dorn im Auge, denn sie schadet den Geschäftsinteressen der deutschen Kapitalisten, die Pläne hatten, in zweistelliger Milliardenhöhe in den Wiederaufbau der durch imperialistische Sanktionen marode gemachten iranischen Wirtschaft zu investieren. Durch die Aufkündigung des Abkommens drohen jetzt Geschäfte wie der Ausbau des Eisenbahnnetzes durch Siemens zu platzen.

Der im Oktober 2015 angenommene Gemeinsame Umfassende Aktionsplan (JCPoA) wurde vom Iran und von den USA, Deutschland, Frankreich, Britannien, der Europäischen Union (EU), Russland und China unterzeichnet. Als Gegenleistung für die Lockerung der Sanktionen wurde dem Iran aufgezwungen, sein Atomprogramm drastisch einzuschränken und UN-Inspektoren zuzulassen. Die deutsche Bourgeoisie war begeistert über die neuen Möglichkeiten, mit dem Iran wieder mehr Handel zu treiben, musste aber weiter geltende Beschränkungen für das deutsche Finanzkapital bei Direktinvestitionen in Kauf nehmen. Für die iranischen Massen brachte die teilweise Aufhebung der Sanktionen lebenswichtige Erleichterungen.

Hinter das Ziel der US-Regierung, den Iran nuklear zu entwaffnen, hat sich die deutsche Regierung eingereiht und sie hat die mörderischen Sanktionen länger als ein Jahrzehnt mitgetragen. Das iranische Regime hat immer bestritten, Atomwaffen zu entwickeln. Der Iran braucht Atomwaffen als Abschreckung gegen einen imperialistischen Angriff. Zwar ist der Besitz von Atomwaffen noch keine Sicherheitsgarantie gegen einen solchen Angriff, er bietet aber ein echtes Maß an Souveränität gegenüber den marodierenden Imperialisten. Es ist im Interesse des Proletariats überall auf der Welt, die Beendigung aller Sanktionen gegen den Iran zu fordern und für die Verteidigung des Iran gegen drohende militärische Angriffe der Imperialisten einzutreten. Unsere militärische Verteidigung des Iran gegen den Imperialismus beinhaltet nicht die geringste politische Unterstützung für das bürgerlich-islamische Regime, das die Unterdrückung von Frauen, Schwulen und nationalen Minderheiten betreibt und gegen Arbeiterkämpfe brutal vorgeht. Aber man muss verstehen, dass die imperialistischen Großmächte – Deutschland, USA, Japan – die größte Bedrohung für die arbeitenden Menschen und Unterdrückten auf dem Planeten sind.

Imperialismus ist ein System und nicht einfach „schlechte Politik“

Der Streit zwischen dem deutschen und dem US-Imperialismus ist ein Ausdruck von Rivalitäten zwischen Weltmächten, die dem imperialistischen System eigen sind. Der Imperialismus ist, wie Lenin erklärte, das höchste Stadium des Kapitalismus, „wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist“ (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, 1916). Daher müssen die Imperialisten für die Erweiterung ihrer Einflusssphären um die Neuaufteilung der Welt ringen, was bereits zu zwei Weltkriegen geführt hat. Der deutsche Imperialismus wird früher oder später wieder aufrüsten müssen, um Kredite und Direktinvestitionen im Ausland sowie Handelsverträge militärisch abzusichern. Wie der preußische General und Militärstratege Clausewitz bemerkte, ist der Krieg eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen, nämlich gewaltsamen Mitteln.

Die Stärke des deutschen Imperialismus basiert auf seinem Finanzkapital, was in riesigem Ausmaß in andere Länder exportiert wird. Lenin erklärt: „Konzentration der Produktion, daraus erwachsende Monopole, Verschmelzung oder Verwachsen der Banken mit der Industrie – das ist die Entstehungsgeschichte des Finanzkapitals und der Inhalt dieses Begriffs.“ Ein Teil des exportierten Kapitals sind Kredite, auch Anleihen genannt, die nur unter der Bedingung vergeben werden, dass Waren aus Deutschland gekauft werden. Hauptsächlich werden Autos, Maschinen und chemische Erzeugnisse exportiert. Treffend beschreibt Lenin, wie die Steigerung des Exports an die Schwindelmanöver des Finanzkapitals geknüpft ist, „das sich nicht um die bürgerliche Moral schert und dem Ochsen das Fell zweimal über die Ohren zieht: einmal durch die Profite aus der Anleihe und dann durch die Profite aus derselben Anleihe, sobald sie zum Ankauf der Kruppschen Erzeugnisse oder der Eisenbahnmaterialien des Stahlsyndikats usw. verwendet wird“. So werden viele Länder in eine immer mehr ausufernde Verschuldung und damit in immer größere Abhängigkeit vom deutschen Imperialismus getrieben, wie z. B. Griechenland.

Ein anderer Teil des Kapitalexports dient der deutschen Bourgeoisie zum Aufbau eigener Fabriken in anderen Ländern, wo dortige Arbeiter zu Billiglöhnen ausgebeutet werden. So wurde die Slowakei mit ihrem EU-Eintritt zu einem Ableger des deutschen Imperialismus und seiner Auto-Giganten und ist heute der weltweit größte Pro-Kopf-Produzent von Autos (1 Million Autos pro Jahr bei einer Bevölkerung von 5 Millionen). Aber slowakische Arbeiter bekommen nur 40 Prozent des Lohns, der in Deutschland gezahlt wird. Allerdings haben die Arbeiter bei Volkswagen in Bratislava im Sommer 2017 einen machtvollen Streik geführt und eine Lohnerhöhung von 14 Prozent errungen. Dies hatte Signalwirkung und führte zu Lohnerhöhungen in anderen Firmen sowie ab Mai zu einer Anhebung der gesetzlichen Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit. Spiegel Online (30. April) zitiert im Artikel „Wenige Cent mehr Lohn – deutsche Firmen sind empört“ die Drohung der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer, die „von der Regierung beabsichtigte dramatische Erhöhung der Mindestzuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit gefährdet den Industriestandort Slowakei“.

Es gibt ein direktes Interesse der multiethnischen Arbeiterklasse in Deutschland, mit den Klassenbrüdern in anderen Ländern gemeinsam gegen den gleichen Ausbeuter zu kämpfen. Ein zentrales politisches Hindernis für gemeinsame Klassenkämpfe ist die chauvinistische „Standort-Deutschland“-Politik der hiesigen SPD-geführten Gewerkschaftsbürokratie. Diese Politik der Klassenzusammenarbeit stellt die Arbeiter in Deutschland in einen Wettbewerb gegen ihre Klassenbrüder in den anderen Ländern, was zu einer Abwärtsspirale der Lohn- und Arbeitsbedingungen aller und zu den besten Ausbeutungsbedingungen fürs Kapital führt. Statt sich entlang nationaler Linien spalten zu lassen, müssen sich die Arbeiter verschiedener Länder vereinen gegen die Angriffe des Kapitals im Kampf für die Verteidigung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Durch die Aufzwingung der gemeinsamen Währung Euro in der EU profitiert der deutsche Imperialismus zusätzlich von der ökonomischen Unterwerfung ärmerer Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien, die ohne eigene Währung keine Abwertung durchführen können, was ihrer Wirtschaft Erleichterung bringen würde. Tatsächlich erreichte der deutsche Imperialismus mithilfe der von ihm dominierten EU und des Euro die erhöhte Ausbeutung der Arbeiterklasse in Deutschland und er plündert die südlichen und östlichen Länder Europas erfolgreicher aus als mit Waffengewalt in den zwei Weltkriegen. Deshalb ist der deutschen Regierung momentan alles daran gelegen, die EU zusammenzuhalten, die an allen Ecken und Enden auseinanderzubrechen droht. Es zeigen sich die widerstreitenden Interessen der verschiedenen Nationalstaaten in der EU, die aufgrund dieser Interessen von Natur aus instabil ist. Die EU ist ein reaktionäres Konsortium kapitalistischer Staaten mit dem Ziel, die Ausbeutung der Arbeiterklasse überall in Europa zu maximieren und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Imperialisten gegen ihre Rivalen USA und Japan zu stärken. Nieder mit der EU und dem Euro! Für die freiwillig vereinigten sozialistischen Staaten von Europa!

Den besten Dienst erweisen die Führungen von SPD und Linkspartei den Kapitalisten, indem sie die EU verteidigen und als reformierbar darstellen. Mit dieser Illusion versuchen sie die Arbeiterklasse seit Jahrzehnten einzuseifen, um Klassenkampf gegen die Kapitalisten, die von der EU profitieren, zu verhindern. SPD und Linkspartei haben ein pro-kapitalistisches Programm, aber eine Basis in der Arbeiterklasse, die wütend ist über Angriffe durch Agenda 2010 und Hartz IV, von der SPD-Führung durchgedrückt und in Landesregierungen auch von der Linkspartei umgesetzt. Hand in Hand mit dem Märchen eines „sozialen Europas“ verbreiten die sozialdemokratischen Irreführer der Gewerkschaften die Lüge, dass alles, was für die kapitalistische deutsche Wirtschaft gut sei, auch im Interesse der Arbeiter wäre, und sie binden damit die Arbeiter an ihre eigenen Ausbeuter. Durch systematische Lohnsenkungen, die mithilfe der Gewerkschaftsbürokraten durchgesetzt wurden, ist der deutsche Imperialismus mächtiger geworden. Besonders Leiharbeit und Werkverträge trugen dazu bei, dass in Deutschland über die Jahre der größte Niedriglohnsektor Europas entstanden ist.

Die Arbeiter stehen Tag für Tag an den Produktionsbändern von VW, Daimler, BASF, Siemens und vielen anderen Betrieben, stellen Autos, Maschinen und vieles mehr her; sie halten alles am Laufen. Die Produkte ihrer Arbeit eignen sich jedoch die Kapitalisten an, die im Besitz der Betriebe und aller Produktionsmittel sind. Sie schöpfen aus der Arbeit des Proletariats den Profit, also jenen Wert, der über die zur Deckung des Lohns und der Erhaltung der Produktionsmittel notwendigen Kosten hinaus erziehlt wird. In Lohn, Preis und Profit (1865) betonte Marx, dass die Arbeiterklasse kämpfen muss:

„Würden sie in ihren tagtäglichen Zusammenstößen mit dem Kapital feige nachgeben, sie würden sich selbst unweigerlich der Fähigkeit berauben, irgendeine umfassendere Bewegung ins Werk zu setzen.

Gleichzeitig, und ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, dass sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen; dass sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; dass sie Palliativmittel anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. Sie sollte begreifen, dass das gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen Formen, die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind. Statt des konservativen Mottos: ,Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!‘, sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: ,Nieder mit dem Lohnsystem!‘ “

Es ist im ureigensten Interesse der Arbeiterklasse, sich im Kampf gegen die Kapitalisten mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern weltweit zu verbünden und für den Sturz des imperialistischen Systems durch sozialistische Revolutionen zu kämpfen. Die Enteignung der Kapitalisten ist die Voraussetzung zur Errichtung einer weltweiten kollektivierten Planwirtschaft, die eine qualitative Entwicklung der Produktivkräfte und die Überwindung von Klassengegensätzen in der Gesellschaft als ersten Schritt zu einer kommunistischen Weltordnung ermöglicht. Um diesen Kampf zu gewinnen, ist es notwendig, eine multiethnische revolutionäre Arbeiterpartei aufzubauen als Teil der wiederzuschmiedenden Vierten Internationale, Weltpartei des Proletariats.

Zunehmende interimperialistische Rivalitäten

Die transatlantische Achse wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut. Die US-Imperialisten halfen den deutschen Kapitalisten, ihre Herrschaft in Westdeutschland wieder zu errichten, um eine proletarische Revolution in Deutschland zu verhindern und ein antikommunistisches Bollwerk gegen die entstehende DDR und die Sowjetunion zu haben. Die Imperialisten hatten das gemeinsame Ziel, den degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion und die nach 1945 entstandenen deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas zu zerstören. Die Internationale Kommunistische Liga stand 1989–92 auf ihrem Posten, um die Arbeiterstaaten gegen die drohenden Konterrevolutionen zu verteidigen und für proletarisch-politische Revolutionen gegen die stalinistischen Regime zu kämpfen. Nach der konterrevolutionären Zerstörung dieser Arbeiterstaaten sind interimperialistische Rivalitäten offener zutage getreten, waren jedoch unterschwellig bereits in den 60er-Jahren erneut auf der Tagesordnung, als Deutschland und Japan ihre industriellen Kapazitäten wieder aufgebaut hatten mit neueren Fabriken und aktuellerer Technik als die USA. Das riesige militärische Übergewicht der USA dämpft allerdings immer noch die Rivalitäten zwischen den Imperialisten.

Bündnisse zwischen den imperialistischen Mächten sind zwar möglich, aber niemals von Dauer. Die Kräfteverhältnisse zwischen den imperialistischen Mächten verändern sich ständig und ungleichmäßig, denn die Entwicklung der Industriezweige und einzelnen Unternehmungen im Kapitalismus kann gar nicht gleichmäßig sein. Die militärische Macht der USA ist im Verhältnis zu ihrer ökonomischen Stärke sehr groß. Wirtschaftlich gesehen ist ihr Vorsprung vor ihren Rivalen geringer als auf der militärischen Ebene. Die USA haben aber einen riesigen Binnenmarkt, die weltgrößten Banken, große Industrien wie Auto, Luftfahrt oder IT und eine hochentwickelte Agrarindustrie, die sehr profitabel ist. Die USA und Deutschland haben eine ähnliche Summe an Gesamtexporten (in Dollar), gefolgt von Japan. Allerdings ist die Bevölkerung der USA viermal größer als die von Deutschland. Während Deutschland zum größten Teil hochentwickelte Industrieprodukte exportiert, machen diese bei den US-Exporten nur einen geringen Anteil aus.

Lenin beschreibt interimperialistische Bündnisse als „Atempausen“ zwischen Kriegen: „Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik.“ Schließlich ist unter dem Kapitalismus für die Aufteilung der Interessen- und Einflusssphären „eine andere Grundlage als die Stärke der daran Beteiligten, ihre allgemeinwirtschaftliche, finanzielle, militärische und sonstige Stärke, nicht denkbar“.

Im Umgang mit der Aufkündigung des Iran-Abkommens zeigten sich auch Meinungsverschiedenheiten zwischen den kapitalistischen Regierungen in der EU. Zwar gab es am 8. Mai eine gemeinsame Erklärung von Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der britischen Premierministerin Theresa May, dass sie das Abkommen mit dem Iran auch ohne die USA aufrechterhalten wollen. Aber es gibt unterschiedliche Herangehensweisen, wie die US-Sanktionen zu unterlaufen seien.

Spiegel Online (19. Mai) erklärte: „Stärkste Handhabe der US-Regierung sind die sogenannten Sekundär-Sanktionen: Jedes Unternehmen, das Handel mit Teheran betreibt, riskiert, auf einer schwarzen Liste zu landen und von allen Dollar-Transaktionen und im Extremfall sogar vom amerikanischen Absatzmarkt abgeschnitten zu werden.“ Gegen diese Sanktionen wurde von der EU-Kommission ein Gesetz von 1996 wieder in Kraft gesetzt, das europäische Unternehmen mit Strafen belegt, sollten sie sich an die US-Sanktionen halten, und das sie gleichzeitig für Verluste entschädigt, die ihnen aufgrund von Verstößen entstehen. Merkel jedoch zweifelte an der Wirksamkeit dieses Gesetzes.

Entschädigungen und Schutz wären bei größeren deutschen Unternehmen unmöglich, da der Umsatz mit den USA 173 Milliarden Euro beträgt. Der Umsatz von 3,4 Milliarden Euro mit dem Iran ist im Vergleich dazu verschwindend gering. Die deutschen Direktinvestitionen in die Vereinigten Staaten beliefen sich 2016 auf 392 Milliarden Euro, während im Iran lediglich der ca. tausendste Teil davon (0,4 Milliarden Euro) angelegt ist. Dazu kommt, dass es sanktionierten Banken nahezu unmöglich gemacht werden würde, Geschäfte in Dollar zu tätigen – nach wie vor die internationale Leitwährung, in der 40 Prozent aller weltweiten Zahlungen abgewickelt werden. Doch selbst für viele kleinere und mittlere Unternehmen z. B. des Anlagen- und Maschinenbaus kann ein Ausschluss vom US-Markt nur schwer zu verkraften sein.

Parallel zu den US-Sanktionen gegen das Irangeschäft verhängten die USA Strafzölle gegen Stahl- und Aluminiumimporte, die Merkel bis zuletzt zu verhindern suchte. Sie bedeuten bis zu 50 Prozent Einbußen bei den EU-Exporten in die USA. Die deutschen Exporte bestehen hauptsächlich aus Spezialstählen, die man nicht anderswoher beziehen kann und bei denen die Zusatzkosten wahrscheinlich letztlich auf die Endkunden in den USA abgewälzt werden. Der Spiegel (9. Juni) berichtet dazu im Artikel „Die Gefangene“: „Als Trump die Strafzölle schließlich verhängte, versuchten Merkel und ihr Wirtschaftsminister Altmaier zunächst noch, die EU-Gegenmaßnahmen, also Strafzölle auf Erdnussbutter, Whiskey und Harley-Davidson-Motorräder, abzuschwächen. Doch in dieser Woche wurde klar: Deutschland konnte die EU-Kommission, die Franzosen und eine Reihe anderer Mitgliedsländer nicht umstimmen.“ So trat der französische Imperialismus in dieser Frage zunächst aggressiver gegen die USA auf als der deutsche Imperialismus.

Merkel lehnte Gegenmaßnahmen zunächst ab, um den aufziehenden Handelskrieg nicht zusätzlich anzufachen und so die Erhöhung von Zöllen auf Autoexporte in die USA noch zu verhindern. Deutschland exportiert Autos im Wert von 20 Milliarden Dollar in die USA, Zölle würden die Profite der deutschen Bourgeoisie empfindlich treffen. Der deutsche Imperialismus ist nicht minder aggressiv, was Zollschranken betrifft, und die EU erhob bis jetzt 10 Prozent auf Autoimporte aus den USA, während die USA bisher nur 2,5 Prozent erhoben. Durchschnittlich betrugen die EU-Zölle 5,2 Prozent gegenüber 3,5 Prozent der USA.

Der deutsche Imperialismus versucht zur Zeit seine ökonomischen Raubzüge mit einem friedlichen Antlitz zu verschleiern. Das gelingt umso besser mit dem Hype der bürgerlichen Medien, die Merkel als „Retterin der westlichen Welt“ gegen den „bösen Trump“ darstellen, was reformistische Linke zum Teil widerkäuen. Im Augenblick liegt es nicht im Interesse der deutschen Kapitalistenklasse, in großem Maßstab aufzurüsten. Gerade wurde die Erhöhung der Militärausgaben auf 2 Prozent des BIP verweigert. Alles, was momentan zur Aufrüstung getan wird, ist im Vergleich mit den USA minimal. Rüstungsprojekte wie die Forschung zur Entwicklung von Drohnen dienen dazu, sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Zu den Streitereien über US-Sanktionen gegen den Iran und über Strafzölle kommt die ohne jede Abstimmung mit Deutschland durchgeführte Erweiterung von Sanktionen gegen das kapitalistische Russland hinzu, wo beispielsweise plötzlich der zweitgrößte Aluminiumhersteller der Welt, Rusal, auf die Sanktionsliste kam, bei dem Europa 40 Prozent seines Aluminiumbedarfs einkauft. Die letzten Sanktionen unter Obama wurden noch abgesprochen und die teilweise empfindlichen Einbußen der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer wurden damals durch eine Ausweitung der Exporte in die USA kompensiert. Doch dort drohen nun Strafzölle. Tatsächlich setzt ein Teil der deutschen Bourgeoisie auf die Demokraten und hofft auf eine Zeit nach Trump, was CDU/CSU-Politiker und andere zum Ausdruck bringen, die eigentlich immer die transatlantische Achse unterstützt haben. Außenminister Heiko Maas (SPD), ebenfalls ein „Transatlantiker“, gab jedoch in seiner sogenannten Europa-Rede am 13. Juni zu bedenken, „diese Erschütterung … ist leider schon jetzt so gravierend, dass sie wohl über die Trump-Präsidentschaft hinausreicht“.

Die Sanktionen gegen Russland sind seit ihrer Einführung 2014 unter Obama Teilen der deutschen Bourgeoisie zuwider. Deutschland hat umfangreiche Handelsbeziehungen mit Russland und bezieht 40 Prozent seines Rohöls und seines Erdgases von dort. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft klagte 2017: „Deutschland trägt fast 40 Prozent des verlorenen Handels im Westen, während andere große geopolitische Akteure wie das Vereinigte Königreich (7,9 Prozent), Frankreich (4,1 Prozent) und die Vereinigten Staaten (0,6 Prozent) weitaus weniger betroffen sind.“

Als Marxisten stellen wir uns gegen die Sanktionen gegen Russland, weil sie ein Ausdruck imperialistischer Diktate sind.

Bündnisoptionen für den deutschen Imperialismus mit China und Russland

Die Kunst, sich Bündnisoptionen offenzuhalten, ist für die deutsche Bourgeoisie heute sehr wichtig, weshalb einige ihrer Sprecher wieder auf Bismarcks geschickte Außenpolitik verweisen. Deutschland, in der Mitte von Europa gelegen, hat zwei Weltkriege an zwei Fronten geführt und zweimal verloren. Die Probleme der geografischen Lage hatte Otto von Bismarck genau verstanden und deshalb versuchte er für Deutschland immer eine Koalition mit mindestens zwei der europäischen Großmächte zu haben, so dass im Falle eines Krieges es immer eine Mehrheit von Großmächten auf seiner Seite hatte. Insbesondere unterhielt Bismarck freundliche diplomatische Beziehungen zu Russland.

Die US-Sanktionen gegen Iran und Russland sowie Zölle gegen die EU und China geben einer möglichen Achse zwischen Deutschland, Russland und China notwendigerweise Auftrieb. Merkel reiste sofort nach Aufkündigung des Iran-Abkommens nach Russland und China, um das weitere Vorgehen gegen die US-Sanktionen abzusprechen. Es ist bemerkenswert, dass die deutsche Bourgeoisie 2015 einverstanden war, in die von China initiierte Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) einzutreten, was die Dominanz des US-Finanzkapitals herausfordert. Außerdem betreibt Deutschland mehr Handel mit China als mit den USA (bei deutschen Direktinvestitionen liegen die USA aber deutlich vor China) und die wichtigsten Handelspartner des kapitalistischen Russland sind Deutschland, die Niederlande und China. Hier zeigen sich die Möglichkeiten für eine eurasische Allianz, geführt vom deutschen Imperialismus: Russland hat das Atomwaffenarsenal und riesige natürliche Ressourcen, China hat eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden und die mit Abstand größte Industriearbeiterklasse der Welt, Deutschland hat die Technologie und das Finanzkapital.

Das Projekt von Seeverbindungen und schneller Eisenbahn- und Straßenverbindungen zwischen China und Europa („Neue Seidenstraße“) führt auch durch Russland und könnte einem See-Embargo gegen China seitens der USA entgegenwirken. Während ein Teil der deutschen Bourgeoisie vom Ausbau der „Neuen Seidenstraße“ profitieren will, sehen andere ihren Einfluss in Süd- und Osteuropa durch Infrastrukturprojekte und Investitionen von China bedroht. Die Möglichkeiten, strategisch im Sinne des Ausbaus der chinesischen Wirtschaft zu planen, zeigen, dass China nicht vom Drang, Profite zu machen, angetrieben wird.

China ist ein deformierter Arbeiterstaat und wir unterstützen sein Recht, Handel zu treiben, um sich das für seine Weiterentwicklung Notwendige zu beschaffen. Es ist wichtig, die Arbeiterklasse hierzulande davon zu überzeugen, für die bedingungslose militärische Verteidigung Chinas gegen Imperialismus und innere Konterrevolution zu kämpfen. Chinas Wirtschaft wird nach wie vor von staatlich kontrollierten Banken dominiert und der Kern der Industrie ist vergesellschaftet. Gleichzeitig ist es nötig, für eine politische Revolution gegen das stalinistische Regime einzutreten, die Arbeiterräte an die Macht bringt, die für die internationale sozialistische Revolution und die Ausweitung der Errungenschaften der Chinesischen Revolution von 1949 kämpfen.

Auch wenn ein Bündnis mit China zustande kommen sollte, darf man keine Illusionen haben, dass der deutsche Imperialismus seinen grundsätzlichen Drang nach konterrevolutionärer Zerstörung des Arbeiterstaats aufgibt. Bei Merkels Besuch über Iran beim chinesischen Premier Li Keqiang wurde über die „unfaire Handelspolitik“ Chinas geklagt. Die deutsche Bourgeoisie orientiert sich an der von der SPD gegenüber der DDR vorangetriebenen Politik „Wandel durch Annäherung“ als erfolgreiches Beispiel für China. „Wandel“ meinte immer kapitalistische Konterrevolution, aber im Namen von „Demokratie“, „sozialer Marktwirtschaft“ und „Menschen“- und noch zynischer „Arbeiterrechten“. Die Arbeiterklasse, nur allzu vertraut mit den verheerenden Folgen der Konterrevolution in der DDR und Osteuropa, muss sich solchen konterrevolutionären Kampagnen der Bourgeoisie entgegenstellen.

Linkspartei schürt Illusionen in EU und deutschen Imperialismus

In einer Pressemitteilung mit der Überschrift „Europa sozial und friedlich gestalten statt aufrüsten“ vom 13. Juni kritisierte Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, die „Europarede“ des Außenministers: „Heiko Maas hat die Chance für ein Bekenntnis zu einem Europa des Friedens einschließlich Russland verpasst. Stattdessen setzt er, wie zu erwarten, auf Aufrüstung und Großmachtstreben der EU, auch gegen Russland. Dabei gefährdet gerade die aktuelle europäische Außenpolitik mit Ressourcenausbeutung im Süden, Bollwerken gegen Flüchtende, der entstehenden Militärunion Pesco und dem Aufmarsch der NATO-Staaten im Osten die bestehende europäische Friedensordnung.“

Hänsel schürt hier die Illusion eines „Europa des Friedens“ unter kapitalistischen Verhältnissen und spricht sogar von einer „bestehenden europäischen Friedensordnung“. Sie verbreitet den Irrglauben, die EU könne sozial und friedlich sein, ohne „Aufrüstung und Großmachtstreben“, und fordert sogar von der Regierung des deutschen Imperialismus, dies umzusetzen. Als könne ein Wechsel in der Politik des deutschen Imperialismus dessen Wesen grundsätzlich ändern, etwa wenn die Linkspartei die Regierung übernähme? Rosa Luxemburg hat ähnliche Illusionen bereits 1911 in ihrer Schrift „Friedensutopien“ entlarvt:

„ ,Ein bißchen Ordnung und Friede‘ ist deshalb genauso unmöglich, genauso eine kleinbürgerliche Utopie in bezug auf den kapitalistischen Weltmarkt wie auf die Weltpolitik, auf die Einschränkung der Krisen wie auf die Einschränkung der Rüstungen…

Und die Losung des europäischen Zusammenschlusses kann objektiv innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft nur wirtschaftlich einen Zollkrieg mit Amerika und politisch einen kolonialpatriotischen Rassenkampf bedeuten. Der Chinafeldzug der vereinigten europäischen Regimenter mit dem Weltfeldmarschall Waldersee an der Spitze und dem Hunnenevangelium als Panier – das ist der wirkliche und phantastische, der einzig mögliche Ausdruck der ,europäischen Staatenföderation‘ in der heutigen Gesellschaft.“

Die Arbeiterklasse muss sich selbst zur herrschenden Klasse erheben, in Deutschland, den USA und international. Unser Vorbild ist die erfolgreiche Oktoberrevolution von 1917 in Russland. Um der Arbeiterklasse diese historische Aufgabe zu Bewusstsein zu bringen, ist der Aufbau internationalistischer Parteien wie der bolschewistischen Partei Lenins und Trotzkis erforderlich. Das ist die Aufgabe, der sich die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands und unsere Genossen in der Internationalen Kommunistischen Liga verpflichtet haben.

 

Spartakist Nr. 221

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