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Spartakist Nummer 186 |
Januar 2011 |
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Stuttgart 21, Polizeiterror und die Linke
Polizei raus aus dem DGB!
In Griechenland finden seit letztem Winter wieder und wieder Demonstrationen und Proteststreiks gegen die wegen der kapitalistischen Krise verhängten Sparmaßnahmen statt, hinter denen die kapitalistische EU und deren Kraftzentrum, der deutsche Imperialismus, stehen. In Portugal kam es am 24. November 2010 zu einem machtvollen Generalstreik, durch den 98 Prozent der Flüge ausfielen. Streikpostenketten der portugiesischen Postarbeiter wurden von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen. In Spanien beteiligten sich 70 Prozent der organisierten Arbeiter an einem Generalstreik. Gegen einen Streik der Fluglotsen Anfang Dezember 2010 setzte die kapitalistische Regierung des „Sozialisten“ Zapatero das Militär ein und rief den Notstand aus – das erste Mal seit Ende der Franco-Diktatur 1975. Im irischen Dublin gingen Ende November 2010 mehr als 100 000 auf die Straße, um gegen die Politik der Regierung zu demonstrieren, die mit Milliarden Euro die Verluste der irischen Banken verstaatlichte und damit auch die britischen und deutschen Banken auf Kosten der irischen Arbeiter und Armen rettete. In Frankreich kam es zu mehrtägigen Streiks, die aufgrund der Teilnahme der Arbeiter in den Raffinerien fast zum Zusammenbruch des gesamten Verkehrs führten. Der Streik der Raffineriearbeiter wurde durch Polizeiangriffe auf ihre Streikpostenketten gebrochen. In Warschau demonstrierten tausende Arbeiter gegen die Sparpolitik der polnischen Regierung und in Tschechien streikten Staatsbedienstete.
Während in weiten Teilen Europas die Arbeiterbewegung in harten Abwehrkämpfen etwas von ihrer sozialen Macht zeigte und zum Teil mit brutaler Gewalt der kapitalistischen Regierungen konfrontiert war, blieb es in Deutschland sehr ruhig. Zu den lahmen Demos der DGB-Gewerkschaften am 13. November 2010 kamen etwa 100 000 Arbeiter, trotz der und zum Teil gegen die Politik der Gewerkschaftsbürokraten, die den Ausweg aus der Krise verräterischerweise in der nationalen Einheit mit der Regierung sehen und keinen Klassenkampf wollen. So kam es, dass seit dem Spätsommer die von den bürgerlichen Grünen und deren Umfeld geführten Proteste gegen das Projekt „Stuttgart 21“ (S21) zur Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs unter die Erde die Zuspitzung der sozialen Proteste in Deutschland bildeten. Diese Tatsache ist an und für sich selbst ein Verdammungsurteil gegen die Demobilisierungspolitik von SPD, Die Linke und der mit ihnen verbundenen Gewerkschaftsbürokratie, wenn man sich vor Augen führt, dass die Reallöhne seit zehn Jahren fallen, Millionen nicht mehr von ihren Löhnen leben können, Hartz IV Millionen Menschen in Armut und Verzweiflung treibt, eine ungeheure staatliche Hetze gegen die ethnischen Minderheiten mit muslimischem Hintergrund geführt wird und die staatliche Repression gegen sie immer mehr zunimmt.
Als Marxisten geben wir den Kapitalisten oder ihrer Regierung keine Ratschläge zu Investitionsentscheidungen, wobei wir aber alle Mittel für den Unterdrückungsapparat des Staates grundsätzlich ablehnen. So geben wir auch keine Ratschläge zum Projekt Stuttgart 21. Generell sind wir für technischen Fortschritt, großzügige Wohnungen, gut ausgebaute Verkehrswege, wozu auch schnelle Bahnverbindungen und öffentlicher Nahverkehr gehören – kostenlos und rund um die Uhr. Die Arbeiterklasse ist die einzige Kraft in der Gesellschaft, die sowohl das historische Interesse als auch die soziale Macht hat, den bürgerlichen Staat zu stürzen, die Kapitalisten zu enteignen und einen proletarischen Staat, basierend auf Arbeiterräten, zu errichten. Ein solcher Arbeiterstaat würde die Ressourcen der Gesellschaft für die Bedürfnisse der gesamten arbeitenden Bevölkerung einsetzen, auf der Basis einer rational geplanten Wirtschaft auf internationaler Ebene. Unser Programm ist es, die multiethnische revolutionäre Arbeiterpartei aufzubauen, die die Arbeiterklasse an die Macht führen kann. In einem Arbeiterstaat würde es für Bauprojekte à la S21 Diskussionen in den Arbeiterräten geben, auf nationaler Ebene ebenso wie lokal, und die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung vor Ort würden natürlich eine große Rolle spielen. Generell können wir uns vorstellen, dass Arbeiterräte sich für unterirdische Gleisanlagen entscheiden, die in einem Talkessel wie in Stuttgart Platz schaffen würden, um dort Wohnungen oder Parks oder beides bauen zu können.
Polizeiterror gegen „Stuttgart-21“-Gegner
Bei S21 handelt es sich um ein Projekt der Deutschen Bahn, um aus einem Kopfbahnhof einen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu machen und um damit auch das Schnellbahnnetz auszubauen. Der Widerstand dagegen erwächst aus den immens aussehenden Kosten von einigen Milliarden Euro, die vielen als zu hoch erscheinen angesichts ständigen Lamentierens der Regierung, es sei kein Geld da und die Sozialausgaben müssten gekürzt werden. Und es gibt viel Wut über das Ausbluten der Deutschen Bahn im Rahmen der geplanten Privatisierung, die noch schlechteren Service, Teuerungen und weitere Entlassungen bedeuten wird. Vergleicht man aber die Kosten von S21 mit den hunderten Milliarden, die den Banken in den Rachen geworfen werden, sind selbst die höchsten Schätzungen der Baukosten von S21 eher kleine Beträge. Den ganzen Sommer lang stieg die Anzahl der Demonstrationen und die Zahl der Teilnehmer der Demonstrationen stetig an, die von einem „Bündnis“ geführt werden, dem linke Gruppen wie die Sozialistische Alternative (SAV), die bürgerlichen Grünen und diverse Öko-Freaks angehören. So illustre Organisationen wie die „Unternehmer gegen Stuttgart 21“ bewegen sich im Umfeld.
Am 30. September 2010 sollte mit dem Baumfällen im Schlosspark begonnen werden, was verschiedene Gruppen zu verhindern suchten. Eine Schüler-Demo nahm an einer Sitzblockade teil. Hatte die Polizei bisher, da es um nichts ging, eher milde reagiert, prügelten sie am 30. September die Demo zusammen, um den Fortgang der Bauarbeiten zu sichern. Mit massivem Wasserwerfer- und Pfefferspray-Einsatz räumten die Bullen den Schlosspark und attackierten gezielt insbesondere auch 14–15-jährige Schüler und ältere Menschen, was in den Tagesthemen am 30. September 2010 vom Stuttgarter Polizeisprecher offensiv gerechtfertigt wurde. Über 300 Demonstranten trugen Augenverletzungen davon, einige besonders schwer: durch den Strahl von Wasserwerfern direkt ins Gesicht zerstörte Augenhöhlen, gebrochene Gesichtsknochen, mindestens ein Demonstrant wird wahrscheinlich auf einem Auge blind bleiben. Wir protestieren aufs Schärfste gegen diesen brutalen Polizeiterror! Schluss mit der weiteren polizeilichen Einschüchterung der Opfer der Polizeigewalt, von der die taz am 28. Oktober 2010 berichtete.
Polizei raus aus dem DGB!
Dieser Terror war kein „Ausrutscher“, sondern eine bewusste Aktion der bewaffneten Kräfte des bürgerlichen Staates, der Polizei. Schon zwei Tage vor dem „schwarzen Donnerstag“, dem brutalen Überfall, „warnte“ die „GdP“ (die sogenannte „Gewerkschaft“ der Polizei) zynisch: „Wer der Aufforderung der Polizei nicht Folge leistet, muss mit der Anwendung von Zwangsmitteln rechnen“ (Pressemeldung der GdP, 28. September 2010). Diese Polizeibrutalität ist linken Demonstranten, Arbeitern und vor allem Immigranten und ethnischen Minderheiten nur allzu bekannt. Ende November und Anfang Dezember wurden unter Polizeigewalt – diesmal angeordnet vom Berliner SPD/Linke-Senat ca. 90 Vietnamesen abgeschoben. Seit Monaten finden nicht etwa nur in Frankreich, sondern auch hierzulande Abschiebungen von Roma in schreckliche Lebensbedingungen des Kosovo statt. Unzählige Demos ethnischer Minderheiten, Kurden, Roma und anderer wurden schon von der Polizei auseinandergeknüppelt. Die baden-württembergische GdP präsentiert in GdP-digit@l vom 18. Oktober 2010, worum es diesen „Gewerkschaftern“ geht: Während sie die Polizei als „Spielball der Politik“ präsentiert, heißt es dann glasklar „GdP verteidigt Einsatzkräfte“. Auf der Rückseite des Blättchens wird es dann völlig klar, worum es geht. Dort feiert die GdP die Neuanschaffung von „78 neuen Wasserwerfern und 52 Spähfahrzeugen“ und betont unten auf der Seite besonders: „Wir sind auf dem richtigen Weg!“ Das illustriert den bonapartistischen Charakter von Formationen der Polizei und ist gegen Unterdrückte gerichtet, die sich zur Wehr setzen, und nicht zuletzt eine unverhohlene Drohung gegen die gesamte Arbeiterbewegung, denn gegen wen sonst brauchen diese professionellen Schläger diese Bürgerkriegsausrüstung? Die bewaffneten Schläger der Kapitalisten haben nichts in den Gewerkschaften zu suchen! Polizei raus aus dem DGB!
Die sich fälschlicherweise als „Trotzkisten“ ausgebenden Sozialdemokraten der SAV hingegen glauben, dass Polizisten „Arbeiter in Uniform“ seien. Pikanterweise führten sie direkt nach dem Polizeiüberfall auf die Demo in Stuttgart in der Oktoberausgabe ihrer Zeitung Solidarität eine „Debatte“ mit der SPD über die Rolle der Polizei und wie mit ihr umzugehen sei. Statt die Polizei als das zu bezeichnen, was sie ist, nämlich eines der Unterdrückungsorgane des bürgerlichen Staates gegen die Arbeiterklasse (neben Armee, Gefängnissen usw.), spült Ursel Beck dieses Verständnis schön weich: „Der Polizeiapparat ist ein Instrument zur Verteidigung der bestehenden Machtverhältnisse.“ Das leitet dann den blanken Reformismus ein, der dem leninistischen Verständnis widerspricht, dass „die Arbeiterklasse ,die fertige Staatsmaschine‘ zerschlagen, zerbrechen muss und sich nicht einfach auf ihre Besitzergreifung beschränken darf“. Stattdessen will sie mit „demokratischen“ Forderungen diesen Staat reformieren und landet eben dabei … zu versuchen, den Polizeiapparat zu reformieren! Das verstärkt falsches Bewusstsein darüber, was die bürgerlichen Bullen sind:
„Die bisher relativ gemäßigte Haltung der Polizei im Widerstand gegen Stuttgart 21 liegt vor allem daran, dass die Politiker wissen, dass sie es hier mit der Normalbevölkerung zu tun haben. Das den Polizisten in der Ausbildung eingetrichterte Feindbild von ,den Chaoten‘ funktioniert nicht. Die Herrschenden versuchen dennoch, die Bewegung zu spalten und den entschlosseneren Teil zu kriminalisieren.
Spätestens wenn im Park die Bäume gerodet werden sollen und der zivile Ungehorsam weitergeht, wird es härtere Polizeieinsätze geben. Darauf muss sich die Bewegung einstellen.“
Die SAV weiß also, dass die Polizei prügeln wird und bereitet ihre Leser wie folgt darauf vor:
„Wir sollten die Sympathie vieler Polizisten für den Widerstand gegen S21 nutzen, um einen Keil in die Polizei zu treiben. SAV-Mitglieder haben mehrmals bei Blockadeaktionen den anwesenden Polizisten erklärt, dass ihr oberster Dienstherr – die Landesregierung – die Steuergelder, die für S21 sinnlos vergraben werden, gerade auch bei den Beamten holt. Wir haben sie aufgefordert, unter sich zu diskutieren, solche Einsätze abzulehnen, und wir haben ihnen am Ende ,Streik-Urkunden‘ überreicht.“
Vielleicht haben ja einige der Polizisten die „Streik-Urkunden“, die sie von der SAV bekommen haben, um ihre Schlagstöcke gewickelt, damit die Schläge nicht ganz so wehtun? Polizisten werden darauf trainiert, „ihren Job“ zu machen: Streiks brechen, ethnische Minderheiten jagen, die „Festung Europa“ gegen Immigranten zu „schützen“ und jeden sozialen Widerstand zu brechen, wenn ihre Bosse das verlangen. Trotzki schrieb 1932 in Was Nun?: „Die Arbeiter, die Polizisten im Dienst des kapitalistischen Staates geworden sind, sind bürgerliche Polizisten und nicht Arbeiter.“ Dieses grundlegende marxistische Verständnis leugnet die SAV aktiv und damit die Existenz der Klassenlinie. Sie tut dies, um Jugendliche, die ihre ersten Erfahrungen mit der Staatsgewalt gemacht haben, wieder an das kapitalistische System zu binden in der Hoffnung auf eine friedliche, demokratische Entwicklung zum Sozialismus, was in der Realität auf einen sozialdemokratisch regierten Sozialstaat hinausläuft, einen sozialeren Kapitalismus.
Die Gruppe RIO setzt sich auch mit dieser SAV-Position auseinander und bemerkt richtig: „Diese Institution muss – wenn wir andere Macht- und Produktionsverhältnisse haben wollen – zerschlagen werden.“ RIO ist jedoch auch „solidarisch“ mit der SAV und lobt, dass die SAV sich „richtig und unterstützenswert … für Streiks gegen das Bauprojekt“ einsetzt. Das heißt, dass RIO den Rahmen der Proteste gegen S21 vollständig teilt, die Politik von Klassenzusammenarbeit der Linken mit dem Bündnis wird von ihnen nicht kritisiert. Sie wollen einfach die „Arbeiter“-Komponente in dem Bündnis stärken. Da sind sie sich dann wieder mit der SAV durchaus einig.
Es wäre eine wichtige und sehr machtvolle Demonstration der Macht der Arbeiterklasse gewesen, wenn die Arbeiter, sowohl immigrierte und ihre Kinder als auch deutsche, von Daimler, Porsche, Bosch, der Bahn, dem öffentlichen Nahverkehr, und andere nach der Nachricht vom Polizeiterroreinsatz den Hammer hätten fallen lassen, die Bahnen im Depot gelassen und sich mit den verprügelten und verletzten Demonstranten solidarisiert hätten. Sie hätten aus den bestreikten Fabriken die Werksfeuerwehren mitbringen können, um die Demonstration gegen weitere Polizeiangriffe zu schützen. Für diese Art von Mobilisierung der Arbeiterklasse sind wir Spartakisten. Ein solcher Streik hätte die Frage der Macht ganz anders gestellt und hätte der herrschenden Klasse und ihrer Regierung deutlich gemacht, wer den Reichtum produziert und wer die soziale Macht hat, die Gesellschaft zum Stillstand zu bringen und eine neue aufzubauen. S21 wäre wohl kaum noch das Thema gewesen, sondern eher die Angriffe auf die Arbeiterklasse hier und in ganz Europa und wie man zusammen mit den Arbeitern Europas diese zurückschlagen kann. Es ist unsere Perspektive, die Arbeiter über die Grenzen hinweg zu vereinen und für einen gemeinsamen Kampf gegen die herrschenden Klassen für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu gewinnen!
Grüne Rattenfänger
und ihre linken Wasserträger
Die Perspektive der Linken, die sich am „Bündnis“ in Stuttgart beteiligen, ist ganz anders. Für Marxisten ist dieses „Bündnis“ reine Klassenkollaboration, bei dem die bürgerlichen Kräfte immer das Sagen haben und die Interessen der Arbeiterklasse, der einzigen fortschrittlichen Klasse im Kapitalismus, den Interessen der kapitalistischen Kräfte immer untergeordnet werden. Wir sind prinzipielle Gegner solcher „Bündnissse“. Bei S21 sind die bürgerlichen Kräfte hauptsächlich die Grünen, die versuchen, sich aus der Opposition heraus wieder einmal der Gefolgschaft einer neuen Generation zu versichern durch ein bisschen, jedenfalls für die herrschende Gesellschaftsordnung, harmlosen Protest. Und dies, nachdem sie zusammen mit der SPD die Bundeswehr 1999 in den ersten Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg schickten und in den Folgejahren den „Sozialstaat“ abbauten mit der Einführung von Hartz IV und so weiter, was zum desolaten Zustand von heute geführt hat. All dieses wollen sie vergessen machen, um demnächst wieder an der Regierung und den Futtertrögen der Macht die nächste Runde von Angriffen zu führen.
Linke Gruppen wie die SAV und die GAM spielen eine zentrale Rolle als Wasserträger für die Grünen in diesem Bündnis. Zusammen mit der Gruppierung Gewerkschaftslinke ist es ihre Rolle, die Unterstützung der Gewerkschaften für das Bündnis gegen S21 zu gewinnen. So organisierte die SAV einen „französischen Block“ bei der Demo des DGB am 13. November 2010 unter dem Motto „Kämpfen gegen Stuttgart 21! Streiken wie in Frankreich!“ Für die Reformisten der SAV ist wie bei allen „guten“ Sozialdemokraten die Bewegung alles und das Ziel, und sei es auch nur eine grobe Klassenlinie zu ziehen, nichts. Die GAM jammert in der Oktoberausgabe der Neuen Internationalen über den „großen Eiertanz“ der Gewerkschaftsführung, insbesondere der IG Metall. So argumentiert die GAM, dass die IG-Metallführung darauf verzichtet, „die ArbeiterInnen und Angestellten, die gegen S21 mobilisieren, auch für den Kampf mit und in den Gewerkschaften zu gewinnen.“ Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Arbeiterbewegung sollte die Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Armen und Unterdrückten mit den Mitteln des Klassenkampfes zurückschlagen, statt sich, wie bei Protesten in Stuttgart, bürgerlichen Kräften unterzuordnen, was nur zur weiteren Desorientierung der Arbeiterbewegung führen kann.
Ein Beispiel für die fatale Politik von SAV, GAM und Co. ist die Kundgebung der „Gewerkschafter gegen Stuttgart 21“ am 13. November 2010. Die Reformisten der SAV schreiben unter der Zwischenüberschrift „Gewerkschafter gegen Stuttgart 21“: „Walburga Bayer von den Parkschützern (und den Unternehmern gegen Stuttgart 21) nahm die Propaganda auseinander, Stuttgart 21 schaffe Arbeitsplätze“ (unsere Hervorhebung). Für Frau Bayer sind die Arbeitsplätze, die von Arbeitern aus Ost- oder Südeuropa eingenommen werden, offensichtlich keine wirklichen Arbeitsplätze. So sagte sie in ihrer Rede:
„Tag für Tag … hören wir, wie gebetsmühlenartig ein Totschlagsargument verteidigt wird: Die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Tatsächlich wurden vom Zoll beim Abriss des Nordflügels bei elf überprüften Arbeitern acht illegale Arbeitsverhältnisse aufgedeckt… Um die Kosten für das Projekt Stuttgart 21 niedrig zu halten, muss Stuttgart zwangsläufig, auf Billiglohnarbeiter zurückgegriffen werden. Billiglohnarbeiter, die dann, wie Vieh, mitten auf der Baustelle in Containern leben.“
Ihre Klage über „illegale Arbeitsverhältnisse“ ist eine Rechtfertigung der brutalen Menschenjagd von Zoll und Polizei. Die SAV wäscht Frau Bayers Rede weiß. Auch Bernd Riexinger, Ver.di-Geschäftsführer in Stuttgart und Sprecher des Landesvorstands der Partei Die Linke, distanzierte sich in seiner Rede in keiner Weise von Bayer, sondern suchte den Schulterschluss mit dem „Bündnis“ und argumentierte für „mehr Demokratie“, also für einen etwas netteren Kapitalismus, wo den Massen wenigstens das Gefühl gegeben wird, dass man ihnen zugehört hat.
Gegen das rassistische Ausspielen von Arbeitern verschiedener Nationalität gegeneinander stellen wir Kommunisten unser Programm, das die größtmögliche Einheit aller Arbeiter zum Ziel hat: So sind wir für gleichen Lohn für gleiche Arbeit und für gewerkschaftliche Kontrolle von Einstellungen. Auf den Baustellen ist es notwendig, für die gewerkschaftliche Kontrolle der Löhne und Arbeitsbedingungen einzutreten. Wir sind für Klassenkampfmaßnahmen gegen Razzien von Polizei und/oder Zoll, die sich gegen „illegale“ Arbeiter auf Baustellen richten. Abschiebungen können und müssen durch Gewerkschaftsaktionen gestoppt werden. Es ist dringend notwendig, die Unorganisierten, Leiharbeiter und andere zu organisieren. Eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden Arbeit bei 40 Stunden Lohn würde die Arbeitslosigkeit stark dämpfen. Die Arbeiterbewegung muss das Recht auf Arbeit für alle, die hier leben, erkämpfen. Schluss mit der antiislamischen Hexenjagd von Staat und kapitalistischer Presse. Volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben!
Pseudotrotzkistische Bernsteinianer:
Die Bewegung ist alles …
Winfried Wolf, ehemaliger Pseudotrotzkist und gewesener PDS-Bundestagsabgeordneter, ist seit 1994 gegen das Projekt S21 engagiert und sichtbar stolz darauf. Bei der Stuttgarter Demo am 3. September 2010 fasste er die Frage, um die es geht, so zusammen: „Wem gehört die Stadt“, um dann über die Frage von Demokratie zu dozieren. Die wirkliche Antwort auf die Frage, wem die Stadt gehört, hat Wolf einmal gewusst: den Kapitalisten! Jetzt versucht er zusammen mit der Partei Die Linke diese simple Wahrheit zu verstecken. Das hilft nur die Position der Kapitalisten zu verfestigen und schürt Illusionen darüber, eine Verhinderung von S21 würde irgendetwas an den Verhältnissen ändern, wem die Stadt gehört. Die Linkspartei macht, wo immer sie an der Macht ist, die gleichen Sauereien, wie auch der Berliner Senat beweist, der die Wasserwerke privatisiert hat und Vorreiter war bei den Angriffen auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, mit Winnie Wolfs altem Kumpel Harald Wolf (Die Linke) in zentraler Verantwortung als Wirtschaftssenator.
Die GAM hat noch nicht alles vergessen, was sie bei Lenin und Trotzki gelesen hat. So schreibt sie in ihrem Flugblatt vom 1. Oktober 2010, scheinbar revolutionär, dass in Solidarität mit den Demonstranten gegen die Polizei in den Betrieben mobilisiert werden soll: „Gerade dort [in den Betrieben] sollten GewerkschafterInnen, Vertrauensleute, Betriebsräte umgehend Belegschafts- und Abteilungsversammlungen einberufen, um über die Polizeigewalt aufzuklären, UnterstützerInnen zu gewinnen und politische Solidaritätsstreiks zu organisieren.“ Das ist zweifellos richtig, und die GAM redet sogar darüber, dass Arbeitermilizen notwendig sind. Wenn man sich aber die Perspektiven der GAM anguckt, dann wird offensichtlich, dass diese linke Rhetorik gegen die Polizei nichts anderes als eine Abdeckung für eine rechte Politik ist, die die Klassenlinie verwischt. In einer Rede vom 27. November 2010 gibt sie das Ziel an, „die ArbeiterInnen und ihre Organisationen für die Beerdigung von S21“ zu gewinnen, d. h. für die bürgerlich geführte Bewegung. Aber nicht nur das, sie will auch das Beispiel von Arbeiterräten der Russischen Revolution und der frühen Sowjetunion auf das klassenkollaborationistische Bündnis in Stuttgart anwenden. Die Rednerin der GAM führte allen Ernstes aus:
„Wir sagen der Mehrheit der ,Bewegung‘, die noch Illusionen in die Schlichtung hat, aber auch: Vertraut Euren VerhandlungsführerInnen nicht! Organisiert Euch in Aktionskomitees, die ihre Delegierten selber wählen und zur Verantwortung ziehen können!
Das ist die Sorte Demokratie, die wir überhaupt für die Bewegung gegen S21 wollen: direkte Demokratie von unten, bei der die handelnde Basis ihre Abgeordneten jederzeit kontrolliert. In der Geschichte der Arbeiterbewegung hat dieses Demokratiemodell einen Namen: Räte. Sie sind der bürgerlich-parlamentarischen Fassadendemokratie, der Lügen-, Verdummungs- und Betrugsdemokratie entgegengesetzt, in der die Abgeordneten nur ihrem Willen, ihrer Brieftasche und den Wünschen der Konzerne verpflichtet sind, aber nicht den elementaren Lebensinteressen der großen Masse der WählerInnen. Der ganze Staats- und Justizapparat, Richter, Armee, Polizei und Beamte sind erst gar nicht gewählt, sie sind hierarchisch nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam strukturiert und ihre Befehlsgeber mit tausend Fäden und vielen materiellen Privilegien mit den Interessen der herrschenden Kapitalistenklasse verbunden wie eine Marionette dem Drahtzieher.“
Die reformistischen Gelüste angesichts einer „Bewegung“ führt die GAM offensichtlich dazu, zu „vergessen“, dass es bei den Räten der Russischen Revolution nicht um „Basisdemokratie“ à la Grünen ging, sondern grundlegend um den Aufbau eines Arbeiterstaates, der Errichtung der Diktatur des Proletariats. Die Versuche der GAM, die Arbeiterklasse zu mobilisieren, haben nicht zum Ziel, die Arbeiterklasse in ihrem eigenen Klasseninteresse zu mobilisieren, sondern die GAM ordnet mit linker Rhetorik die Arbeiterklasse ihren gerade favorisierten Bewegungen unter. Ihr wahres Vorbild ist der sozialdemokratische Revisionist Eduard Bernstein, der gegen die Marxisten polemisierend sagte: Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts. GAM, SAV und Co. laufen offen bürgerlichen Bewegungen hinterher und arbeiten hart daran, die Arbeiterklasse diesen unterzuordnen.
Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!
Diese Pseudotrotzkisten sind das Gegenteil von dem, was gebraucht wird. Junge Leute, die sich politisieren und ihre ersten Erfahrungen machen mit staatlicher Repression und auch mit der Verratspolitik von Sozialdemokraten und ihren linken Anhängseln, sollten sich mit der Programmatik des wirklichen revolutionären Sozialismus, des Trotzkismus, wie er in der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL) verkörpert ist, bekannt machen. Das Ziel von uns Spartakisten ist, die Arbeiterklasse in ihrem eigenen Klasseninteresse zu mobilisieren und damit das Bewusstsein über ihre eigene Macht zu stärken. Die IKL und ihre europäischen Sektionen tragen das revolutionäre Programm in die Klassenkämpfe mit dem Ziel, leninistische Avantgardeparteien herauszubilden als Teil der wiederzuschmiedenden Vierten Internationale, der Weltpartei der sozialistischen Revolution.
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