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Spartakist Nummer 181

Januar 2010

Aus den Archiven des Marxismus

Martin Widelin

Ermordeter trotzkistischer Führer im deutschen Untergrund des Zweiten Weltkriegs

Der Zweite Weltkrieg war die zweite Runde des blutigen Konfliktes, der zwischen den Verbrecherbanden imperialistischer Mächte ausgetragen wurde. Seine treibende Kraft war derselbe grundlegende wirtschaftliche Impuls, der schon zum Ersten Weltkrieg geführt hatte: das Ringen der imperialistischen Mächte um die Eroberung neuer Ausbeutungssphären rund um die Welt und die Verteidigung ihrer bereits bestehenden. Doch anders als im Ersten Weltkrieg existierte im Jahre 1939, als der Zweite Weltkrieg begann, die Sowjetunion. Die UdSSR verkörperte trotz stalinistischer Degeneration immer noch die Errungenschaften der bolschewistischen Revolution von 1917 wie Kollektiveigentum und Planwirtschaft. Sie stellte für das Weltproletariat eine Eroberung dar, die es zu verteidigen galt. So schrieb der bolschewistische Führer Leo Trotzki in „Krieg und die Vierte Internationale“ (1934): „Die Verteidigung der Sowjetunion gegen die Anschläge seitens der kapitalistischen Feinde ist, unabhängig von den Umständen und unmittelbaren Ursachen des Zusammenstoßes, elementare und gebieterische Pflicht jeder ehrlichen Arbeiterorganisation.“

Zu den jungen Aktivisten, die sich um Trotzkis Banner des proletarischen Internationalismus scharten, gehörte auch Martin Monat (Widelin). Er wurde 1913 in Berlin geboren und war seit seinem 15. Lebensjahr politisch aktiv. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurde Widelin von der Gestapo verfolgt und war gezwungen, Deutschland 1938 zu verlassen. Er ging nach Belgien, wo er zunächst Mitglied der sozialistisch-zionistischen Jugendorganisation Hashomer Hatzair war und dann von der Vierten Internationale für den Trotzkismus gewonnen wurde. 1941 gab er ein deutschsprachiges Manifest gegen Hitlers Überfall auf die Sowjetunion heraus. Er gründete auch die illegale deutschsprachige trotzkistische Zeitung Arbeiter und Soldat.

Widelin leistete während des Krieges mutige Untergrundarbeit, indem er zwischen Belgien und Frankreich hin- und herpendelte und eine besondere Gruppe von Aktivisten für die Arbeit unter Soldaten, vor allem auch deutschen Soldaten, aufbaute. Die Stalinisten brandmarkten alle deutschen Soldaten als Nazis, während sie genau wie die „demokratischen“ Imperialisten fälschlicherweise behaupteten, beim Zweiten Weltkrieg gehe es um „Demokratie gegen Faschismus“. Im Gegensatz dazu bemühten sich die Trotzkisten um Verbrüderung mit deutschen Soldaten – überwiegend Wehrpflichtige, viele mit einem kommunistischen oder sozialdemokratischen Hintergrund –, um sie für das revolutionäre Programm zu gewinnen, den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg gegen die imperialistischen Massenmörder zu verwandeln.

Widelin wurde im Juli 1944 zusammen mit einer Genossin, Marguerite Baget, vom französischen Antikommunistischen Polizeidienst (SPAC) verhaftet. Nachdem Widelin gefoltert worden war, wurde er vom SPAC an die deutsche Gestapo ausgeliefert, die ihn am 22. Juli ermordete. „Was für ein Symbol – der Deutsche Widelin gefoltert und getötet von der französisch-deutschen Gestapo“ war Marguerite Bagets beißender Kommentar, abgedruckt im Militant vom 20. Juli 1946, Zeitung der damals revolutionären Socialist Workers Party in den USA. In derselben Ausgabe des Militant erschien eine Würdigung Widelins und seiner Arbeit durch den trotzkistischen Führer George Breitman, die wir nachstehend abdrucken.

* * * * *

Martin Widelin – Mitglied des Europäischen Exekutivkomitees der Vierten Internationale, der am 22. Juli vor zwei Jahren von der französisch-deutschen Gestapo in Paris ermordet wurde – war eine der großen Persönlichkeiten der revolutionären Bewegung unserer Zeit.

Selber ein Deutscher, war er sein Leben lang ein Feind der kapitalistischen Reaktion und des Faschismus in Deutschland. Er kämpfte gegen die Nazis, bevor sie an die Macht kamen und danach, sowohl innerhalb Deutschlands als auch in den von ihnen besetzten Ländern. Er war die personifizierte Widerlegung der schmutzigen Verleumdung, dass die deutsche Arbeiterklasse für den Hitlerismus verantwortlich sei. Damit inspirierte er sowohl belgische und französische Arbeiter als auch deutsche Soldaten zum Kampf gegen die Unterdrückung durch die Hitler-Kräfte.

Widerstand gegen den Nazismus war in Europa nichts Ungewöhnliches. Doch der Antifaschismus von Widelin und seinen Genossen war etwas Einzigartiges. Denn ihr Widerstand war ganz vom Geist des Internationalismus durchdrungen.

Sie vereinigten sich nicht mit den Agenten des alliierten Kapitalismus um die nationalistische Losung „Tod den Boches!“ – wie es die Stalinisten und „Sozialisten“ taten. Im Gegenteil, Widelin und seine Mitarbeiter in allen Ländern versuchten die Massen der besetzten Länder mit den deutschen Soldaten der Besatzungsarmeen in gemeinsamem Kampf gegen ihre gemeinsamen Unterdrücker zu vereinen. Verbrüderung war ihre Methode, denn sie wussten, dass der Kampf gegen den Hitlerismus nur durch Verbrüderung zu einem erfolgreichen revolutionären Ende gebracht werden konnte. Als Folge davon setzte die Gestapo auf den Kopf Widelins einen höheren Preis aus als auf manchen alliierten General.

Widelins Arbeit war äußerst gefährlich. Es war viel einfacher, einem deutschen Soldaten in dunkler Nacht ein Messer zwischen die Rippen zu stoßen, als diesen selben Deutschen bei Tage zu treffen, sein Vertrauen zu gewinnen und ihn für die Reihen der revolutionären Kämpfer gegen den Faschismus zu rekrutieren. Doch so schwierig diese Arbeit war, Widelin führte sie mit zunehmendem Erfolg bis zum Tag seines Todes durch.

In enger Zusammenarbeit mit französischen und belgischen Trotzkisten half er mit, ein Netzwerk von Zellen der Vierten Internationale innerhalb der Wehrmacht aufzubauen. Diese Arbeit war so wirkungsvoll, dass die Gestapo eine Sonderkommission nach Paris entsandte, um die Trotzkisten zu vernichten. Allein in einer deutschen Einheit wurden mehr als 30 Soldaten als Trotzkisten hingerichtet, nachdem ein Spitzel in ihre Reihen eingeschleust worden war.

Widelins größte Leistung war Arbeiter und Soldat, die illegale deutsche Zeitung, die er unter Anleitung des Europäischen Sekretariats der Vierten Internationale gründete und herausgab.

Mit einem Exemplar dieser Zeitung erwischt zu werden bedeutete schreckliche Folter und den sicheren Tod. Dennoch wurde sie verbreitet von Frankreich, wo sie im Untergrund gedruckt wurde, durch ganz Belgien bis nach Deutschland selbst. Und wie die britische trotzkistische Zeitung Socialist Appeal kürzlich berichtete, fanden Exemplare ihren Weg bis in die entfernten deutschen Garnisonen in Italien. (Trotz vieler Razzien fand die Gestapo nie die Druckerpresse, auf der Arbeiter und Soldat gedruckt wurde.)

Ein weiterer Beitrag Widelins war seine Rolle bei der Vorbereitung der historischen Europäischen Konferenz der Vierten Internationale im Februar 1944, an der er als Delegierter teilnahm und von der er zum Mitglied des Europäischen Exekutivkomitees gewählt wurde.

Die Ermordung Widelins war ein schwerer Schlag für die Vierte Internationale und vor allem für ihre deutsche Sektion. Wäre er heute noch am LEBEN, so wäre er ganz gewiss wieder in Deutschland, um für die Beendigung der alliierten Unterdrückung dieses Landes zu kämpfen. Doch keinesfalls in nationalistischem Geiste! Er würde leidenschaftlich die deutschen Arbeiter in unabhängigem Kampf organisieren, er würde aktiv unter den alliierten Soldaten arbeiten, um ihre Sympathie und Unterstützung zu erringen. Seine Methode wäre noch immer die Verbrüderung. Seine Losung und sein Ziel wären noch immer diejenigen, für die er sein Leben gelassen hat – die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa und der ganzen Welt.

Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 944, 9. Oktober 2009

 

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