Documents in: Bahasa Indonesia Deutsch Español Français Italiano Japanese Polski Português Russian Chinese Tagalog
International Communist League
Home Spartacist, theoretical and documentary repository of the ICL, incorporating Women & Revolution Workers Vanguard, biweekly organ of the Spartacist League/U.S. Periodicals and directory of the sections of the ICL ICL Declaration of Principles in multiple languages Other literature of the ICL ICL events

Abonniert Spartakist, Zeitung der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands

Archiv

Druckversion dieses Artikels

Spartakist Nummer 176

März 2009

Karl Marx hatte recht

Kapitalistische Wirtschaftskrise: Bosse lassen Arbeiter zahlen

Für Klassenkampf gegen die kapitalistischen Herrscher!

Nachfolgend drucken wir eine bearbeitete, erweiterte und aktualisierte Version eines Vortrags von Joseph Seymour, Mitglied des Zentralkomitees der Spartacist League/U.S., bei einem kürzlichen Plenum des Internationalen Exekutivkomitees der Internationalen Kommunistischen Liga, erschienen in Workers Vanguard Nr. 927, 2. Januar 2009.

Ein holländischer Bankier meinte einmal, als er die Zustände an der Londoner Börse beschrieb, es käme ihm vor, „als seien all die Verrückten gleichzeitig aus dem Irrenhaus ausgebrochen“. Das war vor fast drei Jahrhunderten, als die so genannte Südsee-Aktienblase platzte. Es hat sich also nicht wirklich allzu viel verändert.

Die jetzige internationale Finanzkrise und der ernsthafte wirtschaftliche Abschwung begannen in den USA und sind auch hier konzentriert. Ich will also damit anfangen, die Krise in den breiteren historischen Rahmen des jahrzehntelangen Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus zu setzen. Es ist jedoch hilfreich, zunächst die Natur des Klassenbewusstseins der Bourgeoisie unter die Lupe zu nehmen, insbesondere das der amerikanischen Bourgeoisie. Die Bourgeoisie ist keine kollektivistische Klasse. Sowohl in ihrer Geschäftspraxis als auch bei der Regierungspolitik, die sie verfechten, sind Kapitalisten in erster Linie durch unmittelbares Eigeninteresse angetrieben, nicht durch irgendein Konzept der größeren, langfristigeren Interessen der Klasse. Selbstverständlich rührt das Einkommen und der Reichtum aller individuellen Kapitalisten von der gesamten Menge des Mehrwerts her, der durch die Ausbeutung der Arbeitskraft generiert wird. Aber in ihren tagtäglichen Aktivitäten ist das Hauptmotiv für Kapitalisten, insbesondere Finanzkapitalisten, die Vermehrung ihres eigenen Reichtums auf Kosten anderer Kapitalisten.

Ich habe ein Buch von einem erfahrenen Derivatenhändler, Satyajit Das, gelesen: Mit harten Bandagen: Unbekanntes und Außergewöhnliches aus der schillernden Welt der Derivate (2008). Es ist sehr unterhaltsam, wirklich witzig. Einmal hat Das für eine Investmentbank gearbeitet, die versuchte, einen japanischen Manager eines Pensionsfonds als Kunden zu werben:

„Die Bank hatte ihn jahrelang unaufhörlich umworben, ohne Erfolg. Es zeigte sich, dass der Fonds-Manager eine Schwäche hatte – eine klischeehafte Vorliebe für sehr große, langbeinige, blauäugige, blonde Frauen. Die Bank nahm an, dass die Frau nicht Japanerin sein müsste.

Eine weltweite Suche wurde aufgenommen und die Personalabteilung hat hervorragend gearbeitet. Die Bank fand eine stereotype skandinavische Frau, die auf den Fonds-Manager angesetzt wurde. Die Frau – bitte nicht lachen – hieß Ulrika. Sie war klug, angenehm und effizient, aber es gab da ein Problem – sie hatte keine Ahnung von Derivaten. Sie kam aus dem Kosmetikbereich. Die Bank stellte sie trotzdem ein, in der korrekten Annahme, dass der Fonds-Manager sich nicht so sehr für ihre Derivate interessieren würde.“ [übersetzt aus dem Englischen]

Als Marxist beeindruckte mich beim Lesen dieses Buches besonders, dass überhaupt nicht angesprochen wird, wie das gesellschaftliche Produkt zwischen Löhnen und Profiten, oder allgemeiner, zwischen Löhnen und dem Mehrwert samt Grundrente und Zinsen aufgeteilt wird. Das gesamte Buch konzentrierte sich auf die Aufteilung des Mehrwerts unter Finanzkapitalisten und Nicht-Finanzkapitalisten und zwischen konkurrierenden Gruppen von Finanzkapitalisten. Es zeigte, dass Kapitalisten meist darauf aus sind, sich gegenseitig so gut es geht abzuzocken. Der politisch ausschlaggebende Teil der Bourgeoisie wird seine unmittelbaren Eigeninteressen nur dann dem unterordnen, was er als das umfassendere, langfristigere Interesse seiner Klasse versteht, wenn er sich durch die Arbeiterklasse von unten oder durch feindliche Staaten von außen genügend bedroht fühlt. Und wenn nicht, ist es eine Hobbes’sche Welt nach dem Motto: Jeder gegen jeden.

Ende der wirtschaftlichen Vorherrschaft der USA nach dem Zweiten Weltkrieg

Lasst uns das im Kopf behalten, während wir einen schematischen Blick auf die Nachkriegsgeschichte der kapitalistischen Wirtschaft Amerikas werfen. In den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg dominierten die USA den Weltmarkt an Industrieprodukten. Sie hatten durchgehend sehr große Überschüsse in der Handelsbilanz mit fast allen anderen kapitalistischen Ländern. Mitte der 60er-Jahre jedoch hatten Westdeutschland und Japan ihre Wirtschaft wieder aufgebaut und modernisiert, so dass sie effektiv mit den USA auf dem Weltmarkt und auch auf dem Binnenmarkt der USA konkurrieren konnten. Also kehrte sich der Fluss der Handelswerte um. Die USA begannen in der Handelsbilanz große Defizite aufzuweisen.

Innerhalb von ein paar Jahren zerstörte diese Umkehrung das internationale Währungssystem der Nachkriegszeit, das auf einer Konferenz in Bretton Woods, New Hampshire, 1944 etabliert worden war. Man nannte das den Gold-Dollar-Standard. Die Währungen der wichtigsten kapitalistischen Länder wurden für lange Zeit gegeneinander festgesetzt und durch den Dollar verankert. Washington versprach – und die Betonung liegt hierbei auf „versprach“ –, dass andere Regierungen alle Dollars, die sie hatten, bei einem Kurs von 35 Dollar pro Unze ungehindert gegen Gold eintauschen könnten.

Zu Beginn der 1970er-Jahre war das objektiv nicht mehr möglich. Bei 35 Dollar pro Unze überstieg der Dollarbesitz fremder Zentralbanken den Goldvorrat der USA beträchtlich. Die französische Regierung unter Charles de Gaulle, der sich an der amerikanischen internationalen Dominanz stieß und danach trachtete, die „Herrlichkeit“ Frankreichs wiederherzustellen, begann ihre Dollarvorräte gegen Gold einzutauschen. Also schloss US-Präsident Nixon im August 1971 das „Goldfenster“, und setzte der Umtauschbarkeit des Dollars in eine universelle Ware spezifischen (Arbeits-) Werts ein Ende. Nach ein paar wirkungslosen internationalen Konferenzen war das Ergebnis ein Nicht-System von fluktuierenden Wechselkursen. Seitdem sind Währungswechselkurse von Marktbedingungen bestimmt, durch gelegentliche Regierungsinterventionen angepasst. Ich gehe darauf ein, weil das System fluktuierender Wechselkurse zwei langfristige Konsequenzen hatte, die der jetzigen Finanzkrise zugrunde liegen.

Erstens: Dadurch entstand bei allen internationalen Finanztransaktionen, insbesondere langfristigen Finanztransaktionen, ein großes neues Element von Unsicherheit, das heißt Verlustrisiko. Folglich wurden Wechselkurse zu einem Hauptschauplatz von Finanzspekulationen. Ein großer Teil von Das’ Buch über Derivatenhandel behandelt das Hedging gegenüber Wechselkursschwankungen und das Spekulieren auf solche Veränderungen.

Zweitens: Durch das Auflösen der Koppelung von Dollar und Gold war der amerikanische Kapitalismus sowohl auf der unternehmerischen als auch auf der Regierungsebene in der Lage, seine Auslandsschulden massiv zu erhöhen. Die einzige Obergrenze war die Bereitschaft fremder Regierungen und Investoren, Dollar-Anleihen zu halten. Gemessen am Stand von 1971 ist der Dollar heute nur etwa 20 Cent wert. Dieser Aspekt der aktuellen Weltkrise wurde kürzlich in einem Kommentar von Richard Duncan in der Londoner Financial Times (24. November 2008) unterstrichen:

„Als Richard Nixon 1971 das Internationale Währungssystem von Bretton Woods zerstörte, indem er das ,Goldfenster‘ bei der Zentralbank schloss, kappte er die letzte Verbindung zwischen Dollar und Gold. Es folgte ein schwindelerregendes Ausufern immer zweifelhafterer Kreditinstrumente, ausgedrückt in einer abgewerteten Währung. Das krasseste und tödlichste Beispiel dieses Wahnsinns ist das Wachstum des unregulierten Derivaten-Marktes, der sich zu einer Größe von 600 000 Milliarden Dollar aufgeblasen hat, was fast 100 000 Dollar pro Person auf der Erde entspräche.“

Die Erhöhung der Ausbeutungsrate

In den Jahren 1974/75 gab es eine erhebliche, sehr abrupte Flaute der Weltwirtschaft. Obwohl sie nicht lange anhielt, hatte sie insbesondere in den USA wichtige Konsequenzen. Nach diesem Wirtschaftsabschwung versuchte die amerikanische Kapitalistenklasse gezielt, die Ausbeutungsrate des Proletariats – also das Verhältnis des Mehrwerts zu den Löhnen – zu erhöhen. Sie forderten von der Gewerkschaftsbürokratie Ausverkaufsverträge und Zwei-Stufen-Löhne und bekamen sie auch. Sie verlagerten Produktionsstandorte vom gewerkschaftlich organisierten Nordosten und Mittleren Westen in den nicht organisierten Süden und Südwesten und in Niedriglohnländer in Lateinamerika und Asien.

Diese arbeiterfeindliche Offensive wurde unter Präsident Jimmy Carter vom rechten Flügel der Demokraten begonnen und unter dem noch rechteren republikanischen Präsidenten Ronald Reagan verschärft. Den Auftakt gaben die Zerschlagung des PATCO-Fluglotsenstreiks 1981 sowie die darauf folgenden Angriffe auf die Gewerkschaften während des Greyhound-Streiks und anderer Streiks. Wir wiesen damals darauf hin, dass die Arbeiterbewegung die Offensive der Kapitalisten zurückschlagen muss, insbesondere in dem Artikel „Labor’s Gotta Play Hardball to Win“ [Arbeiter müssen mit harten Bandagen kämpfen, um zu gewinnen] (Workers Vanguard Nr. 349, 2. März 1984). Dass die Arbeiter nicht nach den Regeln der Bosse spielen können, wie wir im „Hardball“-Artikel sagten, behält auch für die heutige Arbeiterbewegung der USA seine volle Gültigkeit.

Nun möchte ich einen Aspekt der arbeiterfeindlichen Offensive der frühen/mittleren 1980er-Jahre hervorheben, der damals noch nicht so offensichtlich war. Der Einfluss des Monetarismus und der Finanz-„Deregulierung“ als Doktrin und Politik in Reagans Amerika und auch in Thatchers Britannien basierte zum Teil auf der Lähmung der Arbeiterbewegung und war davon beeinflusst. In Britannien bedeutete die Niederlage des Bergarbeiterstreiks von 1984/85 die entscheidende Verschiebung nach rechts im Verhältnis der Klassenkräfte. Genossin McDonald hob in ihrer kürzlichen Notiz über den Einfluss der Wirtschaftskrise in Britannien hervor, dass die Thatcher-Regierung 1986 die City of London [das Banken- und Börsenviertel] „deregulierte“. Es war, wie man sagt, kein Zufall, dass die Entfesselung des spekulativen Finanzkapitals in Britannien der Niederlage des Bergarbeiterstreiks direkt auf den Fuß folgte.

In den USA gab es in den 1980er-Jahren, von Liberalen oft als „Jahrzehnt der Gier“ bezeichnet, eine massive Umverteilung des Einkommens nach oben, verbunden mit einem massiven Anstieg der Auslandsverschuldung der USA. Die Reagan-Regierung senkte die Steuern für Reiche, während sie die Militärausgaben im eskalierenden zweiten Kalten Krieg gegen die Sowjetunion gewaltig ausweitete. Um das resultierende große Haushaltsloch zu stopfen, wurde ein großer Teil der neu ausgegebenen Staatsanleihen im Ausland verkauft, hauptsächlich an die Japaner. Innerhalb eines Zeitraumes von zwei oder drei Jahren wurden die USA von der weltgrößten Gläubigernation zur weltgrößten Schuldnernation.

Die Umverteilung des Einkommens nach oben und die zunehmende Auslandsverschuldung der USA waren eng verbunden mit der Deindustrialisierung Amerikas. Große Teile des Mittleren Westens wurden „Rostgürtel“ genannt. Mitte der 1960er-Jahre hatte die Industrie einen Anteil von 27 Prozent am US-Bruttoinlandsprodukt und beschäftigte 24 Prozent der Arbeitskräfte. Anfang der 2000er-Jahre hatte sich der Anteil der Industrieproduktion auf 14 Prozent der Gesamtleistung reduziert und sie beschäftigte nur noch 11 Prozent aller Arbeitskräfte.

Im Grunde erreichten die Stundenlöhne für normale Arbeiter (nicht Führungskräfte) ihren Höhepunkt Anfang der 1970er-Jahre. Über die letzten dreieinhalb Jahrzehnte lagen die Reallöhne pro Arbeitseinheit meist unter diesem Niveau. Nur gelegentlich und kurzzeitig, zum Beispiel während der letzten Phase der Hochkonjunktur der 1990er-Jahre, hat sich der reale Nettolohn dem Niveau der frühen 70er-Jahre angenähert oder dieses übertroffen. Wenn Arbeiterfamilien ihr Einkommen in den letzten Jahrzehnten verbessert haben, dann dadurch, dass sowohl Mann als auch Frau Vollzeit arbeiteten, viele Überstunden machten oder sogar in zwei Jobs arbeiteten, wenn solche Arbeit verfügbar war.

Anfang der 2000er-Jahre war diese extensive Art der Verbesserung des Familieneinkommens jedoch weitgehend ausgeschöpft. Gleichzeitig sahen sich Arbeiter mit einem scharfen Anstieg gewisser Grundkosten konfrontiert – Wohnraum (sowohl Kauf als auch Miete), medizinische Versorgung und Studiengebühren ihrer Kinder. Also gerieten sie in noch größere Schulden. Am Vorabend der jetzigen Krise Anfang 2007 lagen die durchschnittlichen Schulden von Privathaushalten 30 Prozent höher als das jährlich verfügbare Einkommen. Das war hauptsächlich möglich, weil Familien Kredite aufnahmen, die über den Wert ihrer Häuser abgesichert wurden, wobei sie sozusagen von der sich damals ausweitenden Immobilienpreis-Blase „profitierten“.

Dot-Com-Boom und Immobilienpreis-Blase

Um die Immobilienpreis-Blase von Anfang bis Mitte der 2000er-Jahre zu verstehen, müssen wir ein bisschen zurückgehen und einen Blick auf den sogenannten Dot-Com-Boom von Mitte bis Ende der 1990er-Jahre werfen. Das war das klassische Auf und Ab des Konjunkturzyklus, wie von Marx im Kapital beschrieben. Ein Investitionsschub hauptsächlich in neue Technologie – in diesem Fall Computer, Internet-Dienste und Telekommunikation – erhöhte das, was Marx die organische Zusammensetzung des Kapitals nannte. Das ist der Wert der Produktionsmittel (die darin verkörperte Arbeitszeit), die gebraucht werden, um lebendige Arbeitskraft anzuwenden. Bürgerliche Ökonomen nennen das: Kapital pro Arbeiter. Eine steigende organische Zusammensetzung des Kapitals senkt die Profitrate. Selbst wenn die Produktivität steigt und die Löhne nicht, wiegt der erhöhte Profit pro Arbeiter das erhöhte Kapital pro Arbeiter nicht auf.

In den 1990er-Jahren, während des Booms im Telekommunikationssektor, einem der Hauptpfeiler der „New Economy“ oder „IT-Revolution“, war diese Dynamik deutlich sichtbar. Die Kapitalrendite von Telekommunikationsunternehmen fiel stetig von 12,5 Prozent im Jahr 1996 auf 8,5 Prozent im Jahr 2000. Damals beschrieb ein Wall-Street-Analyst, Blake Bath, auf seine eigene Weise das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate in Bezug auf die Telekommunikationsbranche. „Es sieht so aus, dass der Sektor völlig überkapitalisiert ist“, urteilte er. „Im Verhältnis zu den Erlösen und Profiten sind Investitionen in absurdem Tempo in die Höhe gestiegen“ (Business Week, 25. September 2000). Oder wie Marx es in Band III des Kapital sagte: „Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst“ (Hervorhebung im Original).

In den Jahren 2000/2001 zerplatzte die Dot-Com-Blase, was zu einer Rezession führte. Um die Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs abzumildern, überflutete Alan Greenspan, der Vorsitzende der Federal Reserve (der US-Notenbank), die Finanzmärkte mit Geld. Im Jahr 2003 kürzte die Notenbank die Zinsrate, die für kurzfristige Kredite von Mitgliedsbanken erhoben wurde, von 6,5 auf 1 Prozent. Das war damals die niedrigste Rate in einem halben Jahrhundert. Während dieser Periode lag der sogenannte Leitzins der Notenbank unterhalb der Inflationsrate. Die Regierung verschenkte praktisch Geld an die Finanziers der Wall Street. Ende 2004 warnte der Londoner Economist, Amerikas „Politik des schnellen Geldes ist über seine Grenzen gequollen“, und „ist in Börsenkurse und Häuser auf der ganzen Welt geflossen, was eine Reihe von Anlagepreis-Blasen aufgebläht hat“.

Der Kern der jetzigen Krise ist eine Sparte von Finanzinstrumenten, die als Derivate bekannt sind. Traditionelle Basiswertpapiere – Unternehmensanteile und -anleihen – sind in einem formal-rechtlichen Sinn Ansprüche auf Waren, das heißt Güter und Dienstleistungen, die als Arbeitsprodukte sowohl Gebrauchswert als auch Tauschwert verkörpern. Derivate basieren auf Basiswertpapieren oder sind auf irgendeine Art an sie gebunden. Ein typischer und wichtiger Vertreter ist der Credit-Default-Swap. Formal gesehen, und ich betone formal, ist das eine Art Versicherung gegen den Zahlungsausfall einer Unternehmensanleihe. Man kann jedoch einen Credit-Default-Swap kaufen, ohne die entsprechende Unternehmensaktie zu besitzen. In diesem Fall ist es eine Form der Spekulation auf den Zahlungsverzug des Unternehmens. Stellt euch vor, dass zwanzig Leute Feuerversicherungspolicen für dasselbe Gebäude besitzen, wobei 19 von ihnen nicht Besitzer des Gebäudes sind. Willkommen in der Welt der Derivate. Darüber hinaus kann man mit sogenannten Put- oder Call-Optionen auch auf Preisveränderungen eines Credit-Default-Swap spekulieren.

Der springende Punkt ist, dass Derivate über Derivate auf andere Derivate aufgetürmt wurden. In Zahlen ausgedrückt: Wenn man 2005 den nominellen Marktwert aller Derivate der Welt addierte, war das Ergebnis dreimal so groß wie die Basiswertpapiere, auf denen sie angeblich basierten. Um die extreme Schwere der jetzigen Finanzkrise zu verstehen, muss man erkennen, in welch gewaltigem Ausmaß in den letzten paar Jahrzehnten „fiktives Kapital“ generiert wurde, wie Marx das nannte. Wenn man in den frühen 1980er-Jahren den nominellen Marktwert aller Unternehmensaktien, -anleihen und auch Staatsanleihen der Welt zusammenzählte, entsprach das in etwa der Jahresproduktion von Gütern und Dienstleistungen, was bürgerliche Ökonomen als Welt-Bruttoinlandsprodukt bezeichnen. Im Jahr 2005 errechnete der Internationale Währungsfonds, dass heute nach derselben Berechnung allein der Wert der Basiswertpapiere fast viermal größer wäre als das Welt-Bruttoinlandsprodukt. Und wenn man dann noch Derivate oben drauf legt, hat sich das Ausmaß der Risiken im Finanzsystem um ein Vielfaches erhöht.

Charles R. Morris, ein kritisch eingestellter Finanzjournalist, beschrieb, wie dieser Mount Everest an zweifelhaftem Papier-„Reichtum“ aufgetürmt wurde:

„Wie konnte der Verschuldungsgrad so hoch werden? In der Sparte von Wertpapieren, die wir behandelt haben, gibt es verhältnismäßig wenige ,Namen‘ oder zugehörige Unternehmen, die intensiv gehandelt werden, höchstens ein paar Hundert. Und eine relativ kleine Anzahl von Institutionen, im Grunde die globalen Banken, Investmentbanken und Hedgefonds, führen den Großteil des Handels durch. Im Endeffekt haben sie ein instabiles Kartenhaus von Schulden aufgebaut, indem sie sie unter sich selbst hin- und zurückverkauft und sich die ganze Zeit über Profite verbucht haben. Das ist der Inbegriff eines Schneeballsystems. Solange eine Politik des geschenkten Geldes Zahlungsausfälle verhinderte, kam das Kartenhaus vielleicht ins Wanken, blieb aber stehen. Doch kleine Störungen in irgendeinem Teil der Struktur können das gesamte Gebäude zum Einsturz bringen, und das bereits deutlich vernehmbare seismische Grollen deutet auf Störungen hin, die sehr groß sind.“ [Hervorhebung im Original] (The Trillion Dollar Meltdown: Easy Money, High Rollers, and the Great Credit Crash [Die Billionen-Dollar-Krise: Leichtes Geld, Überflieger und der große Kreditcrash], 2008)

Jetzt, wo das Schuldengebäude kollabiert, drückt es schonungslos die Preise aller Kapitalanlagen nach unten, bis auf Staatsanleihen von Ländern der Ersten Welt. Und auch diese können bald den Bach runtergehen.

Die Auswirkungen auf Westeuropa und Japan

Die Finanzkrise hat die interimperialistischen Spannungen und Interessenkonflikte in der zunehmend uneinigen Europäischen Union massiv verschärft. Die verschiedenen nationalen Rettungspläne haben den EU-internen Finanzwettbewerb intensiviert. Kurzfristiges spekulatives Geldkapital fließt in diejenigen Länder – anfangs zum Beispiel Irland –, in denen die Regierungspolitik die Banken und andere Finanzinstitute sicherer zu machen scheint. Und dann fließt es sofort wieder ab, wenn andere Regierungen scheinbar großzügigere Rettungspakete anbieten.

Es ist auch eine zunehmende Kluft zwischen den zwei Kernländern von EU und Eurozone, Deutschland und Frankreich, zu beobachten. Der selbstherrliche französische Präsident Nicolas Sarkozy, der zufällig während des zweiten Halbjahres 2008 auch die rotierende „Präsidentschaft“ der EU innehatte, präsentiert sich selbst als Retter des Weltkapitalismus. Er hat verschiedene ehrgeizige Vorhaben zur Finanzregulierung und „Stimulierung“ der Wirtschaft im EU-Rahmen wie auch auf internationaler Ebene forciert. Ich brauche nicht zu sagen, dass Sarkozys Gehabe ihn bei den Herrschern der nichtfranzösischen imperialistischen Staaten nicht beliebter gemacht hat.

Insbesondere die deutsche herrschende Klasse, vertreten durch die Koalition aus Christdemokraten und Sozialdemokraten, hat die diversen Pläne des Franzosen grob beiseite gefegt. Kein deutsches Geld, so verkünden sie, wird ausgegeben, um für die Verschwendung und wirtschaftlichen Marotten ihrer europäischen „Partner“ zu zahlen. Die Herrschenden in Berlin bestehen allgemeiner darauf, dass andere Länder – also die USA – dran sind, ihre Wirtschaft selbst in den Griff zu bekommen, und zwar in einer Weise, die auch Deutschland hilft. In den Worten des deutschen [Ex-]Wirtschaftsministers Michael Glos: „Wir können nur hoffen, dass die Maßnahmen, die andere Länder ergreifen, unserer Exportwirtschaft helfen“ (Rede zum Haushaltsgesetz 2009 vor dem Bundestag, 28. November 2008). Träumen Sie weiter, Herr Minister!

Japan, ein bedeutender Akteur in der internationalen Wirtschaft, hat seitens der amerikanischen Finanzpresse nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten. Japan hat die zweitgrößte Wirtschaft der Welt. Noch wichtiger: Es ist die größte Gläubigernation der Welt. Während China vor kurzem Japan als größten Eigner von US-Staatsanleihen überholt hat, hält Japan eine weit größere Menge an privaten Schulden von Firmen aus der ganzen Welt.

1989/90 zerplatzte in Japan eine Immobilien- und Aktienblase und führte in ein Jahrzehnt der Stagnation, das später als „das verlorene Jahrzehnt“ bekannt wurde. Die Finanzbehörden drückten die Zinsrate auf quasi Null hinunter, um Investitionen anzukurbeln. Diese Strategie funktionierte am Ende, aber nicht so, wie die Regierungsbehörden es beabsichtigt hatten. Die riesige Menge industrieller Überkapazitäten und „notleidender Bankkredite“ schreckte von zusätzlichen Investitionen innerhalb Japans ab. Also borgten sich japanische Banker und Investoren aus der ganzen Welt billiges Geld in Japan und investierten es dann in anderen Ländern, wo aus dem einen oder anderen Grund die Rendite höher war. In der Finanzpresse wurde das als „Yen Carry Trade“ bekannt.

In Sachen Yen Carry Trade wird jetzt abrupt der Rückwärtsgang eingelegt. Das heißt, Investoren auf der ganzen Welt verkaufen – bei rasch sinkenden Preisen – ihre Anleihen, um Schulden bei japanischen Banken und anderen Institutionen zurückzuzahlen. Das ist jedoch zu einem selbstzerstörerischen Prozess geworden. Denn diese Geldflut nach Japan treibt den Wert des Yen relativ zu den Währungen fast aller Länder in die Höhe, in denen die Schuldner investiert haben. Das verstärkt also die tatsächliche Last ihrer ausstehenden Schulden und ihrer zukünftigen Schuldrückzahlungen. Stellt euch vor, dass ihr ein großes Becken mit Wasser ausschöpft, und für jeden Eimer Wasser, den ihr abschöpft, fließen durch eine unterirdische Rohrleitung eineinhalb Eimer in das Becken zurück. Tja, mit etwa dieser Situation sind jetzt ausländische und auch japanische Investoren konfrontiert, die mehr als ein Jahrzehnt lang vom Yen Carry Trade profitiert haben.

Gleichzeitig treibt die Aufwertung des Yen die Preise japanischer Güter auf den Weltmärkten in die Höhe, während die weltweite Nachfrage stark rückläufig ist. Der Kern des japanischen Industriekapitalismus bekommt gerade einen gewaltigen Schlag versetzt. Toyota erwartet in diesem Geschäftsjahr zum ersten Mal in sieben Jahrzehnten einen Verlust in seinem Auto-/Transporter-Geschäft. Sony hat angekündigt, fünf Prozent der Belegschaft seiner Elektronikabteilung entlassen und weltweit bis zu sechs Fabriken schließen zu wollen.

Globale Krise rüttelt an Chinas „Sozialistischer Marktwirtschaft“

Wie sieht’s in China aus, das, wie wir wissen, nicht kapitalistisch ist, sondern ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat? Während der ostasiatischen Finanz- und Wirtschaftskrise 1997/98 glich China die Auswirkungen der Krise mittels einer bedeutenden Ausweitung von Investitionen in Industriebauten und Infrastruktur praktisch aus. Und jetzt versucht das stalinistische Regime in Beijing, dieses Vorgehen zu wiederholen. Anfang November kündigte es ein großes Konjunkturpaket (im Wert von 585 Milliarden Dollar) an, das darauf fußt, die Infrastruktur auszubauen – Eisenbahnen, Straßen, Flughäfen, Häfen usw. Seitdem wurde jedoch berichtet, dass die eigentliche Summe viel kleiner ist als ursprünglich angegeben. Nur ein Viertel des Betrages wird von der Zentralregierung bereitgestellt – die anderen drei Viertel sollen von lokalen Regierungsorganen und staatlichen Banken kommen. Diese Institutionen haben jedoch deutlich beschränktere Finanzressourcen. Stephen Green, ein Ökonom der Standard Chartered Bank in Shanghai, kommentierte diesbezüglich: „Es ist angesichts fallender Einnahmen schwer zu sehen, wie Lokalregierungen, Banken und Unternehmen den Rest der 4000 Milliarden RMB aufbringen sollen“ (Financial Times, 15./16. November 2008).

Genosse Markin und ich haben die Auswirkung der globalen Krise auf China diskutiert. Und wir beide denken, dass die chinesische Wirtschaft, anders als Ende der 1990er-Jahre, diesmal nicht glimpflich davonkommen wird. Zunächst einmal ist dies keine regionale, sondern eine weltweite Wirtschaftskrise. Und sie hat ihr Zentrum in den USA und in Westeuropa. Allen Anzeichen nach wird sie sehr heftig und ziemlich lang anhaltend sein. Eine Konsequenz ist, dass antichinesischer Handelsprotektionismus seitens der USA und Westeuropas wahrscheinlicher wird.

Die Nachteile und die Starrheit dessen, was die chinesischen Stalinisten eine „sozialistische Marktwirtschaft“ nennen, werden offen hervortreten und sind schon heute sichtbar. In China gibt es zehntausende Fabriken, mit etlichen Millionen Arbeitern, im Besitz von einheimischen Unternehmern, chinesischen Kapitalisten aus Hong Kong und Taiwan oder ausländischen Unternehmen. Diese Fabriken produzieren Waren, die speziell auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder zugeschnitten sind, wie Spielzeug, CD-Player und Navigationssysteme für Autos. Diese Fabriken können ihre Produktion nicht schnell und einfach, sagen wir, auf Haushaltsgeräte für chinesische Arbeiter und Bauern umstellen. Das wäre selbst dann der Fall, wenn die Volksbefreiungsarmee mit Hubschraubern über Arbeiterviertel und Provinzdörfer fliegen und Geldbündel für die Einwohner abwerfen würde.

Darüber hinaus hat das Beijinger Regime seine eigene Version einer Wohnungspreis-Blase sowie einen Wohnungsbau-Boom gefördert. Das große und zunehmend wohlhabende städtische Kleinbürgertum – chinesische Yuppies – lieh Geld, um Häuser zu kaufen, zu bauen und zu vergrößern, nicht nur um in ihnen zu leben, sondern als Geldanlage. Sie erwarteten, dass die Marktpreise dieser Häuser immer weiter in die Höhe schnellen würden. Nun, die Wohnungsblase ist jetzt geplatzt. In einem gehobenen Viertel Beijings fielen die Preise für den Ankauf neuer Appartements zwischen Februar und Oktober letzten Jahres um 40 Prozent. Der Londoner Economist (25. Oktober 2008) kommentierte: „Der Wohnungsmarkt fügt Chinas neuen Mittelklassen ein paar üble Schocks zu.“ Natürlich sind wir nicht allzu besorgt um die Mühsal der chinesischen Yuppies. Wir sind jedoch sehr besorgt über die Auswirkungen des Zusammenbruchs der Wohnungspreis-Blase auf unsere Klasse: das Proletariat. Der Zusammenbruch hatte negative Auswirkungen auf die Wohnungsbauindustrie, deren Arbeitskräfte zum Großteil männliche Wanderarbeiter vom Land sind.

Das Fazit ist: China wird, anders als fast alle kapitalistischen Länder, nicht in eine Rezession geraten. Aber wahrscheinlich wird es einen starken Rückgang der Wachstumsrate durchleben, die in den vergangenen paar Jahrzehnten durchschnittlich zehn Prozent betrug. Damit einhergehend wird es einen starken Anstieg der städtischen Arbeitslosigkeit geben, sowohl bei Arbeitern, die aus dem privaten Sektor entlassen werden, als auch bei Bauern, die in die Städte kommen, um Arbeit zu suchen, aber keine finden. Offiziellen Angaben zufolge wurden bis Ende November 10 Millionen Wanderarbeiter aus ihren Jobs in Chinas Städten entlassen. Und diese wirtschaftliche Not wird zunehmende soziale Unruhe erzeugen. Es gab bereits wütende Proteste von entlassenen Fabrikarbeitern im Perlflussdelta, der Hauptregion Chinas, die Leichtindustrieerzeugnisse für die Märkte der Ersten Welt produziert. Wir wissen nicht und können nicht wissen, ob die Zunahme von Arbeiterunruhen die politische Situation destabilisieren wird. Das übersteigt unsere derzeitigen Kenntnisse.

Keynesianismus wieder in Mode

Was wird wahrscheinlich passieren? Allen Anzeichen nach wird das eine außergewöhnlich schwere und lang anhaltende Weltwirtschaftskrise werden, besonders schlimm in den USA und Britannien. Im ideologischen Bereich und auch, weniger ausgeprägt, in der Politik, werden wir eine Verschiebung vom rechten zum linken Flügel des bürgerlichen politischen Spektrums erleben und haben ihn bereits erlebt. Das bedeutet: eine Finanzpolitik, die auf erhöhter Staatsverschuldung beruht, teilweise Verstaatlichung der Banken und anderer Finanzeinrichtungen, Versuche zur ausgedehnten und strikteren Regulierung von Finanztransaktionen usw.

Genosse Robertson und andere haben bemerkt, dass Monetarismus als Doktrin vollkommen diskreditiert und Keynesianismus wieder in Mode ist. In den letzten sechs Wochen habe ich in der englischsprachigen Finanzpresse mehr positive Bezüge auf John Maynard Keynes gelesen als in den letzten zehn Jahren. Genosse Blythe wies darauf hin, dass es ein tief verwurzelter amerikanischer liberaler Mythos ist, dass Franklin Roosevelts New Deal, der auf Keynes’ Theorien basierte, die USA aus der Großen Depression der 1930er-Jahre herausgeholt habe. Nein, was die USA aus der Depression herausgeholt hat, war die Ausdehnung „öffentlicher Arbeiten“ während des Zweiten Weltkriegs, wobei die „öffentlichen Arbeiten“ Panzer, Kampfflugzeuge, Flugzeugträger und die Atombombe waren.

Wir haben in der Vergangenheit über Keynesianismus geschrieben, im Verhältnis zur Geschichte unserer Tendenz leider eher in der entfernteren Vergangenheit. Ich empfehle insbesondere drei Schriften. Anfang der 1960er-Jahre schrieb Shane Mage, Mitgründer unserer Tendenz, eine Doktorarbeit: „The ,Law of the Falling Tendency of the Rate of Profit‘: Its Place in the Marxian Theoretical System and Relevance to the U.S. Economy“ [Das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“: Sein Platz im marxistischen theoretischen System und seine Relevanz für die US-Wirtschaft] (Columbia University, 1963). Zufällig war sein Doktorvater Alexander Ehrlich, der Autor von The Soviet Industrialization Debate 1924–1928 [Die Debatte über die Industrialisierung in der Sowjetunion 1924–1928]. Mages Arbeit beinhaltet einen Abschnitt, der den Unterschied zwischen Keynes’ und Marx’ Verständnis der grundlegenden Ursache von Wirtschaftskrisen erklärt. In der Weltwirtschaftskrise 1974/75 schrieb ich einen Artikel, „Marx vs. Keynes“ (WV Nr. 64, 14. März 1975), der zum Teil theoretisch und zum Teil empirisch war. Und 1997/98 veröffentlichte WV eine fünfteilige Serie unter der Hauptüberschrift „Wall Street and the War Against Labor“ [Wall Street und der Krieg gegen die Arbeiter]. Teil drei, „The 1930s New Deal and Labor Reformism“ [Der New Deal der 1930er-Jahre und Reformismus in der Arbeiterbewegung] (WV Nr. 679, 28. November 1997), beinhaltet eine theoretische Analyse über Keynes sowie eine empirische Analyse über die USA in den 1930ern, die tatsächliche Politik des New Deals und die wirtschaftlichen Entwicklungen während des Zweiten Weltkriegs.

Zum Schluss noch ein paar Bemerkungen darüber, inwiefern die jetzige Situation sehr verschieden von den 1930ern ist. Wie ich schon angedeutet habe, ist die jetzige Situation sehr verschieden dadurch, dass das schiere Volumen von nominellen, rechtsgültigen vertraglichen Schulden, die nicht zurückgezahlt werden können, die Finanzressourcen der kapitalistischen Regierungen um ein großes Vielfaches übersteigt. Britannien und Italien sind bereits auf Schwierigkeiten gestoßen, die erhöhten Haushaltsdefizite zu finanzieren, die von ihren diversen Rettungsplänen herrühren. Die Financial Times (1. Dezember 2008) zitierte Roger Brown, einen Finanzanalysten der Schweizer Bank UBS, der hervorhob:

„Regierungen geraten bereits in Schwierigkeiten. So kurz nach den Ankündigungen über Kapitalaufstockungen [der Banken] und zusätzlichem Geldbedarf verheißt das nichts Gutes.

Wir müssen uns die Frage stellen, ob es genügend Investoren geben wird, die die Anleihen kaufen, oder zumindest, ob es die Gewinne wesentlich erhöhen wird, um Investoren anzuziehen.“

All diese Rettungspakete können also bestenfalls einen kleinen Bruchteil der Verluste ausgleichen.

Der zweite Punkt ist, dass die USA in diesen tiefen Abschwung mit einem enormen existierenden Berg von Schulden hineingehen, zum großen Teil bei ostasiatischen Regierungen und Investoren. Das setzt einer zusätzlichen Staatsverschuldung eine ziemlich enge obere Grenze. In seiner ersten Äußerung nach der Wahl versuchte Barack Obama, Erwartungen, wonach die USA bald zum „Aufschwung“ zurückkehren würden, abzuschwächen und nicht zu ermuntern: „Ich habe es früher gesagt und wiederhole es: Es wird nicht schnell gehen und es wird nicht leicht für uns sein, uns aus diesem Loch zu graben, in dem wir stecken.“ So sprach der neue Oberbefehlshaber des mächtigsten kapitalistischen Landes der Welt.

Was ist also die Lösung? Wie wir wissen, ist sie sowohl einfach als auch radikal. Die Arbeiterklasse muss die Produktionsmittel der Gesellschaft – die Fabriken, Transportsysteme, Stromversorgung – den Kapitalisten aus den Händen nehmen und durch die Errichtung einer geplanten Wirtschaft diese Ressourcen im Interesse der Arbeiterklasse und der ganzen Gesellschaft einsetzen. Aber um das zu tun, braucht man eine politische Partei, die die Interessen der Arbeiterklasse gegen die Kapitalistenklasse vertritt. In den USA würde eine solche Partei auch für die Rechte und Interessen der unterdrückten schwarzen und Latino-Minderheiten eintreten, für die Rechte von Immigranten und allen anderen unterdrückten Teilen der Gesellschaft. Um solch eine Partei aufzubauen, müssen die Arbeiter insbesondere mit der Demokratischen Partei brechen – also mit der liberaleren oder zumindest liberaler auftretenden Partei des amerikanischen Kapitalismus. Ebenso ist es notwendig, die existierende prokapitalistische Gewerkschaftsführung herauszuschmeißen und sie durch eine Führung zu ersetzen, die für die Interessen der Arbeiter und, wie gesagt, aller Unterdrückten kämpft. Und erst wenn das vollbracht ist, wird es möglich sein, ein grundlegendes Prinzip zu verwirklichen: dass die, die arbeiten, herrschen müssen.

Spartakist Nr. 176

Spartakist Nr. 176

März 2009

·

Karl Marx hatte recht

Kapitalistische Wirtschaftskrise: Bosse lassen Arbeiter zahlen

Für Klassenkampf gegen die kapitalistischen Herrscher!

·

Volksfrontpolitik entwaffnet Gewerkschafter, Linke

Dresden: Staat schützt Nazi-Aufmarsch

Arbeiter/Immigranten-Mobilisierung kann Faschisten stoppen!

·

Leserbrief:

Zur Familie in der DDR

·

Nieder mit reaktionären Streiks gegen ausländische Arbeiter!

Britannien: Gewerkschaften müssen immigrierte Arbeiter verteidigen!

Tariflöhne für alle!

·

Hamburg: "Vorteilsregelung" spaltet Arbeiterklasse

Verteidigt ver.di gegen Angriffe der Hafenbosse!

Organisiert die Unorganisierten!

Gerichte und Staat: Hände weg von den Tarifen!

·

Kalter Krieg, Ostpolitik und DDR-Anschluss

SPD: Trojanisches Pferd der Konterrevolution