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Spartakist Nummer 171 |
Mai 2008 |
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Verteidigt deformierten Arbeiterstaat China! Konterrevolutionäre Unruhen in Tibet Der folgende Artikel wurde übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 911, 28. März 2008.
Eine Orgie antichinesischer Ausschreitungen. So beschrieb der Economist online (14. März), der den einzigen offiziellen Auslandskorrespondenten in Lhasa hatte, die Proteste in der Autonomen Region Tibet. Diese Proteste, angezettelt am 10. März anlässlich des Jahrestags des Aufstands 1959 gegen die chinesische Herrschaft ein von der CIA angestifteter, bewaffneter und finanzierter Aufstand , wurden von buddhistischen Lamas angeführt, es folgten koordinierte Aktionen in Chinas Provinzen Gansu, Qinghai und Sichuan, wo es bedeutende tibetische Bevölkerungsanteile gibt. Auch in Indien fand eine Demonstration statt, ausgehend von der Zentrale der Exilregierung des Dalai Lama. Unter Rufen Lang lebe Tibet und Lang lebe der Dalai Lama wüteten von Mönchen angeführte Randalierer, oft an der Spitze von Jugendgangs, in Lhasas tibetischer Altstadt, sie setzten von ethnischen Chinesen geführte Geschäfte in Brand und zerstörten sie und töteten mindestens 13 Menschen. Angriffe gab es auch gegen ethnisch chinesische Hui, eine muslimische Minderheit in der Region. Der Economist (22. März) berichtete, dass Geschäfte im Besitz von Tibetern mit traditionellen weißen Schals gekennzeichnet wurden
Sie blieben von der Zerstörung verschont.
Die Proteste in Tibet sind reaktionär, antikommunistisch und konterrevolutionär. Als Trotzkisten (d. h. authentische Marxisten) kämpfen wir von der Internationalen Kommunistischen Liga für die bedingungslose militärische Verteidigung des deformierten Arbeiterstaats China gegen imperialistischen Angriff und kapitalistische Konterrevolution wie wir das auch bei den anderen verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten Nordkorea, Vietnam und Kuba tun. Die Revolution von 1949, die die kapitalistische Herrschaft in China stürzte, brachte den arbeitenden und Bauernmassen des Landes enorme Errungenschaften, auch der Bevölkerung Tibets, wo vor dem Sieg der chinesischen Streitkräfte im Jahre 1959 eine Lamakratie herrschte, unter der Sklaverei weit verbreitet war. Die Sache des Freien Tibet hatte ihren Ursprung in den Machenschaften der CIA und anderer imperialistischer Kräfte, deren Ziel es ist, den Kapitalismus in China wiederherzustellen, was das Land erneut halbkolonialer Knechtschaft unterwerfen würde. Der Ruf nach einem Freien Tibet ist ein Schlachtruf für Konterrevolution und würde in Wirklichkeit imperialistische Oberherrschaft über die tibetischen Massen bedeuten. Die konterrevolutionäre Zerstörung des chinesischen deformierten Arbeiterstaates wäre eine gewaltige Niederlage für das internationale Proletariat und auch für das tibetische Volk.
Vor ihrer Zerschlagung durch die Volksbefreiungsarmee 1959 war die lamaistische Theokratie in Tibet die vielleicht proportional größte und faulste herrschende Schicht in der Menschheitsgeschichte gewesen, wirtschaftlich durchgefüttert von bitterarmen Bauern, die Gerste anbauten und Yak-Rinder hielten. Im Grunde genommen wurde diese harte Knochenarbeit hauptsächlich von Frauen verrichtet, denn sowohl die Mönche als auch ein beträchtlicher Teil der männlichen Bevölkerung, der nach der Sünde der Fortpflanzung dem mönchischen Leben nacheiferte, waren damit beschäftigt, sich der inneren Einkehr zu widmen.
Nach der Unterdrückung des von der CIA unterstützten Aufstands 1959 schaffte die chinesische Regierung das Ula-System ab (Frondienste der Bauern) und machte Schluss mit Auspeitschungen, Verstümmelungen und Amputationen als Form der Verbrechensbestrafung. Das Land, der Viehbestand und die Gerätschaften des Adels, der ins Exil floh, wurden ebenso an die Bauern verteilt wie Land und Vieh der Klöster, die sich am Aufstand beteiligt hatten. Der chinesische deformierte Arbeiterstaat führte säkulare Erziehung ein und baute in Lhasa ein Wasserleitungs- und Stromnetz. In der Folge stieg die durchschnittliche Lebenserwartung von Tibetern, die 1950 bei 35 Jahren gelegen hatte, bis 2001 auf 67 Jahre an. Die Kindersterblichkeit, die 1950 schockierende 43 Prozent betragen hatte, nahm dramatisch ab auf 0,661 Prozent im Jahr 2000. Die vor einiger Zeit eröffnete Lhasa-Qinghai-Eisenbahn, die Tibet mit China verbindet, führte zu einer wirtschaftlichen Entwicklung und einer Verbesserung des Lebensstandards. Diese Errungenschaften zeugen vom sozialen Fortschritt als Ergebnis der Enteignung der Kapitalistenklasse und der Großgrundbesitzer und der Einführung proletarischer Eigentumsformen, wie sie aus der Chinesischen Revolution von 1949 hervorgegangen sind.
Vor allem seit der konterrevolutionären Zerstörung der deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas und insbesondere der Zerstörung des sowjetischen degenerierten Arbeiterstaates 1991/92 nehmen die Imperialisten zunehmend China ins Visier. Um eine Konterrevolution voranzutreiben, nutzen sie einerseits die von der stalinistischen Bürokratie in Beijing angebotene wirtschaftliche Öffnung aus, wodurch sie eine interne Konterrevolution ermutigen wollen, und gleichzeitig steigern sie den militärischen Druck. China, stärkster der verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten, ist umgeben von einem ganzen System von US-Militärbasen. Zusammen mit Nordkorea steht es auf der Abschussliste des Pentagons als potenzielles Ziel eines atomaren Erstschlags, gleichzeitig hat das US-Programm für nationale Raketenabwehr das strategische Ziel, Chinas bescheidene nukleare Kapazitäten zu neutralisieren.
Die imperialistischen Herrscher hoffen, die bevorstehenden Olympischen Spiele in Beijing 2008 dazu ausnutzen zu können, durch Unterstützung des Dalai Lama ihren Druck auf China zu verstärken. Die Unruhen in Tibet deuteten sich schon an, als sich der Dalai Lama provokativ innerhalb von fünf Wochen seit letztem September mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin, mit Präsident Bush in Washington das erste Mal, dass ein amtierender US-Präsident öffentlich den Dalai Lama empfing und mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper traf. Jetzt hat der britische Premierminister Gordon Brown angekündigt, kommenden Mai den Dalai Lama in London zu empfangen.
Während die Bush-Regierung China dazu aufrief, in Tibet Zurückhaltung zu üben, haben die Demokraten versucht, die Bush-Gang an kriegerischer Aggressivität gegenüber China noch zu übertreffen. Nachdem die Unruhen in Tibet ausgebrochen waren, besuchte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi das Hauptquartier des Dalai Lama in Dharamsala in Indien. In einer Erklärung vom 12. März verurteilte Pelosi die gewalttätige Reaktion der chinesischen Streitkräfte gegen friedliche Demonstranten in Tibet. Während die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton in einer Erklärung verkündete, dass chinesische Unterdrückung in Tibet weitergeht, folgte Barack Obamas Erklärung der von Pelosi und verurteilte die Anwendung von Gewalt zur Niederschlagung friedlicher Proteste. Tatsächlich aber berichtete der Economist online (16. März) über das Verhalten der chinesischen Sicherheitskräfte während der gewalttätigen Ausschreitungen, sie scheinen mit relativer Zurückhaltung agiert zu haben.
Was die Pseudosozialisten betrifft, so marschieren sie im Gleichschritt hinter ihren imperialistischen Herrschern her bei deren Versuch, in China eine Konterrevolution zu entfachen, genauso wie sie die konterrevolutionäre Zerstörung der UdSSR unterstützt hatten eine welthistorische Niederlage für das internationale Proletariat, die den Völkern der ehemaligen Sowjetunion Verwüstung und Elend gebracht hat. In Frankreich solidarisierte sich die fehlbenannte Ligue communiste révolutionnaire in den USA mit Socialist Action und in Deutschland mit dem Revolutionär Sozialistischen Bund und der internationalen sozialistischen linken verbunden sofort mit den Lamas, verurteilte die vom Beijinger Regime durchgeführte Repression und rief nach Selbstbestimmung (Erklärung vom 18. März). Ihre japanische Schwesterorganisation Kakehashi forderte Selbstbestimmungsrecht für das tibetische Volk und rief dazu auf, China solle ein internationales Untersuchungsteam akzeptieren (Kakehashi, 24. März).
Derweil haben die Reformisten des Komitees für eine Arbeiterinternationale, das China Worker herausgibt und in den USA mit Socialist Alternative sowie in Deutschland mit der Sozialistischen Alternative (Voran) verbunden ist, erklärt, dass sie für Tibets Recht auf Unabhängigkeit eintreten. Sie begrüßten die angeblich radikalisierten Schichten unter den tibetischen Jugendlichen im Gegensatz zu der versöhnlerischen Haltung des Dalai Lama, während sie zugaben, dass nationale Unabhängigkeit auf einer kapitalistischen Grundlage keinesfalls die Probleme der verarmten Massen lösen kann (China Worker, 18. März). Diese Widersacher der revolutionär-internationalistischen Arbeiterbewegung, Feinde des chinesischen deformierten Arbeiterstaates, sind bereit, die tibetischen Massen wieder einer Rückkehr der Lamakratie zu überantworten. Die Rufe der Pseudomarxisten nach tibetischer Unabhängigkeit stehen sogar noch rechts vom Dalai Lama, der 2005 zugab: In dem Maße, wie die materielle Entwicklung Chinas fortschreitet, profitieren wir materiell davon, wie von der Eisenbahn. Wären wir ein eigenständiges Land, wäre es sehr schwierig, und wir hätten keine Vorteile (South China Morning Post, 14. März).
Gestaltet nach dem Muster der Sowjetunion, nachdem dort die stalinistische Bürokratie der Arbeiterklasse die politische Macht entrissen hatte, war der chinesische Arbeiterstaat von Anfang an deformiert. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) unter Mao Zedong, die die Revolution von 1949 durchführte, stützte sich als Partei nicht auf die Arbeiterklasse, sondern vielmehr auf die Bauernschaft. Von Anfang an unterdrückte das KPCh-Regime unabhängiges Handeln der Arbeiterklasse und schloss sie von der politischen Macht aus. Das stalinistische Regime in Beijing, das eine nationalistische Bürokratenkaste repräsentiert, die über der kollektivierten Wirtschaft thront, predigte die zutiefst antimarxistische Vorstellung, der Sozialismus eine klassenlose, egalitäre Gesellschaft auf Grundlage materiellen Überflusses könne in einem einzelnen Land aufgebaut werden. In der Praxis bedeutete Sozialismus in einem Land, dem Weltimperialismus entgegenzukommen und die Perspektive von internationaler Arbeiterrevolution abzulehnen.
In ihrem vergeblichen Streben nach friedlicher Koexistenz mit dem Weltimperialismus unterminieren die Stalinisten mit ihrer Missherrschaft selbst die Verteidigung des chinesischen Arbeiterstaates. Die offiziellen Erklärungen Beijings, die die Ausschreitungen in Tibet verurteilten, schrieben allein dem Dalai Lama die Schuld zu; über die Rolle der Imperialisten schwiegen sie. Doch wie der Gastkommentar eines gewissen Patrick French, eines ehemaligen Leiters der Free Tibet Campaign in London, in der New York Times (22. März) feststellte: Die in Washington beheimatete Internationale Kampagne für Tibet ist inzwischen eine mächtigere und effektivere Kraft zur weltweiten Meinungsbildung als die Dalai-Lama-Leute in Nordindien. Weiter betonte dieser Unterstützer von Freiheit für Tibet, dass die europäischen und amerikanischen Pro-Tibet-Organisationen der Schwanz sind, der mit dem Hund der tibetischen Exilregierung wedelt. Er fügte auch hinzu, dass er nach dem Durchforsten der Archive in Dharamsala feststellte, dass es keinen Beweis gab für die Behauptung seiner eigenen und anderer Freiheit-für-Tibet-Gruppen, seit dem Einmarsch der Chinesen in Tibet 1950 seien 1,2 Millionen Tibeter getötet worden.
Gleichzeitig bedeutete der chinesische Stalinismus Nationalismus und Han-Chauvinismus. Während der fehlbenannten Großen Proletarischen Kulturrevolution, die Mitte der 60er-Jahre begann, als Mao Millionen studentischer Jugendlicher mobilisierte, um in einem innerbürokratischen Fraktionskampf seine Position zu stärken, hatte Mao rabiaten Groß-Han-Chauvinismus gegen die Tibeter eingesetzt. Die tibetische Sprache und Tracht wurden geächtet. Ein Großteil von dem, was zum Kern der tibetischen Kultur gehört hatte, wurde einfach zerschlagen und zerstört, auch wenn dies den positiven Nebeneffekt hatte, Mönche dazu zu zwingen, tatsächlich arbeiten zu gehen.
Nach Maos Tod hob Deng Xiaoping die Einschränkungen gegen die tibetische Sprache, Kleidung und Haartracht auf. Gleichzeitig wurden Klöster wieder aufgebaut und renoviert, die müßiggängerischen Mönche kamen in Scharen zurück, Ende der 90er-Jahre waren es wieder
40-50 000. Inzwischen haben die Marktreformen, die unter Deng eingeführt wurden, die Han-Privilegien in diesem Gebiet verstärkt. Die realen Errungenschaften der tibetischen Massen aus der Chinesischen Revolution von 1949 existieren Seite an Seite mit anhaltender Ungleichheit.
Mehr als 92 Prozent der Bevölkerung Chinas gehören zu den Han. Es ist für das chinesische Proletariat lebenswichtig, den Han-Chauvinismus der stalinistischen Bürokratie zu bekämpfen und sich jeglicher Diskriminierung der Tibeter, der muslimischen Uiguren von Xinjiang und anderer nationaler und ethnischer Minderheiten zu widersetzen. Notwendig ist ein Kampf, der die stalinistische bürokratische Herrschaft in China hinwegfegt und sie durch eine Regierung auf der Grundlage von Arbeiterdemokratie ersetzt, in Form von Arbeiter- und Bauernräten und verwurzelt in marxistischem Internationalismus. Dies wäre eine politische Arbeiterrevolution, keine soziale. Ihre Grundlage wäre die Verteidigung des deformierten chinesischen Arbeiterstaates und der Kampf für eine internationale sozialistische Revolution. Entscheidend zur Verwirklichung dieser Perspektive ist die Schmiedung einer trotzkistischen Partei in China. Das Schicksal des tibetischen Volkes ist untrennbar verbunden mit dem Kampf für proletarisch-politische Revolution in China und sozialistische Revolution in den kapitalistischen Ländern vom indischen Subkontinent und Japan bis in die USA und andere imperialistische Zentren.
1959, nach dem fehlgeschlagenen tibetischen Aufstand, schrieb James Robertson, ein führendes Gründungsmitglied unserer internationalen Tendenz und nationaler Vorsitzender der Spartacist League/U.S., ein Flugblatt, das im Young Socialist (Juni 1959) abgedruckt wurde, der Zeitung des Young Socialist Club, Vorläufer der Jugendgruppe der damals trotzkistischen Socialist Workers Party (SWP). Robertson war ehemaliges Mitglied einer Organisation von Shachtman-Anhängern, die gegenüber der Sowjetunion eine Position des dritten Lagers einnahm (das heißt, sie verteidigte die UdSSR nicht). Als glühender Kommunist wurde er zum Trotzkismus gewonnen und trat der SWP bei. Das Flugblatt mit dem Titel The Tibetan Brigade: Crocodile Tears Stain the Monkscloth [Die tibetische Brigade: Krokodilstränen beflecken das Mönchsgewand], herausgegeben vom Eugene V. Debs Club von Berkeley, war seine erste Erklärung im Sinne einer trotzkistischen Position der Verteidigung der Sowjetunion. Darin machte er klar:
Die wirkliche Alternative für Tibet, sollte es sich der chinesischen Kontrolle entledigen, ist nicht unabhängige nationale Einheit, sondern erbärmliche Abhängigkeit von amerikanischen Waffen, Geld und Beratern
Der Sieg der chinesischen kommunistischen Regierung ist eindeutig die fortschrittliche Alternative in der gegenwärtigen Auseinandersetzung. Das anzuerkennen bedeutet jedoch nicht, dieses Regime zu beschönigen. Dennoch ist es selbst in seiner verzerrten Form Teil großer und positiver Veränderungen auf dem asiatischen Festland, Veränderungen, die letztendlich den Maoisten selbst zum Verhängnis werden. Gerade wegen dieser Errungenschaften wird das Regime gestürzt werden von den Volksmassen, die ihr eigenes Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen ohne das Eingreifen einer privilegierten Elite. Das ist die Zukunft; die tibetischen Mönchsherrscher sind die Vergangenheit.
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