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Spartakist Nummer 171 |
Mai 2008 |
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Im Interview mit POCC Block Report Radio und Fred Hampton jr.: Mumia zur Gerichtsentscheidung Am 7. April 2008 interviewte POCC Block Report Radio und Fred Hampton jr. Mumia Abu-Jamal für die Sendung Flashpoints. Folgender Text ist die korrigierte Übersetzung einer Abschrift des Interviews, den O-Ton des Interviews kann man unter http://flashpoints.net/index.html#2008-04-07 hören.
Anmoderation: Montag, 7. April 2008 Heute auf Flashpoints: Der politische Gefangene im Todestrakt und Journalist Mumia Abu-Jamal spricht heute in seinen eigenen Worten über den Stand seines Falls, zum ersten Mal seit der neuesten Gerichtsentscheidung des Dritten Bundesberufungsgerichts, das vor kurzem seine Berufung ablehnte.
Minister für Information JR: Heute sprechen wir mit einem seit 26 Jahren inhaftierten politischen Gefangenen, Mumia Abu-Jamal, über seine Reaktion auf die Ablehnung eines Verfahrens seitens des Dritten Bundesberufungsgerichts. Das ist das erste Interview über die Situation, seitdem dies passierte.
Um anzufangen, Mumia, wir haben vor kurzem mit der Entscheidung des Dritten Bundesberufungsgerichts einen Rückschlag erlitten. Was ist deine Antwort und wie sieht die Situation zu diesem Zeitpunkt aus?
Mumia: Ich habe über die Jahre gelernt, mündliche Anhörungen mit einem gewissen Maß an Skepsis zu betrachten. Das jetzt hat diese Meinung nur verstärkt. Vor Jahren, vor vielen Jahren, 1987 vielleicht, als wir vor dem Obersten Gericht von Pennsylvania standen, kamen einige meiner damaligen Anwälte nach der mündlichen Anhörung auf mich zu und waren überschwänglich, weißt du, denn sie hörten, wie wütend die Richter auf das Büro der Staatsanwaltschaft von Philadelphia waren, und sie hörten die Fragen und hörten die Antworten und sagten so was wie: Ah, ah, das ist großartig, Mumia!
Das war zu einem frühen Zeitpunkt, aber ich habe mir meine Skepsis bewahrt. Man lernt das nach vielen Jahren im Gefängnis und nach vielen Jahren in der Politik, besonders in der schwarzen revolutionären Politik. Das hier war wirklich noch mehr davon.
Ein Reporter, der den Fall beobachtete, nannte es die Mumia-Ausnahme. Doch Tatsache ist, es ist nicht die Mumia-Ausnahme, es ist die Mumia-Regel, weil es vorher schon passiert ist, also sollten wir nicht überrascht sein.
JR: Ich weiß, es gibt einige Hörer, die das einen Sieg nennen. Kannst du erklären, wieso das kein Sieg ist, sondern ein Rückschlag?
Mumia: Wenn es ein Sieg war, dann war es ein winzig kleiner Sieg, aber kein Sieg. Wenn man sich anschaut, was das Gericht sagte und was es tat was es machte, war, neue Regeln zu schaffen , dann ist das kein Sieg. Das ist wieder die Mumia-Regel. Es ist dasselbe, was das Oberste Gericht von Pennsylvania tat. Für diejenigen, die Rechtsfälle kennen und sie gelesen haben, gibt es einen Fall namens Commonwealth vs. Baker. Er wurde 1986 entschieden. Ich weiß, dass es das Internet gibt, also sind Leute in der Lage, viel mehr auf eine Art und Weise zu recherchieren, die vor vielen Jahren viel schwieriger war. Wenn man also bei Commonwealth vs. Baker nachschaut, was vom Obersten Gericht in Pennsylvania 1986 entschieden wurde, und man die Argumente liest, die ihn [Baker] dem Todestrakt entkommen ließen, und dann die Argumente liest, die vom selben Staatsanwalt vor demselben Richter im selben Gericht, wenn nicht gar im selben Raum, gemacht wurden, und dann sieht, wie das Oberste Gericht von Pennsylvania eine neue Regel für Abu-Jamal schuf und dann die alte Regel ein paar Jahre später wieder einführte. Also hat man jetzt wieder die neue Regel. Wenn ein Gericht neue Regeln und neues Recht erfinden muss, um etwas aufrechtzuerhalten, das vorher ungerecht war, dann ist das kein Sieg. Es ist kein Sieg. Doch wir kämpfen weiter.
Fred Hampton jr.: Ona MOVE! Freiheit für sie alle!
JR: Wie gehts, Fred jr.?
Fred Hampton jr.: Der gleiche Kampf, neue Runde, wieder einmal, wie immer ist es eine Inspiration, dich zu hören, Bruder.
Mumia: Danke. Ich habe dich vor ein paar Tagen auf PBS gesehen.
Fred Hampton jr.: Ach ja?
Mumia: Ja, wie du dich mit ein paar Jugendlichen im Bus unterhieltest.
Fred Hampton jr.: Ja, ich weiß genau, welche Sendung du meinst. Das stimmt. Weißt du, wir versuchen, das Ganze auf jede mögliche Weise bekannt zu machen.
JR: Genau das hast du gesagt.
Fred Hampton jr.: In der Tat, in der Tat! Klar, wir müssen immer weiter die Tatsache wiederholen, dass wir unsere Sache auf der Straße machen müssen, um das Ganze bekannt zu machen. Wir werden den Druck des Volkes brauchen, um die erwünschten Ergebnisse zu bekommen. Aber was denkst du? Welche Taktiken können wir ausnutzen oder welche Themen sollten wir anschneiden oder wirklich hervorheben, um in dieser Kampagne noch einen draufzulegen?
Mumia: Ich denke, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Viele Leute, selbst die, die sich für radikal und revolutionär halten, wurden für einen Moment im Schlaf erwischt. Entweder hörten oder lasen sie über die Anhörung oder waren dabei, und sie sagten: Hey, er hat was erreicht!
Lass mich dir bitte etwas erzählen, was mir ein Freund, der Anwalt ist, vor ein paar Tagen erzählte. Das Ganze fand in Pittsburgh statt, bei einer Konferenz, Diskussion mit einem sehr bekannten schwarzen Anwalt aus Alabama, der sich auf Kapitalverbrechen versteht. Sein Name ist Bryan Stevenson, und er sprach vor einer Gruppe, die generell gegen die Todesstrafe ist, aber auch Studenten und Jurastudenten und andere Leute. Und er hielt seine Rede, und sie kam sehr gut an, und am Schluss meldeten sich Leute und stellten Fragen. Na und jemand meldete sich und fragte, nun, und was ist mit Mumia? Und der Typ sagt, ach, macht euch keine Sorgen, der hat einen neuen Prozess. Und wie das Schicksal es so wollte, bekam jemand etwa fünf Minuten davor eine SMS, so gegen 11 Uhr am Morgen des 27. März, und in der SMS stand, was das Dritte Bundesberufungsgericht gemacht hatte. Dieser Typ ist als Experte anerkannt, nicht nur was Kapitalverbrechen angeht, sondern juristisch allgemein ist er ein berühmter Rechtsanwalt. Als er sich also über die Fälle und die Eingaben informiert hatte, war er sich sicher, aber wie du siehst, lag er falsch. Weil selbst Anwälte, die sehr schlau und sehr gut sind, nicht die Politik als Faktor in der Justiz mit einbeziehen. Sie beziehen Persönlichkeit nicht als Faktor in der Justiz mit ein, sie beziehen nicht die Macht des Gesetzes mit ein, sich selbst zu ändern wie ein Chamäleon. Und viele Menschen, die sehr gut informiert sind oder radikal oder sogar revolutionär, sagten für einen Augenblick, nur für einen Augenblick, das ist gut, weil das, was sie gelesen, gehört oder in der Anhörung gesehen haben, ihnen den Glauben gab, dass dies hier anders sein wird. Tja, wir haben das Gegenteil gelernt, nicht wahr? Also besinnen wir uns auf das Grundlegende zurück.
Ich werde den Leuten nicht sagen, was sie tun oder wie sie organisieren müssen. Sie wissen, wie das geht. Sie müssen auf ihre eigenen Instinkte vertrauen. Ich glaube an das Volk. Ich habe immer an das Volk geglaubt, seit ich ein junger Teenager war. Das Volk lässt dich nie hängen. Sie tun das Richtige, weil sie in ihrem Herzen wissen, was richtig ist. Und das schätze ich an ihnen.
Gerade gestern habe ich etwas darüber geschrieben, dass wir eine Geschichte haben, die wir manchmal vergessen. Eine Geschichte, dass die Gerichte auf der Seite der Unterdrückung sind, nicht auf der Seite der Freiheit, sondern auf der Seite der Versklavung. Das ist buchstäblich, worum es bei Dred Scott ging. Das ist, worum es bei Plessy vs. Ferguson ging, wenn du dir das anschaust.
Viele glauben immer noch, dass Brown vs. Board of Education alles veränderte. Na ja, es veränderte einiges für einige Leute. Wenn du gut gestellt bist und deine Eltern Anwalt oder Arzt oder Professor oder so etwas sind, dann gehts dir o.k. Zwar hast du noch immer Probleme, aber dir gehts o.k. Du hast die Mittel, dich um deine Familie zu kümmern und das zu tun, was du tun musst, um ein sehr gutes Leben zu führen, eines, das deine Eltern oder Großeltern sich nicht einmal vorstellen konnten. Aber wenn du in dieser Gesellschaft schwarz und arm bist, dann haben sich die Dinge nicht wirklich für dich verändert. Tatsächlich wurden sie in einiger Hinsicht schlechter. Ich meine, wir reden über Brown vs. Board of Education, 1955 oder 1953 entschieden, was die gesetzliche Rassentrennung in den Vereinigten Staaten beendete. Aber ich ging in den 60er-Jahren auf eine High School mit Rassentrennung; auch in meiner Grundschule und meiner Junior High School gab es Rassentrennung. Die einzig wirkliche Integration, die ich in meiner Schulzeit mitbekam, war auf einer Sommerschule oder an der Uni. Und dieselben Schulen, auf die ich als Jugendlicher ging, sind für Leute im Alter meiner Enkel oder für Teenager heute nicht so viel anders. Rassentrennung im Gesetz ist die eine Sache, Rassentrennung im wirklichen Leben ist eine andere. Also müssen wir uns auf das besinnen, was wir wissen, und dementsprechend handeln. Erinnert euch an das, was der ehrwürdige Frederick Douglas sagte: Macht gibt nie etwas her, wenn man es nicht einfordert.
Fred Hampton jr.: Das wurde von dir und anderen Kräften viele Male angesprochen. Möchtest du etwas darüber sagen, was der Fall Mumia Abu-Jamal darstellt und warum wir jeden Apparat von Rappern, wenn sie über dich in ihren Videos sprechen, bis hin zu bestimmten Medien in die Schranken gewiesen sehen, bis hin zu der Tatsache, dass der Gouverneur von Kalifornien Arnold Schwarzenegger, als er keine Gnade für Stanley Tookie Williams walten ließ, auf Seite fünf darauf verwies, dass Stanley Tookie Williams sich mit solchen Kräften identifiziert wie Feldmarschall George Jackson und auch Mumia Abu-Jamal? Was ist das? Ist das, was du repräsentierst, ein Symbol? Könntest du uns das sagen?
Mumia: Ich denke, dass ich für viele Leute, besonders für die im Establishment, so etwas wie ihren größten Albtraum darstelle. Für viele Menschen, die nicht wissen, die nicht in jener Zeit lebten
Stimme: Dieser Anruf ist von der staatlichen Haftanstalt in Green und unterliegt einer Überwachung und Aufnahme.
Mumia:
und die nichts über die Black Panther Party wissen und die Bewegung zur Befreiung der Schwarzen. Vielleicht wissen sie oberflächlich etwas über die Bürgerrechtsbewegung, sie mögen glauben, dass jetzt alles in Butter und ganz nett ist. Die Leute, die es durchleben, die wissen es, die wissen es besser, die wissen, dass das Leben eines Schwarzen im Ghetto oder eines Braunen im Barrio heute eine vollkommene Hölle ist. Sie kämpfen immer noch um ihre 40 Hektar und zwei Maultiere, weil sie gar nichts haben. Und darüber hinaus kriegen sie jetzt die Verachtung der schwarzen Bourgeoisie ab, die jetzt mit der Verachtung der politischen Klasse verheiratet ist. Doch was sie fürchten, ist schwarze
Stimme: Sie haben jetzt noch 60 Sekunden übrig.
Mumia:
was sie fürchten, ist das Wiederaufflammen der schwarzen Revolution, verstehst du, das ist der Grund, weshalb wir die jetzige Politik haben, die Politik des Nachgebens, wo sich schwarze Menschen für das entschuldigen, was ihnen die schwarzen Prediger in der Kirche sagen. Und das war eine der wenigen Stätten, wo Leute über Freiheit reden, wo sie der Macht die Wahrheit sagen konnten. Jetzt muss es politisch verwässert werden, so dass Leute, die nie in einer schwarzen Kirche waren, das Sagen haben werden
Stimme: Sie haben jetzt noch 30 Sekunden übrig.
Mumia:
dass das, was schwarze Leute zu hören bekommen, Wahnsinn ist. Ona MOVE!
Fred Hampton jr.: Ona MOVE! Freiheit für sie alle! Wenn ihr diesen Lärm da draußen in verschiedenen Sprachen hört, von Skandinavien bis Afrika, in der ganzen Welt, dieser Lärm soll ihnen klarmachen, dass die Leute da draußen sagen: Freiheit für Mumia Abu-Jamal! Freiheit für sie alle!
Mumia: Gebt ihnen meine Liebe und sagt ihnen Ona MOVE!
Fred Hampton jr.: Ona MOVE!
Mumia: Dank euch allen!
Fred Hampton jr.: Dank dir!
JR: Ihr habt gerade die Stimme des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal gehört, wie er das erste Mal öffentlich auf die Entscheidung des Dritten Bundesberufungsgerichts, ihm keinen Prozess zu geben, antwortete. Wir bitten unsere Hörer, in der Kampagne Freiheit für Mumia jetzt mitzumachen, weil eure Hilfe gebraucht wird, um diesen ehemaligen Black Panther aus den Fängen der Regierung der Vereinigten Staaten zu holen, die diesen Freiheitskämpfer und produktiven Journalisten töten will, den viele als die Stimme der Entrechteten kennen. Hier verabschieden sich der Minister für Information JR und der Vorsitzende Fred Hampton jr. auf POCC Block Report Radio.
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