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Spartakist Nummer 162

Frühjahr 2006

Man kann nicht nach den Regeln der Bosse gewinnen

Ver.di-Streik ins Aus geführt

Brecht mit SPD, PDS & WASG!

In Frankreich und Britannien stehen die Arbeiter vor ähnlichen Angriffen wie in Deutschland – in Frankreich die Abschaffung des Kündigungsschutzes für junge Leute, in Britannien die Erhöhung des Rentenalters. Daher sehen auch viele Arbeiter nach Frankreich, wo Jugendliche und Arbeiter massiv gegen die Einschränkung des Kündigungsschutzes mit Streiks in Betrieben und Besetzung der Unis kämpfen. Solche Angriffe sind auch hier von der CDU/SPD-Regierung vorgesehen. Es gibt auch erste gemeinsame Kämpfe wie zum Beispiel gegen das Port Package und die Bolkestein-Richtlinie in diesem Winter.

Seit fast zwei Monaten streiken Teile des öffentlichen Dienstes. Die von Ver.di-Bürokraten angewandte Taktik der Nadelstiche ist nichts anderes als die Demobilisierung der Teile der Arbeiterklasse, die soziale Macht haben wie den Müllarbeitern in Stuttgart. Der andere machtvolle Teil, der öffentliche Nahverkehr, wurde in diesem Streik nie mobilisiert. Trotz aller Nachgiebigkeit der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokratie kommt den Bossen die bisherige Klassenkollaboration zu teuer. Sie wollen ver.di in die Knie zwingen. Dies muss durch einen offensiven Kampf gegen die Seuche von Ausgliederungen und Privatisierungen verhindert werden. Die verräterischen Teilabschlüsse in Hamburg, Niedersachsen und den Kommunen in Baden-Württemberg sind das Gegenteil davon. Sie ermutigen die Bosse, weitergehende Forderungen zu stellen, und sie spalten die Belegschaften noch tiefer in Junge und Alte, mit und ohne Kinder, Frauen und Männer usw. bei dem Versuch, alle gegeneinander aufzuhetzen. Jetzt, wo die Beschäftigten der Länder, die relativ schlecht organisiert sind und wenig soziale Macht haben, allein gelassen wurden, wird ein künftiger Tarifvertrag hier nur eine weitere Öffnungsklausel für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst sein. Den kapitalistischen Regierungen von Beck, Möllring, Wowereit und Co. muss ein Strich durch die Rechnung gemacht werden. Es darf nicht sein, dass die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes die Zeche zahlen müssen für die runtergewirtschafteten Haushalte, während die Kapitalisten, wie die Berliner Bankgesellschaft, Subventionen ohne Ende erhalten! Keine Illusionen, dies ist der Staat der Kapitalisten und er kann nicht für die Interessen der Arbeiter „benutzt“ werden, wie Sozialdemokraten immer wieder weismachen wollen.

Die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes haben in den vergangenen Wochen bewiesen, dass sie bereit sind zu kämpfen. Die Ver.di-Bürokraten haben aber immer wieder diese Kampfkraft im Nichts verschwinden lassen, als zum Beispiel Streikbrecher in Freiburg, die den Müll abfuhren, nicht gestoppt wurden. Der Stuttgarter Ver.di-Vorsitzende und WASG-Landesvorsitzende Bernd Riexinger war zwar dabei, als die Müllarbeiter die Müllverbrennungsanlage mit einer Streikpostenkette dichtmachten und damit zum Teil den Streikbruch privater Betriebe verhindern konnten, aber auch dieser „Linke“ tat sich damit hervor, den Streik in „geordneten Bahnen“ zu halten, und ließ die Streikpostenketten aufmachen, gegen den Protest vieler Arbeiter. Diese Streikposten nahmen unser Flugblatt „Macht die Betriebe dicht durch Streikpostenketten!“ (siehe Seite 13) mit sehr viel Interesse auf.

Die Sympathie für den Streik, die viele Fahrer privater und nicht bestreikter öffentlicher Abfallunternehmen bei dieser Aktion zum Ausdruck brachten, zeigt, dass man diesen Kampf gewinnen konnte. Voraussetzung ist aber, dass ver.di einen Kampf für die Organisierung auch der privaten Müllbetriebe führt und dort, wie auch im öffentlichen Dienst, nach dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen durchsetzt und jeden Streikbruch effektiv verhindert. Dann läuft auch die Privatisierungsdrohung ins Leere. Auch gegen die schleichende Privatisierung und Auslagerung von Technik oder Reinigung in Krankenhäusern und anderen Betrieben, wodurch die Arbeiter in diesen Bereichen zu Ich-AGs gemacht werden und/oder es zu massiven Lohneinbußen und verschlechterten Arbeitsbedingungen kommt, muss der Kampf aufgenommen werden. Der immer weiteren Aufspaltung der Belegschaften muss das Prinzip „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft!“ entgegengestellt werden. Statt sich auf die Verteidigung der sowieso viel zu langen 38,5-Stundenwoche zu beschränken, ist die passende Antwort auf den Angriff der Regierungen der Kampf für die Reduzierung der Wochenarbeitszeit und für die Verteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich. Das aber ist unvereinbar mit der Politik der gegenwärtigen Gewerkschaftsführung von „Sozialpartnerschaft“, wo die Interessen der Arbeiter auf dem Altar der Klassenzusammenarbeit geopfert werden, die Möllring und Co. längst aufgegeben haben. Stattdessen ist harter Klassenkampf notwendig, der sich nicht an die Regeln der Regierung und der Bosse hält, sondern die Arbeiter in ihrem eigenen Interesse mobilisiert.

Ver.di-Boss Bsirske scheint sich aber jetzt die Ärzte und den Marburger Bund (MB) als Hauptfeind erkoren zu haben, denn er polemisiert ununterbrochen gegen die 30-Prozent-Forderung des MB. Das Hauptargument dabei ist immer, wenn die Ärzte 30 Prozent mehr bekommen, dann geht es auf Kosten der Krankenschwestern und des anderen Personals der Krankenhäuser. Nichts davon ist richtig, denn es akzeptiert den Rahmen, den die Regierungen, und hier insbesondere die sozialdemokratischen Sparminister, vorgeben. Worum es der CDU/SPD-Regierung wirklich geht, ist den deutschen Imperialismus fit zu machen, um als Konkurrent des US-Imperialismus auftreten zu können. Deshalb muss die Ausbeutung drastisch erhöht werden und die Gewerkschaften kaputt gemacht werden. Das einzige, was die Kapitalisten aufhalten kann, ist die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse. Unabhängig heißt, gegen die eigenen Kapitalisten und ihre Regierung. Eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung wird sich in den Kämpfen herausbilden mit Hilfe der Intervention einer revolutionären Arbeiterpartei, die aufzubauen wir Spartakisten uns verpflichtet haben.

Das ist entgegengesetzt zum Lamentieren von Lafontaine und seiner Linkspartei.PDS/WASG nach höheren Einkommenssteuern oder einer Erbschaftssteuer für die Reichen. Das ist nur ein Herumdoktern am niedergehenden Kapitalismus, der unfähig ist, die Bedürfnisse der Mehrzahl der Bevölkerung zu erfüllen und der zwangsläufig Massenarbeitslosigkeit, Armut und Krieg produziert. Dies ist eine sehr reiche Gesellschaft. Das kapitalistische Ausbeutersystem ist aber längst zur Bremse für die weitere Entwicklung geworden. Was gebraucht wird, ist eine international geplante Wirtschaft unter der Kontrolle von demokratisch gewählten Arbeiterräten. Das Haupthindernis dazu sind die sozialdemokratischen Irreführer, die die Arbeiterklasse an den Kapitalismus binden. Brecht mit SPD, PDS, WASG – für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

 

Spartakist Nr. 162

Spartakist Nr.162

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