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Spartacist (deutsche Ausgabe) Nummer 25

Frühjahr 2006

Briefwechsel mit Revolutionary History

Folgender Brief der Prometheus Research Library an die Zeitschrift Revolutionary History wurde in deren Ausgabe von 2005 (Bd. 9, Nr. 1) zusammen mit der unten ebenfalls abgedruckten Antwort veröffentlicht. Die PRL ist zentrales Archiv und Bibliothek der Spartacist League/U.S. Unsere Rezension von Dog Days erschien in Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 23, Frühjahr 2003.

10. Februar 2005

An die Redaktion:

In seiner Rezension unseres Buchs Dog Days: James P. Cannon vs. Max Shachtman in the Communist League of America, 19311933 [Hundstage: James P. Cannon vs. Max Shachtman in der Communist League of America, 1931–1933], beschuldigte uns Al Richardson, „die altbekannte Lüge“ zu wiederholen, dass es James P. Cannon und Maurice Spector gewesen seien, die 1928 zwei der drei Teile von Trotzkis Kritik am Programmentwurf der Kommunistischen Internationale aus der Sowjetunion hinausgeschmuggelt hatten. Richardson (Revolutionary History, Bd. 8, Nr. 4, 2004) bestand stattdessen auf seiner Meinung: „Es ist allgemein bekannt, dass es George Weston war“, der das Teildokument hinausgeschmuggelt habe, das während des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale 1928 in durchnummerierten Kopien an Mitglieder der Programm-Kommission (unter ihnen Cannon und Spector) ausgehändigt worden war.

Tatsächlich hatten wir in unserer Einleitung zu Dog Days geschrieben: „Sie [Cannon und Spector] entschlossen sich, für Trotzkis Ansichten zu kämpfen, und schmuggelten die Teilausgabe von Trotzkis Kritik aus Moskau raus.“ Indem Richardson uns beschuldigt, eine „altbekannte Lüge“ vorzubringen, verschärft er qualitativ eine Beschwerde, die er schon bei der Rezension unseres früheren Buchs James P. Cannon and the Early Years of American Communism [James P. Cannon und die Anfänge des amerikanischen Kommunismus] vorgebracht hatte: „Die Redakteure wollen immer noch nicht die Tatsache akzeptieren, dass besagte Kritik nicht durch Cannon, sondern durch George Weston (Seite 64) aus Moskau hinausgeschmuggelt wurde, obwohl dies durch Harry Wicks’ kürzlich erschienene Memoiren (Keeping My Head [Nicht den Kopf verlieren], Seite 158) vollkommen bestätigt wird“ (Revolutionary History, Bd. 5, Nr. 1, Herbst 1993).

In Keeping My Head (Socialist Platform Ltd, London, 1992) beschrieb Wicks George Weston als ein Mitglied der frühen britischen KP, der damit beauftragt war, bei der Internationalen Roten Hilfe in Moskau zu arbeiten, wo er 1928 mit seiner Frau lebte. An anderer Stelle wurde Weston als Ire beschrieben (siehe Revolutionary History, Bd. 6, Nr. 2/3, Sommer 1996). Wicks war ebenfalls in den späten 20erJahren in Moskau, wo er die Lenin-Schule besuchte. In seinen Memoiren, die bei seinem Tod 1989 unvollendet geblieben waren, beschrieb er seine damaligen Erfahrungen. Wicks kannte die Westons und berichtete, dass Weston ein Unterstützer Trotzkis war, noch bevor Cannon anlässlich des VI. KI-Kongresses in Moskau ankam. Wicks erzählt:

„Als ich Anfang der 70er-Jahre Westons Witwe bei Tamara Deutscher traf (es gab auch ein Tonbandgerät, das ein Genosse namens Ken Tarbuck mitgebracht hatte), diskutierten wir über unsere Moskauer Jahre. Bei meinem ersten Treffen mit den Westons hatten sie bereits eine Tochter, und während ich noch in Moskau war, wurde ihr Sohn Wladimir geboren. Da Westons Aufgabe mit jenem Weltkongress endete, kehrten er und seine Familie etwa zu dieser Zeit nach Britannien zurück. Mrs. Weston erinnert sich, dass diese Kritik in Wladimirs Teddybär verborgen war. So erreichte sie die Fischer-Urbahns-Gruppe in Berlin. Ich weiß nicht, ob Weston das Exemplar von Cannon hatte oder von jemand anderem.“

Wicks behauptete nicht, aus erster Hand zu wissen, wie das Dokument aus Moskau hinausgeschmuggelt worden war. Sein Bericht gibt aus zweiter Hand Mrs. Westons Erinnerung wieder, und das viele Jahre später. Er wusste nicht, ob Weston das Dokument für Fischer-Urbahns (Unterstützer von Sinowjew) oder für Cannon geschmuggelt hatte. Im Gegensatz zu Richardsons Andeutungen ist das nun nicht gerade ein definitiver Beweis.

In seinem Beitrag zu dem Buch James P. Cannon as We Knew Him [James P. Cannon, wie wir ihn kannten] (Pathfinder Press, New York, 1976) erzählte auch Sam Gordon — ein Mitglied der frühen Communist League of America, der enge persönliche Beziehungen zu Cannon hatte und nach dem Zweiten Weltkrieg in Britannien lebte — die Geschichte von dem Dokument, das im Teddybär von Westons Sohn aus der UdSSR hinausgeschmuggelt worden war. Gordon schrieb, dass er die Geschichte von Wicks und Mrs. Weston gehört hatte.

Max Shachtman, der 1928 einer der engsten persönlichen und politischen Mitarbeiter Cannons gewesen war, erzählte 1963 beim Interview für ein Projekt der Columbia University [Oral History project — Projekt für mündlich überlieferte Geschichte], dass Cannon und Spector einem australischen Delegierten eine Kopie des Dokuments gestohlen hätten, und Spector selber habe es in seinem Gepäck hinausgeschmuggelt (Seite 153 f.). Ebenso wie die Version von Wicks ist auch dies eine Geschichte aus zweiter Hand, erst viele Jahre später berichtet. Selbst in seinen späteren Jahren hat Cannon selber niemals öffentlich über das Thema gesprochen oder geschrieben. All das veranlasste uns dazu, in der Einleitung zu James P. Cannon and the Early Years of American Communism zu schreiben: „Es ist unklar, wie es Cannon und Spector schafften, eine Kopie aus der Sowjetunion herauszubekommen.“

Auf welche Weise das Dokument tatsächlich aus der UdSSR hinausgelangte, ist hier auch kaum der springende Punkt. Cannon und Spector, erfahrene Führer zweier Komintern-Sektionen, verstanden, welch zentrale Bedeutung Trotzkis Dokument hatte. Sie beschlossen, Trotzkis Kampf auch zu ihrem Kampf zu machen, und sorgten dafür, Trotzkis Kritik — in der Tat das Gründungsdokument des Welttrotzkismus — aus dem Land zu schaffen. In dem Glauben, es sei die vollständige Version, veröffentlichte die Communist League of America das Teildokument, zuerst als Serie im Militant und dann 1929 als Broschüre. Als die CLA ein Exemplar des Mittelteils „Strategie und Taktik in der imperialistischen Epoche“ in die Hände bekam, wurde dieser Teil 1930 separat als „The Strategy of World Revolution“ [Die Strategie der Weltrevolution] veröffentlicht. Das vollständige Dokument wurde 1936 von den amerikanischen Trotzkisten in einer neuen und besseren Übersetzung als Die Dritte Internationale nach Lenin veröffentlicht. Nach Louis Sinclairs maßgeblicher Bibliografie der Schriften Trotzkis wurde in Britannien erst 1954 eine Version von Trotzkis Kritik veröffentlicht.

Richardson selbst hatte früher schon mal zugegeben, dass Cannon bei dem Schmuggel eine Rolle spielte. In Against the Stream, A History of the Trotskyist Movement in Britain 1924–38 [Gegen den Strom — Eine Geschichte der trotzkistischen Bewegung in Britannien 192438] (Socialist Platform Ltd, London, 1986) schrieben Richardson und sein Mitverfasser Sam Bornstein, dass die Kritik „durch Weston und Cannon aus dem Land geschmuggelt und in den Vereinigten Staaten Anfang des darauf folgenden Jahres veröffentlicht“ wurde (Seite 37). Warum beharrt dann Richardson fast 20 Jahre später darauf, dass die Aussage, Cannon habe beim Hinausschmuggeln des Dokuments aus der UdSSR eine Rolle gespielt, die Verbreitung einer „altbekannten Lüge“ sei? Vielleicht soll diese Verleumdung seiner These dienen, harte kommunistische Kader wie Cannon seien nur Handlanger von Sinowjew gewesen. Richardson zufolge waren die echten Trotzkisten diejenigen, die schnell von der Linken Opposition abfielen: Ludwig Lore, der nicht nur Trotzki, sondern auch Paul Levi und Serrati verteidigte; Boris Souvarine, den Trotzki als kleinbürgerlichen Dilettanten verurteilte; Kurt Landau, der persönliche Bindungen und organisatorische Positionen über das Programm stellte; und Alfred Rosmer, der sich von seiner Veranlagung her als unfähig erwies, die internen politischen Kämpfe zu führen, die notwendig sind, um eine internationale trotzkistische Organisation zu schmieden. Es war das Vorrecht von Richardson (wie von jedem Kritiker), unser Buch nicht zu mögen. Er missbrauchte dieses Vorrecht, um uns fälschlicherweise der Lüge zu bezichtigen.

Emily Turnbull, James Robertson
für die Prometheus Research Library

cc: Spartacist, theoretische Zeitschrift der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)

Spartacist League/Britain

Antwort der RH-Redaktion:

Der verstorbene Genosse Richardson kann nicht mehr für sich selbst sprechen. Soweit es der Redaktion von Revolutionary History bekannt ist, sind alle nicht endgültig schlüssigen Beweise, wie die Kritik aus der UdSSR hinausgeschmuggelt wurde, in dem obigen Brief der Wahrheit entsprechend dargestellt. Falls irgendjemand noch weitere Informationen über diese Angelegenheit hat, würden wir diese gern veröffentlichen.

Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr. 25

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