|
|
Spartakist Nummer 223 |
Herbst 2019 |
|
|
Verteidigt China! Imperialisten: Hände weg!
Hongkong: Nein zu konterrevolutionärer Randale!
Enteignet die Tycoons!
2. September – Seit drei Monaten randaliert ein antikommunistischer Mob in Hongkong. Die Randalierer blockieren Straßen und bringen den öffentlichen Nahverkehr zum Erliegen, verprügeln Opponenten und Festlandchinesen und bombardieren die Polizei mit Steinen und Molotow-Cocktails. Demonstranten präsentieren massenhaft in Umlauf gebrachte Plakate mit der Aufforderung „Präsident Trump: Bitte befreie Hongkong“, singen dabei die US-Nationalhymne und schwenken amerikanische Flaggen. Demonstranten gegen China haben das Gebäude des Legislativrats verwüstet und die britische Flagge gehisst, sie forderten die Rückkehr von Hongkongs ehemaligem Kolonialherrn. Demonstranten rufen ganz offen nach einer imperialistischen Intervention mit dem Ziel, Chinas Kontrolle über seine kapitalistische Enklave Hongkong zu beenden.
Das Außenministerium der USA erklärte ebenso wie das von Britannien und Kanada wiederholt seine Unterstützung für die konterrevolutionären Proteste. Nancy Pelosi von der Demokratischen Partei und Führerin des US-Kongresses forderte gemeinsam mit einer Reihe von Republikanern eine US-Intervention und drängte auf Strafmaßnahmen gegen Beijing. Die US-Herrscher finanzieren und beraten die Demonstranten und leisten Organisationshilfe, alles im Rahmen ihres strategischen Ziels, die Revolution von 1949 rückgängig zu machen und China in kapitalistische Versklavung zurückzuführen – mit den US-Kapitalisten als obersten Räuberbaronen.
China ist kein kapitalistisches Land, sondern ein Arbeiterstaat. Doch der Arbeiterstaat ist seit seiner Entstehung deformiert durch die Herrschaft einer parasitären Bürokratenkaste, die die Arbeiterklasse politisch unterdrückt. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) verfolgt seit ihrer Machtübernahme durch einen auf die Bauernschaft gestützten Guerillakrieg das stalinistische Dogma vom „Sozialismus in einem Land“ und, damit einhergehend, der „friedlichen Koexistenz“ mit dem Imperialismus. Das KPCh-Regime ist seit Mao Zedongs Zeiten bis heute Gegner des revolutionären internationalistischen Programms des Marxismus. Doch trotz bürokratischer Misswirtschaft und Korruption brachte der Sturz des Kapitalismus historische soziale Fortschritte. Zwar führten vier Jahrzehnte von „Marktreformen“ zu umfangreichen ausländischen Investitionen und dem Auftauchen einzelner Kapitalisten auf dem Festland, doch die Wirtschaft wird weiterhin von Beijing kontrolliert und die wichtigsten Sektoren sind kollektiviert und im Staatsbesitz.
Heute stehen wir in Hongkong militärisch auf der Seite der Streitkräfte des chinesischen deformierten Arbeiterstaats, einschließlich der Polizei, gegen die antikommunistischen Mobilisierungen. Diese Position entspringt unserer bedingungslosen militärischen Verteidigung Chinas gegen Imperialismus und innere Konterrevolution. Eine solche Verteidigung impliziert nicht die geringste politische Unterstützung für die Beijinger Bürokratie, die unter der Rubrik „ein Land, zwei Systeme“ den Kapitalismus in Hongkong stützt und eine gehörige Portion an Verantwortung für die gegenwärtige Krise trägt. Das Ziel von uns Trotzkisten ist, der Arbeiterklasse ihre historische Aufgabe, eine sozialistische Zukunft zu schaffen, bewusst zu machen: Unsere Perspektive ist die Mobilisierung der Werktätigen Hongkongs und Festlandchinas, um die konterrevolutionären Kräfte zu stoppen.
Als 1997 die britischen Imperialisten ihre Hongkonger Kolonie aufgaben, schloss sich die Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten) dem Jubel an. Gleichzeitig warnten wir, dass das Versprechen der KPCh, den Kapitalismus dort aufrechtzuerhalten, wie ein Damoklesschwert über dem chinesischen Arbeiterstaat hing (siehe „British Colonialist Rulers Leave, Finally – Beijing Stalinists Embrace Hong Kong Financiers“ [Britische Kolonialherren gehen, endlich – Beijinger Stalinisten begrüßen Hongkonger Finanziers], WV Nr. 671, 11. Juli 1997). 1984 versprach der chinesische Führer Deng Xiaoping der britischen Premierministerin Margaret Thatcher ausdrücklich, „System und Lebensweise des Kapitalismus wie bisher“ unverändert beizubehalten.
Seit 1997 ist Hongkong als kapitalistische Sonderverwaltungszone in die Volksrepublik China eingegliedert, und jeder entscheidende Aspekt der Regierung wird von Beijing kontrolliert. Dies garantiert die in der Enklave stationierte Volksbefreiungsarmee (VBA). Hongkongs Grundgesetz wurde von Chinas Nationalem Volkskongress festgelegt, und die obersten Verwaltungsbeamten des Gebiets werden von der Zentralregierung in Beijing ernannt. Die Mitglieder des obersten Gerichtshofs wiederum ernennt der von Beijing anerkannte Regierungschef. Die KPCh hat selbst direkt die Verantwortung dafür übernommen, den Kapitalismus in Hongkong beizubehalten, wo die Kapitalistenklasse mit ihren eigenen Parteien, Zeitungen und anderen Medien politisch organisiert ist. Beijings Politik fördert Hongkong als Brutstätte für Konterrevolution und als Stützpunkt für imperialistische Spionage und Machenschaften. Es ist ein massiver Verrat der KPCh an den Werktätigen dort und auf dem Festland selbst, die Interessen der Hongkonger Bourgeoisie gegen jene zu verteidigen, die sie ausbeutet und unterdrückt. Wir sagen: Enteignet die Tycoons!
Der Kampf gegen die stinkreichen Kapitalisten in Hongkong ist unmittelbar verbunden mit dem Kampf des Proletariats in ganz China gegen Korruption und Ungleichheit, die von der stalinistischen Bürokratie genährt werden. Die Bürokratie fungiert als Transmissionsriemen für den Druck des kapitalistischen Weltmarkts auf den Arbeiterstaat. Notwendig ist eine proletarisch-politische Revolution, die die stalinistische Bürokratie hinwegfegt und Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten die Macht in die Hand gibt. Basis einer solchen Regierung wäre eine Perspektive für internationale proletarische Revolution, sie würde Vorarbeit für die Beseitigung des Mangels in einer weltweiten sozialistischen Ordnung leisten.
Imperialistische Machenschaften
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing, sagt das Sprichwort. Die National Endowment for Democracy (NED [Nationale Stiftung für Demokratie]) der US-Regierung hat Millionen von Dollar in Organisationen gepumpt, die hinter den Protesten stecken, von Hong Kong Human Rights Monitor und den Parteien des „pandemokratischen“ Lagers bis zur Hong Kong Confederation of Trade Unions [Gewerkschaftskonföderation], Ableger der antikommunistischen International Trade Union Confederation. Solche Organisationen sind die Hauptbestandteile der Civil Human Rights Front, Hauptorganisatorin der gegenwärtigen Proteste. Joshua Wong, Aushängeschild der Anti-China-Proteste in den westlichen Medien, ist ebenfalls mit der NED verbunden.
Wie der Journalist Dan Cohen in einem nützlichen Überblick in Grayzone (17. August) beschreibt, ist der Hongkonger Tycoon Jimmy Lai eine feste Schlüsselfigur (und ein Geldgeber) der Proteste. Der als Rupert Murdoch Asiens bekannte Lai errichtete mit Skandalgeschichten, Prominentenklatsch, Antikommunismus und chinafeindlichem Fanatismus ein Medienimperium. Seine Presse ist berüchtigt für eine chauvinistische Kampagne gegen „Ankerkinder“ aus Festlandchina, in der die Festlandbewohner als Heuschreckenschwarm dargestellt werden, der einfällt, um Hongkongs Ressourcen zu verschlingen. Im Juli reiste Lai in die USA zu Treffen unter anderem mit dem Nationalen Sicherheitsberater John Bolton, Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo, um weitere US-Unterstützung für den „Widerstand“ gegen Beijing zu erbitten. Später erklärte er: „Wir in Hongkong kämpfen für die gemeinsamen Werte mit den USA gegen China. Wir kämpfen ihren Krieg im Lager des Feindes“ (CNN, 28. August).
Die USA und andere imperialistische Mächte verfolgen eine mehrgleisige Strategie für kapitalistische Konterrevolution in China. Ein Ansatz ist die Finanzierung und Förderung reaktionärer Mobilisierungen wie der Hongkonger Proteste. Washington versucht auch, seine wirtschaftliche Macht als Rammbock zu benutzen, wie im gegenwärtigen Zollkrieg, durch den die Trump-Regierung, mit festem Rückhalt seitens der Demokraten, darauf abzielt, Chinas wirtschaftliche und technologische Entwicklung zu vereiteln (siehe „U.S. Imperialists Ramp Up Trade/Tech War“ [US-Imperialisten intensivieren Handels-/Technologiekrieg], WV Nr. 1 157, 21. Juni). Gleichzeitig verstärken die USA den militärischen Druck auf China, halten regelmäßig Militärübungen nahe der chinesischen Küste ab, überfliegen das Südchinesische Meer mit Bombern und schicken immer wieder Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße. Diese Schachzüge sind alle Teil einer Strategie militärischer Einkreisung Chinas durch die USA und ihre Verbündeten.
Das US-Außenministerium entsprach jüngst Taiwans Bitte, Panzer und Raketen im Wert von 2,2 Milliarden Dollar und moderne Kampfjets im Wert von 8 Milliarden Dollar zu kaufen. Seit der Revolution von 1949, als das chinesische kapitalistische Regime nach Taiwan floh, und dem Ausbruch des Koreakriegs im Jahr darauf, betrachten die USA die Insel als ihren „unsinkbaren Flugzeugträger“, als Frontlinie in einem zukünftigen Krieg. Die IKL tritt für die revolutionäre Wiedervereinigung Taiwans mit China ein, durch eine soziale Revolution zum Sturz des Kapitalismus in Taiwan und eine proletarisch-politische Revolution gegen die KPCh-Bürokratie auf dem Festland.
Als Revolutionäre im Inneren der vorherrschenden imperialistischen Weltmacht hat sich die Spartacist League/U.S. der Schmiedung einer leninistischen Avantgardepartei verschrieben, die die multirassische amerikanische Arbeiterklasse führen kann im Kampf für eine Arbeiterregierung, die die kapitalistischen Ausbeuter enteignet. Entscheidend für diese Perspektive ist, die fortgeschrittensten Schichten des Proletariats dafür zu gewinnen, den Machenschaften ihrer Herrscher rund um die Welt entgegenzutreten, nicht zuletzt denen, die sich gegen den deformierten Arbeiterstaat China richten. Arbeiter können keine neuen Errungenschaften erreichen, ohne die bereits gewonnenen zu verteidigen!
„Ein Land, zwei Systeme“:
Gefahr für die Chinesische Revolution
Um ihre gegenwärtige Protestwelle gegen China zu lancieren, machten sich deren Organisatoren im späten Frühjahr die Vorlage eines Auslieferungsgesetzes zu Nutze, die im Hongkonger Legislativrat verhandelt wurde, und behaupteten, dies würde die Autonomie des Gebiets untergraben. Sowas hätte das vorgeschlagene Gesetz überhaupt nicht getan. Die Maßnahme, die im Juni ausgesetzt wurde, hätte einfach nur ein Auslieferungsverfahren etabliert – nicht nur zwischen Hongkong und dem Rest Chinas, sondern auch zwischen Hongkong und jedem anderen Land auf der Welt, mit dem nicht bereits eine solche Vereinbarung bestand. Das Gesetz behandelte Festlandchina als Ausland und passte so völlig in den von der KPCh vorgegebenen Rahmen, eine eigene kapitalistische Verwaltung in Hongkong aufrechtzuerhalten. Die IKL hat zu dieser Gesetzesvorlage keine Position, da wir der Beijinger Bürokratie keine Ratschläge erteilen, wie sie den Kapitalismus in Hongkong am besten verwalten sollte, denn wir sind dagegen, dass es als kapitalistische Enklave fortbesteht.
Die Hongkonger Demonstranten und ihre PR-Berater in den bürgerlichen Medien schrien Zeter und Mordio über angebliche Polizeigewalt. Von der New York Times und ihresgleichen ist dies reine Heuchelei. In Wirklichkeit war die Hongkonger Polizei äußerst zurückhaltend und konzentrierte sich auf Eindämmung und Zerstreuung der Proteste, nicht darauf, sie zu stoppen. Vergleicht ihr Verhalten mit dem brutalen Belagerungszustand, den die Bullen über Ferguson, Missouri, verhängten, nachdem wegen des rassistischen Polizeimords an Michael Brown 2014 Proteste ausgebrochen waren!
Die Zurückhaltung der Polizei in Hongkong ist Ausdruck der Politik der KPCh-Bürokratie. Die Organisatoren der Proteste wollen den Sturz des chinesischen deformierten Arbeiterstaats. Doch Beijing ist sehr bemüht, die formelle Autonomie Hongkongs zu respektieren, die in ihrem „Ein Land, zwei Systeme“-Vertrag mit den Kapitalisten der Enklave und deren imperialistischen Herren festgelegt ist. Aber die Zugeständnisse der KPCh-Bürokraten haben die Demonstranten nur noch weiter ermutigt, anstatt sie zu beschwichtigen.
Die Hongkonger Bourgeoisie ist über die Proteste geteilter Meinung. Während Jimmy Lai und seinesgleichen die Mobilisierungen unverhohlen unterstützen, haben Li Ka-shing, der reichste Mann in Hongkong, und auch einige Immobilien-Tycoons und Bankenvertreter kürzlich zur Ruhe aufgerufen. Sie sorgen sich, dass das Chaos um die Proteste das Geschäft schädigen könnte. Allgemeiner betrachtet, warnen einige bürgerliche Finanzanalysten davor, dass ein Eingreifen der VBA – oder der auf der anderen Seite der Grenze in Shenzhen stationierten Bewaffneten Volkspolizei –, um die Unruhen zu stoppen, Hongkongs Wirtschaft Kapitalflucht und anderen Schaden bescheren würde.
Hongkong unter den Tycoons hat sich seinen Ruf als Angestellten-Sweatshop wohlverdient, Büroangestellte schuften regelmäßig 12 Stunden am Tag für 8 Stunden Bezahlung. Mit dem Segen der KPCh hat ein Grundstücksspekulationsrausch die Mieten dermaßen in die Höhe getrieben, dass arbeitende Erwachsene nicht in der Lage sind, aus ihrem Elternhaus auszuziehen, und sich oft winzige Räume mit mehreren Menschen teilen. In einer der teuersten Städte der Welt voller Designerläden und Luxushotels lebt ein Fünftel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. „Immigranten“ vom Festland bilden einen der unterdrücktesten Sektoren der Bevölkerung, und das Elend der Hunderttausenden Hausangestellten in Hongkong, überwiegend von den Philippinen und aus Indonesien, beleuchtet besonders grell die Klassenspaltung in der Enklave. Derweil nutzen korrupte KPCh-Bürokraten und ihre Kumpane und Verwandten Hongkong, um ihr Geld dort zu parken oder es aus China herauszuschleusen, und auch als Anlaufpunkt für Shoppingtouren.
Hongkongs Arbeiter sollten für das mächtige und kämpferische Proletariat auf dem Festland ein natürlicher Verbündeter sein. Eine authentisch kommunistische Partei in China würde die Arbeiterklasse gegen die konterrevolutionären Proteste auf Grundlage der Klasseninteressen der Arbeiter mobilisieren und auch für die Interessen des unterdrückten Kleinbürgertums eintreten. Enteignung der Tycoons und Umwandlung ihres Immobilienbesitzes in günstigen öffentlichen Wohnraum würde unter der Bevölkerung starken Anklang finden, ebenso die Ersetzung der Luxusläden und -restaurants durch Kantinen und Kooperativen, die von den und für die Werktätigen betrieben werden.
Diese Forderungen laufen der Klassenzusammenarbeit der KPCh mit der Hongkonger Bourgeoisie und auch der politischen Grundlage der relativ kleinen prochinesischen Gegenproteste zuwider, die in Hongkong und international stattfanden. Die Gegenproteste waren darauf ausgerichtet, mit den Interessen der Tycoons vereinbar zu sein, deren „Patriotismus“ davon abhängt, ob sie aus ihren Investitionen auf dem Festland Profite herausschlagen können. Die KPCh appelliert ebenfalls an Patriotismus bei ihrem Aufruf, die Proteste zu beenden. Die Stalinisten rufen nicht die Arbeiterklasse zum Eingreifen auf: Als eine zerbrechliche herrschende Kaste fürchtet die Beijinger Bürokratie, Arbeitermobilisierungen würden ihre Herrschaft anfechten.
Der KPCh dient die Aufrechterhaltung des Kapitalismus in Hongkong zur Förderung von Auslandsinvestitionen auf dem Festland, indem sie die Kapitalisten aus Übersee davon überzeugt, dass es sicher sei, mit China Geschäfte zu machen. Hongkong bleibt eine wichtige Drehscheibe, die China mit der globalen kapitalistischen Wirtschaft verbindet. Beijings Politik gegenüber Hongkong steht im Einklang mit der Öffnung ganzer Gebiete Chinas, einschließlich der Sonderwirtschaftszonen, für Investitionen der chinesischen Bourgeoisie außerhalb des Festlands und der imperialistischen Mächte.
Jeder isolierte Arbeiterstaat müsste sich um ausländische Investitionen bemühen. Unter revolutionärer Führung würde dies unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse geschehen, die in Sowjets (Räten) organisiert ist, in Ländern wie China unterstützt von Bauernräten. Eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung in China würde die Bedingungen für ausländische Investitionen im Interesse der arbeitenden Menschen neu aushandeln. Die einheimischen Kapitalisten wiederum würden einfach enteignet und ihr Eigentum im Interesse der Gesellschaft als Ganzes verwendet werden. Um die Errungenschaften der Revolution von 1949 zu verteidigen und auszuweiten, würde eine solche Regierung die zentrale Wirtschaftsplanung stärken und erneut ein staatliches Außenhandelsmonopol einführen.
Welche Klasse wird herrschen?
In Hongkong ist einer der glühendsten Verfechter einer „demokratischen“ Konterrevolution Socialist Action (SA) [in Deutschland SAV], die sich betrügerischerweise als trotzkistisch ausgibt. (Zusammen mit Socialist Alternative in den USA ist SA Teil der selbsternannten Mehrheit des jüngst gespaltenen Komitees für eine Arbeiterinternationale, CWI.) SA schreibt China als kapitalistisch ab und brachte eine Reihe von Flugblättern heraus, in denen sie den Protestorganisatoren taktische Ratschläge anbieten und „zu gemeinsamem Massenkampf der Hongkonger und Chinesen gegen die KPCh-Diktatur“ aufruft (chinaworker.info, 19. Juli). Der hauptsächliche „Beitrag“ von SA war ihre Agitation für einen eintägigen Generalstreik, um die Hongkonger Regierung zu stürzen und dem KPCh-Regime eine Niederlage beizubringen. Kurz gesagt, ihr Programm ist, die Arbeiter an ihre direkten Klassenfeinde auszuverkaufen: die Hongkonger Bourgeoisie und deren imperialistische Paten.
Tatsächlich stützen sich die konterrevolutionären Proteste überwiegend auf das Kleinbürgertum und sind der Arbeiterklasse feindlich gesinnt. Der vielgepriesene „Generalstreik“ vom 5. August, dem am 1. August ein „Bankenstreik“ vorausging, war hauptsächlich eine Mobilisierung von Studenten, Rechtsanwälten, Buchhaltern, Lehrern und anderen höheren Angestellten. Viele Unternehmer ermunterten ihre Belegschaft, den Tag frei zu nehmen und sich daran zu beteiligen. Die Stadt war lahmgelegt, als die Demonstranten den Verkehr blockierten, den öffentlichen Nahverkehr zum Erliegen brachten und Transportarbeiter bedrohten. Auf ähnliche Weise wurden Arbeiter während der Flughafenbesetzung vom 12./13. August angegriffen, als auf einem der meistfrequentierten Flughäfen der Welt Hunderte von Flügen gestoppt wurden. Demonstranten verwüsteten auch die Geschäftsstelle der Beijing-freundlichen Hong Kong Federation of Trade Unions.
SA steht mit ihrer Aufnahme der Forderung für freie Wahlen, die auf den Sturz der Beijing-loyalen Lokalregierung abzielt, fest im Lager der Konterrevolution in Hongkong. Dort stehen sie an der Seite von Leuten, die fordern, dass die Enklave entweder ein Protektorat des US-Imperialismus wird oder zu den Tagen der britischen Herrschaft zurückkehrt, als die Masse der chinesischen Bevölkerung in Elendsquartieren hauste und sich als bettelarme Malocher abrackerte und Kommunisten und militante Gewerkschafter systematisch unterdrückt wurden. Erst im Vorfeld der Übergabe an China gewährten die britischen Herrscher ein Minimum an demokratischen Rechten, um sie als Waffe gegen den chinesischen Arbeiterstaat einzusetzen.
Das Programm von SA für Hongkong und China liegt auf einer Linie mit der schmutzigen Geschichte des CWI, die Kampagnen der Imperialisten gegen den sowjetischen degenerierten Arbeiterstaat eifrig zu unterstützen. Im August/September 1991 schlossen sich die Vorgänger des CWI in der Militant-Tendenz den Kräften der kapitalistischen Restauration auf Boris Jelzins Barrikaden in Moskau an. Im Gegensatz dazu kämpfte unsere trotzkistische Internationale für die Verteidigung des Arbeiterstaats und verteilte Zehntausende von Flugblättern mit dem Aufruf an die sowjetischen Arbeiter, die konterrevolutionären Kräfte unter Führung Jelzins, unterstützt vom Weißen Haus George H. W. Bushs, zu zerschlagen.
Die von der Krise in Hongkong aufgeworfene Frage ist nicht „Diktatur oder Demokratie“, sondern, „welche Klasse wird herrschen?“ Die Imperialisten förderten auf ihrem Feldzug zur Zerschlagung der Sowjetunion und der bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten Ost- und Mitteleuropas alle möglichen Sorten reaktionärer Kräfte, auch jene, die das Banner der „Demokratie“ gegen stalinistischen „Totalitarismus“ hochhielten. Zweck war der Sturz des Regimes der Kommunisten, mit welchen Mitteln auch immer, auch durch den Einsatz von Wahlen, in denen Bauern und andere kleinbürgerliche Schichten wie auch politisch rückständige Arbeiter gegen die Arbeiterstaaten mobilisiert werden konnten.
Eine kleine Vorstellung davon, was Chinas werktätige Massen erwartet, sollte die Revolution von 1949 rückgängig gemacht werden, kann man sich heute anhand der Länder des ehemaligen Sowjetblocks machen, wo der Lebensstandard massiv zurückgeworfen wurde und wo das, was als „Demokratie“ existiert, nur eine hauchdünne Fassade für die Klassendiktatur ist, die alle kapitalistischen Gesellschaften kennzeichnet. Ein Vierteljahrhundert nach der kapitalistischen Konterrevolution in der Sowjetunion ist China das größte der verbliebenen Länder, in denen die kapitalistische Herrschaft gestürzt wurde. Eine kapitalistische Konterrevolution in China wäre ein weiterer gewaltiger Sieg für den Weltimperialismus und eine Niederlage für die Arbeiter und die Unterdrückten auf dem gesamten Erdball.
Der Ruf nach bürgerlicher Demokratie ist ein Ruf nach Konterrevolution. Wir sind für proletarische Demokratie – eine Regierung gewählter Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte, die über die Entwicklung der Wirtschaft und die Organisation der Gesellschaft Entscheidungen treffen. Unter Führung von Chinas gewaltiger Arbeiterklasse hätten nicht-proletarische Sektoren wie die Bauern und Hongkongs Büroangestellte tatsächlich bei der Leitung der Gesellschaft weit mehr mitzureden als in jeglicher kapitalistischen Republik. Wie Lenin über die Oktoberrevolution von 1917, die die Arbeiterklasse in Russland an die Macht brachte, erläuterte:
„In Russland dagegen ist der Beamtenapparat völlig zerschlagen worden, dabei wurde kein Stein auf dem anderen gelassen, die alten Richter wurden vertrieben, das bürgerliche Parlament wurde auseinandergejagt – und gerade die Arbeiter und Bauern haben eine viel zugänglichere Vertretung erhalten, durch ihre Sowjets wurden die Beamten ersetzt, oder ihre Sowjets wurden über die Beamten gesetzt, von ihren Sowjets werden die Richter gewählt. Diese Tatsache allein genügte, damit alle unterdrückten Klassen anerkannten, dass die Sowjetmacht, das heißt die gegebene Form der Diktatur des Proletariats, millionenfach demokratischer ist als die demokratischste bürgerliche Republik.“ (Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, 1918)
Das wahre Vermächtnis von Tiananmen
SA und die von der CIA unterstützten Demonstranten insgesamt verknüpfen ihre konterrevolutionären Bemühungen verlogen mit dem Geist des „4. Juni“, dem proletarischen Aufstand 1989 mit Schwerpunkt auf Beijings Tiananmen-Platz, der vom KPCh-Regime Deng Xiaopings blutig unterdrückt wurde. SA & Co. stellen den Aufstand von 1989 als eine Massenbewegung für (bürgerliche) Demokratie dar. Das war er keinesfalls! Es begann damit, dass Studenten mehr politische Freiheiten forderten und gegen die Korruption hoher KPCh-Bürokraten protestierten. Den Demonstranten schlossen sich zuerst einzelne Arbeiter, dann Kontingente von Fabriken und anderen Arbeitsplätzen an. Die Arbeiter wurden durch die hohe Inflation und die wachsende Ungleichheit zum Handeln getrieben, die einhergingen mit dem Programm der KPCh vom Aufbau des „Sozialismus“ durch Marktreformen. Zwar blickten einige Jugendliche in Richtung kapitalistische Demokratie westlichen Musters, doch die Proteste wurden vom Singen der „Internationale“, der internationalen Hymne der Arbeiterklasse, und anderen Erscheinungsformen prosozialistischen Bewusstseins bestimmt.
Verschiedene Arbeiterorganisationen, die im Laufe der Proteste in Erscheinung traten, hatten den Charakter von embryonalen Organen proletarischer Herrschaft. „Arbeiterstreikposten-Trupps“ und Betriebsgruppen von „Todesmutigen“, organisiert, um die Studenten gegen Repression zu schützen, trotzten Dengs Ausrufung des Kriegsrechts. Nachdem die Regierung in Beijing so gut wie untergetaucht und die Polizei von den Straßen verschwunden war, begannen Arbeitergruppen, die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit zu ergreifen. Die Teilnahme des chinesischen Proletariats an den Protesten in Beijing und im ganzen Land bedeutete den Beginn einer proletarisch-politischen Revolution. Nach wochenlanger Lähmung griff die KPCh, nicht aus Furcht vor den protestierenden Studenten, sondern aus Furcht vor der mobilisierten Arbeiterklasse, am 3./4. Juni in Beijing gewaltsam und blutig durch. Auch nach dem Massaker setzten Millionen Arbeiter in ganz China Streiks und Proteste fort.
Die Arbeiter legten enorme Tapferkeit und Kampfbereitschaft an den Tag und schmiedeten Verbindungen zu Soldaten, die sich als Verteidiger des Sozialismus betrachteten. Sieben ranghohe VBA-Kommandeure unterschrieben eine Petition gegen die Kriegsrechtsmaßnahmen, die gegen die Bevölkerung verhängt worden waren. Von alleine konnte die Arbeiterklasse jedoch nicht zu dem Verständnis gelangen, dass eine politische Revolution zum Sturz der deformierenden Herrschaft der Bürokratie notwendig war. Um die Arbeiterklasse mit diesem Verständnis zu inspirieren, ist die Intervention einer revolutionären marxistischen Avantgardepartei erforderlich. Wir ehren das Andenken der proletarischen Helden von 1989, deren Kampf das revolutionäre Potenzial der Arbeiterklasse so eindeutig zeigte.
SA und ihresgleichen spucken auf das Erbe von Tiananmen, sie dienen dem imperialistischen Feldzug für kapitalistische Konterrevolution in China. China ist 70 Jahre nach seiner Revolution nicht das Land von 1949 – eine hoffnungslos rückständige, überwiegend bäuerliche Gesellschaft, von den imperialistischen Mächten ausgeplündert und von jahrzehntelangem Bürgerkrieg verwüstet. Doch trotz der enormen Fortschritte, die China seither machte, bleibt es in vieler Hinsicht im Vergleich zu den imperialistischen Ländern, die die Weltwirtschaft beherrschen, wirtschaftlich rückständig. Die KPCh-Bürokratie unterminiert mit ihrem Programm der Beschwichtigung des Imperialismus und der chinesischen Bourgeoisie und mit ihrer politischen Unterdrückung des Proletariats fortwährend die Errungenschaften der Revolution von 1949.
Um den Sozialismus – eine klassenlose Gesellschaft auf der Grundlage materiellen Überflusses – zu erreichen, ist eine internationale Planwirtschaft notwendig, die sich die heutige Technologie und Produktionskapazität der fortgeschrittensten kapitalistischen Länder nutzbar macht und diese weit überflügelt. Der Weg zum Sozialismus führt über proletarische Revolutionen in der gesamten kapitalistischen Welt, vor allem in den imperialistischen Zentren USA, Japan und Westeuropa. Diese Perspektive ist notwendigerweise mit dem Kampf verbunden, das chinesische Proletariat zu mobilisieren, damit es seine verräterischen bürokratischen Herrscher hinwegfegt. Doch revolutionärer Kampf braucht revolutionäre Führung. Unser historisches Vorbild ist die bolschewistische Partei, die unter W. I. Lenin und Leo Trotzki die Russische Revolution vom Oktober 1917 anführte, die Eröffnungssalve im Kampf für die proletarische Weltrevolution. Die IKL hat sich der Wiederschmiedung von Trotzkis Vierter Internationale verpflichtet, um das bolschewistische Banner vorwärtszutragen.
Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 1160,
6. September 2019
|
|
|
|
|