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Spartakist Nummer 220

Frühjahr 2018

Merkel/Scholz-Regierung – Feind der Arbeiterklasse!

Jusos: zwar gegen GroKo, aber für ausbeuterische EU

Die nachfolgende Erklärung „Nein zur GroKo!“ vom 21. Februar 2018 verteilten wir bei verschiedenen Veranstaltungen der Jusos, der SPD und an die Arbeiter verschiedener Betriebe während der Kampagne der Jusos gegen eine neuerliche Große Koalition. In einer schriftlichen Abstimmung stimmte Anfang März eine Mehrheit von 66 Prozent der SPD-Mitglieder für eine neue Koalitionsregierung von CDU/CSU und SPD. Es gab eine massive Angst-Kampagne der SPD-Führung darüber, dass die AfD, im Fall einer möglichen Ablehnung des Koalitionsvertrags, aus Neuwahlen stärker als die SPD hervorgehen würde. Das war eine glatte Erpressung, und im Übrigen organisierte die SPD-Führung die Parteikonferenzen bürokratisch so, dass die Führung der Opposition kein Recht hatte, ihre Position darzulegen. Dass aber mehr als 30 Prozent der SPD-Mitglieder trotzdem gegen eine neuerliche GroKo stimmten, zeigt, wie tief der Unmut in der SPD ist. Die neue SPD-Führung um Olaf Scholz und Andrea Nahles setzt mit dem Eintritt in die GroKo den Weg der SPD verstärkt fort, den Rechten, wie der AfD, den Weg zu bahnen. Zentral dafür ist ihre Unterstützung der vom deutschen Imperialismus dominierten EU und der damit verbundenen Angriffe auf die Arbeiterklasse in Deutschland und in den anderen Ländern der EU.

Unsere Opposition gegen die GroKo basiert auf unserem marxistischen Programm im Gegensatz zu den reformistischen Positionen der Jusos, wie wir in der Erklärung schreiben. Bei den Juso-Veranstaltungen gegen die GroKo fand unsere Erklärung dennoch Interesse. In den Diskussionen offenbarte sich auch sehr schnell der sehr tiefe Graben, der uns trennt. Das wurde insbesondere über die Frage der EU klar. Viele fanden die EU gut und hatten keinerlei Kritik an ihr. In Erfurt entgegnete Kühnert auf Carsten Schneider, dass Merkel sich auch auf die SPD in der Opposition immer verlassen könne, wenn es um die zentralen Fragen der EU ginge, wie dies von 2009 bis 2013 mit der Zustimmung der SPD zum ESM (Europäischen Stabilitätsmechanismus) bereits der Fall gewesen sei.

Tatsächlich sind die EU und der den EU-Mitgliedern aufgezwungene Euro das zentrale Projekt der deutschen Kapitalistenklasse zur Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklassen in diesen Ländern. Dass die deutsche Bourgeoisie aus zwei verlorenen Weltkriegen etwas gelernt hat, kann man an der EU und der Eurozone sehen. Es hat sich als sehr viel effektiver erwiesen, die Arbeiter Griechenlands und anderer Länder mit Hilfe des Euro und der EU auszupressen und auszubeuten, als diese Länder mit Panzern zu besetzen.

Die SPD und die Jusos preisen die EU als Friedensinstrument. Nichts ist falscher: Die EU ist das Instrument für die europäischen Imperialisten, sich gegen ihre Konkurrenz aus Amerika und Japan durchzusetzen, und richtet sich auch gegen das kapitalistische Russland und den deformierten Arbeiterstaat China. Die 2008 begonnene Finanzkrise hat die Widersprüche in der EU und der Eurozone deutlich werden lassen. Und die Widersprüche zwischen den imperialistischen Lagern, wie der heraufziehende Handelskrieg zwischen der EU/Deutschland und den Vereinigten Staaten, machen klar, dass imperialistische Kriege, auch zwischen den europäischen Imperialisten, letztlich unvermeidbar sind. Der Kapitalismus/Imperialismus muss durch sozialistische Revolutionen gestürzt werden oder er wird die Welt wieder in Brand setzen.

Die SPD-Führung und auch die Jusos reden viel von der „Erneuerung“ der SPD. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert ist jeder inhaltlichen Klärung, was dies sein soll, aus dem Weg gegangen. Die zutiefst arbeiterfeindliche Politik der SPD in den letzen Jahrzehnten ist verbunden mit den Hartz-Gesetzen und der Agenda 2010. Diese haben zu einer massiven Umverteilung von unten nach oben geführt, wobei Leiharbeit, Werkverträge und Befristungen von Arbeitsverhältnissen die Mittel sind, immer neue Angriffe auf die Arbeiterklasse und damit die Arbeiterbasis der SPD selbst zu führen. Kühnert lehnte es ab, sich von der Agenda-Politik der SPD zu distanzieren. Bei allem Ärger, den die Juso-Kampagne gegen die GroKo dem SPD-Vorstand gemacht hat, ist Kühnerts Position zur Agenda-Politik das zentrale Friedensangebot an die rechte SPD-Führung nach dem Motto: Wir haben Kritik an der Koalition mit Merkels CDU, sind aber sonst zu allen Kompromissen bereit.

Der neue starke Mann der SPD ist der rechte Olaf Scholz, mit der ehemaligen „Linken“ Andrea Nahles als linker Flankendeckung. Scholz wird als Finanzminister versuchen, die Spardiktate der Frankfurter Banker und deutschen Kapitalisten gegen Griechenland und alle abhängigen Länder in der EU noch härter durchzusetzen, als es Schäuble (CDU) in den letzten Jahren getan hat. Diese Politik geht immer unweigerlich einher mit Angriffen auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse im eigenen Land. Notwendig ist harter Klassenkampf gegen diese neue kapitalistische Regierung aus CDU/CSU und SPD. Pro-EU-Politik, d. h. Unterstützung der Vorherrschaft des deutschen Imperialismus, und halbherzige Kritik an der SPD-Führung sind nicht Schritte in die richtige Richtung, sondern in Wahrheit Abdeckung der arbeiterfeindlichen Politik der SPD-Führung.

Der Start der GroKo begann unmittelbar mit einem Verrat der SPD an den Rechten der Frauen. Letztes Jahr ist die Ärztin Kristina Hänel zu einer Strafe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie über die Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen informiert. Verurteilt wurde sie nach dem Nazi-Paragrafen 219a, der „Werbung“ für Abtreibung unter Strafe stellt. Er diente vor allem der Kriminalisierung jüdischer Ärzte. Nach diesem skandalösen Urteil hatte sich eine parteiübergreifende Initiative im Bundestag zusammengefunden, auf Drängen der SPD, um diesen Paragrafen abzuschaffen. Als Merkel Regierungsdisziplin von der SPD anmahnte, knickte die SPD ein und Nahles brachte die SPD auf die Linie der reaktionärsten christlichen Fundamentalisten der CDU/CSU. Die SPD zog den Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Paragrafen 219a zurück und spuckte so auf elementare Frauenrechte. Für die ersatzlose Streichung der Paragrafen 218 und 219! Für kostenlose Abtreibung und Verhütung auf Wunsch! Weg mit dem Urteil gegen Hänel!

Die ersten Tage der neuen GroKo lassen Fürchterliches erwarten: Die Regierung lässt den katalanischen Präsidenten Puigdemont verhaften; Innenminister Horst Seehofer arbeitet an Plänen für Konzentrationslager für Flüchtlinge – die sollen nur nicht so heißen –, aus denen heraus diese dann sofort wieder abgeschoben werden sollen; russische Diplomaten werden ausgewiesen aufgrund von völlig unbewiesenen Anschuldigungen der reaktionären britischen Regierung über einen angeblichen Giftgas-Einsatz durch Russland in London. All dies dient vor allem der Aufrechterhaltung der reaktionären vom deutschen Imperialismus dominierten EU.

Die Krise der SPD wird sich fortsetzen und vertiefen. Eine wirkliche Alternative zu der reformistischen Politik des Verrats an den Interessen der Arbeiterklasse bietet nur der internationalistische Marxismus leninistisch/trotzkistischer Prägung. Dem entspricht die folgende Erklärung der SpAD zu der Abstimmung in der SPD gegen die GroKo.

Nein zu allen Koalitionen von Arbeiterparteien mit bürgerlichen Parteien!

Nein zur GroKo!

Die SPD ist nach vielen Jahren des Ausverkaufs der Interessen der Arbeiterklasse in Koalitionsregierungen mit den Grünen und der CDU/CSU in eine tiefe Krise geraten. Der neuerliche Schwenk der SPD-Führung hin zu einer Neuauflage einer Großen Koalition (GroKo) mit der CDU/CSU hat zu offener Opposition innerhalb der SPD geführt. Die Begeisterung der SPD-Basis war riesig, als nach der verlorenen Wahl Ende September 2017 die SPD-Führung ankündigte, für eine weitere GroKo nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Die kalte Dusche kam schnell, und jetzt versucht der SPD-Vorstand, seiner Basis eine neue GroKo schmackhaft zu machen. Beim SPD-Parteitag am 21. Januar konnte der Vorstand nur eine knappe Mehrheit dafür gewinnen, Verhandlungen mit der CDU/CSU über eine neue GroKo aufzunehmen. Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen strebt der SPD-Vorstand ein „Ja“ für die arbeiterfeindliche Politik der nächsten GroKo an. Unterstützt wird er dabei von den Führungen der DGB-Gewerkschaften. Es gibt eine starke Opposition in der SPD zur GroKo und auch wir Marxisten sagen: „Nein zur GroKo!“. Eine Ablehnung der GroKo würde den deutschen Imperialismus und die EU destabilisieren und damit internationale Klassenkämpfe erleichtern.

Die Jusos führen zwar die Kampagne in der SPD an, geben aber einer viel breiteren Unzufriedenheit, insbesondere auch der Arbeiterbasis der SPD, einen Ausdruck. Seit 20 Jahren hat die SPD nahezu ununterbrochen den deutschen Kapitalismus in Koalition mit bürgerlichen Parteien mitverwaltet und die Folgen für die Arbeiterklasse und für Immigranten sind katastrophal. Besonders die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze der SPD/Grünen-Regierung unter Gerhard Schröder sind verhasst, die zu systematischer Lohndrückerei, Zweiklassenlohnsystemen und der immer stärkeren Umverteilung des Reichtums von unten nach oben führen. Die Linkspartei hat überall, wo sie in der Landesregierung ist, genau die gleiche Politik umgesetzt wie die SPD. Die Arbeiterklasse wird ausgepresst, damit die deutschen Kapitalisten und Bankiers sich die Taschen vollstopfen. Hierzulande gibt es mittlerweile Europas größten Niedriglohnsektor. In die SPD-Regierungszeit fällt auch die Ausrufung des „Kriegs gegen Terror“, der rassistische Hetze gegen Muslime schürt und die Mittel der Staatsrepression massiv ausbaute, was sich gegen die gesamte Arbeiterbewegung richtet. SPD und Linkspartei bahnten mit ihrer verräterischen Politik den Rechten und der AfD den Weg. Um die Folgen dieser Politik erfolgreich zu bekämpfen, ist harter Klassenkampf gegen die Kapitalisten notwendig.

Die Opposition in der SPD verbleibt ganz im Rahmen des Reformismus und glaubt, man könne mittels Wahlen und Parlament den Kapitalismus sozial gestalten. Nein. Der Sozialismus lässt sich nicht erreichen mit der Verwaltung des bürgerlichen Staates durch die parlamentarische Demokratie, sondern der bürgerliche Staat muss zerschlagen werden und die Diktatur des Proletariats muss errichtet werden unter der Herrschaft von Arbeiterräten.

Die GroKo, Volksfronten und die Haltung von Revolutionären dazu

Die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD), Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL), steht nicht nur in Opposition zur GroKo, sondern lehnt alle Koalitionen (Volksfronten) von bürgerlichen Arbeiterparteien (SPD und Linkspartei) mit bürgerlichen Parteien ab. Bürgerliche Arbeiterparteien sind, nach Lenin, Parteien, die ihre Basis in der Arbeiterklasse haben, deren Führung aber eine bürgerliche Politik betreibt. Wir haben auch grundsätzlich die SPD/Grünen-Koalition von Schröder/Fischer abgelehnt und sind auch gegen eine mögliche SPD/Linkspartei/Grünen-Koalition. Die Kapitalistenklasse sieht solche Regierungen nicht ungern, wenn es darum geht, unpopuläre Maßnahmen gegen die Arbeiterklasse durchzudrücken. In solchen Bündnissen werden die Interessen der Arbeiterklasse immer dem bürgerlichen Teil untergeordnet.

Selbst wenn eine bürgerliche Arbeiterpartei allein oder in Koalition mit einer anderen bürgerlichen Arbeiterpartei (wie die Linkspartei) an die Regierung kommt, sind solche Regierungen keine „Arbeiterregierungen“, wie manche Linke behaupten, sondern kapitalistische Regierungen. Der Berliner Senat aus SPD und Linkspartei/PDS zwischen 2002 und 2011 hat deutlich gezeigt, dass es die zentrale Aufgabe dieser Koalition war, ein Austeritätsprogramm durchzusetzen mit Angriffen auf Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes, deren Tarifvereinbarungen gebrochen wurden. Diese Koalition kam nur deshalb zustande, um die Arbeiter anzugreifen und die Profite der Kapitalisten zu sichern.

In dem Fall, wo eine reformistische Arbeitermassenpartei sich als Vertreter der Interessen der Arbeiterklasse darstellt, unabhängig von und gegen die Parteien der Bourgeoisie kandidiert, kann es für Revolutionäre angemessen sein, die Taktik der kritischen Wahlunterstützung (in Lenins Worten: „wie der Strick den Gehängten unterstützt“) anzuwenden. Eine kritische Wahlunterstützung dient als ein Mittel für Revolutionäre, den Widerspruch zwischen der proletarischen Basis und der prokapitalistischen Führung zu verschärfen. Die Teilnahme von noch so kleinen nichtproletarischen politischen Formationen (wie Grüne oder andere liberale Formationen) liefert jedoch die Gewähr für das bürgerliche Programm und unterdrückt diesen Widerspruch.

Unterstützung der EU ist arbeiterfeindlich und bereitet Rechten den Weg

Im Gegensatz zur SPD und den Jusos haben wir Trotzkisten, d. h. proletarisch-internationalistische Marxisten, eine grundlegende Opposition gegen die vom deutschen Imperialismus dominierte EU. Die EU ist ein Konsortium kapitalistischer Staaten, dessen Ziel es ist, sowohl die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu maximieren als auch die ökonomische Beherrschung und Unterwerfung ärmerer Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien seitens der imperialistischen Mächte, besonders Deutschlands, zu erzwingen, unter anderem durch die gemeinsame Währung Euro als finanzielles Instrument der EU. Zweck der EU ist es, die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Imperialisten gegenüber ihren Rivalen in den USA und Japan zu steigern. Fantasien von linken Sozialdemokraten über ein „supranationales“, „soziales“ Europa zum Trotz ist die EU ein instabiles Gebilde, das ständigen, aus den unterschiedlichen nationalen Interessen der europäischen Imperialisten herrührenden Spannungen ausgesetzt ist, die immer wieder die EU auseinanderzureißen drohen.

In Griechenland im Juli 2015 beim Referendum der bürgerlichen Partei Syriza über „Ja“ oder „Nein“ zu weiteren Spardiktaten der EU versetzten über 60 Prozent der Wähler den Imperialisten eine schallende Ohrfeige und stimmten mit „OXI“ (Nein). Unsere Genossen der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands, TOE, warben vor dem Referendum für „OXI“ und stellten fest, dass „alles andere als ein klares ,Nein‘ ein Verrat an den Interessen der Arbeiter hier und international“ war. Die TOE tritt für den Austritt Griechenlands aus EU und Euro ein. Ebenso stimmte unsere britische Sektion, die Spartacist League/Britain, für den Brexit. Lenin schrieb im August 1915 in „Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa“:

„Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus, d. h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt durch die ,fortgeschrittenen‘ und ,zivilisierten‘ Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär…

Natürlich sind zeitweilige Abkommen zwischen den Kapitalisten und zwischen den Mächten möglich. In diesem Sinne sind auch die Vereinigten Staaten von Europa möglich als Abkommen der europäischen Kapitalisten … worüber? Lediglich darüber, wie man gemeinsam den Sozialismus in Europa unterdrücken, gemeinsam die geraubten Kolonien gegen Japan und Amerika verteidigen könnte …“

Zum Kern dessen, was die EU ausmacht, gehört: Freiheit für das deutsche Kapital! Die Deregulierungen und Privatisierungen, die Krankenhäuser, Dienstleistungen, den öffentlichen Nahverkehr und Versorgungsunternehmen betreffen, sind Machwerk der EU, durchgesetzt von den verschiedenen Bundesregierungen. Die EU-Politik richtet sich massiv gegen die Arbeiterklasse in Deutschland, weshalb es in ihrem eigenen Interesse ist, gegen die EU zu sein.

Die SPD und die Jusos jubeln jedoch gerade diese EU hoch als das Beste, was Europa je passiert ist, und die Linkspartei stellt Claqueure für diese Lüge. Viele Arbeiter teilen diese Position. Denn die Gewerkschaftsbonzen predigen, dass die Führungsrolle Deutschlands in der EU im Arbeiterinteresse läge, weil die auf Export ausgerichtete Industrie massiv von dem Euro profitiert. Dahinter steckt die falsche Vorstellung, dass Arbeiter gemeinsame Interessen mit ihren Bossen hätten. Diese wird auch mit der Lüge verbreitet, es sei im Interesse der Arbeiter, den „Standort Deutschland“ zu verteidigen. Unter Androhung, dass sonst der Betrieb verlagert würde, machten die sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokraten den Weg frei für die tiefe Spaltung der Arbeiterklasse durch die Etablierung eines Zwei- bzw. Dreiklassenlohnsystems, bei dem zunehmende Teile der Arbeiterklasse immer rechtloser werden durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Diese arbeiterfeindlichen Maßnahmen führten gerade dazu, dass der deutsche Imperialismus durch erhöhte Profite die Führungsrolle in der EU übernehmen konnte.

Die Gewerkschaftsbürokraten befestigen das System von prekärer Beschäftigung noch dadurch, dass sie diese Arbeiter nicht organisieren und mit den Bossen verrottete Deals machen. Wie die IG Metall, als sie die Pflicht zur Festeinstellung von Leiharbeitern – sowieso eine Farce, da sie vorher versetzt oder entlassen werden – nach 18 Monaten in einem Tarifvertrag ausdehnte auf 48 Monate. Die prekär beschäftigten Arbeiter fühlen sich zunehmend weniger von der SPD vertreten, die ja zentral verantwortlich für ihre Situation ist, und werden auch nicht von den Gewerkschaften vertreten, was zu Entpolitisierung führt. Schlimmer noch, Arbeiter werden durch die Prekarisierung, oder aus Furcht vor ihr, zur rassistisch/nationalistischen AfD getrieben, die selbst zutiefst arbeiterfeindlich ist. Notwendig ist, dass die Gewerkschaften alle Arbeiter organisieren und den Kampf gegen prekäre Beschäftigung aufnehmen, und die noch gut organisierten Facharbeiter müssen verstehen, dass dieses System längerfristig die Gewerkschaften zerstört und damit auch ihre noch relativ guten Arbeitsbedingungen.

Opposition zur EU und zum eigenen deutschen Imperialismus ist zentral für diesen Kampf. Internationalistischer Klassenkampf ist nötig, um die Arbeiter gegen die Angriffe der EU und der Kapitalisten zu verteidigen! Deutschland ist nach wie vor das industrielle Kraftzentrum Europas und die machtvolle Arbeiterklasse, erstmal in Gang gesetzt, kann eine entscheidende Rolle in diesem bitter notwendigen Kampf spielen. Notwendig ist eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung, die nicht nach den Regeln der Bosse und ihrer Regierung spielt. Staat und Regierung werden dann offen zeigen, dass sie auf der Seite der Bosse stehen. Polizei raus aus dem DGB! Für Massenstreikposten, die niemand überquert! Programme öffentlicher Arbeiten zu Tariflöhnen zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen! Dreißig Stunden Arbeit bei vollem Lohnausgleich für alle! Weg mit Leiharbeit, Befristungen und Werkverträgen! Weg mit den Hartz-Gesetzen! Für medizinische Versorgung und Pflege auf höchstem Niveau, kostenfrei bei Inanspruchnahme! Für klassenkämpferische Solidarität mit den griechischen und süd- und osteuropäischen Arbeitern! Letztlich kann nur die Einheit auf sozialistischer Grundlage, errungen durch proletarische Revolutionen und die Enteignung der Bourgeoisien, eine rationale weltweite ökonomische Entwicklung ohne Ausbeutung herbeiführen. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

SPD: Das trojanische Pferd der Konterrevolution

Seit der kapitalistischen Konterrevolution in der DDR und wenig später in der Sowjetunion betrachtet die deutsche Bourgeoisie den „Sozialstaat“ als überflüssig und unterminiert ihn zunehmend. Denn nun fehlt die Notwendigkeit, mit den sozialen Errungenschaften, die es in der DDR gab, zu konkurrieren und dem Kapitalismus ein sozialeres Antlitz zu geben. Durch die Zerstörung der DDR wurde die Durchführung der Pläne der europäischen Imperialisten zur Privatisierung großer Teile von Post, Bahn und Flughäfen erst möglich gemacht. Die Treuhand, das Mittel zur Zerschlagung der ostdeutschen Kombinate, wurde Jahrzehnte später das Vorbild für die Maßnahmen der Troika in Griechenland.

Wir Trotzkisten haben die DDR und die anderen deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas und den degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion immer bedingungslos militärisch gegen innere Konterrevolution und imperialistische Bedrohung verteidigt. Und tun dies auch heute mit den verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten China, Kuba, Vietnam, Laos und Nordkorea. Die SPD unter Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine war eine treibende Kraft hinter der Konterrevolution in der DDR. Lafontaine bevorzugte eine langsamere kapitalistische Wiedervereinigung, um der Arbeiterklasse der DDR den Anschluss an das imperialistische Westdeutschland schmackhafter zu machen. Die SPD war das trojanische Pferd der Konterrevolution, und dabei war ein zentrales Mittel, die bürgerlich-parlamentarische Demokratie als das beste aller Systeme zu verkaufen. Verantwortung trägt auch die damalige SED-PDS, die die DDR ausverkaufte, als Michail Gorbatschow grünes Licht gab für die kapitalistische Wiedervereinigung.

Wir Spartakisten hingegen kämpften 1989/90 für die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands durch eine politische Revolution, um die stalinistische Bürokratie hinwegzufegen, und für eine sozialistische Revolution im Westen, um die Kapitalistenklasse zu stürzen. Bei den Volkskammerwahlen 1990 waren wir die einzige Organisation, die für „Nein zur kapitalistischen Wiedervereinigung!“ und „Für ein Arbeiterrätedeutschland!“ eintrat. Wir sind stolz auf unseren Kampf, haben aber gegen überwältigende Kräfte verloren. Es war ein Lackmustest für Revolutionäre, denn wer bereits eroberte Errungenschaften nicht verteidigt, kann keine neuen gewinnen.

Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben!

Nils Heisterhagen, Grundsatzreferent der Landtagsfraktion der SPD in Rheinland-Pfalz, forderte in einem Artikel in der FAZ vom 20. November 2017: „ ,Merkel muss weg‘, das muss demnächst von der SPD kommen“, und argumentierte: „die SPD muss dafür zum Angriff auf den neoliberal geprägten Kapitalismus blasen. Nicht die Rechtspopulisten sind der Hauptgegner der SPD, sondern die eingangs erwähnte neoliberale, globale, selbstgerechte Elite.“ Von Klassenkampf und davon, die Arbeiterklasse gegen die Bosse zu mobilisieren, spricht Heisterhagen aber überhaupt nicht. Stattdessen argumentiert er, dass die SPD sich Themen der „inneren Sicherheit“ zu eigen machen muss, um die AfD zu bekämpfen. Er schreibt: „Innere Sicherheit ist allen wichtig – vom kleinen Mann bis zum Konzernchef, vor allem aber vielen in der ,Mitte‘. ... Denn für mehr Sicherheit braucht es einen starken Staat.“ Heisterhagen befürwortet härtere repressive Maßnahmen gegen Immigranten und Flüchtlinge. Zunehmende Staatsrepression wird momentan besonders gegen die PKK eingesetzt durch faktische Demonstrationsverbote von kurdischen Protesten. Weg mit dem Verbot der PKK und aller kurdischen Vereine! Nieder mit der staatlich geförderten antimuslimischen Hexenjagd!

Der bürgerliche Staat und seine Institutionen können nicht für die Interessen der Arbeiterklasse benutzt werden. Die Arbeiterklasse muss im Gegenteil erkennen, dass dieser bürgerliche Staat ihr grundlegend feindlich gegenüber steht. Ein Kampf für volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben, ist notwendig, um die Spaltungen der Arbeiterklasse entlang nationaler, ethnischer und religiöser Linien aufzuheben.

Die zentralen Ursachen, warum sich Menschen auf die Flucht begeben, sind die imperialistischen Kriege und Handelspraktiken – wie von der EU – gegen neokolonial unterdrückte Länder, wodurch deren Wirtschaft nachhaltig zerstört wird. Die SPD/Grünen-Regierung nutzte 1999 die Chance, unter dem Vorwand, einen neuen „Völkermord“ verhindern zu wollen, die Bundeswehr endlich in Kampfeinsätze zu schicken, und beteiligte sich an dem NATO-Krieg gegen Serbien. Seitdem spielt die Bundeswehr eine immer größere Rolle bei allen Arten von imperialistischen Schlächtereien. Die Lösung liegt darin, das System imperialistischer Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg zu zerstören, wofür sozialistische Revolutionen in den imperialistischen Zentren entscheidend sind. Dafür kämpft die IKL.

Opportunismus in der Linken

Die pseudotrotzkistische SAV, die in der Linkspartei arbeitet, sieht „BefürworterInnen wie GegnerInnen einer GroKo nicht von grundlegenden inhaltlichen Differenzen, sondern von Angst angetrieben“. Während es zwischen Jusos und SPD-Führung tatsächlich viel politische Übereinstimmung gibt, spiegelt das „Nein“ zur GroKo jedoch eine starke Unzufriedenheit der proletarischen Basis der SPD wider. Die SAV konzentriert sich hingegen darauf, die sozialdemokratische Linkspartei aufzubauen. Sie spricht von der SPD als einer „ehemaligen Arbeiterpartei“. Noch 1990 waren diese Reformisten in der SPD und forderten, dass in der DDR die offen konterrevolutionäre „SPD in die Offensive“ gehen solle. Jetzt sind sie mitverantwortlich für die klassenkollaborationistische Politik der Linkspartei und haben grundsätzlich nichts gegen deren Volksfrontbündnisse und deren Verrat an der Arbeiterklasse.

Die pseudotrotzkistische Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) registriert, dass es eine Polarisierung in der SPD gibt. Wenn man sich aber die Praxis dieser Organisation anguckt, dann ist sie vom Hinterherlaufen hinter der Sozialdemokratie geprägt. Sie teilt deren Pro-EU-Linie und stellte sich gegen das Ergebnis des Brexit-Referendums: „der Austritt aus der Union oder der Eurozone … stellt eine reaktionäre Antwort auf die Krise dar“. Diese „Revolutionäre“ standen 1991 in Moskau auf den Barrikaden von Boris Jelzin, der die Konterrevolution in der Sowjetunion anführte. Sie stehen in der Tradition, immer zur Wahl der SPD und/oder der Linkspartei aufzurufen, auch wenn diese für Koalitionen mit bürgerlichen Parteien kandidieren. Die GAM will einen angeblichen Widerspruch ausnutzen, der aber nicht mehr existiert bei der Wahl von Volksfrontbündnissen. Ihr ist die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse egal.

Die Lehren des Oktober

Mit ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten im August 1914 ging die SPD offen auf die Seite ihrer eigenen Kapitalistenklasse über. Als die Arbeiter Russlands unter der Führung von Lenins und Trotzkis Bolschewiki die erste erfolgreiche sozialistische Revolution machten, stellte sich die Führung der SPD gegen diese Revolution. Grundlage für den Sieg der Bolschewiki war, dass Lenins Partei frühzeitig von den reformistischen Menschewiki gespalten hatte und die Bolschewiki als bewusste Avantgardepartei aufgebaut wurden. Als die Niederlage des deutschen Imperialismus im Ersten Weltkrieg nicht mehr zu verheimlichen war und die Arbeiter und Soldaten anfingen, im November 1918 Räte nach russischem Muster aufzubauen, kam die SPD-Führung dem verrotteten Kapitalismus zur Hilfe, um die Kapitalistenklasse vor einer sozialistischen Revolution in Deutschland zu retten.

Die SPD-Führer Ebert, Noske und Scheidemann nannten ihre kapitalistische Regierung gar „Rat der Volksbeauftragten“, offensichtlich um die aufständischen Arbeiter und Soldaten über den Charakter dieser Regierung in die Irre zu führen. Hilfe bekamen sie dabei von der zentristischen (revolutionär in Worten, reformistisch in Taten) USPD, geführt von Hugo Haase und Karl Kautsky, die aus der SPD ausgeschlossen worden waren. SPD und USPD bildeten im November/Dezember 1918 eine Koalitionsregierung. Zur Jahreswende 1918/19 war die USPD in der Regierung nicht mehr notwendig, und die SPD an der kapitalistischen Staatsmacht nutzte die erzreaktionäre Reichswehr und die Freikorps, um die Revolutionäre zu verfolgen und niederzuschlagen. Auf Geheiß der SPD wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von den Freikorps ermordet und damit die Führung der gerade erst gegründeten KPD geköpft. Kautskys USPD leistete der SPD Beistand, die bürgerliche Ordnung zu befestigen, indem sie argumentierte, dass die Nationalversammlung (Parlament) und Räte nebeneinander existieren sollten und könnten. Das ist grundlegend falsch: Eine Regierung basierend auf dem Parlament ist eine kapitalistische Regierung (Diktatur der Bourgeoisie) und unvereinbar mit einer Regierung von Arbeiterräten (Diktatur des Proletariats). Als sich die Lage stabilisiert hatte, ging die SPD daran, die Arbeiterräte aufzulösen.

Der Spartakusbund gehörte auch bis Ende 1918 der USPD an. Der Spartakusbund um Luxemburg und Liebknecht hätte sehr viel früher von der SPD und USPD spalten müssen, wie es Lenin in Russland getan hat. Dies hätte der Arbeiterklasse die Führung geben können, die in den Klassenkämpfen gegen den imperialistischen Krieg und für die Revolution 1918 notwendig gewesen ist.

Die junge KPD schleppte immer noch zu viel sozialdemokratische Politik mit sich herum, als sich 1923 erneut eine revolutionäre Krise in Deutschland zuspitzte. Die französische Besetzung des Ruhrgebiets und die Gegenmaßnahmen der deutschen Regierung lösten eine tiefe Krise aus, die in der aus den Fugen geratenen Wirtschaft und der Hyperinflation ihren Ausdruck fand. Die Arbeiter liefen der SPD und den mit ihr verbundenen Gewerkschaften scharenweise davon. Statt die Arbeiterklasse darauf hin zu orientieren, die Macht zu übernehmen, setzte die KPD auf die Illusion, dass der linke Flügel der Sozialdemokratie ein „revolutionärer“ Verbündeter sein könne, und trat mit der SPD in die kapitalistischen Landesregierungen von Sachsen und Thüringen ein, als angebliches Sprungbrett zur Revolution. Stattdessen diente der Eintritt in diese Regierungen dazu, die Revolution zu stoppen. Die Niederlage der deutschen Revolution 1923 war extrem demoralisierend für die Arbeiterklasse der Sowjetunion, die auf die internationale Ausweitung der Revolution gesetzt hatte. Diese Niederlage legte die Basis für den Aufstieg der stalinistischen Bürokratie in der Sowjetunion.

Die Grundfrage ist also, wie Linke es mit dem bürgerlichen Staat halten, der das Unterdrückungsinstrument der Bourgeoisie ist zum Erhalt ihrer Klassenherrschaft. Um ihn zu stürzen, braucht es eine in den Arbeitermassen verankerte revolutionäre Arbeiterpartei nach dem Muster von Lenins Bolschewiki. Eine solche Partei aufzubauen, die in die Klassenkämpfe interveniert und sie führt, ist eine dringende historische Notwendigkeit.

 

Spartakist Nr. 220

Spartakist Nr. 220

Frühjahr 2018

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