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Spartakist Nummer 216 |
Frühjahr 2017 |
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Machtvoller Streik an Berliner Flughäfen
Nieder mit der EU! Für ein Arbeitereuropa!
Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung!
An drei Tagen legten Mitte März die Arbeiter in Schönefeld und Tegel nach vorhergehenden Warnstreiks die Arbeit nieder, unter anderem um die Forderung nach einem Euro mehr pro Stunde durchzusetzen. Durch die Kampfbereitschaft und Entschlossenheit wurden die Flughäfen weitestgehend lahmgelegt; fast 2000 Flüge fielen aus. Zehntausende Passagiere waren hiervon betroffen und die Hauptstadt war tagelang kaum noch auf dem Luftweg erreichbar. Wir Spartakisten waren zur Unterstützung dabei und verteilten etwa 600 Exemplare des Flugblatts vom 1. März, das wir nachfolgend abdrucken. Es wurde von den Arbeitern mit Interesse aufgenommen und sie diskutierten mit uns über viele wichtige Themen. Zu Recht sind sie sehr stolz auf ihren Streik und sagten: „Endlich streiken wir“, „Jetzt haben die Ausverkäufe ein Ende“, und: „Wir schreiben Geschichte.“ Immer wieder zogen Gruppen mit dem Sprechchor „Wir wollen den Euro sehen!“ durch die Terminals.
Im Zuge des Streiks wurden viele der Arbeiter dafür gewonnen, in die Gewerkschaft ver.di einzutreten. Das ist gut, denn eine starke gewerkschaftliche Organisierung stärkt die Arbeiter im gemeinsamen Kampf. Entsprechend viel Frust gab es über den Einsatz befristet eingestellter Arbeiter als Streikbrecher sowie über die Versuche der Bosse von Ryanair und Easyjet, den Streik durch von außen herbeigekarrte Streikbrecher zu unterminieren. Viele Arbeiter stimmten uns sofort zu, dass es für einen Sieg des Streiks notwendig ist, den ganzen Laden dicht zu machen und die Befristeten am Streikbruch zu hindern, indem Streikposten aufgebaut werden, die niemand überquert. Wir argumentierten, eine der Forderungen des Streiks müsse sein, dass alle Befristungen in den Verträgen beseitigt werden müssen!
Die Bosse versuchten außerdem, den Streik dadurch zu schwächen, dass Flüge einfach nach Dresden/Leipzig umgeleitet wurden. Es wäre wichtig gewesen, dass ver.di dort gegen die Abfertigung dieser Flugzeuge mobilisiert, um in Solidarität mit dem Streik der Berliner Kollegen Streikbruch zu verhindern.
Trotz der Angriffe gegen den Streik lässt sich als Ergebnis verbuchen, dass es den Bossen nicht gelungen ist, den Flächentarifvertrag zu zerschlagen! Der Gewerkschaft zufolge wurde darüber hinaus eine Lohnerhöhung um 14 Prozent innerhalb der nächsten drei Jahre erzielt. Hätte der Streik länger gedauert, wäre vermutlich noch mehr dabei rausgekommen.
Das Bodenpersonal der Berliner Flughäfen stimmt nach Redaktionsschluss über das Verhandlungsergebnis ab.
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98,6 Prozent des Bodenpersonals der Berliner Flughäfen hat für Streik gestimmt! Die 2000 Mitarbeiter kämpfen für eine Lohnerhöhung von 1 Euro die Stunde mit einer Laufzeit von einem Jahr und für eine Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten von länger angestellten Arbeitern. Doch die Bosse wollen sie mit 10 Cent mehr die Stunde über vier Jahre abspeisen – eine einprozentige Lohnerhöhung pro Jahr, die aufgrund der Inflation eine Reallohnkürzung bedeutet. Gleichzeitig steht ver.di in Verhandlungen für das Bodenpersonal von privaten Anbietern und ausgegliederten Tochtergesellschaften an den Flughäfen Hamburg, Leipzig, Dresden, Frankfurt, Düsseldorf sowie Köln und Stuttgart.
Die Wut unter den Beschäftigten ist groß. Die Löhne reichen bundesweit von 8,50 Euro Mindestlohn bis 14 Euro – bei gleicher Tätigkeit. 40 Prozent sind in Teilzeit beschäftigt, Leiharbeit grassiert. 83 Prozent können von ihrem Gehalt nicht leben, viele haben einen zweiten Job oder müssen „aufstocken“, d. h. der Staat zahlt Zuschüsse, um den Kapitalisten Hungerlöhne zu ermöglichen. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal. Bei gleichbleibender Stärke der Belegschaft ist die Zahl der abgefertigten Passagiere in den letzten zehn Jahren um über 25 Prozent von 174 auf 220 Millionen gestiegen. Die Arbeitshetze ist so groß, dass der Krankenstand 20 Prozent beträgt. Einer Umfrage von ver.di zufolge können sich nur sieben Prozent vorstellen, den Job bis zur Rente zu machen. Sieg dem Streik des Bodenpersonals!
Die miesen Bedingungen des Bodenpersonals sind ein Ergebnis der Agenda 2010, die die SPD/Grünen-Bundesregierung vor mehr als zehn Jahren der Arbeiterklasse reingewürgt hat. Leiharbeit und Auslagerungen wurden im großen Stil möglich gemacht, die Arbeitslosen verelendet und gezwungen, wirklich jeden Job anzunehmen. So wurde Europas größter Niedriglohnsektor aufgebaut.
Vorangegangen waren Privatisierungen und Auslagerungen nach Gesetzesvorlagen der EU von 1996, mit denen die Luftverkehrsarbeiter in ganz Europa angegriffen werden. Die EU dient den deutschen Kapitalisten als Maske für ihre eigenen Angriffe auf die Arbeiter in Deutschland und anderswo und als Instrument, die Arbeiterklassen der verschiedenen Länder durch Marktöffnungen gegeneinander auszuspielen im Wettstreit der Löhne und Arbeitsbedingungen nach unten. Um 30 Prozent sind die Preise für die Dienstleistungen am Boden in den letzten zehn Jahren gesunken. Das entspricht dem Betrag, um den die Löhne gedrückt wurden.
In Berlin, Hamburg und Stuttgart hatten am 8. Februar Warnstreiks von ver.di stattgefunden. Bei einem zweiten Warnstreik in Berlin hat sich auch die IG BAU beteiligt und für vier Stunden kam fast der gesamte Flugverkehr zum Erliegen, über zweihundert Flüge fielen aus. Dies gibt einen guten Geschmack der enormen sozialen Macht der Arbeiter, ohne die Gepäck und Fracht nicht verladen werden kann und der gesamte Transport zum Erliegen kommt. Ein Sieg des Bodenpersonals wäre ein Schlag gegen die Angriffe der Bosse der Flugindustrie – ob Flughafenbetreiber oder Fluggesellschaft. Er würde den Kampf aller vorantreiben, ob am Boden, in der Kabine oder im Cockpit. Es ist notwendig, die Berliner Flughäfen dichtzumachen und die Bosse an der Stelle zu treffen, wo es ihnen wirklich weh tut: ihren Profiten. Um die Bodenabfertigung stillzulegen, ist es notwendig, Streikpostenketten aufzubauen, die keiner überquert. Das Bodenpersonal muss dabei von den Arbeitern der Fluggesellschaften unterstützt werden, egal ob diese nun in ver.di, Ufo oder Vereinigung Cockpit organisiert sind. Für die gewerkschaftliche Organisierung aller Unorganisierten!
An vielen Orten finden gerade lokale Tarifverhandlungen mit privaten Betreibern und Flughafentochtergesellschaften statt und in Frankfurt, München, Köln, Düsseldorf, Stuttgart und Nürnberg ist die Bezahlung nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes in Gefahr. Der Streik muss ausgeweitet werden: auf alle anderen Flughäfen, auf alle Arbeiter des Bodenpersonals im Kampf für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für einen bundesweiten Tarifvertrag auf dem höchsten Niveau, egal wer der Betreiber ist, privat oder öffentlich, Tochtergesellschaft, Flughafenbetreiber oder Fluggesellschaft. Bei Gesprächen am 4. Oktober letzten Jahres über einen Branchentarifvertrag machten die Bosse klar, dass dieser „nicht teurer sein darf als die Haustarifverträge und sehr flexibel sein muss“. Das unterstreicht, dass den Bossen nur durch harten vereinten Klassenkampf ein bundesweiter Tarifvertrag abgerungen werden kann.
Es ist notwendig, Illusionen in den bürgerlichen Staat zu bekämpfen, der den Kapitalisten dient und nicht den Arbeitern. Jeder effektive Streik ruft die Bullen und Gerichte auf den Plan, die für die Kapitalisten Streikbruch durchzusetzen versuchen. Dagegen müssen die Arbeiter ihre Zahl und Organisiertheit setzen, durch den Aufbau von Massenstreikpostenketten, die keiner überquert. Die reformistische Gewerkschaftsführung dagegen organisiert sogar Polizei und Sicherheitsdienste in der Gewerkschaft. Diese berufsmäßigen Streikbrecher haben dort nichts verloren. Polizei und Sicherheitsdienste raus aus ver.di und dem DGB!
Im Flugverkehrswesen wie auch in anderen Branchen wurden durch Ausgliederung, Leiharbeit und Werkverträge unterschiedliche Lohnniveaus durchgedrückt und der Niedriglohnsektor immer mehr ausgebaut. Die Folge der Ausverkäufe ist das Ende der Tarifeinheit und die Vertiefung der Aufspaltung in Spartengewerkschaften im Luftverkehr. Das spaltet und schwächt die Kämpfe von Piloten, Kabinenpersonal und Bodenpersonal. Am 30. November letzten Jahres demonstrierten in Frankfurt/Main sogar Lufthansa-Arbeiter auf Seiten der Bosse gegen die streikenden Piloten von Vereinigung Cockpit, ein Klassenverrat, aufgerufen von einem Teil des Betriebsrats des Bodenpersonals von Lufthansa.
So erfolgreich Cockpit, Ufo und teilweise auch ver.di bei einzelnen Tarifverhandlungen gewesen sein mögen; die hohe Qualifikation hat massenhaften Streikbruch erschwert. Den Auf- und Ausbau der Billigflugtochter Eurowings konnten sie genauso wenig verhindern, wie die miesen Bedingungen des Bodenpersonals. Die Spaltung in verschiedene Gewerkschaften muss im Kampf für eine Industriegewerkschaft überwunden werden, die für die höchstmöglichen Löhne und bestmöglichen Arbeitsbedingungen für alle kämpft.
Es ist richtig, dass ver.di, Ufo und Vereinigung Cockpit das reaktionäre Tarifeinheitsgesetz ablehnen, das Bundesarbeitsministerin Nahles (SPD) auf Betreiben von DGB-Spitzen und Bossen durchgepeitscht hat. Damit sollen die effektiven Streiks von kleinen Spartengewerkschaften wie Vereinigung Cockpit und GDL verhindert werden. Jetzt ist die Gelegenheit, dass die Arbeiter im Streik auch „Nieder mit dem Tarifeinheitsgesetz!“ auf ihre Fahnen schreiben. Um dieses Streikverbotsgesetz wegzufegen, soll man sich nicht auf die kapitalistischen Gerichte verlassen.
Auf der politischen Ebene sind Rassismus und Chauvinismus zentrale Mittel, die multiethnische Arbeiterklasse zu spalten. Daher schürt die Bourgeoisie den Rassismus, den der Kapitalismus unvermeidlich hervorbringt. 2001 entfesselte die SPD/Grünen-Bundesregierung in Deutschland den von der damaligen US-Regierung ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“. Er nimmt die muslimische Bevölkerung ins Fadenkreuz und stellt sie unter den Generalverdacht, „Terroristen“ zu sein. Seitdem wurden islamische Vereine verboten, Moscheen überwacht und durchsucht. Der Großteil der Muslime in Deutschland sind aus der Türkei und Kurdistan eingewanderte Arbeiter und ihre Kinder und Enkel. Sie sind ein strategischer Bestandteil des Proletariats in Deutschland und stehen bei den Kämpfen immer mit in der vordersten Linie. Nieder mit dem antimuslimischen „Krieg gegen den Terror“!
Dazu kommt die Hetze gegen Flüchtlinge, die einen vorläufigen Höhepunkt in der rassistischen Hysterie über die Sylvesternacht in Köln 2015 fand. Der rechtspopulistischen AfD wurde so ein politischer Durchbruch verschafft. Fast täglich gibt es von Faschisten Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen oder Überfälle auf Flüchtlinge und zunehmend auch auf Linke und Gewerkschafter. Flüchtlinge sind zu Sündenböcken für die soziale Verelendung durch die Agenda 2010 und die Angriffe der deutschen Kapitalisten gemacht worden und ein Klima allgemeinen Misstrauens und Hasses gegen alle Muslime geschürt worden. Gegen die bürgerliche Demagogie und Hetze muss die Arbeiterklasse ihre Einheit und damit Kampffähigkeit verteidigen. Viele Abschiebungen finden über die Flughäfen statt. Ver.di, Ufo und Cockpit haben die Macht, das zu verhindern. Stoppt Abschiebungen durch Gewerkschaftsaktion! Es ist notwendig, für volle Staatsbürgerrechte für alle zu kämpfen, die es hierher geschafft haben!
So können Flüchtlinge in die Arbeiterklasse integriert werden und es wird verhindert, dass ihre rechtlose und verzweifelte Situation von den Kapitalisten ausgenutzt wird, um sie als Billiglohnarbeiter einzusetzen.
Die ganze EU dient nur den kapitalistischen Herrschern, allen voran der deutschen Kapitalistenklasse. Sie dominiert die EU und plündert ihre schwächeren Mitgliedsstaaten in Kolonialherren-Manier aus. Fraport, Tochter der deutschen Lufthansa und des Landes Hessen, hat sich nun die 14 profitabelsten staatlichen Flughäfen Griechenlands für die nächsten 40 Jahre unter den Nagel gerissen. Konstantinos Nikoloúsos, Bürgermeister von Korfu – Mitglied der bürgerlichen Syriza, die in Griechenland regiert und der Bevölkerung die Spardiktate reinwürgt – meinte treffend: „Wenn man früher ein Land besetzen wollte, hat man erst die Häfen bombardiert, dann die Flughäfen übernommen – und am Schluss das Parlament. Und jetzt hat man erst das Parlament mundtot gemacht, und nun ist man dabei, die Häfen und die Flughäfen auszuverkaufen.“
Die Privatisierung wurde Griechenland im Rahmen des „dritten Hilfspakets“ vom deutschen Imperialismus abgepresst, im Gegenzug für weitere Kredite, um seine Schulden zu begleichen. Die Überschuldung Griechenlands ist Ergebnis von Euro und EU. Die deutsche Bourgeoisie hat sich mittels der EU offene Absatzmärkte in Europa gesichert. Durch den Euro sind die Wechselkurse zwischen den Volkswirtschaften eingefroren und die schwächeren Länder können ihre heimische Wirtschaft weder durch Einfuhrzölle noch durch Währungsabwertung schützen. Das Handelsbilanzdefizit können sie nur durch Kredite finanzieren, die sie zentral beim deutschen Finanzkapital aufnehmen. Der deutsche Imperialismus verdient doppelt, am Warenexport und den Kreditzinsen. Die schwächeren Länder dagegen versinken in immer tiefere wirtschaftliche Abhängigkeit und werden zu Neokolonien degradiert.
Ihre gestärkte Position nutzt die Bourgeoisie dann aus, um auch die Ausbeutung der Arbeiterklasse in Deutschland weiter zu verschärfen. Daher ist die notwendige Solidarität mit den griechischen Klassenbrüdern im ureigensten Interesse aller Arbeiter in Deutschland. Für die sofortige bedingungslose Streichung der Schulden Griechenlands! Nieder mit dem Euro! Nieder mit der EU! Gegen das kapitalistische „Vereinigte“ Europa müssen die Arbeiter ihre Interessen im gemeinsamen Klassenkampf über Ländergrenzen hinweg verteidigen. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!
Die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung hat immer die EU unterstützt und die tödliche Illusion verbreitet, man könne die EU sozialer machen. Das ergibt sich aus ihrem Programm des „Standort Deutschlands“, nach dem sie im Namen von Wettbewerbsfähigkeit die Interessen der Arbeiter den Interessen der eigenen Bourgeoisie unterordnen. Aus dem gleichen Grund haben sie auch die Agenda 2010 der SPD/Grünen-Regierung ab 2003 kampflos durchgewunken. Ein Teil der SPD, darunter viele Gewerkschaftsfunktionäre, spaltete sich daraufhin 2005 ab, fusionierte dann aber mit der genauso sozialdemokratischen PDS zur Linkspartei. Diese verwaltet das Hartz-IV-Elend, wo man sie lässt wie in Thüringen und Berlin und hat mit Klassenkampf nichts am Hut. Notwendig ist ein Bruch mit sozialdemokratischer Klassenzusammenarbeit und der Aufbau einer klassenkämpferischen Gewerkschaftsführung. Dies ist eng verbunden mit dem Aufbau einer revolutionären multiethnischen Arbeiterpartei, die darum kämpft, dass die Arbeiter in einer sozialistischen Revolution die Macht ergreifen, die Kapitalistenklasse enteignen und Schluss machen mit Ausbeutung, Neokolonialismus, rassistischer Unterdrückung und imperialistischem Krieg.
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