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Spartakist Nummer 216 |
Frühjahr 2017 |
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Leserbrief
Über Protektionismus in abhängigen Ländern
7. Februar 2017
Liebe Genossen,
in unserem Artikel „Mexiko: Massenproteste gegen Benzinpreiserhöhung“ [siehe Seite 9], schreiben wir: „Trotzkisten unterscheiden zwischen dem Protektionismus in neokolonialen Ländern, wo er eine Maßnahme der nationalen Selbstverteidigung darstellt, und dem Protektionismus der Imperialisten, mit dem die eine oder andere imperialistische Bourgeoisie den Chauvinismus schürt und die eigene Vorherrschaft stärken will.“ Diese Linie ist korrekt in Bezug auf unsere Herangehensweise an Protektionismus, der von den Imperialisten betrieben wird. Doch in Bezug auf Protektionismus, wie er von neokolonialen Ländern betrieben wird, stimmt diese Linie nicht immer. In neokolonialen Ländern kann Protektionismus sowohl zur nationalen Selbstverteidigung als auch zur Unterdrückung/Beherrschung anderer neokolonialer Länder und, genau wie bei den Imperialisten, zur Förderung von Chauvinismus, wie auch zur Unterstützung der imperialistischen Oberherren angewendet werden.
Zum Beispiel beschloss im Juni vergangenen Jahres Simbabwe den Import bestimmter Güter zu verbieten, vor allem Konsumgüter aus Südafrika, Sambia und Botswana. Das Regime von Robert Mugabe rechtfertigte diese Maßnahme mit der dringenden Notwendigkeit, die örtliche Industrie wiederzubeleben. Die Regierung der vom ANC [Afrikanischer Nationalkongress] angeführten Dreierallianz erkannte zwar die wirtschaftlichen Probleme Simbabwes an, erklärte aber, dass Simbabwe seine Industrie nicht auf Kosten Südafrikas wieder in Gang setzen könne. Deshalb stellte die südafrikanische Regierung mehrere Ultimaten und drohte mit Vergeltungsmaßnahmen mit der Behauptung, das Einfuhrverbot verstoße gegen den SADC-Vertrag (Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika, eine regionale Wirtschaftsorganisation). Dieser Streit führte zu Massenprotesten auf beiden Seiten der Grenze bei Beitbridge. Die Demonstranten in Simbabwe machten sich vor allem Sorgen über den zu erwartenden Warenmangel und den unvermeidlich folgenden Preisanstieg, während die Demonstranten in Südafrika hauptsächlich Händler waren, die sich um den Verlust ihres Geschäfts sorgten.
Einige lokale Medien hier beschrieben Mugabe und seine Gefolgsleute als selbstsüchtig und realitätsfremd, wild entschlossen, die Not der Simbabwer ewig beizubehalten. Sie warfen die echten Sorgen der Simbabwer in einen Topf mit den Geschäftsinteressen der südafrikanischen Kleinhändler und der Bourgeoisie, die offensichtlich den Status quo bevorzugen. Die südafrikanische Bourgeoisie will durch Aufhebung des Verbots ihre wirtschaftliche Dominanz sicherstellen, wohingegen Simbabwe durch das Verbot der Einfuhr dieser vorwiegend landwirtschaftlichen Produkte seine wichtigste nationale Industrie wiederzubeleben versucht, und das wird ständig von den Randlords durchkreuzt.
Kaum erwähnt wurde, dass die südafrikanische Bourgeoisie von der erbärmlichen wirtschaftlichen Lage Simbabwes profitiert, auch wenn das vielen völlig klar war. Südafrikanische Konsumgüter wie Obst und Gemüse in Dosen haben in Simbabwe einen riesigen Markt.
Wegen ihrer prekären rechtlichen Stellung sind Immigranten aus Simbabwe als billige Arbeitskräfte für die südafrikanische Bourgeoisie ein wahrer Segen. Diese Arbeiter, ob in der Landwirtschaft, beim Bau oder im Dienstleistungssektor, erfahren ständig unvorstellbare Misshandlungen. Gleichzeitig sind COSATU [Gewerkschaftsdachverband] und andere Gewerkschaften nicht daran interessiert, sie zu organisieren. Kürzlich kündigte die Regierung der vom ANC angeführten Dreierallianz an, sie werde gegen Unternehmen, die Simbabwer statt einheimischer Arbeiter einstellen, schwere Geldstrafen verhängen – eine Maßnahme, die zweifellos Pogrome gegen Immigranten oder Ausländer entfachen wird. Dieser Schritt zielt eindeutig darauf ab, die Geldüberweisungen, die für Simbabwes Wirtschaft lebenswichtig sind, auf ein Minimum zu reduzieren.
Eine weitere Schwäche unserer obigen Formulierung liegt darin, dass sie unsere Haltung zum Protektionismus von Neokolonien gegenüber deformierten Arbeiterstaaten, insbesondere China, nicht berücksichtigt. Wegen des weltweiten Sinkens der Stahlpreise in den letzten beiden Jahren fordern beispielsweise die Bourgeoisie und NUMSA [Metallarbeitergewerkschaft] Zölle auf Stahlimporte aus China. Selbstverständlich passt das genau zu der kaum verhüllten, aggressiven imperialistischen Kampagne zur Dämonisierung Chinas im Südchinesischen Meer, die nichts anderes zum Ziel hat als eine Konterrevolution im mächtigsten der verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten.
Genossenschaftliche Grüße
Kgori
Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 1106, 24. Februar
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