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Spartakist Nummer 214 |
Herbst 2016 |
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Rasse und Klasse unter der Neo-Apartheid Südafrikas Für eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung! Nachfolgender Artikel wurde im Dezember als Extrablatt von Spartacist South Africa, Zeitung der südafrikanischen Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga, veröffentlicht. Die Bezeichnung „farbig“ bezieht sich auf die gemischtrassige Bevölkerung dieses Landes, teilweise malaiischer Abstammung.
Das „neue“ Südafrika besteht nun seit 21 Jahren, und von all den 1994 verkündeten Mythen hat sich der von der „Regenbogennation“ vielleicht als die fadenscheinigste Lüge von allen erwiesen. Für jeden, der Augen im Kopf hat, ist offensichtlich, dass das heutige Südafrika alles andere als ein Musterbeispiel von Rassenharmonie ist. Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren Rassengegensätze in einer Menge wichtiger Aspekte zugenommen, und sowohl bei verschiedenen unterdrückten Rassengruppen als auch bei der privilegierten weißen Minderheit lässt sich eine ausgesprochene Verhärtung der Gesinnung in der Rassenfrage beobachten. Äußerungen ethnischer und rassischer Abgrenzung – wie Autoaufkleber und T-Shirts, auf denen verkündet wird „100 % Zulu“ und „100 % Venda“ oder Aussagen wie „Farbig und stolz darauf“ – haben deutlich zugenommen. Derweil enthüllte eine im letzten Jahr veröffentlichte Meinungsumfrage des Instituts für Gerechtigkeit und Versöhnung (IJR), dass 2013 nur noch 52,8 Prozent der befragten Weißen zustimmten, die Apartheid sei, in den Worten der Umfrage, „ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gewesen – gegenüber 70,3 Prozent im Jahr 2003.
Als Marxisten wissen wir, dass diese rückschrittlichen Entwicklungen auf der ideologischen Ebene wesentlich ein Produkt der brutal unterdrückerischen, rassistischen materiellen und sozialen Wirklichkeit sind, von der das Leben in Südafrika noch immer bestimmt wird. Über zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Apartheidsystems – unnachgiebiger, gesetzlich erzwungener Rassentrennung und weißer Vorherrschaft – lebt die überwiegende Mehrheit der nicht-weißen Massen des Landes noch immer im „Dritte-Welt“-Elend, parallel zu einer „Ersten Welt“, die vor allem von der weißen Minderheit bewohnt wird. Trotz einer bescheidenen Zunahme gesellschaftlichen Umgangs miteinander und anderer Kontakte über die Rassengrenzen hinweg – vor allem unter den Wohlhabenden – sind die Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen immer noch größtenteils die von Herren und Dienern. Rassenunterdrückung und -erniedrigung sind die materielle Grundlage für die Ideologie des weißen Rassismus, deutlich sichtbar in den zahlreichen Fällen weißer rassistischer Übergriffe auf schwarze Hausangestellte, über die in den Medien berichtet wird. In einem noch weit größeren Ausmaß war das Marikana-Massaker 2012 eine blutige Mahnung, dass das Leben schwarzer Arbeiter heute noch genauso wenig wert ist wie unter der Apartheid.
Die Zunahme von Rassen-, Stammes- und anderen Gegensätzen unter den unterdrückten nicht-weißen Massen ist auch ein Produkt des rassistischen Neo-Apartheid-Systems, für dessen Verwaltung und Aufrechterhaltung die kapitalistische vom ANC geführte Dreierallianz-Regierung verantwortlich ist. Diese Regierung ist weit davon entfernt, für das 1994 „versprochene“ „bessere Leben für alle“ zu sorgen, sondern fungiert als Vollstrecker der Superausbeutung vornehmlich schwarzer Arbeitskraft durch die gleiche Kapitalistenklasse, die unter der Apartheid herrschte – jetzt mit ein paar wenigen nicht-weißen Gesichtern. Um die wachsende Wut an der Basis der Gesellschaft von sich selbst und den rassistischen kapitalistischen Herrschern abzulenken, verlegt sich die ANC-geführte Regierung zwangsläufig darauf, verschiedene Teile der Unterdrückten gegeneinander auszuspielen.
Seit den 1990er-Jahren warnten wir wiederholt davor, dass die brodelnde Unzufriedenheit der Massen, sollte sie ihren Ausdruck nicht entlang von Klassenlinien finden, alle möglichen anderen Gegensätze schüren und verschärfen wird. Die tödlichen Pogrome gegen Immigranten 2008 – bei denen 62 Menschen starben – und die kleineren Ausbrüche von Gewalt gegen Immigranten, die in den Jahren seither auf groteske Weise das Leben kennzeichnen, sind ein nachdrücklicher Beweis für diese grauenhafte Tatsache.
Es ist das Ziel der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten), deren Sektion Spartacist/South Africa ist, eine kommunistische Weltordnung zu schaffen. Erst dann wird wirtschaftlicher Mangel beseitigt werden als Ergebnis eines qualitativen Fortschritts der Produktion, der durch Kollektivierung von Reichtum und Rohstoffquellen der Gesellschaft im Dienste der menschlichen Bedürfnisse ermöglicht wird. In einer kommunistischen Gesellschaft wird jegliche Art von Rassendiskriminierung und -unterdrückung – und selbst die bloße Existenz von Rasse, ethnischer Zugehörigkeit und Nationalität als irgendwie sozial bedeutsame Kategorien – nur noch in den Erinnerungen an eine barbarische kapitalistische Vergangenheit existieren. Aber um dahin zu gelangen, ist eine Reihe von Arbeiterrevolutionen notwendig, welche die kapitalistische Herrschaft hinwegfegen, auch und besonders in den imperialistischen Zentren. Ein entscheidendes Element bei der Schmiedung einer revolutionären Führung – d. h. einer leninistischen Avantgardepartei –, die für den Sieg der Arbeiterklasse nötig ist, ist die Bekämpfung der sehr realen rassischen, nationalen und anderen Vorurteile, die heute die Arbeiterklasse spalten.
Gegensätze zwischen Schwarzen und Farbigen unter der Neo-Apartheid: Momentaufnahmen
Rassenspannungen zwischen der schwarzen Mehrheit und der farbigen Minderheit äußern sich unterschiedlich und haben verschiedene Ursachen, doch ein wichtiger Faktor dabei ist, dass Farbige empfinden, im Südafrika nach 1994 an den Rand gedrängt zu werden. Einer bekannten Redewendung zufolge haben viele Farbige das Gefühl, da sei „kein Braun in der Regenbogennation“. Diese Ausgrenzung hat zur Verstärkung von Ressentiments gegen Schwarze beigetragen, da der bürgerlich-nationalistische ANC als Repräsentant der schwarzen Mehrheit wahrgenommen wird, der diese auf Kosten der Farbigen bevorzugt. Die Spannungen und das Misstrauen werden natürlich von den Kapitalisten, ihren politischen Parteien und Mediensprachrohren geschürt und manipuliert, die sie zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen wollen. Zwar kommen die Spannungen nicht immer offen zum Ausdruck und schwelen oft unter der Oberfläche, aber es gibt zahlreiche Fälle, wo sie aus dem einen oder anderen Grund, der als Zündfunke wirkt, offen ausbrechen.
Ein jüngstes Beispiel ist der Konflikt zwischen schwarzen und farbigen Eltern und Lehrern nach der Ernennung einer schwarzen Schulrektorin und zwei schwarzer Stellvertreter an der Grundschule von Roodepoort, einer integrierten Schule mit schwarzer Schülermehrheit in einem überwiegend farbigen Stadtteil Roodepoorts (westlich von Johannesburg gelegen), Davidsonville. Es herrschte das Gefühl vor, mit den Ernennungen seien die farbigen Bewohner und Schüler brüskiert worden, und so kam es im Februar 2015 zu Protesten unter der Führung des Davidsonville Community Forum (DCF), die Entlassung der drei und ihre Ersetzung durch farbige Kandidaten wurde gefordert. Das DCF und einige Protestteilnehmer versuchten zwar geltend zu machen, dass es bei ihren Beschwerden „nicht um Rasse“ gehe, sondern vielmehr um angebliche Korruption beim Ernennungsverfahren, doch ist offensichtlich, dass es dabei sehr wohl um Rassenspannungen geht. Die schwarzenfeindliche Politik des DCF offenbart sich auf seiner Facebook-Seite, wo im Juli folgende Einladung gepostet wurde: „Jeder und jede Organisation, die glauben, dass Farbige, Inder, Khoisan, Afrikaaner und andere ausgegrenzte Minderheiten jetzt politisch auf eigenen Füßen stehen müssen“, sollten die Gründungsveranstaltung der Patriotic Association of South Africa für die Provinz Gauteng in Davidsonville besuchen!
Die Proteste hatten eine unmissverständlich schwarzenfeindliche Stoßrichtung, Eltern forderten etwa, die farbigen Schüler „bräuchten einen Rektor ihrer eigenen Rasse“ (news24.com, 22. Februar 2015) oder klagten, es seien „eben nur die Schwarzen, die … Gewalt verursachen“ (702.co.za, 20. Februar). Auch die Lehrergewerkschaft SADTU wird von ihnen voller Hass angegriffen: Eine DCF-Erklärung beschuldigt SADTU-Mitglieder der Bestechung und fordert eine Hawks-Ermittlung [Directorate for Priority Crime Investigation – Spezialeinheit der Polizei für organisiertes Verbrechen und Korruption] gegen die Gewerkschaft. Das DCF macht die Gewerkschaft auch für den erbärmlichen Zustand des Bildungswesens verantwortlich und wirft ihr vor, sie habe „keine Perspektiven oder Ideale … außer sich mehr auf ihr Wachstum und den Schutz ihrer Mitglieder zu orientieren“.
Als Marxisten sind wir aus Prinzip gegen jede Einmischung des kapitalistischen Staates in die Gewerkschaften. Wir haben scharfe politische Kritik an der prokapitalistischen Führung von SADTU wie auch an der anderer Gewerkschaften. Aber unsere Perspektive ist es, diese Irreführer durch eine klassenkämpferische Führung zu ersetzen, die danach trachtet, die Kampffähigkeit der Gewerkschaften gegen die Bosse zu stärken. Forderungen nach staatlichem Eingreifen, wie vom DCF, zielen darauf ab, die Gewerkschaften zu lähmen. Die Arbeiterbewegung muss ihr eigenes Haus sauber halten; das ist nicht die Aufgabe des Klassenfeindes.
Die Rassenpolarisierung in Davidsonville trägt dazu bei, die Arbeitsbedingungen aller Lehrer zu untergraben und macht es zwangsläufig schwieriger, gegen Mittelkürzungen und andere Angriffe zu kämpfen, die die Bedingungen für die Schüler verschlechtern. Schwarze Lehrer an der Schule scharten sich um die Rektorin (ihren Boss), während farbige Lehrer den Unterricht boykottierten und die Entlassung der Rektorin forderten. Im Juni erhielten Berichten zufolge 14 Lehrer Abmahnungen. Inmitten dieser hässlichen Rassenpolarisierung wurde die Schule mehr als einmal geschlossen und mindestens ein Protest – bei dem sich schwarze und farbige Eltern feindlich gegenüberstanden – wurde von Bullen mit Gummigeschossen brutal aufgelöst. Im August wurde das Auto der Rektorin vor der Schule mit einer Benzinbombe beworfen.
Ein weiterer Vorfall ereignete sich im März 2012 in der Landwirtschaftsstadt Grabouw in der Westkap-Provinz (östlich von Kapstadt). Es begann mit Protesten gegen massive Überbelegung und karge Mittel an der xhosa-sprachigen Schule des Bezirks, wo etwa 1900 Schüler in ein für 600 Schüler ausgelegtes Gebäude gepfercht worden waren. Laut The Times (20. März 2012) war urprünglich unter anderem geplant, dass schwarze und farbige Einwohner nach Kapstadt reisen sollten, um dort zu protestieren. In der Nacht vor der geplanten Veranstaltung begannen schwarze Einwohner Autoreifen anzuzünden und in den Straßen Barrikaden zu errichten. Während dieses Protestes wurde ein Klassenzimmer einer nahegelegenen afrikaans-sprachigen Schule, in der die Mehrheit der Schüler Farbige und ungefähr 40 Prozent Schwarze sind, in Brand gesetzt. Das löste eine angespannte Konfrontation und einen eintägigen Kleinkrieg zwischen Schwarzen und Farbigen aus, rassistische Beleidigungen flogen hin und her und mehrere Menschen wurden von Mobs angegriffen.
Wie insbesondere in der Westkap-Provinz üblich – der einzigen Provinz, wo der ANC nicht an der Regierung ist und wo die Farbigen die Mehrheit stellen –, wurden die Spannungen vom ANC und seinen bürgerlichen politischen Rivalen von der neoliberalen von Weißen dominierten Demokratischen Allianz (DA), der herrschenden Partei in der Provinz, weiter angefacht. Beide Parteien führten damals Kampagnen für Nachwahlen in der Region und versuchten durch implizite und explizite Mobilisierung von Rassengegensätzen und -vorurteilen Stimmen zu gewinnen (während sie dies natürlich zynischerweise abstritten). Zum Beispiel wetterte die DA-Führerin und Premierministerin der Westkap-Provinz Helen Zille auf Twitter gegen „Bildungsflüchtlinge“ aus der Ostkap-Provinz, die das Westkap angeblich überlasteten – ein durchsichtiger Versuch, rassistische xhosa-feindliche Stimmung zu schüren.
The Times zitierte eine farbige Frau aus der Menge, die sich in Grabouw bei der Afrikaans-Schule versammelt hatte: „Sie, diese Schwarzen, kamen und brannten die Schule unserer Kinder nieder. Warum? Wir haben auf diese Schule so lange gewartet. Sie müssen warten, bis sie an der Reihe sind.“ Tatsächlich liegt den meisten Rassenzusammenstößen unter den nicht-weißen unterdrückten Massen das verzweifelte Ringen um ein paar erbärmliche Krümel von der Tafel der Kapitalisten zugrunde. Dies ist eine der grundlegenden Methoden, wie die Bourgeoisie – eine sagenhaft reiche, verschwindende Minderheit inmitten des riesigen Elends – ihre Herrschaft aufrechterhält. Das gilt ganz sicher nicht nur für Südafrika; im 19. Jahrhundert brüstete sich der berüchtigte amerikanische „Raubritter“ Jay Gould einmal: „Ich kann eine Hälfte der Arbeiterklasse dafür anheuern, die andere Hälfte umzubringen.“
Für Kommunisten kommt es darauf an, diese rückständigen Aufspaltungen zu durchbrechen, um die lebenswichtigen objektiven Interessen der schwarzen und farbigen Arbeiter voranzubringen in vereintem Kampf gegen ihren gemeinsamen Feind – die rassistische herrschende Kapitalistenklasse und ihre politischen Repräsentanten, zu denen sowohl der ANC als auch die DA gehören. Klasseneinheit ist keineswegs eine automatische Folge wachsender Unzufriedenheit unter den Massen, sie muss erkämpft werden. Das bedeutet, jegliche Erscheinung von Rassenunterdrückung und jegliche Rassen-, ethnischen und nationalen Vorurteile zu bekämpfen.
Ein gängiges Klischee, um das Gefühl der Ausgrenzung von Farbigen nach 1994 zu beschreiben, lautet: „Zuerst waren wir nicht weiß genug und jetzt sind wir nicht schwarz genug.“ Mohamed Adhikari, ein farbiger Wissenschaftler an der Universität Kapstadt, der ausführlich über farbige Identität geschrieben hat, stellte fest:
„Eine Hauptursache der Unzufriedenheit der Farbigen mit der neuen Ordnung … ist, dass Mitglieder der farbigen Gemeinschaft, insbesondere die arbeitenden Klassen, das Gefühl haben, von dem neuen System, wenn überhaupt, nur wenige greifbare Vorteile zu haben… In der Westkap-Provinz wirkt sich die Beseitigung der durch die Coloured Labour Preference Policy [Politik aus Apartheidzeiten, farbige Arbeiter zu bevorzugen] geschaffenen Verzerrungen für die farbige Gemeinschaft nachteilig aus und wird sogar als Ergebnis einer Regierungspolitik angesehen, die Afrikaner in unfairer Weise bevorzugt.“ (Not White Enough, Not Black Enough – Racial Identity in the South African Coloured Community, Double Storey, 2005)
In vielerlei Hinsicht hat sich der Lebensstandard der farbigen Massen seit den frühen 1990er-Jahren wirklich deutlich verschlechtert. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Die Zahl der Farbigen, die in Armut leben, nahm zwischen 1996 und 2012 um 20 Prozent zu; die Inhaftierungsrate unter Farbigen – sie stellen 18 Prozent der Gefängnisinsassen – liegt weit höher als bei anderen Rassengruppen; und von sozialen Missständen wie Bandengewalt, Drogenabhängigkeit und Alkoholmissbrauch sind die farbigen Armen schlimmer betroffen als andere Gemeinschaften.
Darüber hinaus speien Minister der Regierung und andere hochrangige Amtsträger des ANC regelmäßig üble Hetze gegen Farbige aus, was die Farce der angeblichen „Rassenvorurteilslosigkeit“ des ANC Lügen straft. Zuweilen gehen diese chauvinistischen Ausfälle mit der nationalistischen Darstellung hausieren, die Farbigen seien unter der Apartheid „privilegiert“ und eigentlich nicht so richtig unterdrückt gewesen und sie hätten es verdient, heute mehr zu leiden. Zum Beispiel sagte Tokyo Sexwale [ehemaliger ANC-Minister, heute erfolgreicher Kapitalist] einmal, er könnte „kotzen“, wenn „andere versuchen, [unsere] berechtigten Beschwerden auszunutzen“ (Cape Times, 19. September 1994). Dann wieder verbreiten die gleichen Leute einfach nur üble rassistische Stereotype über Farbige, wie 2005, als Roderick Blackman Ngoro – damals Medienberater des ANC-Bürgermeisters von Kapstadt – wetterte, die Farbigen würden „einen Säufertod sterben“, wenn sie nicht „eine ideologische Umwandlung durchmachen“, d. h. den ANC wählen würden (kein Wunder, dass nur wenige seiner Anweisung folgten).
Um gegen den Einfluss von Vorurteilen gegen Farbige unter dem schwarzen Proletariat und den armen Schwarzen zu kämpfen, ist es wichtig, diesen nationalistischen Dreck zu entlarven und zu bekämpfen. Schwarze Arbeiter müssen für die Einsicht gewonnen werden, dass auch sie ein grundlegendes Interesse daran haben, gegen die Angriffe der kapitalistischen ANC-Regierung auf Farbige zu kämpfen, denn dieser Kampf ist für die Geschlossenheit der Arbeiterklasse und ihre Fähigkeit, einen Klassenkampf gegen den gemeinsamen Feind zu führen, unabdingbar. Dies wurde 1997 besonders stark veranschaulicht, als Sexwales ANC-Provinzregierung in Gauteng damit begann, bei Mietern im farbigen Township Eldorado Park die noch ausstehenden Ratenzahlungen und Mieten einzutreiben, und dies mit nationalistischer Demagogie rechtfertigte, nun würde die Rechnung für die „Privilegien“ der Farbigen unter der Apartheid beglichen werden. Seit dieser Zeit führt die ANC-Regierung dieselben Angriffe auch gegen Mieter in schwarzen Townships durch.
Farbiger Sektoralismus: eine Sackgasse
Wir bekämpfen die gegen Farbige gerichtete Demagogie des ANC und anderer schwarzer Nationalisten, doch wissen wir, dass das Klischee des „nicht schwarz genug“ ein Ausdruck rückständigen Bewusstseins als Reaktion auf die sehr reale Ausgrenzung und anhaltende Unterdrückung der Farbigen unter der Neo-Apartheid ist. Obwohl sich dieses falsche Bewusstsein unterschiedlich und oft widersprüchlich äußert, ist eines seiner Merkmale ein pseudonationalistischer farbiger Sektoralismus: Die Interessen der Farbigen werden als getrennt von (und oft als im Gegensatz stehend zu) denen der schwarzen Mehrheit angesehen, weshalb sich Farbige angeblich „um ihre eigenen Leute kümmern“ müssten. In der praktischen Politik bedeutet dies tatsächlich vor allem Unterstützung für die DA und andere weiße bürgerliche Parteien als angebliches „kleineres Übel“.
Mit der bürgerlichen Politik des kleineren Übels gehen oft gegen Schwarze gerichtete Vorurteile einher, die sich rassistischer Klischees von Afrikanern als von Natur aus korrupt, gewalttätig usw. bedienen. Zum Beispiel hielt der preisgekrönte farbige Schauspieler Anthony Wilson 2003 auf einem Kunstfestival einen Vortrag über farbige Identität und ereiferte sich: „Die Buren haben gestohlen, aber sie hielten wenigstens Haus und stahlen nicht alles. Sie stahlen die Sahne, aber die Darkies stehlen die Sahne, die Milch und den Eimer. Wir haben 5 Millionen Farmer gegen 34 Millionen Schwarze eingetauscht“ (Cape Argus, 2. April 2003). Dieser giftige Rassismus gegen Schwarze wäre Musik in den Ohren des verstorbenen P. W. Botha, der in den 1980er-Jahren das Dreikammer-Parlament einrichtete – ein faules Angebot eines Wahlrechts für Farbige und Inder unter Ausschluss der Schwarzen –, beim (vergeblichen) Versuch, die Herrschaft der weißen Minderheit durch Vorantreiben einer Teile-und-herrsche-Politik zu untermauern.
Wilsons Hasstirade polarisierte, auch unter farbigen politischen Kommentatoren. Der Kapstädter Radiomoderator Nigel Pierce verurteilte das rassistische Gift scharf, das Wilson und andere versprühten, die den Mythos einer swart gevaar (schwarze Gefahr) und die Vorstellung rassischer Überlegenheit unter der farbigen Bevölkerung verbreiten, und sagte: „Wenn wir diesen Weg einschlagen, werden wir uns selbst ausgrenzen.“ Rhoda Kadalie [bekannte Akademikerin] hingegen entschuldigte Wilsons Tirade und nannte sie „sehr ermutigend, denn ich glaube, man muss darüber sprechen… Farbige haben zu Recht das Gefühl, vom Kuchen nur die Krumen abzubekommen.“ Dieses Argument, wie auch Wilsons eigener Versuch einer Rechtfertigung für seine rassistischen Bemerkungen durch die Ermahnung, „die Unterdrückten sollten nicht zu Unterdrückern werden“, nutzt und verbreitet die gängige falsche Vorstellung, die Rassenhierarchie in Südafrika habe sich nach 1994 irgendwie umgekehrt und nun leiden die Farbigen, weil die Schwarzen jetzt oben stehen.
Dies ist ein völlig falsches Bild vom Wesen des Neo-Apartheid-Kapitalismus. Wirtschaftlich gesehen ist es geradezu absurd. Gemessen an fast allen sozialen Indikatoren – Armut, Arbeitslosigkeit, Lebenserwartung – ist überdeutlich, dass die unter der Apartheid existierende Rassenhierarchie immer noch intakt ist, die Weißen oben, Inder und Farbige als Zwischenschichten und die Schwarzen ganz unten. Zum Beispiel hatten weiße Haushalte 2012 1,5-mal so viel Einkommen wie indische zur Verfügung, 3,6-mal so viel wie farbige und 6-mal so viel wie schwarze.
Farbige Sektoralisten vergleichen den ANC nach 1994 oft mit der Nationalen Partei (NP) nach 1948. Dies ist genauso falsch. Während die Politik der NP der weißen Bevölkerung insgesamt tatsächlich nützte, indem sie jegliche Spur weißer Armut beseitigte und dafür sorgte, dass selbst weniger gut ausgebildete Weiße gut bezahlte Jobs im öffentlichen Dienst erhielten, hat der ANC offenkundig nichts dergleichen für die schwarze Bevölkerung getan, deren Lebensbedingungen sich seit 1994 in vielerlei Hinsicht verschlechtert haben. Und es konnte auch gar nicht anders sein, denn die Hauptprofitquelle für die südafrikanischen Kapitalisten bleibt wie seit mehr als einem Jahrhundert die Superausbeutung schwarzer Arbeitskraft.
Diese weitgehende Überschneidung von Klassenausbeutung und Rassenunterdrückung ist ein spezifisches Produkt der europäischen Kolonisation, wie sie sich in Südafrika abspielte. Diese Überschneidung änderte sich 1994 nicht grundlegend – andernfalls hätte es keine Möglichkeit einer Verhandlungslösung zwischen dem ANC und den weißen Herrschern gegeben. Geändert hat sich, dass die vom ANC geführte Allianz an die Regierung kam als schwarzer Strohmann für die kapitalistischen Herrscher, die (immer noch) überwiegend Weiße sind. Sicherlich hat dies auch zur Herausbildung einer privilegierten schwarzen Elite geführt, darunter einer Handvoll schwarzer Kapitalisten wie Patrice Motsepe und Cyril Ramaphosa, die ihre politischen Beziehungen dazu benutzten, eigenständige Ausbeuter zu werden.
Die große Lüge – die sowohl von Leuten wie Anthony Wilson als auch von der Dreierallianz verbreitet wird – besteht darin, dass die bürgerliche Regierung und die schwarze Elite für die schwarze Mehrheit repräsentativ seien. Wenn es noch irgendeines Beweises bedurfte, dass dies wirklich eine Lüge ist, so lieferte ihn das Marikana-Massaker – und die Rolle, die Ramaphosa spielte, der zugunsten des Lonmin-Vorstands ein Eingreifen der Polizei forderte. Marikana enthüllte eindeutig, dass diese Regierung nicht die Interessen der schwarzen Massen vertritt, sondern die der südafrikanischen Kapitalisten und ihrer imperialistischen großen Brüder.
Farbiger Sektoralismus ist eine Sackgasse und trägt nur dazu bei, die unterdrückten Farbigen von ihrem besten potenziellen Verbündeten – dem schwarzen Proletariat – zu isolieren und sie an ihren schlimmsten Feind zu fesseln – die rassistischen weißen Bosse. Der klarste Beweis dafür ist die beträchtliche Unterstützung von Farbigen für die DA und andere weiße Parteien bei den Wahlen von 1994 und danach, insbesondere in der Westkap-Provinz.
Viele Linke glaubten impressionistisch, die Zusammenarbeit zwischen schwarzen und farbigen Anti-Apartheid-Aktivisten bedeute, dass die Rassengegensätze überwunden seien. Zum Beispiel hatte die auf den ANC ausgerichtete Vereinigte Demokratische Front (UDF), die die Kampagne zum Boykott der Wahlen zum Dreikammerparlament 1984 anführte, bei der farbigen Bevölkerung in der Westkap-Provinz eine Massenbasis. Die UDF und andere linke farbige Aktivisten propagierten als Antwort auf die rassistische Teile-und-herrsche-Politik der Apartheid eine Politik des „Coloured Rejectionism“ – die idealistische Auffassung, eine eigenständige farbige Bevölkerungsgruppe sei eine bloße Erfindung der weißen Herrscher.
Diese Linken waren schockiert, als bei den Wahlen von 1994 eine Mehrheit der Farbigen in der Westkap-Provinz für die Nationale Partei stimmte, die die Provinz größtenteils durch eine Kampagne primitiver Swart-gevaar-Propaganda gewann. Wie die IKL damals feststellte: „Die reale Aussicht auf eine schwarze nationalistische Regierung, wie liberal sie sich ideologisch auch geben mag, ließ deutlich sichtbare Risse innerhalb der nicht-weißen Bevölkerung entstehen“ („South Africa Powder Keg“ [Pulverfass Südafrika], Black History and the Class Struggle Nr. 12, Februar 1995).
Als die NP endgültig zusammenbrach und die DA sich zur größten weißen Oppositionspartei entwickelte, erlangte der ANC bei den Wahlen von 1999 und 2004 die Kontrolle über die Westkap-Provinz – wenn auch beide Male mit einer Stimmenminderheit. Seit 2009 gewann die DA in der Westkap-Provinz mit deutlichen Mehrheiten, sie schlug Kapital sowohl aus der Unzufriedenheit der Farbigen als auch aus der Verbitterung über die Angriffe des ANC auf die Armen und aus seiner Demagogie gegen Farbige, aber auch durch Anheizen schwarzenfeindlicher Vorurteile durch die Swart-gevaar-Taktik.
Man muss sicher kein Verteidiger des bürgerlich-nationalistischen ANC sein, um zu erkennen, dass die neoliberale DA für alle Unterdrückten (ebenfalls) nichts Gutes bedeutet, auch und nicht zuletzt für die Farbigen. In Kapstadt und der Westkap-Provinz überziehen DA-Kommunal- und -Provinzregierungen alle mit brutalem Bullenterror, die es wagen, aufzustehen und gegen Rassenunterdrückung und drückende Armut zu kämpfen – von farbigen Fischergemeinden und Hinterhofbewohnern über schwarze Slumbewohner bis hin zu schwarzen und farbigen Landarbeitern. Staatliche Unterdrückung und gewerkschaftsfeindliche Provokationen zeigen das wahre Gesicht des widerlichen DA-Neoliberalismus einer „freien, chancengesteuerten Gesellschaft“: „freie“ Fahrt für ungehinderte Ausbeutung durch die rassistischen Kapitalisten.
Die DA verschleiert ihre Verteidigung weißer Privilegien, indem sie sich als Retter von „Minderheitengruppen, die Mehrheitstyrannei und Einparteienherrschaft fürchten“, darstellt, wie es Helen Zille 2008 formulierte. Doch die Rassisten der DA treten nur für eine Minderheit ein, und die ist weiß. Kapstadt, das seit 2006 von der DA regiert wird, gilt weithin als eine der rassistischsten Städte des Landes. Medienberichte über weiße rassistische Übergriffe häuften sich dermaßen, dass die Stadtregierung im März 2015 eine heuchlerische Kampagne für eine „inklusive Stadt“ ins Leben rief, um ihr Imageproblem in den Griff zu bekommen. Nicht selten hört man Berichte, dass selbst prominente Schwarze und politisch gut vernetzte Mitglieder der schwarzen Elite an Kapstadts „gehobenen“ Restaurants und Hotels abgewiesen werden, weil sie nicht weiß sind.
Für alle, die Illusionen haben, weiße bürgerliche Parteien wie die DA seien auf irgendeine Weise „Freunde“ der Farbigen, lohnt es sich, einige bittere Lehren der weißen Minderheitsherrschaft in Erinnerung zu rufen. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts verfolgten aufeinanderfolgende weiße Minderheitsregierungen die Taktik, die härtesten rassistischen Maßnahmen zuerst gegen die schwarze Mehrheit zu richten, danach aber ähnliche Angriffe auf andere Nicht-Weiße zu führen. Ein Beispiel waren Zuzugskontrolle und Segregation nach Wohngebieten. Der Urban Areas Act [Gesetz zu städtischen Gebieten] von 1923 verordnete die obligatorische Registrierung von schwarzen Afrikanern und ermächtigte die örtlichen Behörden, sie aus Stadtgebieten auszuschließen und die für „faul und unerwünscht“ Erachteten zu deportieren. Dieses und andere Gesetze wurden dazu benutzt, Zehntausende Schwarze aus der Westkap-Provinz zu deportieren, insbesondere in Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs, wenn die Kapitalisten weniger Bedarf an billiger Arbeitskraft hatten, die sie ausbeuten konnten.
Die weißen Herrscher verkauften diese Maßnahmen zynisch und demagogisch als Akt des Wohlwollens gegenüber der farbigen Gemeinschaft, als „Schutz“ vor der Konkurrenz schwarzer Arbeitskraft. Kleinbürgerliche farbige Irreführer wie Abdullah Abdurahman, Präsident der African Political Organisation (APO, später in African People’s Organisation umbenannt), widersetzten sich diesen Angriffen auf schwarze Afrikaner manchmal in Worten. Doch in der Praxis leisteten die APO und Abdurahman dieser rassistischen Teile-und-herrsche-Politik Vorschub, zum Beispiel appellierten sie an die Regierung, Farbige von der Segregation nach Wohngebieten auszunehmen, oder sie riefen sogar die weißen Baas [Bosse] dazu auf, schwarze Arbeiter durch farbige zu ersetzen. Die rechten Kontrahenten der APO innerhalb der farbigen politischen Elite waren sogar noch schlimmer und unterstützten offen Barry Hertzogs rassistische Nationale Partei.
Dies führte letztendlich nur zur Schwächung des Widerstands gegen den weißen rassistischen Angriff und zur Sabotage an einem damals tatsächlich möglichen gemeinsamen Kampf der schwarzen und farbigen Unterdrückten. Mit der Apartheid wurde das System der Rassentrennung auf ein ganz neues Niveau gehoben, und selbst die begrenzten Zugeständnisse an die Farbigen im Dienste einer Teile-und-herrsche-Politik wurden abgeschafft. Zum Beispiel wurden nach dem Group Areas Act von 1950 zwischen 1957 und 1985 etwa 150 000 Farbige aus ihren Wohnungen und Gemeinden auf der Kap-Halbinsel zwangsvertrieben, die meisten von ihnen umgesiedelt in trostlose Farbigen-Ghettos wie den Townships der Cape Flats.
Der Verrat des schwarzen Nationalismus
Die gewöhnliche Antwort der DA auf Enthüllungen über rassistische Gewalttaten in der Westkap-Provinz ist der Verweis darauf, dass Ähnliches auch im Rest des Landes passiert, wo der ANC an der Regierung ist. Als Antwort auf die Empörung über Enthüllungen, dass die örtliche Polizei in Worcester einen neuen „Dompas“ [Ausweisbuch aus Zeiten der Apartheid] herausgibt, den schwarze und farbige Gärtner und Hausangestellte bei sich tragen müssen, um gewisse wohlhabende weiße Vorstädte betreten zu dürfen, wies Helen Zille darauf hin, dass dasselbe System im ANC-regierten Gauteng vorgeschlagen wird.
Tatsächlich berief im März 2015 der für „kommunale Sicherheit“ zuständige MEC [Mitglied des Exekutivrats] von Gauteng einen „Rural Safety Summit“ [ländlichen Sicherheitsgipfel] ein, mit Vertretern von Polizei und verschiedenen Farmerverbänden – der African Farmer’s Union of South Africa wie auch rechten weißen rassistischen Gruppen wie der Transvaal Agricultural Union und Agri SA. Der Gipfel verabschiedete einen Plan für verschärfte Polizeirepression in ländlichen Farmgemeinden, darunter die Richtlinie: „Farmer müssen legale und registrierte Arbeiter anstellen und Profilkarten anlegen, die an örtlichen Stellen überprüft werden müssen.“ Dies enthüllt tatsächlich viel mehr über das Südafrika der Neo-Apartheid und die Dreierallianz-Regierung, als Zille und die DA beabsichtigten – es ist nämlich nur ein Beispiel dafür, wie im Grunde genommen sowohl der ANC als auch die DA die weißen Privilegien verteidigen. Zweifellos gelangen sie von sehr verschiedenen Ausgangspunkten dorthin, doch in beiden Fällen ist es das Resultat der Verwaltung des rassistischen kapitalistischen Systems.
Geht man zurück zu den Gründungstagen des ANC im Jahre 1912, so war sein Bestreben schon immer, die Entwicklung einer schwarzen Elite voranzutreiben, die bei der Ausbeutung „ihrer eigenen“ Leute mitmachen sollte. Das wollten sie nicht den Buren und den Briten überlassen. Dieses Ziel änderte sich nie – auch wenn der ANC zeitweise eine mehr oder weniger populistische Rhetorik und militante Protesttaktiken einsetzte, um die schwarzen Massen dafür zu mobilisieren. Und der Weg zu diesem Ziel bedeutete notwendigerweise, mit den weißen Herrschern eine Verhandlungslösung einzugehen und als deren schwarze Strohmänner zu agieren. Die gegen Farbige gerichtete chauvinistische Demagogie einiger ANC-Führer – ebenso wie ihre Forcierung immigrantenfeindlicher Hetze – soll vor allem diese grundlegende Tatsache verbergen und Farbige und andere ausgegrenzte unterdrückte Gruppen zu Sündenböcken für die elenden Lebensbedingungen der schwarzen Mehrheit machen.
Schwarzer Nationalismus – die falsche Auffassung, dass alle Schwarzen ein über der Klassenspaltung stehendes gemeinsames Interesse teilen – ist das Haupthindernis für revolutionäres Bewusstsein unter dem südafrikanischen Proletariat. Durch diese Ideologie wird die proletarische Basis von COSATU [Kongress Südafrikanischer Gewerkschaften] und SACP [Kommunistische Partei Südafrikas] mittels der Dreierallianz dem bürgerlichen ANC und den kapitalistischen Ausbeutern untergeordnet. Trotz enormer Unzufriedenheit und Wut gegenüber dem ANC und seinen Allianzpartnern bleibt Nationalismus unter schwarzen Arbeitern die dominierende Form des falschen Bewusstseins. Als nach dem Marikana-Massaker und der massiven Welle militanter wilder Bergarbeiterstreiks 2012 der Platingürtel um Rustenburg für den ANC zur „No-go-Area“ wurde, legten bei den Wahlen von 2014 die bürgerlich-nationalistischen Populisten der Economic Freedom Fighters (EFF) von Julius Malema am meisten zu.
Das Vorherrschen nationalistischen falschen Bewusstseins unter dem Proletariat ist vor allem ein Produkt der ungeheuer schweren nationalen Unterdrückung, die die schwarze Mehrheit zu spüren bekommt. Um diese brennende Frage anzugehen und die proletarischen und plebejischen Massen gegen die nationalistischen Irreführer in Stellung zu bringen, treten wir für ein Programm der proletarischen Führung im Kampf für die nationale Befreiung ein, zusammengefasst in der Losung einer „zentral von Schwarzen getragenen Arbeiterregierung“.
Wir kämpfen dafür, klassenbewusste farbige Arbeiter und andere antirassistische farbige Aktivisten für dieses Programm zu gewinnen. Das basiert auf dem Verständnis, dass der Kampf für nationale Befreiung der unterdrückten schwarzen Mehrheit die strategisch treibende Kraft für eine Arbeiterrevolution zur Zerschlagung des rassistischen Neo-Apartheid-Systems ist, das alle nicht-weißen Werktätigen unterdrückt. Die Unterdrückung der Farbigen (und Inder) ist unmittelbar bedingt durch die Superausbeutung des schwarzen Proletariats, und jeder ernsthafte Kampf für die Beendigung dieser Unterdrückung bedeutet notwendigerweise einen Kampf für die nationale Befreiung der unterdrückten schwarzen Mehrheit. Und umgekehrt bedeutet jeder ernsthafte Kampf für die Befreiung der Schwarzen einen unnachgiebigen Kampf gegen schwarzen Nationalismus, der vor Hetze gegen Farbige und Inder nur so strotzt. Dieses Verständnis ist entscheidend für den Aufbau einer rassisch integrierten leninistisch-trotzkistischen Avantgardepartei, die fähig ist, in allen Sektoren der Unterdrückten zu intervenieren und für die revolutionäre Führung zu kämpfen. Unter einer zentral von Schwarzen getragenen Arbeiterregierung würden Farbige, Inder und Asiaten eine wichtige Rolle spielen und volle demokratische Rechte haben. Das Gleiche gilt auch für jene Weißen, die eine Regierung akzeptieren, die hauptsächlich von den schwarzen Werktätigen gestellt wird.
Vor allem in den ersten Jahren der Neo-Apartheid lehnten viele südafrikanische Linke unsere Losung entschieden ab, mit der Begründung, wir würden durch das Einräumen von Unstimmigkeiten und Spaltungen unter den nicht-weißen Massen die Linie der Apartheid-Herrscher wiedergeben, die durch ihre Teile-und-herrsche-Politik laufend Rassengruppen gegeneinander ausspielten und darauf abzielten, Stammes- und ethnische Identitäten zu fördern. Stattdessen übernahmen diese Linken – darunter die New Unity Movement, die Vorläufer der Democratic Socialist Movement/Workers and Socialist Party sowie die Pseudotrotzkisten, die sich jetzt im Dunstkreis der ILRIG-Denkfabrik (International Labour Research and Information Group) aufhalten – die vom ANC verbreitete Illusion des „non-racialism“ [etwa: Rassenvorurteilslosigkeit]. Dabei ignorierten sie die reale und dramatische Existenz von Spaltungen entlang von Hautfarbe, Nationalität und Stammeszugehörigkeit in Mandelas Neo-Apartheid-Staat. Die nationalistischen Fiktionen von „Regenbogennation“ und „Nationenbildung“ waren ihre Mittel zur Verleugnung der Wirklichkeit, denn ihre reformistischen Programme sind grundsätzlich nicht in der Lage, diese zu verändern.
So schrieb uns 1997 eine in Kapstadt basierte pseudotrotzkistische Gruppe, die Workers International Vanguard League (WIVL, jetzt umbenannt in Workers International Vanguard Party), einen 19-seitigen „offenen Brief“, der größtenteils die üble Verleumdung widerkäute: „Die Spartakisten fördern Rassengegensätze in Südafrika.“ Die WIVL lehnte unsere Losung für eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung ab, denn ihrer Meinung nach bedeute dies, dass „eine Arbeiterregierung in Südafrika eine schon in ihrer Verfassung eingebaute Rassengarantie enthalten sollte“. In unserer Antwort auf die WIVL (zusammen mit dem „offenen Brief“ der WIVL abgedruckt in Hate Trotskyism, Hate the Spartacists Nr. 1, Juli 1998) betonten wir, dass diese „Farbenblindheit“ in der Realität eine Anpassung an farbige Engstirnigkeit und eine Verleugnung der strukturellen Rassenhierarchie des südafrikanischen Kapitalismus ist mit seiner besonderen Unterdrückung schwarzer Afrikaner am Boden der Gesellschaft.
In Südafrika ist Klassenausbeutung untrennbar mit nationaler Unterdrückung verbunden. Trotz eines beträchtlichen farbigen Proletariats, vor allem in der Westkap-Provinz, und einer städtischen indischen Arbeiterklasse in Natal sind die Arbeiter in ihrer überwiegenden Mehrzahl schwarze Afrikaner. Der Angriff der WIVL auf unsere Losung nach einer zentral von Schwarzen getragenen Arbeiterregierung war in Wirklichkeit ein Angriff auf Leo Trotzki selbst. In seiner einzigen substanziellen Schrift zu Südafrika, einem Brief an südafrikanische Revolutionäre 1935, beharrte Trotzki darauf:
„Es ist völlig offensichtlich, dass die vorherrschende Bevölkerungsmehrheit nach der Befreiung aus sklavischer Abhängigkeit dem Staat eine gewisse Prägung geben wird.
Insoweit eine siegreiche Revolution nicht nur die Beziehung zwischen den Klassen, sondern auch zwischen den Rassen radikal verändern und den Schwarzen die Stellung im Staat zusichern wird, die ihrer Anzahl entspricht, insoweit wird die soziale Revolution in Südafrika auch einen nationalen Charakter haben.“ (nachgedruckt in The Fight For a Revolutionary Vanguard Party: Polemics on the South African Left, April 1997)
Unsere Erkenntnis, dass die proletarische Revolution in Südafrika oberster und letzter Akt der nationalen Befreiung ist, beinhaltet keineswegs auch nur die geringste politische Unterstützung für Nationalismus als Ideologie oder für das Projekt der „Nationenbildung“. Südafrika ist keine Nation, sondern ein aus dem Kolonialismus hervorgegangener Staat, der mannigfaltige Völker umfasst und auf einer brutalen Rassenhierarchie aufgebaut ist. Die Grenzen fast aller afrikanischen Staaten, einschließlich Südafrikas, wurden von den Kolonialmächten willkürlich gezogen und haben keine nationale Berechtigung. Einzelne Stämme oder Völker wurden oft zerstückelt und auf zwei oder mehr Länder aufgeteilt, während zwei oder mehr historisch verfeindete Völker oft in einen einzigen Staat zusammengezwungen wurden. Eine demokratische, egalitäre und rationale Lösung ist unter dem Kapitalismus unmöglich. Der Kampf für eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung in Südafrika ist Teil unserer Perspektive für eine sozialistische Föderation des südlichen Afrikas.
Bekämpfung nationalistischer Ideologie bedeutet, den Vorurteilen und chauvinistischen Klischees über Farbige entgegenzutreten, die unter schwarzen Afrikanern weit verbreitet sind und von ANC, EFF und anderen Nationalisten gefördert werden. Extrem rassisch abwertende Bezeichnungen wie AmaBoesman („Buschmann“) sind in vielen afrikanischen Sprachen die üblichen – und manchmal einzigen – Bezeichnungen für Farbige. Es besteht auch der weit verbreitete Irrglaube, dass die farbige Bevölkerung nur aus Rassenmischung zwischen schwarzen und weißen Menschen hervorging. Dieser Irrglaube geht oft einher mit Vorurteilen gegen Farbige – dass farbige Menschen „ihre Abstammung nicht kennen“, „unzuverlässig“ seien usw. Er widerspiegelt eine Auffassung von „Rassen“ als naturgegebene, unveränderliche biologische Kategorien – ein Trugschluss, der üblicherweise im Zusammenhang mit rassistischen pseudowissenschaftlichen Versuchen verbreitet wird, Sklaverei und Unterdrückung der Schwarzen zu rechtfertigen, indem man „beweist“, dass Schwarze „minderwertig“ sind. (Zur Entlarvung dieser Mythen vor dem Hintergrund der USA siehe „The ,Bell Curve‘ and Genocide U.S.A.“, Black History and the Class Struggle Nr. 12, Februar 1995.)
Rassenkategorien sind ein Produkt menschlicher sozialer Beziehungen, nicht der Genetik, was bedeutet, dass die entsprechenden Rassenidentitäten, -vorurteile usw. von der besonderen historischen Entwicklung der jeweiligen Gesellschaft geprägt sind, in der sie bestehen. Die farbige Bevölkerung setzt sich aus einer vielfältigen Mischung unterschiedlicher Völker zusammen, die im Laufe der Jahrhunderte in Südafrika lebten – Sklaven aus Ostafrika und aus Süd- und Südostasien; Holländer und andere weiße europäische Kolonisatoren; Khoikhoi, San und andere indigene Bewohner.
Während in der Kapkolonie zur Zeit der Sklaverei eine komplexe Rassenhierarchie bestand, war die Konsolidierung dieser verschiedenen Völkergruppen zu der farbigen Bevölkerung, wie sie im Wesentlichen heute existiert – eine durch ihre Hautfarbe definierte Kaste, die in der Rassenhierarchie eine Zwischenstellung einnimmt –, eine spätere Entwicklung. Dieser Prozess war unmittelbar verbunden mit der Herausbildung einer modernen kapitalistischen Wirtschaft in Südafrika Ende des 19. Jahrhunderts. Wie Ian Goldin in Making Race – The Politics and Economics of Coloured Identity in South Africa [Eine Rasse wird gemacht – Politik und Ökonomie farbiger Identität in Südafrika] (1987) argumentiert: „Es war kein Zufall, dass in der Periode, in der die Evolution einer eigenständigen farbigen Identität stattfand, ebenfalls eine dramatische Veränderung der Arbeit vor sich ging“, als die Menschen auf der Suche nach Arbeit in die Städte der Kapkolonie zogen. Goldin beschreibt, wie sich diese eigenständige Identität in den 1890er-Jahren unter der Arbeiterschaft herausbildete, als die Unternehmer auf den Docks, auf den Farmen und anderswo Arbeiter in „Eingeborene“ – die sie bevorzugt für unqualifizierte und schwere körperliche Arbeit einstellten – und „Kapjungen“ oder „Farbige“ – denen man für handwerkliche Berufe wie Zimmermann, Maurer usw. den Vorzug gab – unterteilten.
Klassenkampf und die Rolle der Kommunisten
Es wäre natürlich verkehrt und äußerst einseitig, zu glauben, dass die Beziehungen zwischen Schwarzen und Farbigen nur durch Feindseligkeit und Misstrauen gekennzeichnet sind. Neben den Beispielen von Rassenkonflikten gibt es auch bedeutsame Beispiele von Kämpfen gegen die bürgerliche Teile-und-herrsche-Taktik. Es ist wichtig, denjenigen gegenüber, die Rassenklischees verbreiten, zu betonen, dass die farbige Bevölkerung keinesfalls homogen ist (und auch die schwarze Bevölkerung ist dies nicht): Politische und soziale Einstellungen der Individuen unterscheiden sich je nach Klassenhintergrund, persönlichen Erfahrungen und anderen Faktoren erheblich. Darüber hinaus sind die unter der farbigen Bevölkerung vorherrschenden Meinungen nicht unveränderlich, sondern verändern sich je nach Zeit und Ort. Zum Beispiel gibt es im Allgemeinen in den ländlichen Gegenden – den Landwirtschaftsregionen der Westkap-Provinz und auch in einem Großteil der Nordkap-Provinz – unter farbigen Werktätigen viel weniger Unterstützung für die DA als in städtischen Gebieten.
Was die Intervention von Kommunisten angeht, so muss der Schwerpunkt auf diejenigen Industriebetriebe gelegt werden, wo schwarze und farbige Arbeiter in der Produktion integriert sind – zum Beispiel in Autofabriken in der Ostkap-Provinz wie auch in der Landwirtschaft am Westkap. Die Rassenspaltungen zwischen Schwarzen und Farbigen laufen den grundlegenden materiellen Interessen der Arbeiterklasse zuwider, und die Funktionsweise kapitalistischer Ausbeutung selbst zwingt die Arbeiter dazu, sich kollektiv gegen die Unternehmer zu organisieren. Klassenkampf schafft die objektiven Bedingungen dafür, die Rassen- und andere Spaltungen zu bekämpfen und zu überwinden: Jeder hart geführte Streik erfordert unweigerlich Klasseneinheit gegen die Kapitalisten.
Schaut euch den Farmarbeiterstreik von 2012/13 in der Westkap-Provinz an. Ein Schwerpunkt des Streiks war De Doorns, das 2009 Schauplatz brutaler Pogrome gegen Immigranten gewesen war, damals wurden etwa 3000 vor allem simbabwische Immigranten zur Flucht in Lager gezwungen. Einigen Berichten zufolge wurden diese Angriffe von einigen südafrikanischen Zeitarbeitsvermittlern angefacht; beim Versuch, sich der Konkurrenz simbabwischer Arbeitsvermittler zu entledigen, hetzten sie immigrantenfeindliche Mobs auf und beschuldigten simbabwische Arbeiter, den Südafrikanern die Arbeitsplätze zu „stehlen“. Dieses und viele andere Beispiele zeigen, wie die weißen Farmbesitzer und Parasiten wie die Zeitarbeitsvermittler sich der Teile-und-herrsche-Taktik bedienen, um all die unterschiedlichen Gruppen von Farmarbeitern in brutaler Ausbeutung zu halten, sie hetzen Männer gegen Frauen, fest eingestellte Arbeiter gegen Saisonarbeiter, farbige gegen schwarze Arbeiter usw.
Als dann 2012 die Streiks ausbrachen, versuchten die Farmbesitzer mit Unterstützung der Westkap-Provinzregierung von Zille und der DA dieselbe Taktik anzuwenden, um den Streik durch das Säen von Feindseligkeiten zu untergraben. Doch dies konnte die Solidarität und Einheit dieses militanten Streiks über Rassen- und nationale Grenzen hinweg nicht brechen. Ein Streikkomiteeführer sagte Jesse Wilderman von der Wits-Universität: „Die Leute waren alle vereint – Zim, Sotho, Farbige, Xhosa-sprachige – alle waren vereint… Der Streik brachte die Kampfkultur [der] 1980er-Jahre zurück, und unsere gesamte Gruppe war wirklich geschlossen“ (Farm Worker Uprising in the Western Cape: A Case Study of Protest, Organising and Collective Action [Farmarbeiteraufstand in der Westkap-Provinz: Eine Fallstudie über Protest, Organisierung und kollektives Handeln], 26. September 2014). Die Streikenden blieben angesichts extremer staatlicher Repression standhaft und errangen ein bescheidenes Zugeständnis, als der Mindestlohn von 69 auf 105 Rand [von ca. 4,5 auf 6,9 Euro] pro Tag heraufgesetzt wurde.
Selbst auf diesen unglaublich dürftigen Zuwachs der Hungerlöhne haben die Farmbesitzer mit einer ganzen Reihe von Vergeltungsmaßnahmen reagiert, um Streik-Militante einzuschüchtern und zum Sündenbock zu machen. Die Farmer haben die Repressalien mit kalkulierten Provokationen kombiniert, die Uneinigkeit unter den Arbeitern säen sollen. Einige Farmer haben sich neue Fremdarbeiter geholt, um den gestiegenen Mindestlohn zu umgehen, einige karren Berichten zufolge farbige Arbeiter aus anderen Gegenden mit Bussen heran, um die Anstellung von Saisonarbeitern, die im Streik aktiv waren, zu vermeiden, und andere zwangen fest eingestellte Arbeiter, die am Streik teilgenommen hatten, ihre Wohnungen auf der Farm zu verlassen. Es gibt Anzeichen dafür, dass diese Maßnahmen in einigen Gegenden wirklich die alten reaktionären nationalen und Rassengegensätze wiederbelebt haben. So berichtet Wilderman, eine Gruppe von Arbeitern, die er in De Doorns interviewte, habe mit einer Wiederholung der Pogrome von 2009 gedroht.
Eine entscheidende Lehre des Streiks und seiner Folgen besteht darin, dass zwar die wirtschaftlichen Kämpfe der Arbeiter Klasseneinheit über Rassen- und andere Grenzen hinweg erforderlich machen, dass diese Kämpfe aber nicht aus sich selbst heraus in der Lage sind, diese Einheit konsequent und nachhaltig zu schmieden. Dafür ist eine revolutionäre Arbeiterpartei nach dem Vorbild der Bolschewiki nötig. Wie Lenin in Was tun? (1902) erklärte, zeigt die Geschichte, dass die Arbeiterklasse allein aus eigener Anstrengung heraus nicht spontan sozialistisches Bewusstsein entwickeln kann. Dieses Bewusstsein muss von außen hineingetragen werden durch die Intervention einer Avantgardepartei, die die Lehren der Geschichte des internationalen Klassenkampfes in einem revolutionären marxistischen Programm zusammengefasst hat. Eine solche Partei würde ihre Interventionen nicht auf die unmittelbaren wirtschaftlichen Kämpfe der Arbeiterklasse beschränken, sondern muss als Volkstribun handeln und fähig sein, auf jede Erscheinungsform von Tyrannei und Unterdrückung zu reagieren, egal welche Schicht oder Klasse der Bevölkerung sie betrifft.
Die von Lenin aufgebaute bolschewistische Partei kämpfte energisch für die demokratischen Rechte aller Nationalitäten im „Völkergefängnis“ des zaristischen Russland. Von zentraler Bedeutung für Lenins Herangehensweise an die nationale Frage war, dass proletarische Revolutionäre unbedingt die Kämpfe gegen nationale Unterdrückung unterstützen und für die Gleichheit aller Nationen eintreten, um so die Hindernisse für die Einheit der Arbeiterklasse zu beseitigen. In „Kritische Bemerkungen zur Nationalen Frage“ (1913) schrieb Lenin: „Dem nationalen Gezänk der verschiedenen bürgerlichen Parteien wegen der Sprachenfrage usw. stellt die Arbeiterdemokratie die Forderung entgegen: unbedingte Einheit und restlose Verschmelzung der Arbeiter aller Nationalitäten in allen… Arbeiterorganisationen, als Gegengewicht gegen jeden bürgerlichen Nationalismus.“
Lenin und die Bolschewiki erlangten die politische Autorität, über nationale Spaltungen hinweg für die Einheit der proletarischen Avantgarde zu kämpfen, weil sie als die entschiedensten Kämpfer gegen großrussischen Chauvinismus und dessen Unterdrückung aller nationalen Minderheiten bekannt waren. Auf dem Höhepunkt der Revolution von 1905, als die zaristische Autokratie im Oktober damit drohte, „die Revolution in jüdischem Blut zu ertränken“, verbreiteten sich in Petersburg Gerüchte von einem antijüdischen Pogrom. Innerhalb weniger Stunden wurden vom Arbeitersowjet (Arbeiterrat) 12 000 bewaffnete Arbeiter mobilisiert, um die reaktionären Banden der „Schwarzhundertschaften“ zurückzuschlagen.
Es gibt wichtige Unterschiede zwischen den Formen von nationaler/Rassenunterdrückung in Südafrika und im zaristischen Russland. Am bedeutsamsten ist die Tatsache, dass die Mehrheit der Arbeiter, die die Russische Revolution von 1917 durchführten, ethnische Russen waren – die gegen russische Ausbeuter kämpften, die andere Nationalitäten unterdrückten. In Südafrika dagegen leidet die überwiegende Mehrheit der Arbeiter unter nationaler Unterdrückung durch eine weiße Minderheit. Darüber hinaus stellen die verschiedenen Völker, die in Südafrika leben, keine eigenständigen Nationen dar, denn sie sind in eine einzige Wirtschaft integriert. Trotz dieser Unterschiede ist die Methode von Lenin und den Bolschewiki sehr relevant dafür, wie man hier an die Rassen-, Stammes- und anderen Gegensätze unter den Unterdrückten herangehen muss – besonders in Hinblick auf die brennende Notwendigkeit, das Proletariat zur Verteidigung von Immigranten zu mobilisieren.
Die Kontroverse um Affirmative Action
Ein Brennpunkt für Rassenfeindseligkeiten war in den vergangenen Jahren die Frage von Affirmative Action [Förderungsmaßnahmen zugunsten von Minderheiten]. Die Kontroverse eskalierte 2011 in Erwiderung auf geplante Ergänzungen zum Employment Equity Act [Gesetz zur Gleichbehandlung im Arbeitsbereich], durch die Vorgaben und Quoten für die Beschäftigung auf Basis nationaler anstatt regionaler Bevölkerungszahlen aufgestellt werden sollten. Von den Farbigen in der Westkap-Provinz wurde dies zu Recht als rassistischer Angriff gesehen, denn es hätte bedeutet, dass die Beschäftigungsvorgaben für Farbige bei etwa 9 Prozent festgeschrieben worden wären, obgleich sie in der Region die Mehrheit stellen. Hinter diesem Plan verbirgt sich ein rassistisches Zwangsumsiedlungsprogramm – eine der vielen reaktionären Richtungen, in die eine kapitalistische „Nationenbildung“ gehen kann. Verdeutlicht wurde das durch Jimmy Manyi (damals Führer des Black Management Forums [Unternehmerverband] und später ein Sprecher der ANC-Regierung), der in Interviews mehrfach gegen die „übermäßige Konzentration“ Farbiger in der Westkap-Provinz wetterte.
In ähnlich nationalistischer Weise zog Manyi über die hohe Zahl von Indern her, die von Affirmative Action und „Black Economic Empowerment“ [Förderung von Schwarzen, was Arbeitsplätze etc. betrifft] profitiert hatten, und legte so den Schluss nahe, dass sie von beidem ausgeschlossen werden sollten. Zwar wurde nach einer Entscheidung des Kapstädter Arbeitsgerichts die geplante Änderung der Affirmative Action fallengelassen, doch gab es in den letzten Jahren eine kontinuierliche Kampagne gegen Inder mit Schwerpunkt in KwaZulu-Natal, die von schwarzen Unternehmerverbänden angezettelt wurde, um indische Konkurrenz bei staatlichen Ausschreibungen und Ähnlichem loszuwerden. Dieser reaktionäre Müll wird von Mitgliedern des ANC und Malemas EFF unterstützt. Zwar spielen sich die EFF heute als „Freunde“ der Farbigen auf und haben einige Unterstützung bei den Farbigen in der Westkap-Provinz gewonnen, aber man darf nicht vergessen, dass die jetzigen EFF-Führer Malema und Floyd Shivambu 2011, als sie die ANC Youth League [ANC-Jugendverband] führten, entschiedene Unterstützer Jimmy Manyis waren.
Diese rassistischen Angriffe auf die farbigen und indischen Minderheiten führen dazu, die Rassengegensätze zu verstärken und die farbigen und indischen Werktätigen ihren schlimmsten Feinden in die Arme zu treiben. So gelang es der reaktionären, von Weißen dominierten Gewerkschaft Solidarity, sich als Vorkämpfer der farbigen Minderheit aufzuspielen, indem sie die geplanten Richtlinien vor Gericht anfocht. Das Ziel von Solidarity ist es, Affirmative Action gänzlich abzuschaffen, was zu ihrem weitergehenden Zweck gehört, weiße Privilegien zu verteidigen, wie es in einem alten Eintrag auf ihrer Website (der seither gelöscht wurde) ganz klar formuliert wurde: „Denn von der Ideologie der Repräsentanz profitieren die Massen nicht, und Weiße werden ernstlich benachteiligt.“
Das Gerichtsverfahren von Solidarity wurde im Namen von zehn Gefängniswärtern (neun Farbige und ein Weißer) geführt, die aufgrund von nationalen Quotenregelungen bei der Beförderung übergangen worden waren. Es muss klar sein, dass alle Gefängniswärter – seien es Schwarze, Farbige oder Weiße – ein erbitterter Klassenfeind der Arbeiter und Unterdrückten sind. Ebenso wie die Polizei haben sie den Job, zur Verteidigung der Kapitalisten rassistische Repression auszuüben. Sie haben keinen Platz in den Gewerkschaften oder anderen Organisationen der Arbeiterklasse.
Wir verteidigen zwar Affirmative Action gegen ein rassistisches Rollback und widersetzen uns auch den rassistischen Versuchen, Farbige und Inder auszuschließen, doch es ist nicht das Ziel von Kommunisten, den elenden Status quo unter dem Kapitalismus zu verteidigen. Affirmative Action ist nicht in der Lage, die tiefgreifende rassistische Diskriminierung im Beschäftigungs- und Bildungsbereich zu lösen, denn sie basiert auf der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems, in dem die Unterdrückten in einer Gesellschaft mit massenhafter Arbeitslosigkeit wegen einer Handvoll Jobs gegeneinander ausgespielt werden.
Für eine zentral von Schwarzen
getragene Arbeiterregierung!
Dringend notwendig ist ein politischer Kampf innerhalb der Gewerkschaften für eine neue, klassenkämpferische Führung. Ein solcher Kampf muss sich sowohl gegen die verräterischen Pro-Allianz-Führer von COSATU als auch gegen ihre reformistischen Kontrahenten wie die Bürokratie der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA richten. Eine klassenkämpferische Führung hätte das Ziel, die Arbeiter – Schwarze und Farbige, Männer und Frauen, Beschäftigte und Arbeitslose usw. – in gemeinsamem Kampf zu vereinen, ausgehend von dem Verständnis, dass all ihre Interessen denjenigen der Kapitalisten grundsätzlich entgegengesetzt sind. Solange Arbeiter in der Konkurrenz um ein begrenztes Jobangebot gegeneinander ausgespielt werden, werden die Bosse immer wieder die Teile-und-herrsche-Taktik anwenden, um die Arbeiterbewegung zu schwächen.
Notwendig ist ein Kampf für die gewerkschaftliche Kontrolle über Einstellungen und für spezielle von den Gewerkschaften betriebene Programme, die sich an die Arbeiter besonders unterdrückter Schichten richten, um sie zu qualifizieren. Dies muss mit dem Kampf für Arbeitsplätze für alle und der Forderung nach Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Arbeitsfähigen ohne Lohnverzicht verbunden werden. Wir brauchen einen Klassenkampf, um Sklavenarbeit durch Zeitarbeitsvermittler zu zerschlagen, indem wir die Gewerkschaften zum Kampf für unbefristete Verträge für Zeitarbeiter bei gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit unter gewerkschaftlichen Bedingungen und vollem gewerkschaftlichen Schutz für alle Arbeiter mobilisieren. Dazu gehört auch der Kampf für volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben.
Das 1994 von Albie Sachs verfasste ANC-Strategiepapier „Affirmative Action and the New Constitution“ [Affirmative Action und die neue Verfassung] macht deutlich, dass Affirmative Action auserwählt wurde als Alternative zu der auf der Hand liegenden Lösung: nämlich die gewaltigen Ungerechtigkeiten der weißen Minderheitsherrschaft direkt anzugehen, was bedeutet hätte, „die Beute der Apartheid zu konfiszieren und sie unter die Enteigneten zu verteilen“.
Dies hatte der ANC natürlich niemals vor, letztlich wegen seiner Verpflichtung auf den Kapitalismus, was genau auf den springenden Punkt hinweist: Die anhaltenden Rassen- und Stammesgegensätze unter den nicht-weißen Massen wie auch so viele andere brennende Probleme wirtschaftlicher und sozialer Rückständigkeit sind das rassistische Vermächtnis von imperialistischer Herrschaft und Apartheid und können unter dem Kapitalismus nicht gelöst werden. Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution weist als einzige den Weg vorwärts zu wirtschaftlicher und sozialer Modernisierung von Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung. Ihre Anwendung auf Südafrika ist zusammengefasst in der Losung einer zentral von Schwarzen getragenen Arbeiterregierung.
Angemessene Wohnungen für die Millionen in den Townships, Squatter Camps und Dörfern, dazu rassisch integrierte Wohngegenden, kostenlose Bildung auf hohem Niveau, die Ausmerzung von Lobola [Brautpreis] und anderen traditionellen patriarchalischen Praktiken, die Frauen unterdrücken: Diese dringend notwendigen Maßnahmen erfordern den Sturz des Neo-Apartheid-Kapitalismus. Eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung in Südafrika würde erstmal damit beginnen, die Randlords und deren schwarze Strohmänner zu enteignen und die „Beute der Apartheid“ und die Produktionsmittel zu beschlagnahmen. Unter einer Arbeiterregierung würden diese nicht nur dazu benutzt werden, den Reichtum neu zu verteilen, sondern viel wesentlicher um die Produktion auf sozialistischer Grundlage neu zu organisieren und auszuweiten, was wirklich erforderlich ist, um die so dringend benötigte Modernisierung der Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen.
Der Erfolg einer sozialistischen Umgestaltung ist entscheidend abhängig von der internationalen Ausweitung der Revolution, vor allem auf die imperialistischen Zentren. Eine internationale proletarische Revolution würde Enteignung und zentralisierte Kontrolle des Produktivvermögens Nordamerikas, Europas und Japans bedeuten. Die vollständige, rationale Nutzbarmachung der wirtschaftlichen Ressourcen – insbesondere Investitionen in die fortgeschrittenste Technologie – wird einen Quantensprung in der Arbeitsproduktivität hervorbringen, der sehr schnell in eine vollautomatisierte Industrie übergehen wird. Die daraus resultierende riesige Zunahme an Produktionsleistung wird einen massenhaften Transfer produktiver Ressourcen in die rückständigeren Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ermöglichen.
Der Sieg der proletarischen Revolution auf Weltebene wird freilich keine leichte Aufgabe sein. Aber es ist die einzige Alternative zur kapitalistischen Barbarei. Wie in der „Grundsatzerklärung und einige Elemente des Programms“ (1998) der IKL erläutert wird, würde dieser Sieg
„einen bisher unvorstellbaren materiellen Überfluss in den Dienst der Bedürfnisse der Menschheit stellen, die Grundlagen für die Abschaffung der Klassen und für die auf Geschlecht basierende soziale Ungleichheit legen und die gesellschaftliche Bedeutung von Hautfarbe, Nation oder ethnischem Ursprung völlig aufheben. Zum ersten Mal wird die Menschheit die Zügel der Geschichte ergreifen und ihre eigene Schöpfung, die Gesellschaft, kontrollieren, was zu einer bisher nie erträumten Emanzipation des Potenzials der Menschen und einem gewaltigen Aufschwung der Zivilisation führen wird. Erst dann wird es möglich sein, die freie Entwicklung eines jeden als Vorbedingung zur freien Entwicklung von allen zu verwirklichen.“
Dafür kämpft Spartacist/South Africa als Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga. Wir fordern diejenigen, die nach einer Alternative zu dem üblen Rassismus und der Unterdrückung des Neo-Apartheid-Kapitalismus suchen, dazu auf, sich unser revolutionäres internationalistisches trotzkistisches Programm anzusehen. |