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Spartakist Nummer 214 |
Herbst 2016 |
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Spartakisten beim UZ-Pressefest der DKP: Opposition zur EU ist die zentrale Frage! Anfang Juli ist ein Spartakist-Team zum diesjährigen Pressefest der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) nach Dortmund gefahren. Unser Team verteilte hunderte Exemplare unseres offenen Briefs an die DKP: „Opposition zur EU ist die zentrale Frage“ (abgedruckt in Spartakist Nr. 213, Sommer 2016), den wir zuvor an die DKP-Führung geschickt hatten. Darin beantworten wir die Aufforderung von Berliner DKP-Unterstützern am 1. Mai, für ihre Wahlkandidatur zu unterschreiben, mit einem Nein. Denn ihre Wahlkampagne hat nicht im Geringsten den Kampf für Klassenunabhängigkeit der Arbeiterklasse gefördert. Das wichtigste Beispiel dafür ist, dass weder im Berliner Wahlprogramm noch in ihrem aktuellen Sofortprogramm die Opposition zur EU und zum Euro ein zentraler Punkt ist!
Die EU ist ein instabiles, vom deutschen Imperialismus beherrschtes Konsortium mit dem Ziel, den Lebensstandard der arbeitenden Menschen in ganz Europa nach unten zu drücken, in Deutschland selbst und besonders in Süd- und Osteuropa. Der Euro ist ein Werkzeug der imperialistischen Mächte zur wirtschaftlichen Beherrschung der ärmeren Staaten. Die EU dient ihren Mitgliedern dazu, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Rivalen, vor allem Japan und den USA, zu verbessern. Die Krisen, die die EU erschüttern, zeigen den Widerspruch zwischen dem vom Kapitalismus geschaffenen Weltmarkt und dem Nationalstaat, der durch den Kapitalismus entstand und sich entwickelte. Der Nationalstaat wurde zu einem Hindernis für die Entfaltung der Produktivkräfte, das nur durch eine sozialistische Revolution hinweggefegt werden kann. Es ist ein Mythos, die Nationalstaaten seien durch die imperialistische EU bereits aufgelöst. In Wirklichkeit drohen die unterschiedlichen nationalen Interessen der europäischen Imperialisten ständig die fragile EU zu sprengen. Wir Trotzkisten lehnen die EU und den Euro vom Standpunkt des proletarischen Internationalismus aus prinzipiell ab und rufen zu Klassenkampf gegen den deutschen Imperialismus und die EU auf.
Wir legten unseren Finger direkt in die Wunde und fragten die Teilnehmer am UZ-Pressefest: Was ist deine Haltung zur EU? Und tatsächlich gehen die Meinungen weit auseinander. Einige waren stolz, die EU von Anfang an als arbeiterfeindlich abgelehnt zu haben, andere versuchten dabei zu bleiben, dass die EU doch irgendwie von Vorteil für die internationale Einheit der Arbeiterklasse sein könne. Zur kurz zuvor stattgefundenen Abstimmung über den Brexit nahmen der linke Flügel (um den Parteivorstand) und der rechte Flügel (um den Verein marxistische linke) entgegengesetzte Positionen ein. Während der linke Flügel für den Ausstieg aus der EU warb, veröffentlichte die marxistische linke einen Text, der das EU-Referendum als eine Wahl zwischen „Pest oder Cholera“ bezeichnete.
Der linke und rechte Flügel organisierten dann jeweils getrennte Diskussionsveranstaltungen zum Thema EU auf dem Pressefest. Wir Spartakisten gingen zur Veranstaltung „Wie weiter in Europa – ,soziales Europa‘ oder Auflösung von Euro/EU? Was muss passieren?“, organisiert vom linken Flügel. Auf dem Podium saß Patrik Köbele (Vorsitzender der DKP) zusammen mit Wilhelm Langthaler (Euro-Exit-Gruppe Wien), Dr. Ulrich Wilken (Landesvorstand Partei Die Linke Hessen) und Jan (Interventionistische Linke Düsseldorf). Etwa 50 Leute nahmen daran teil.
In dieser Runde war es leicht für Köbele, sich links darzustellen. Der einzige wirkliche EU-Gegner, Langthaler, argumentierte protektionistische, pro-kapitalistische Politik. Köbele begrüßte den Brexit und sagte, dass man dem Gerede von einem Neustart der EU keinen Glauben schenken dürfe, das würde nicht gehen. Der „linke Neustart der EU“ wird von der Linkspartei-Führung gepredigt, die nach dem Brexit ihre Anstrengungen vervielfacht, erneut den Irrglauben über die Reformierbarkeit der EU zu schüren. Auch die französische KP tritt für eine Neugründung der EU ein. Köbeles Aussage gegen den „Neustart“ fand man weder in der uz (unsere zeit) vom selben Wochenende noch in einer der folgenden Ausgaben wieder.
Köbele sagte weiter, die EU sei ein imperialistisches Staatenbündnis, das gegen den „Realsozialismus“ gegründet wurde. Der deutsche Imperialismus dominiere die EU und der Euro sei die schärfste Waffe der führenden imperialistischen Mächte. Syriza sei wie die anderen Sozialdemokraten Europas bloß Arzt am Krankenbett des Kapitalismus und damit keine Alternative. Die Verstaatlichung der Banken könne ohne einen Kampf gegen die EU nicht erreicht werden. Köbele sprach davon, dass die EU überwunden werden müsse, was nicht ungefährlich sei wegen des drohenden Nationalismus. Man müsse die Profiteure ins Visier nehmen – deshalb das Sofortprogramm der DKP.
Nur dass im Sofortprogramm der DKP jegliche Gegnerschaft zur EU komplett fehlt! Daher sind Köbeles nett klingende Worte gegen den deutschen Imperialismus und die EU eben nur nette Worte, um linke Elemente der DKP bei der Stange zu halten. Die „Überwindung der EU“ ist eine weiche Kompromiss-Formulierung, die ein bisschen Opposition zur EU widerspiegelt und gleichzeitig für Pro-EU-Sozialdemokraten aus der Linkspartei, an die sich der rechte Flügel der DKP stark anlehnt, gerade noch akzeptabel ist. Sie dient als Weichspüler, der die Arbeiterklasse im Unklaren darüber lässt, wer ihr Gegner ist. Zentral ist aber, das Bewusstsein in die Arbeiterklasse zu tragen, dass die imperialistische EU durch Klassenkampf – hierzulande gegen die deutsche Kapitalistenklasse – zerschlagen werden muss.
In diesem Sinne erklärte ein Genosse von uns, dass wir Spartakisten den Brexit begrüßen, weil er die EU destabilisiert und Möglichkeiten für Klassenkampf eröffnet. Nachdem er unsere prinzipielle Opposition zur EU ausführte, brachte er auf den Punkt, warum die DKP sich in ihrem Sofortprogramm über die EU ausschweigt: um die politische Einheit mit der Linkspartei zu wahren, die wie die SPD Illusionen in die Reformierbarkeit der EU und des bürgerlichen Staates schürt, den sie mitverwalten.
Daraufhin ließ eine Linkspartei-Abgeordnete eine üble Tirade vom Stapel, warum die Arbeiterklasse heute nicht zu mobilisieren sei. Sie versuchte, den Arbeitern die Schuld für ihre opportunistische Führung reinzuwürgen. Eine Genossin von uns wies das scharf zurück und benannte die Verantwortung der damaligen SPD/Grünen-Regierung, die die Arbeiterklasse in Deutschland ins Elend trieb, um den deutschen Imperialismus zu stärken. Die SPD/Grünen-Regierung benutzte ihre Weigerung, den US-geführten Krieg gegen den Irak zu unterstützen, im März 2003 dazu, Kritiker ihrer arbeiterfeindlichen Agenda 2010 zu einem Schulterschluss mit dem deutschen Imperialismus im Namen des Pazifismus zu bewegen. Für den 14. März, als Bundeskanzler Schröder (SPD) das Hartz-Konzept von Kürzungen bei Rente, Gesundheit und Arbeitslosengeld verkündete, rief der DGB zu Protestminuten gegen den Krieg im Irak auf, was die DKP einfach bejubelte. So wurde die verständliche Kriegsangst vieler Menschen in Richtung Unterstützung der eigenen Bourgeoisie manipuliert, die daraufhin gegen die Arbeiter leichter ihren Klassenkrieg nach innen führen konnte.
Unsere Genossin erklärte den halbherzigen Charakter der L(eft-)exit-Kampagne (mitgeführt von der Kommunistischen Partei Britanniens), deren Maximalprogramm auf die Wiederverstaatlichung der britischen Industrie unter einer linken Labour-Regierung hinausläuft. Aber wir wissen, dass kapitalistische Regierungen, welche Zusammensetzung sie auch haben mögen, immer nur die Aufgabe haben, den bürgerlichen Staat für die Kapitalisten zu verwalten. Die Partei Die Linke, wo sie an der Regierung ist, hilft fleißig mit, die Drecksarbeit für die Herrschenden zu erledigen. Ein Kampf ist nötig für Arbeiterregierungen, das heißt für den Sturz des Kapitalismus. Unsere Genossin sprach über die Notwendigkeit einer revolutionären Arbeiterpartei und wie wir 1989/90 für ein rotes Rätedeutschland gekämpft haben, gegen die Konterrevolution, während die DKP sich in Auflösung befand und Modrow, Chef der DDR-Regierung, aus Moskau wiederkam mit der Parole „Deutschland einig Vaterland“.
Das Publikum hörte unseren Genossen aufmerksam zu und Köbele antwortete auf uns. Tatsächlich sei er nie für „Deutschland einig Vaterland“ eingetreten, sondern habe vor 25 Jahren eine Kampagne „doppelt verkohlt ist echt beschissen“ geführt. Damit versuchte er, das Publikum zu verkohlen. Die Wahrheit ist, dass die DKP kein Programm gegen die Konterrevolution hatte, in deren Folge der deutsche Imperialismus wieder nach einer Weltmachtrolle strebt. Die DKP-Führung organisierte in den 80er-Jahren die „Friedens“bewegung und passte sich an deren Nationalismus und Pazifismus an, der die Entwaffnung der DDR unter der Losung „Schwerter zu Pflugscharen“ forderte. Wie wir im Spartakist-Extrablatt vom 27. Februar 2013 „DKP: Krise bei den Wasserträgern für die Sozialdemokratie“ erklären:
„Das ist nicht verwunderlich, hatten doch SPD und evangelische Kirche schon längst ihr konterrevolutionäres Spiel begonnen, die ,Friedens‘bewegung in der DDR aufzubauen, um die Verteidigung der DDR weiter zu unterminieren. Die stalinistische Bürokratie mit Honecker an der Spitze ebnete den Weg für die konterrevolutionären Umtriebe der SPD. Die von der DKP hofierten SPDler Erhard Eppler und Egon Bahr (beide bekannte Verfechter der SPD-Ostpolitik, dem ,Wandel durch Annäherung‘) nahmen die Einladung, die Konterrevolution im Osten voranzubringen, nur zu gerne an. Gleichzeitig setzte ihr Genosse im Kanzleramt, Helmut Schmidt, den NATO-Doppelbeschluss durch. Die SPD war das trojanische Pferd der Konterrevolution in der DDR. Und die DKP-Führung assistierte den Bestrebungen der SPD tatkräftig, indem sie dem deutsch-nationalen Treiben und der Klassenzusammenarbeit auch ihre Autorität verlieh. Arbeiter in Westdeutschland, die auf die DDR guckten und pro-sowjetisch waren, wurden so vor den Karren der eigenen Bourgeoisie gespannt.“
Warum im Sofortprogramm der DKP nichts gegen die EU steht, begründete Köbele damit, dass ihr Schwerpunkt die Friedensfrage sei und deshalb das Hauptfeuer gegen die NATO gerichtet würde. Dahinter steckt ihre beständige Suche nach einem „friedlichen, fortschrittlichen“ Teil der deutschen Bourgeoisie. Um mögliche bürgerliche Bündnispartner nicht zu verprellen, die sich gegen die NATO richten (und damit gegen die aktuelle pro-atlantische Achse der Bundesregierung), wird das Hauptprojekt der deutschen Bourgeoisie – die EU – nicht zentral angegriffen. Dazu passen die pro-russischen Positionen der DKP, die ebenfalls von Teilen der deutschen Bourgeoisie bezogen werden, die für die Zukunft eine unabhängige Strategie von den USA suchen und dabei auf ein Bündnis mit dem kapitalistischen Russland setzen.
Anschaulich wird das Ganze beim Aufbau der Friedensdemo am 8. Oktober gegen die NATO, bei dem die DKP führend ist. Sie setzt dabei auf ein breites Bündnis, das bürgerliche Parteien umfasst. Im Aufruf des Bündnisses: „Die Waffen nieder!“, von der DKP unterzeichnet, wird die Forderung nach einem „Ende der Militarisierung der EU“ erhoben. Das zeigt deutlich, dass beide Flügel der DKP in der Praxis für eine Reformierung der EU eintreten und jedes Gerede Köbeles gegen einen Neustart der EU einfach heiße Luft ist. Auch die Antikriegsinfo der DKP für die Demo verzichtet erneut auf jede Opposition zum deutschen Imperialismus und seiner EU. So wird die EU beschönigt und die Illusion geschürt, es könne ein friedliches Deutschland in einem friedlichen Europa im Rahmen vom Kapitalismus geben. Lenin wusste es besser: „Ohne eine Reihe von Revolutionen ist der sogenannte demokratische Frieden eine spießbürgerliche Utopie.“
Für jemanden, der wirklich gegen den deutschen Imperialismus kämpfen will, muss die unversöhnliche Opposition zur imperialistischen EU zentral sein. Wer glaubt, dass die DKP sich gegen den deutschen Imperialismus richtet, der sollte überprüfen, ob das wirklich stimmt, und sich mit unserem Programm auseinandersetzen. Wir kämpfen in leninistischer Tradition für den Aufbau einer bolschewistischen Avantgardepartei, die notwendig ist, um die Arbeiterklasse durch eine sozialistische Revolution an die Macht zu führen. |