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Spartakist Nummer 212 |
Frühjahr 2016 |
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General bedroht linken Labourführer Bananen-Monarchie Britannien Folgender Artikel wurde von unseren Genossen der Spartacist League/Britain geschrieben und erschien zuerst in Workers Vanguard Nr. 1082, 29. Januar, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S.
London – Die Wahl des Linken Jeremy Corbyn zum Vorsitzenden der Labour Party hat das britische Establishment derart aufgebracht, dass es die üblichen Gepflogenheiten der „Mutter der Parlamente“ missachtet und stattdessen vorzieht, dass höchstrangige Militärs öffentlich damit drohen, ihn abzusetzen. Wenige Tage nach Corbyns Wahl gab ein ungenannter „hochrangiger aktiver General“ gegenüber der Sunday Times (20. September) eine Erklärung ab, in der er voraussagt, dass Mitglieder der Streitkräfte Corbyn direkt und öffentlich herausfordern würden, sobald er versucht, das Trident-Atomraketensystem zu verschrotten oder aus der NATO auszutreten, oder „irgendwelche Pläne, die Streitkräfte zu entmannen oder ihre Größe zu vermindern“, ankündigt. Der Sunday Times zufolge sagte der General, „die Armee würde dies einfach nicht dulden. Der Generalstab würde es einem Premierminister nicht erlauben, die Sicherheit dieses Landes aufs Spiel zu setzen.“ Leute im Militär, so fuhr er fort, „würden alle möglichen Mittel einsetzen, ob fair oder unfair, um das zu verhindern“, und man „würde sehr real mit einem Vorgang rechnen müssen, der auf eine Meuterei hinauslaufen würde“.
Am 8. November dann erklärte der Generalstabschef Sir Nicholas Houghton in der prominenten BBC-Show von Andrew Marr im Endeffekt, Corbyn sei ungeeignet, Premierminister zu werden. Die Sendung, die am „Remembrance Sunday“ ausgestrahlt wurde – dem Tag, an dem Britanniens imperialistische Kriege pompös gefeiert werden –, war eine raffiniert eingefädelte und mit Bedacht ausgesprochene Warnung des britischen Establishments, für den Fall, dass eine von Corbyn geführte Labour Party in die Regierung gewählt würde, die Wahlen für null und nichtig zu erklären. Als Marr den General um seine Meinung bat zu Corbyns erklärter Weigerung, jemals Atomwaffen einzusetzen, antwortete Houghton: „Nun, es würde mich beunruhigen, wenn diese Auffassung an die Macht gelangte.“ Diese diplomatische Formulierung eines Mannes, der den Ruf hat, keine „verbalen Schnellschüsse“ abzugeben, sondern seine Worte mit Bedacht zu wählen, ist nichts anderes als eine Putschdrohung. So wie der General in Militäruniform an einem den Streitkräften gewidmeten Tag seine Sorge darüber äußerte, welche Regierungspolitik hinnehmbar sei, hätte er ebenso in einer zentralamerikanischen „Bananenrepublik“ einen Militärputsch erklären können. Aber in Britannien – wo die Erbmonarchie das Staatsoberhaupt stellt und den Oberbefehl über die Streitkräfte hat – würde „Bananen-Monarchie“ wohl eher zutreffen.
Der Angriff des Generals auf Corbyn ist Teil einer schonungslosen Kampagne der Tories, der kapitalistischen Presse und des rechten Flügels der Labour Party, ihn als Parteiführer abzusetzen. Corbyns politische Inhalte gehen über den Rahmen dessen hinaus, was für die britische herrschende Klasse akzeptabel ist, die davon überzeugt ist, dass mit dem Untergang der Sowjetunion und dem offensichtlichen Tod des „Sozialismus“ der alten Labour Party der Klassenkrieg zugunsten der Kapitalisten entschieden worden sei. Für das Tory-Establishment und die Blair-Anhänger vom rechten Flügel der Labour Party war Corbyns Erdrutschsieg bei den Wahlen zum Labour-Vorsitzenden, den er mit Aussagen über Sozialismus, Gewerkschaftsrechte und Immigrantenrechte erreichte, ein böser Schock. Was sie an Corbyn wirklich nicht akzeptieren können – die roten Linien, die er überschritten hat –, ist die Tatsache, dass seine Ablehnung von NATO und Trident das Prestige von Britannien als imperialistischer Macht und die „besondere Beziehung“ zu den USA untergraben würde.
In derselben Fernsehsendung, in der General Houghton interviewt wurde, trat auch eine gewisse Maria Eagle auf, die Verteidigungsministerin im damaligen Schattenkabinett. Das war kein Zufall, denn sie gilt als eine der ersten Kandidaten der Parlamentsfraktion der Labour Party, die für die Ablösung Corbyns bereitstehen. Eagle stimmte dem General voll und ganz zu, dass Britannien die atomare Abschreckung brauche zur „Verteidigung unserer Nation“. Außerdem hatte sie „überhaupt kein Problem“ damit, dass sich der Generalstabschef einschaltete und „sich in dieser Weise äußerte“. Dabei hatte der General gerade eine Warnung ausgesprochen gegen den Führer ihrer eigenen Partei, der übrigens mit dem größten Mandat in der Geschichte der Labour Party zum Vorsitzenden gewählt worden war.
Man muss Corbyn zugute halten, dass er wegen Houghtons Verstoß gegen den „Verfassungsgrundsatz“, dass sich das Militär aus der Parteipolitik herauszuhalten habe, eine offizielle Beschwerde einreichte. In seinem Protestbrief argumentierte Corbyn: Es „ist in einer Demokratie unbedingt erforderlich, dass das Militär zu jeder Zeit politisch neutral bleibt“. Aber der kapitalistische Staat, dessen wesentlicher Bestandteil die Streitkräfte sind, ist nicht neutral: Er ist das Vollzugsorgan der herrschenden Kapitalistenklasse.
Der gegenwärtige von der herrschenden Klasse unterstützte Favorit für Corbyns Ablösung ist der Labour-Schattenaußenminister Hilary Benn, der für seine Parlamentsrede, in der er als Kriegshetzer die Bombardierung Syriens forderte, stürmischen Beifall von Premierminister David Camerons Tories erhielt – ebenso wie von manchen der 66 Labour-Abgeordneten (MPs), die gegen den Willen des Vorsitzenden und der großen Mehrheit der Parteimitgliedschaft für die Bombardierung gestimmt hatten. Benns Rede wurde vom Establishment regelrecht bewundert. Es war „eine der großen Reden in unserem Parlament“, schwärmte Tim Collins, ein Armeeoberst im Ruhestand (Telegraph, 3. Dezember). Collins verglich Benns „Ruf zu den Waffen“ ganz unbescheiden mit seiner eigenen Ansprache an seine Soldaten vor der Schlacht am Vorabend des Einmarschs in den Irak 2003, deren Text Berichten zufolge in George W. Bushs Oval Office ausgestellt wurde. „Wir kommen als Befreier und nicht als Eroberer“, sagte Collins, aber wir werden „sie auslöschen, wenn das ihre Entscheidung ist“. Sowohl Collins als auch Houghton verdienten sich ihre Sporen bei der britischen Armee in Nordirland, wo sie den mörderischen, protestantisch-sektiererischen Oranier-Kleinstaat und die paramilitärischen Loyalisten unterstützten; beide befehligten später Truppen bei der grausamen imperialistischen Besetzung des Irak. Was Corbyn zur besonderen Zielscheibe der hohen Militärs macht, ist seine Ablehnung britischer Militärinterventionen im Nahen Osten.
Anfang Januar versuchte Corbyn die politische Kontrolle über sein Schattenkabinett durch eine Umbesetzung auszuüben. Eagle wurde als Schattenverteidigungsministerin ersetzt, und mit Hilary Benn wurde offenbar eine Vereinbarung getroffen, dass er seine Position als Schattenaußenminister behalten kann, solange er sich dem Vorsitzenden nicht öffentlich widersetzt. Neulich stellte Corbyn in Aussicht, dass amtierende MPs von der Parteimitgliedschaft bei den nächsten Wahlen möglicherweise nicht mehr auf die Wahllisten gesetzt werden. So sagte er: „Die Politik wird entwickelt durch die demokratische Beteiligung unserer eigenen stark gewachsenen Parteimitgliedschaft und Anhängerschaft.“ Dies versetzte die Blair-Anhänger unter den MPs in Panik wegen ihrer politischen Zukunft: eine vergnügliche Vorstellung. „Eine wachsende Anzahl von uns befürchtet ein Blutbad“, so äußerte sich jüngst einer von ihnen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Neueinteilung von Wahlkreisen, wonach sich bis zu zehn prominente Gegner Corbyns (darunter Benn) einer Mitgliederbefragung stellen müssen, wenn sie erneut kandidieren wollen.
Mit seiner Wahlkampagne und Wahl zum Parteivorsitzenden hat Corbyn innerhalb der Labour Party einen Klassenkampf ausgelöst. Corbyn und die Zehntausenden, die in die Partei eingetreten sind, um ihn zu unterstützen (die Partei wuchs schnell auf das Doppelte), haben einen Prozess in Gang gesetzt, durch den die historischen Verbindungen der Partei zu ihrer Basis in der Arbeiterklasse neu geschmiedet werden sollen. Das ist entgegengesetzt zu der Richtung, welche die Partei unter Tony Blair auf dem Weg zu einer offen kapitalistischen Partei eingeschlagen hatte. Alles, was die Position der Blair-Anhänger in der Partei schwächt, nützt den Interessen der Arbeiterklasse bei ihren Kämpfen gegen die Kapitalistenklasse.
Wie die Spartacist League/Britain von Anfang an erklärt hat, haben wir in dem Klassenkrieg, der in der Labour Party tobt, eine Seite. Gegen die Versuche von rechts, Corbyn abzusetzen, sagen wir: Verteidigt Jeremy Corbyns Recht, die Labour Party zu führen, und zwar so, wie er es für richtig hält!
Die Komplotte gegen Corbyn erinnern an das Buch und die Fernsehserie A Very British Coup [Ein typisch britischer Putsch] aus den 1980er-Jahren, wo eine linke Labour-Regierung von Kräften destabilisiert wird, zu denen der MI5 und die CIA gehören und die von Rechten in der Labour Party und der Gewerkschaftsführung angestiftet und unterstützt werden. Man muss in der Geschichte nicht weit zurückgehen, um Belege dafür zu finden, wie der britische kapitalistische Staat den Sturz einer demokratisch gewählten Regierung betreibt.
1975 benutzte die britische Monarchie ihre „reserve powers“ [Extra-Vollmacht], um die australische Regierung des Labour-Premierministers Gough Whitlam durch einen von der CIA arrangierten „verfassungsgemäßen Putsch“ abzusetzen (siehe „The CIA, the Queen’s Agent and the Man Who Got in the Way“ [Die CIA, der Agent der Queen und der Mann, der im Wege stand], Workers Vanguard Nr. 1061, 6. Februar 2015).
An einem Komplott zum Sturz des britischen Labour-Premierministers Harold Wilson in den 1970er-Jahren war Militär- und Geheimdienstpersonal beteiligt, dafür gibt es schlüssige Beweise. Wilson war ein ehemaliger Linker, der sich nach rechts bewegte. Als Regierungschef unterstützte er den schmutzigen Krieg des US-Imperialismus in Vietnam, den dieser verlor. Dennoch traute die Bourgeoisie es Wilson nicht zu, die kämpferischen Gewerkschaften mitten in einer Wirtschaftskrise unter Kontrolle zu bringen. Der ehemalige Geheimdienstbeamte Peter Wright bestätigte in seinen Memoiren Spycatcher Behauptungen, der MI5 habe Premierminister Wilson auch als mutmaßlichen KGB-Agenten im Visier gehabt. In dem BBC-Dokumentarfilm The Plot Against Harold Wilson von 2006 behauptet Brian Crozier, ein weiterer ehemaliger Geheimdienstbeamter, die Armee habe gegen Wilson „ernsthaft die Möglichkeit einer Machtübernahme durch das Militär erwogen“. Crozier muss es wohl wissen. Dem Guardian (9. August 2012) zufolge hatte er „vor Offizieren Vorträge über das Risiko einer marxistisch-leninistischen Machtübernahme durch die regierende Labour Party in den 1970er-Jahren gehalten“, und einmal, nachdem er gegenüber einer Gruppe von Offizieren von der möglichen Notwendigkeit eines Militärputsches gesprochen hatte, habe „sich die Zuhörerschaft, in seinen Worten, ‚wie ein Mann erhoben, gejubelt und volle fünf Minuten lang geklatscht‘ “.
In demselben Dokumentarfilm behauptete der Major im Ruhestand Alexander Greenwood, dass er eine Privatarmee aufgebaut habe und eine Rede für die Queen vorbereitet worden sei, die sie im Rahmen eines Putsches halten sollte, durch den Lord Mountbatten die Verantwortung für das Land bekommen sollte. Diese Behauptungen werden dadurch untermauert, dass damals am Flughafen Heathrow Truppenmanöver stattfanden, von denen Wilson nichts wusste. Kurz nach den Manövern bei Heathrow trat Wilson „aus Gesundheitsgründen“ zurück.
Ein historisches Beispiel dafür, dass ein Offizierskorps mit einem Putsch droht, ist die Meuterei im Militärlager von Curragh im März 1914 in Irland, das damals unter britischer Herrschaft stand. Die liberale Regierung von Herbert Asquith in England hatte mit den irischen Nationalistenführern John Redmond und Joseph Devlin ein Gesetz über Irish Home Rule [Irische Selbstregierung] ausgehandelt, das eine Form von eigenständiger Verwaltung zuließ. Die als bewaffnete Ulster Volunteer Force (UVF) organisierten protestantischen Loyalisten im Norden erhoben sich gegen das Gesetz, empört über die Aussicht, dass der katholischen Mehrheitsbevölkerung von den britischen Kolonialherren irgendwelche Autonomie – wie beschränkt und symbolisch auch immer – gewährt werden sollte. Als die Regierung versuchte, Truppen aus dem Lager Curragh in der Grafschaft Kildare nach Ulster zu schicken, erklärte die überwiegende Mehrzahl der Offiziere, sie würden eher ihre Ernennungsurkunde zurückgeben, als gegen die UVF zu kämpfen. Die meuternden Offiziere waren von dem militärischen Einsatzleiter Generalmajor Sir Henry Wilson ermuntert worden, der mit den Tories konspirierte. Premierminister Asquith wurde sogar von König George V. unter Druck gesetzt, Zugeständnisse zugunsten der Loyalisten zu machen; der König drohte damit, seine Zustimmung zur Home Rule zu verweigern und sogar den Premierminister zu entlassen. Asquith gab nach, und Ulster wurde von dem Gesetz zur Home Rule ausgenommen – ein Vorspiel zur blutigen Teilung Irlands einige Jahre später.
Lenin deutete dieses Ereignis so: „… der Tag, an dem die edlen Lords und Gutsherren Englands die englische Verfassung und die englische Gesetzlichkeit in Scherben schlugen … wird zum Tage einer welthistorischen Wende werden“, und fuhr fort:
„Alle haben das gesehen, was von der Bourgeoisie und den Liberalen heuchlerisch verheimlicht wurde (sie sind immer und überall heuchlerisch, doch ist die Heuchelei kaum irgendwo bis zu einem solchen Ausmaß und zu solcher Verfeinerung gediehen wie in England). Alle haben gesehen, dass die Verschwörung mit dem Ziel, den Willen des Parlaments zu brechen, von langer Hand vorbereitet worden war. Die wirkliche Klassenherrschaft lag und liegt außerhalb des Parlaments. Die obenerwähnten mittelalterlichen Institutionen, die lange nicht mehr in Tätigkeit waren (richtiger: nicht in Tätigkeit zu sein schienen), traten rasch in Tätigkeit und erwiesen sich stärker als das Parlament. Und die kleinbürgerlichen Liberalen Englands, mit ihren die Arbeiter einschläfernden Reden von Reformen und von der Macht des Parlaments, erwiesen sich in Wirklichkeit als Nullen, als Marionetten, die man zur Verdummung des Volkes auftreten lässt, die aber unverzüglich in die Schranken gewiesen wurden von der Aristokratie, die die Macht in den Händen hat.“ (W. I. Lenin, „Die Verfassungskrise in England“, 10. April 1914)
Wir brauchen Arbeiterrepubliken!
Während wir Corbyn und seine Unterstützer gegen Angriffe von rechts verteidigen, ist unsere marxistische Weltsicht seinem Programm des Parlamentarismus entgegengesetzt. Ein grundlegender Unterschied besteht in der Frage des Staates. Corbyns Politik ist eine linke Version von „Old Labour“ (oder Sozialdemokratie), die den Staat für unparteiisch hält.
Die Funktion von Militär, Polizei, Gerichten und Gefängnissen – in Lenins Worten die „besonderen Formationen bewaffneter Menschen“ – ist es, die Klassenherrschaft der zahlenmäßig bedeutungslosen Schicht von Kapitalisten, die den Reichtum und die Produktionsmittel besitzen, gegen die übrige Bevölkerung zu schützen. Das Parlament ist eine Schwatzbude, deren Zweck es ist, der Klassendiktatur der kapitalistischen Ausbeuter und Unterdrücker ein „demokratisches“ Mäntelchen umzuhängen. Das Parlament ist eine Fassade, hinter der die wirklichen Staatsgeschäfte betrieben werden – in den Vorstandsetagen gigantischer Banken und Konzerne. Die Arbeiterklasse kann die kapitalistische Staatsmaschinerie nicht einfach übernehmen und für ihre eigene Klassenherrschaft umformen. Der Staat muss im Laufe einer sozialistischen Revolution, bei der die Arbeiterklasse auf der Grundlage von Arbeiterräten die Macht erobert, zerschlagen werden.
In entscheidenden Klassenauseinandersetzungen richtet sich die gesamte Macht des bürgerlichen Staates ohne jeden Anschein von Neutralität gegen die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten, wie sich im Bergarbeiterstreik von 1984/85 zeigte. Unter Margaret Thatcher machten die kapitalistischen Herrscher dafür mobil, dass die Kohlereviere wie in einem Polizeistaat besetzt wurden und sich im Bürgerkrieg befanden. Der damals von Neil Kinnock geführte rechte Flügel der Labour Party und der Trades Union Congress [Gewerkschaftsdachverband] standen den bedrängten Bergarbeitern ausgesprochen feindlich gegenüber. Die „Linken“ in der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie bekundeten Sympathie für die Bergarbeiter, weigerten sich aber, andere Gewerkschaften zu einem gemeinsamen Streik mit ihnen zu mobilisieren: ein Verrat, der schließlich zur Niederlage der Bergarbeiter führte.
Corbyns Ablehnung der Kriege des britischen Imperialismus läuft darauf hinaus, diesem zu einer „vernünftigeren“ Strategie zu verhelfen. In der Auseinandersetzung über die Trident-Raketen hat er vorgeschlagen, Britannien könne die U-Boote behalten, aber ohne die Atomsprengköpfe. Die Arbeiterklasse hat kein Interesse daran, die militärische Funktionsfähigkeit oder die Armee des kapitalistischen Britanniens aufrechtzuerhalten. Lenin griff die berühmt gewordene vom deutschen Revolutionär Karl Liebknecht während des Ersten Weltkriegs erhobene Losung auf und fasste diesen Grundsatz folgendermaßen zusammen: „Deshalb keinen Mann und keinen Groschen nicht nur für das stehende Heer, sondern auch für die bürgerliche Miliz“ („Das Militärprogramm der proletarischen Revolution“, September 1916). Der britische Imperialismus hängt heute am Rockzipfel der USA, denn die USA sind die beherrschende Weltmacht und dominieren die Welt wie früher Britannien. Die britischen Herrscher haben über Jahrhunderte enormen Reichtum angesammelt und besitzen beachtliche militärische Fähigkeiten. Die Vorstellung, das „kleine England“ könnte sich irgendwie aus dem Weltsystem ausklinken, ist ein Hirngespinst; außerdem beruht sie auf einer reaktionären nationalistischen Perspektive. Damit die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen nach Arbeit, guter Gesundheitsversorgung, Wohnung und Bildung erfüllt werden können, ist der revolutionäre Sturz des Kapitalismus unter der Führung einer internationalistischen revolutionären Partei notwendig: in Britannien, dem übrigen Europa und darüber hinaus.
Jeremy Corbyn ist – eine Seltenheit innerhalb der Parlamentsfraktion der Labour Party – ein erklärter Republikaner. Im Gegensatz dazu erweist sich der Führer der Gewerkschaft GMB Sir Paul Kenny seines kürzlich empfangenen Ritterschlags als würdig und verurteilt Corbyn dafür, Britanniens Atomwaffenarsenal abzulehnen. Als Oppositionsführer ist Corbyn in den Kronrat der Queen aufgenommen worden, doch nach allem, was man weiß, ist er nicht vor „ihrer Majestät“ niedergekniet.
Als Corbyn während des Wahlkampfs um den Parteivorsitz nach seiner Einstellung zur Monarchie gefragt wurde, sagte er, die Sache könne warten, da sein Schwerpunkt soziale Gerechtigkeit sei. Während er offensichtlich zu vermeiden versuchte, sich durch Medien provozieren zu lassen, zeigt seine Antwort doch eine bestimmte Denkweise: die Monarchie für undemokratisch, aber irgendwie harmlos zu halten. Die Monarchie ist dazu da, riesige Klassenunterschiede als das Natürlichste von der Welt zu rechtfertigen, Unterwürfigkeit einzutrichtern und es zu feiern, wenn man seinen Platz in der Klassengesellschaft hinnimmt, ohne dass es heftige soziale Kämpfe gibt. Die Monarchie ist weiterhin ein Machtfaktor als Sammelpunkt der Reaktion und würde, als letzter Ausweg, womöglich ein Aushängeschild für eine Machtübernahme durch das Militär abgeben, falls die Bourgeoisie nicht in der Lage wäre, mit den traditionellen parlamentarischen Mitteln den Kampf der Arbeiterklasse zu begrenzen.
Wir sagen: Weg mit der Monarchie, dem Oberhaus und der Staatskirche. Wir sind für das Recht auf Selbstbestimmung für Schottland und Wales als Teil unseres Programms für die Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse, die zu einer Föderation von Arbeiterrepubliken auf den britischen Inseln führt.
Gegen den Mythos der Labour-Anhänger, der Sozialismus könne durch bürgerlich-demokratische Kanäle allmählich eingeführt werden, betonte Leo Trotzki in seinen Schriften über England, dass die britische Arbeiterklasse stattdessen von den revolutionären Traditionen des Landes lernen muss. Die Bourgeoisie selber kam gegen den royalistischen Landadel an die Macht durch die Englische Revolution der Roundheads [Rundköpfe] und wurde dabei von den damaligen Unterschichten unterstützt. Sie sah sich gezwungen, einen Bürgerkrieg zu führen und die feudale Klassenherrschaft abzuschaffen, wobei sie König Charles I. hinrichtete. Die darauffolgende Republik unter dem bürgerlichen Revolutionär Oliver Cromwell überdauerte dessen Tod nur ein paar Jahre.
Doch die Restauration der Monarchie und des Oberhauses brachte nicht die absolutistische Monarchie zurück. Die Klassenherrschaft der Bourgeoisie auf der Grundlage eines Staates, der die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse schützt, war durch die Revolution sichergestellt und konnte, wie Trotzki erklärte, nicht durch die reaktionäre Gesetzgebung der Restauration abgeschafft werden, „weil man nicht mit der Feder vernichten kann, was das Beil gespalten hat“ (Wohin treibt England?,1926). Trotzki wies auch darauf hin: „Die englische Bourgeoisie hat selbst das Andenken der Revolution des 17. Jahrhunderts vernichtet, indem sie ihre ganze Vergangenheit im Begriff der ,Gradation‘ auflöst“, um die Arbeiterklasse umso besser daran zu hindern, irgendwelche revolutionären Lehren zu ziehen.
Eine leninistisch-trotzkistische Partei muss von den Lehren und dem Verständnis ausgehen, dass der erste Schritt zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft nur der revolutionäre Sturz des kapitalistischen Staates sein kann. Die Spartacist League/Britain strebt danach, eine revolutionäre Partei aufzubauen, die dieses Programm zur Grundlage hat, welches in der Russischen Revolution vom Oktober 1917 durch den Sturz der Kapitalisten und die Errichtung einer Arbeiterherrschaft verwirklicht wurde.
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