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Spartakist Nummer 199

August 2013

Imperialisten schüren kommunalistisches Gemetzel

Syrien: Stolperdraht für regionalen Großbrand

Imperialisten: Hände weg von Syrien!

Dieser Artikel unserer Genossen der Spartacist League/U.S. erschien in Workers Vanguard Nr. 1025, 31. Mai.

27. Mai – Der zweijährige syrische Bürgerkrieg sunnitischer Rebellen gegen das Regime Baschar al-Assads, eines Alawiten, droht sich zu einem nahostweiten kommunalen Krieg vom Libanon über Syrien bis in den Irak auszuwachsen. Israelische Luftangriffe auf syrische Militäreinrichtungen Anfang Mai waren ein weiteres Indiz für die Regionalisierung des Konfliktes. Die israelischen Überfälle riefen die schiitisch-fundamentalistische Hisbollah auf den Plan, die in Teilen des Libanons de facto die Staatsmacht darstellt. Milizionäre der Hisbollah, die ohnehin schon tief in den syrischen Konflikt verwickelt sind, haben sich vor kurzem mit syrischen Regierungstruppen zu einer größeren Offensive zur Rückeroberung Kusairs vereinigt. Der erbitterte Kampf um diese strategisch wichtige syrische Stadt an der Grenze zum Libanon löste im nordlibanesischen Tripoli erneut kommunalistisches Blutvergießen zwischen Sunniten und Alawiten aus. Derweil gelangen große Mengen von Waffen, die Saudi-Arabien und Katar mit Zustimmung der Imperialisten an Anti-Assad-Rebellen liefern, an sunnitisch-fundamentalistische Kräfte im Irak. Der Iran, dessen arabischer Hauptverbündeter Syrien ist, spielt in den Berechnungen der Imperialisten, der zionistischen Herrscher und der Golfstaaten eine bedeutende Rolle.

In den vergangenen Monaten ist auch der Irak wieder im sektiererischen Krieg zwischen Kräften in und um die schiitisch dominierte Regierung von Premierminister Nuri al-Maliki und einer Reihe sunnitischer Milizen versunken. Das durch die US-imperialistische Invasion von 2003 und die nachfolgende Besatzung entfesselte interethnische Blutvergießen im Irak flammte erneut auf, seit Jahresbeginn stieg die Zahl der Todesopfer steil an.

Ironischerweise installierte die US-Besatzung im Irak ein schiitisch dominiertes Regime, das jetzt mit dem Iran verbunden ist. Die Israelis betrachten den Iran als Herausforderer ihres Atomwaffenmonopols in der Region, ebenso wie ihre US-imperialistischen Verbündeten, die gegen das Land zunehmende Strafsanktionen verhängt haben. Obgleich die iranische Regierung abstreitet, Atomwaffen zu entwickeln, benötigt der Iran doch klar Nuklearwaffen, um sich gegen die Imperialisten verteidigen zu können. Wir fordern: Nieder mit den Sanktionen gegen Iran und Syrien!

Seumas Milne bemerkte in einem Artikel im Londoner Guardian (7. Mai) nach den jüngsten israelischen Luftangriffen, der größten israelischen Offensive gegen Syrien seit dem arabisch-israelischen Krieg von 1973:

„Es ist die Rolle Syriens als Angelpunkt iranischen Einflusses im gesamten Nahen Osten, die den Syrienkrieg zu einem möglichen regionalen Brandherd gemacht hat.

Nachdem es sich nach allen Seiten hin absicherte, lässt Israel nun verlautbaren, dass es die Aussicht auf eine Übernahme des Assad-Regimes durch islamistische und dschihadistische Gruppen für weniger bedrohlich hält als die bestehende ,Achse Syrien-Iran-Hisbollah‘, wie es Amos Gilad vom israelischen Verteidigungsministerium kürzlich formulierte.“

Die imperialistischen Mächte, deren weltweiter „Krieg gegen den Terror“ zahllose Opfer gekostet hat, stellen sich hinter die reaktionären sunnitischen Fundamentalisten, die die syrische Opposition dominieren. Seit über einem Jahr geben die US-Imperialisten den sunnitischen Aufständischen in Syrien finanzielle und anderweitige „nicht-tödliche“ Unterstützung. Heute hat die Europäische Union unter dem Druck Frankreichs und Britanniens, die im letzten Jahr beide über die Möglichkeit einer „Flugverbots“-Zone über Syrien sinniert hatten, ihr Waffenembargo gegen Syrien aufgehoben, damit EU-Mächte die Rebellen bewaffnen können. Die US- und die europäischen Imperialisten haben über Syrien umfangreiche Wirtschaftssanktionen verhängt, deren Hauptopfer die Werktätigen sind, insbesondere die Armen, die Kranken und die Alten.

Kürzlich begann die Obama-Regierung über direkte Militärhilfe für die Rebellen zu sprechen, als Anti-Assad-Kräfte das Regime – ohne den geringsten Beweis – anklagten, gegen die Bevölkerung Sarin-Gas einzusetzen. Davor hatte Obama erklärt, seine Regierung würde den Einsatz von Chemiewaffen als Übertretung einer „roten Linie“ ansehen. Doch obwohl das Weiße Haus seine Unterstützung für die Rebellenstreitkräfte verstärkt, ist es nicht sehr darauf erpicht, in das syrische Schlamassel direkt einzugreifen. Allgemeiner gesagt gibt es in den USA nur wenig Unterstützung in der Bevölkerung für eine Militärintervention in Syrien.

Die Herrscher der imperialistischen Länder sind für den im Nahen Osten ausbrechenden Großbrand direkt verantwortlich. Syrien, der Libanon und der Irak sind keine Nationen, sondern Flickenteppiche aus verschiedenen Völkern und Ethnien, die im Gefolge des Ersten Weltkriegs von den britischen und französischen Imperialisten aus dem zusammenbrechenden Osmanenreich herausgetrennt wurden. Im geheimen Sykes-Picot-Abkommen von 1916 eignete sich Frankreich Syrien an (einschließlich des heutigen Libanon), und Britannien nahm Jordanien und Palästina in Besitz – alles gegen den Willen der jeweiligen Einwohner (siehe: „Syrischer Bürgerkrieg: Das Erbe der imperialistischen Teile-und-herrsche-Politik“, Spartakist Nr. 196, Januar 2013). Die Offenlegung des Abkommens durch den sowjetischen Arbeiterstaat Ende 1917 entlarvte die imperialistischen Machenschaften und hatte eine elektrisierende Wirkung, das trug dazu bei, eine Reihe von nationalen Revolten und Volkserhebungen in der Region zu entfachen.

Im Irak flickten die britischen Imperialisten gewaltsam einen Einheitsstaat zusammen, der aus verschiedenen Völkerschaften bestand, darunter sunnitischen und schiitischen Arabern wie auch Kurden und Turkmenen. Die Imperialisten betrieben eine Teile-und-herrsche-Politik und förderten zu diesem Zweck ethnische oder religiöse Minderheiten wie die syrischen Alawiten, die sie zu Herrschern über das vorwiegend sunnitische Syrien machten.

Die Invasionen des US-Imperialismus im Irak 1991 und 2003, deren Ziel es war, die Weltherrschaft zu sichern und auszuweiten, manipulierten und verstärkten diese Spaltungen, indem schiitische, sunnitische und kurdische Kräfte gegeneinander ausgespielt wurden. Ebenso entfacht Washingtons Kampagne für einen „Regimewechsel“ in Syrien, einem Schlüsselland im ölreichen Nahen Osten, kommunale Spannungen. Unterdessen unterstützt Russland Syrien in bedeutendem Maße und liefert dem Assad-Regime hoch entwickelte Raketenabwehrtechnik und stellt so ein Hindernis für Washingtons Bestrebungen dar.

Die Türkei wiederum – NATO-Bollwerk im Nahen Osten und Hauptförderer der sunnitischen Anti-Assad-Opposition – sieht in dem syrischen Konflikt eine Gelegenheit, ihren eigenen Einfluss in den Ländern des ehemaligen Osmanenreiches zu erweitern. Eine Zeitung, die die Ansichten des „gemäßigten“ türkischen fundamentalistischen Regimes Recep Tayyip Erdogans zum Ausdruck bringt, verkündete Ende des vergangenen Jahres, die „Grenzen des Ersten Weltkriegs“ würden dahinschmelzen, und Erdogans Außenminister versicherte, das Ende der Sykes-Picot-Periode sei nahe.

In dem kommunal basierten syrischen Bürgerkrieg sind beide Seiten zutiefst reaktionäre Feinde der Arbeiterklasse. Doch sollten die US- und/oder europäischen Imperialisten über ihre gegenwärtige Unterstützung der Anti-Assad-Kräfte hinaus einen militärischen Angriff auf Syrien beginnen, müssen die Werktätigen dieses Landes und auf der ganzen Welt gegen die imperialistischen Streitkräfte auf der Seite Syriens stehen. Als Marxisten würden wir die proletarische politische Opposition gegenüber Assads blutiger Herrschaft aufrechterhalten. Wir wollen Arbeiter zu dem Verständnis gewinnen, dass der räuberische Imperialismus die Hauptkraft der Reaktion in der Welt darstellt und dass die Imperialisten und ihre regionalen Lakaien durch internationale sozialistische Revolution gestürzt werden müssen.

Imperialistische Verwüstungen und der Aufstieg des islamischen Fundamentalismus

Der Aufstieg des islamischen Fundamentalismus und die zunehmenden interkommunalen Konflikte im Nahen Osten waren keineswegs unausweichlich, obgleich sie nun schon seit mindestens einer Generation tendenziell das politische Leben in der Region bestimmen. Die Hinwendung zum Islamismus ist grundlegend ein Produkt der Verzweiflung, bedingt durch den politischen Bankrott der großen stalinistischen Kommunistischen Parteien, die in den 1940er- und 50er-Jahren in vielen arabischen Ländern existierten. Trotz der revolutionären Bestrebungen ihrer Mitglieder und Anhänger unterstützten die Kommunistischen Parteien des Nahen Ostens die Errichtung bürgerlich-nationalistischer Regime, die dann die Linke und die Arbeiterbewegung zerschlugen und nationale und ethnische Minderheiten verfolgten.

Wie wir in „Near East, 1950s: Permanent Revolution vs. Bourgeois Nationalism“ (WV Nr. 740 und 741, 25. August und 8. September 2000) [Naher Osten, 1950er-Jahre: Permanente Revolution kontra bürgerlicher Nationalismus] betonten, zogen die Kommunistischen Parteien in jener Periode die klassenbewusstesten Arbeiter und radikale Intellektuelle des gesamten Nahen Ostens an. Sie waren praktisch die einzigen politischen Organisationen, deren Basis die unzähligen nationalen, ethnischen und religiösen Scheidelinien in der Region überbrückte: Juden spielten in der ägyptischen Bewegung rund um die KP eine wichtige Rolle, Kurden in der irakischen.

Die KP-Aktivisten waren durch das Beispiel der bolschewistischen Revolution von 1917 inspiriert. Die Sowjetunion, obgleich unter stalinistischer Herrschaft degeneriert, war immer noch ein Arbeiterstaat, der historische Errungenschaften der Oktoberrevolution von 1917 verkörperte, vor allem die Planwirtschaft und das vergesellschaftete Eigentum. Infolge der bolschewistischen Revolution hatten sich die muslimischen Regionen des ehemaligen Zarenreiches – Zentralasien und Aserbaidschan in Transkaukasien – aus noch rückständigeren sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen als im heutigen Nahen Osten zu modernen Gesellschaften fortentwickelt, in denen Frauen nicht mehr unter dem Schleier versklavt und Bildung und medizinische Versorgung allen zugänglich waren.

Doch hatten revolutionäre Erhebungen im Nahen Osten, beispielhaft veranschaulicht durch die irakische Revolution von 1958/59, nicht zu neuen Oktoberrevolutionen geführt. Stattdessen wurden diese Gelegenheiten auf dem Altar des von der stalinistischen Bürokratie verfolgten aussichtslosen und verräterischen Strebens nach „friedlicher Koexistenz“ mit dem Imperialismus geopfert. Die irakische KP hatte 1958 die Unterstützung des überwiegenden Teils der multinationalen irakischen Arbeiterklasse und hätte zweifellos die Macht übernehmen können. Doch die Moskauer Stalinisten verkauften die Revolution aus, um die USA zu beschwichtigen. Und die irakische KP gehorchte und legte der Bewegung Zügel an. Die KP unterstützte die Regierung des bürgerlich-nationalistischen Offiziers Brigadier Qasim, der sich dann gegen die Kommunisten wandte. 1963 kam die reaktionäre nationalistische Baath-Partei, der auch Saddam Hussein angehörte, an die Macht und verübte ein Blutbad an Tausenden linken Arbeitern, wobei sie Namenslisten der CIA benutzten.

Heute liegt der Irak, einst eines der fortgeschritteneren Länder des Nahen Ostens und ein regionales kulturelles Zentrum, in Trümmern. Zwei von den USA angeführte Kriege und mehr als ein Jahrzehnt von UN-Sanktionen, die über 1,5 Millionen Menschenleben forderten, verwüsteten die Wirtschaft und die Infrastruktur des Irak. Diese Verwüstung und die weit verbreitete Verzweiflung unter der Bevölkerung trugen dazu bei, das Wachstum des islamischen Fundamentalismus in diesem Land zu nähren.

Das Erbe stalinistischen Verrats im Nahen Osten trug in Verbindung mit dem Bankrott des bürgerlichen Nationalismus und dem hoffnungslosen Elend der Massen zur Schaffung des Vakuums bei, das schließlich dem Aufstieg des politischen Islam zur vorherrschenden Kraft in der Region die Schleusentore öffnen sollte. Der politische Islam wiederum hat den ohnehin schon weit verbreiteten Kommunalismus, der die Region seit langem heimsucht, noch weiter angeheizt. Zwei Schlüsselereignisse beim Aufstieg des politischen Islam waren die „Islamische Revolution“ von 1979 im Iran und der von reaktionären, von den USA unterstützten islamischen Fundamentalisten in Afghanistan geführte Krieg gegen sowjetische Truppen, die im Dezember 1979 in das Land einrückten.

Im Iran, wo 1978/79 Massenproteste gegen das diktatorische Regime von Schah Mohammad Reza Pahlavi ausbrachen, hatte die prosowjetische Tudeh-Partei eine Massenbasis in der Arbeiterklasse, vor allem unter den mächtigen und strategisch wichtigen Ölarbeitern, während die linkeren guerillaistischen Fedajin Zehntausende von Jugendlichen hinter ihren Bannern sammelten. Doch diese Gruppen ketteten die kämpferische Arbeiterklasse an die reaktionären schiitischen Mullahs unter Ajatollah Ruhollah Chomeini. Als einzige Organisation der internationalen Linken traten wir gegen die Kräfte der islamischen Reaktion für die Klasseninteressen des Proletariats ein. Unser Kampfruf war: „Nieder mit dem Schah! Keine Unterstützung für Chomeini! Für Arbeiterrevolution im Iran!“

Nach seiner Machtübernahme startete das Chomeini-Regime eine Massenabschlachtung von Linken, Gewerkschaftern und unverschleierten Frauen, ebenso von Kurden und anderen nationalen Minderheiten. Wie wir in unserer „Grundsatzerklärung und einige Elemente des Programms“ (verabschiedet 1998) bemerkten: „Die ,Iranische Revolution‘ von 1979 eröffnete eine Periode des Aufstiegs des politischen Islam im historisch muslimischen Teil der Welt, eine Entwicklung, die zur konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion beitrug und durch diese wiederum kräftig verstärkt wurde.“

In Afghanistan wurden reaktionäre sunnitische Mudschaheddin (heilige Krieger) – unter ihnen Osama bin Laden – von den USA, Pakistan und Saudi-Arabien bewaffnet, finanziert und ausgebildet, um sowjetische Soldaten zu töten. Die Rote Armee war auf Bitten des modernisierenden nationalistischen Regimes der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVPA) ins Land gekommen, um die Südflanke der UdSSR zu schützen und die belagerte Regierung zu stützen. Die Einführung minimaler sozialer Reformen durch die DVPA – insbesondere solcher, von denen Frauen profitierten, wie Senkung des Brautpreises – hatte einen Dschihad der Grundherren, Stammesführer und Mullahs ausgelöst. Die CIA führte zur Unterstützung der Mudschaheddin ihre größte verdeckte Operation aller Zeiten durch, und Afghanistan wurde zur Frontlinie des imperialistischen Kreuzzugs zur Zerstörung der Sowjetunion.

Wir betonten, dass für dieses äußerst rückständige Land mit seinem winzigen Proletariat Fortschritt nur von außen kommen konnte. Während sich der Großteil der Linken international den Imperialisten anschloss und die sowjetische „Invasion“ verurteilte, sagten wir: „Hoch die Rote Armee in Afghanistan!“ und riefen dazu auf, die Errungenschaften der Oktoberrevolution auf die afghanischen Völker auszuweiten.

Unter den Mudschaheddin, die unverschleierten Frauen Säure ins Gesicht gossen und Menschen ermordeten, die es wagten, Schulmädchen das Lesen beizubringen, waren auch die späteren Gründer der Taliban und Al Kaidas – Washingtons Frankenstein-Monster. Doch Washingtons Allianz mit mörderischen religiösen Fundamentalisten begann wirklich nicht erst in Afghanistan. Schon 1950 verwies der Kalte Krieger John Foster Dulles auf ein „gemeinsames Band“ mit den „Religionen des Ostens“ im Kampf gegen den Kommunismus. Heute in Syrien sind die Imperialisten wieder mit islamischen Reaktionären verbündet, um ihre Großmachtinteressen zu verfolgen.

Für eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens!

Die konterrevolutionäre Zerstörung der Sowjetunion 1991/92 hatte tiefgreifende – wenn auch uneinheitliche – negative Auswirkungen auf das Klassenbewusstsein der Arbeiter weltweit. Sie beseitigte auch das zentrale Hindernis für die Bestrebungen des US-Imperialismus und erlaubte es der amerikanischen herrschenden Klasse – nicht zuletzt im Nahen Osten – mit militärischer Gewalt aufzutrumpfen und über jeden, der ihr vermeintlich im Weg steht, rücksichtslos hinwegzutrampeln. Wie Saddam Hussein und Muammar al‑Gaddafi zu ihrem Unglück erfahren mussten und Assad gerade herausfindet, haben die Imperialisten keine Skrupel, sich gegen lokale Satrapen zu wenden, die einstmals ihren Interessen dienten. Die USA gaben 1976 ihre Zustimmung, als Syrien unter Hafis al-Assad, Vater des gegenwärtigen Präsidenten Baschar, in den libanesischen Bürgerkrieg eingriff, um palästinensische Kräfte zu bekämpfen. Und 1991 kämpften im ersten Golfkrieg syrische Soldaten Seite an Seite mit US-Truppen gegen den Irak. Im Gefolge der Anschläge vom 11. September auf das World Trade Center und das Pentagon war Syrien einem Bericht der Open Society Justice Initiative zufolge einer „der häufigsten Zielorte“ des Programms „Extraordinary Rendition“ [außerordentliche Überstellung], bei dem „Terrorismus“-Verdächtige von den USA zur Folter in andere Länder überstellt wurden.

In abgekauter Manier rechtfertigen US-, britische und französische Imperialisten ihre Kampagne für einen „Regimewechsel“ in Syrien damit, die Assad-Regierung sei alleiniger Urheber einer „schrecklichen humanitären Lage“. Wie bei ihrem Sturz von Libyens Muammar al-Gaddafi 2011 wird die gegenwärtige Kampagne der US-Herrscher zur Unterstützung von Anti-Assad-Kräften in Syrien im Namen von „Demokratie“, „Freiheit“ und „Menschenrechten“ geführt.

Einen ähnlichen Ton schlägt eine von der International Socialist Organization (ISO) am 1. Mai veröffentlichte Erklärung an, die von führenden Mitgliedern dieser Organisation wie auch einer Reihe liberaler Intellektueller und arabischer Nationalisten unterzeichnet wurde. Die Erklärung der „Global Campaign of Solidarity with the Syrian Revolution“ bejubelt die Rebellion in Syrien als eine „Revolution für Freiheit und Würde“. Solche „Würde“ konnte man in einem jüngst aufgetauchten Video besichtigen, das einen gewissen Abu Sakkar, Befehlshaber einer in Kusair kämpfenden Rebellenmiliz, dabei zeigt, wie er aus dem Leichnam eines Regierungssoldaten ein inneres Organ herausschneidet und hineinbeißt.

Derselbe Befehlshaber wurde weithin zitiert, wie er zur Abschlachtung aller Alawiten aufrief. Bevor er im vergangenen Jahr seine eigene Miliz aufstellte, so der Londoner Guardian (14. Mai), „war Sakkar ein bekanntes Mitglied der Faruk-Brigade“, einer „Miliz der Mehrheitsrichtung“, die dank der Finanzierung aus Katar und Saudi-Arabien „zu einer der bestausgerüsteten Kampftruppen der Rebellen wurde“. Man kann sich kaum einen schärferen Kontrast vorstellen: Hier unsere revolutionär-marxistische Perspektive, dort unsere „sozialistischen“ Kontrahenten, die auf imperialistisch unterstützte Kräfte setzen, die ein solches Ungeheuer als Führer willkommen heißen.

Wir setzen auf das Proletariat des Nahen Ostens, die Kraft mit der sozialen Macht und dem Klasseninteresse, alle unterdrückten Massen zum revolutionären Sturz ihrer kapitalistischen Herrscher zu führen. Das an die Macht gelangte Proletariat, das alle kapitalistischen Regime der Region hinweggefegt hat und für die Ausweitung der sozialistischen Revolution auf die imperialistischen Kernländer kämpft, kann dann damit beginnen, die mörderischen Konflikte, die den Nahen Osten zu zerreißen drohen, auf gerechte Weise zu lösen. Nur in einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens wird es für die unzähligen Völkerschaften der Region – Sunniten, Schiiten und Christen ebenso wie die kurdischen, palästinensisch-arabischen und israelisch-jüdischen Nationen – einen vollwertigen und gleichberechtigten Platz geben.

Von Nordafrika bis zum Iran gibt es beträchtliche proletarische Ballungszentren mit der potenziellen Macht, die kapitalistischen Regime zu stürzen, die Hunderte Millionen Menschen unterjochen – alles unter der Knute des Imperialismus. Von ägyptischen Textilarbeitern über Arbeiter in den türkischen Autofabriken bis zu den iranischen Ölfeldern existiert im Nahen Osten die objektive Basis zur Schmiedung des Kerns revolutionärer proletarischer Parteien. Um über alle nationalen, religiösen und kommunalen Scheidelinien hinweg das Prinzip der internationalen Einheit der Arbeiterklasse zum Tragen zu bringen, kämpfen Trotzkisten für den Aufbau revolutionärer Arbeiterparteien im ganzen Nahen Osten, geschmiedet in Opposition gegen alle Formen bürgerlicher Ideologie, gegen religiöse Reaktion und gegen den Imperialismus; Parteien, die das Existenzrecht aller Völker in der Region entschlossen verteidigen. Revolutionäre Arbeiterparteien im Nahen Osten werden in enger Zusammenarbeit mit ihren Genossen in den fortgeschrittenen Industrieländern Nordamerikas, Europas und Japans wie auch anderswo in der halbkolonialen Welt dem Kampf für sozialistische Revolutionen von Nordafrika bis zum Persischen Golf verpflichtet sein.

Wir haben keine Illusionen, dass diese Aufgabe leicht ist. Es klafft eine riesige Lücke zwischen dem gegenwärtigen Bewusstsein der Arbeiter und dem marxistischen Programm der proletarischen Revolution. Trotz der Rolle, die Arbeiterkämpfe in Tunesien und Ägypten spielten, war der sogenannte „Arabische Frühling“, den Reformisten international als Revolution feierten, tatsächlich nichts dergleichen und endete in dem Aufstieg islamistischer Regime. Die Arbeiter des Nahen Ostens müssen durch ihre eigene Kampferfahrung und durch die Intervention revolutionär-marxistischer Kader für das Programm des proletarischen Internationalismus gewonnen werden, das die Oktoberrevolution antrieb.

Die Alternative zu dieser revolutionären Perspektive sieht man an den schrecklich verwüsteten Landstrichen des heutigen Nahen Ostens, wo Menschen so viel Leid erlebt haben – Zehntausende Tote und Millionen Vertriebener allein im syrischen Bürgerkrieg, ganz zu schweigen von der Versklavung der Frauen durch religiösen Fundamentalismus. Die Menschheit steht, wie die große Revolutionärin Rosa Luxemburg sagte, vor der Alternative: Sozialismus oder Barbarei.

 

Spartakist Nr. 199

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