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Spartakist Nummer 195

Oktober 2012

Südafrika: ANC/SACP/COSATU-Regierung verantwortlich für Massaker an Streikenden

Marikana-Bergleute siegen, Streikwelle weitet sich aus

24. September – Ein sechswöchiger wilder Streik in der Platinmine des Konzerns Lonmin im südafrikanischen Marikana endete mit einem Sieg für die Bergleute, die die Gesteinsbohrer bedienen und ihre Kollegen. Sie nahmen am 20. September die Arbeit wieder auf mit Lohnerhöhungen zwischen 11 und 22 Prozent. Das Polizeimassaker vom 16. August an 34 Streikenden – das sofort die schreckliche Unterdrückung durch das rassistische Apartheidregime in Erinnerung rief – hatte die streikenden Bergleute nicht aufgehalten. Ihr Kampf inspirierte zehntausende anderer Platin-Bergleute, ihre eigenen Streiks anzufangen und sich damit gegen die kapitalistische Regierung der herrschenden Dreierallianz zu stellen aus Afrikanischem Nationalkongress (ANC), Kommunistischer Partei Südafrikas (SACP) und dem Gewerkschaftsverband COSATU. Die erkämpfte Lohnerhöhung ermutigte auch Gold- und Chrom-Bergleute zum Streik für ähnliche oder höhere Forderungen.

Die 3000 Gesteinshauer in Marikana sind hauptsächlich in der Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU) organisiert. CNN-Berichten zufolge sagten Arbeiter, sie würden ihre Forderung nach einer Lohnerhöhung aufrechterhalten, denn sonst seien ihre 34 ermordeten Kollegen „umsonst gestorben“. Am 5. September marschierten mehrere Tausend durch Marikana, die größte Mobilisierung seit dem Blutbad vom 16. August. Hunderte forderten, dass der Betrieb alle Arbeiten einstellt, und machten unmissverständlich klar, dass sie jeglichen Streikbruch verhindern würden. In Südafrika und auf der ganzen Welt entflammte die Wut über die Morde im August erneut, als Gerichte ein Gesetz aus der Zeit der Apartheid anwandten, um 270 verhaftete Streikende des Mordes an ihren Kollegen anzuklagen, die durch die Polizei getötet worden waren. Die Regierung zog die Mordanklagen zunächst zurück. Aber andere Anklagen bleiben bestehen und viele Streikende sind immer noch in Haft.

Vor der Einigung mit Lonmin drangen Polizei und 1000 Soldaten in das Hüttenlager Nkaneng ein, wo viele der Bergarbeiter in Bretterbuden ohne Elektrizität, Wasserversorgung oder grundlegende sanitäre Anlagen leben. Ein Gefecht brach aus, Streikende kämpften Seite an Seite mit anderen Bewohnern gegen den Staat, der sie entwaffnen wollte. Berichten zufolge wurden 13 Menschen verhaftet, Streikführer in den Untergrund gezwungen. Unter den Menschen, die in den letzten Wochen von staatlichen Kräften getötet wurden, war auch ein Streikender bei Anglo Platinum, der von einem gepanzerten Polizeiwagen überrollt wurde, und ein Stadtrat des ANC, der starb, als die Polizei auf ein Elendsviertel nahe Marikana das Feuer eröffnete.

Ein Klassenkrieg war nötig, damit die Bergleute von Marikana eine Lohnerhöhung erkämpfen konnten, die kaum reicht, um die elende, aus Zeiten der Apartheid vererbte Lohnstruktur anzukratzen. Die abgeschlossene Einigung gilt nicht für die 9000 sogar noch schlechter bezahlten Arbeiter – fast ein Viertel der Belegschaft der Mine –, die über Leiharbeitsfirmen eingestellt wurden, diesen Blutsaugern, die seit den Tagen der Apartheid eine immer größere Rolle in der Wirtschaft spielen. Eine zentrale Lehre des Massakers vom 16. August für das Bewusstsein der Arbeiter ist die Rolle des bürgerlichen Staats als Organ der gewalttätigen Unterdrückung der Ausgebeuteten und Unterdrückten im Dienste der Kapitalisten und deren Profite. Dass „Kommunisten“ wie der SACP-Generalsekretär Blade Nzimande Ministerposten haben, ändert nicht das Mindeste am Charakter des bürgerlichen Staates. Arbeiter kämpfen nicht nur gegen die Minenbosse und die Regierung, sondern auch gegen die Irreführer der Gewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) und des Gewerkschaftsdachverbands COSATU, den die SACP politisch dominiert.

Die Führer von SACP und COSATU heulten mit am lautesten über die „Gewalt“ der Marikana-Arbeiter. Und nun wenden sie sich gegen das erkämpfte Lohnergebnis mit der Begründung, es inspiriere andere Arbeiter zum Kampf! 15 000 Arbeiter traten in den Streik bei dem Betreiber Gold Fields, in Driefontein südlich von Johannesburg, mit der Forderung nach einem Monatslohn von 12 500 Rand (etwa 1200 Euro). Prompt stürmte COSATU-Führer Zwelinzima Vavi letzte Woche aus dem nationalen Kongress seiner Organisation, um den Arbeitern zu erklären, der Streik sei „illegal“ und sie sollten zurück zur Arbeit gehen. Die Arbeiter stellten sich gegen ihn und schworen, den Streik fortzuführen, bis ihre Forderungen erfüllt sind.

Es existiert eine grundlegende Rassenspaltung zwischen der weißen Minderheit, die Lebensbedingungen wie in entwickelten Industrieländern genießt, und der Masse der Bevölkerung, deren Lebenssituation so von Not und Armut geprägt ist wie unter dem Apartheid-Regime – und diese Spaltung hat sich unter der Dreierallianz noch vertieft. Kurz nach dem Marikana-Massaker verkündete Jacob Zuma, der Präsident Südafrikas, er habe die Polizei angewiesen, „alles nur Mögliche zu tun, um die Situation unter Kontrolle zu bringen und die Gewalttäter zur Rechenschaft zu ziehen“ (New York Times, 16. August). Die Bergbauministerin vom ANC, Susan Shabangu, versicherte bei einem Treffen von Führungskräften der Bergbauindustrie, die Regierung sei „entschlossen, schlechte Elemente zu isolieren“, wie etwa die Streikenden bei Lonmin, dem Betreiber der Marikana-Mine. In den Wochen seit dem Massaker sind beträchtliche Beweise dafür aufgetaucht, dass schießwütige Bullen Streikende jagten und kaltblütig ermordeten. Bergarbeiter und andere Gewerkschafter auf der ganzen Welt haben die dringende Pflicht, mit den Streikenden in Südafrika Solidarität zu zeigen und zu fordern: Weg mit allen Anklagen gegen Streikende! Freilassung aller Verhafteten! Militär raus aus den Bergbaugebieten! Sieg den Bergarbeiterstreiks!

Nach 18 Jahren des Neo-Apartheid-Regimes sind wütende Proteste von Township-Bewohnern, die Unterkunft und grundlegende Versorgung fordern, so alltäglich, dass Straßenbarrikaden routinemäßig als Verkehrsnachricht gemeldet werden. Und jetzt trägt der ANC zu seinem hundertsten Geburtstag die Verantwortung für die Ermordung streikender schwarzer Arbeiter! Die ANC-Leutnants in der Arbeiterklasse haben wutentbrannt versucht, jegliche Solidarität mit den Marikana-Bergarbeitern zu unterdrücken. Beim COSATU-Kongress organisierten Bürokraten einen Schlägertrupp, der den Büchertisch unserer Genossen von Spartacist/South Africa angriff und in Brand steckte. Sie waren wütend über Plakate, die das Massaker vom 16. August anprangerten und Arbeiter dazu aufriefen, von der Dreierallianz zu brechen (siehe Brief an COSATU, Seite 20).

Unsere Genossen in Südafrika haben sich prinzipiell immer geweigert, der Dreierallianz, einer nationalistischen Volksfront, auch nur die mindeste politische Unterstützung zu geben. Für unsere Aufgabe, eine revolutionäre Arbeiterpartei mit der Perspektive der permanenten Revolution aufzubauen, ist es zentral wichtig, Arbeiter von der Dreierallianz zu brechen.

Das folgende Flugblatt wurde am 23. August von unseren Genossen von Spartacist South Africa herausgegeben.

*   *   *

Der 16. August 2012 wird in die Geschichte eingehen – als eines der blutigsten Verbrechen, die jemals gegen die Arbeiterbewegung in Südafrika verübt wurden. Bei der Marikana-Mine des in London ansässigen Lonmin-Konzerns – des drittgrößten Platinproduzenten der Welt – etwa 100 Kilometer nordwestlich von Johannesburg führten die Bullen der kapitalistischen Dreierallianz-Regierung an streikenden schwarzen Bergarbeitern ein grausames Massaker durch: Mindestens 34 Bergarbeiter wurden getötet und 78 verletzt; viele sind immer noch in kritischem Zustand im Krankenhaus. Die blutigen Szenen, die im Fernsehen übertragen wurden, erinnern an die berüchtigtsten Massaker aus der Apartheid: 21. März 1960 in Sharpeville, 16. Juni 1976 in Soweto. Sie zeigen ein blutiges, abscheuliches Bild von der Brutalität dieses kapitalistischen Systems der Neo-Apartheid, wo Arbeiter für das „Verbrechen“, gegen Hunger zu kämpfen und sich zu verteidigen, von der Polizei mit Schnellfeuergewehren wie wilde Tiere abgeknallt werden. Damit das klar ist: Das Blut dieser abgeschlachteten Arbeiter klebt an den Händen der Führer der Dreierallianz von ANC, SACP und COSATU [Afrikanischer Nationalkongress, Kommunistische Partei Südafrikas und Kongress Südafrikanischer Gewerkschaften] sowie ihrer Regierung, die wieder einmal den Randlord-Herrschern und deren imperialistischen Oberherren ihre Verlässlichkeit bewiesen haben.

Spartacist/South Africa, Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga, trauert mit den Familien der Opfer, ihren Genossen, die das Massaker überlebt haben, und vielen anderen, die durch diesen tragischen Verlust erschüttert sind. Wir tun dies als Kommunisten, die dafür eintreten, dass sich die Arbeiterklasse von der Lohnsklaverei befreit und dieses System wegfegt, um Platz zu machen für eine wirklich gerechte Gesellschaft ohne jede Ausbeutung oder Unterdrückung. Der Schmerz und das Leid aus diesem grausamen Massenmord müssen – hier und international – ins Gedächtnis der Arbeiterklasse und aller Gegner der kapitalistischen Unterdrückung eingebrannt werden, als Erinnerung daran, wie weit die Bourgeoisie und ihre unterdrückerische Staatsmaschinerie gehen werden, um ihre Klassenherrschaft und ihre Profite zu schützen. Um ihren blutigen Händen die Macht zu entreißen, braucht man eiserne Entschlossenheit, Bewusstsein über die unabhängigen Interessen und welthistorischen Aufgaben des Proletariats und eine erprobte, unnachgiebige, revolutionäre Führung. Arbeiterrevolution wird die Opfer des Lonmin-Massakers rächen! Brecht mit der bürgerlichen Dreierallianz! Schmiedet eine leninistisch-trotzkistische Avantgardepartei!

Dieses Blutbad hat der kapitalistische Staat eindeutig geplant und absichtlich durchgeführt. In der Woche davor peitschten die kapitalistischen Medien, die Lonmin-Besitzer und die Regierungsminister eine wahnsinnige Hysterie auf, denunzierten die Bergarbeiter als gewalttätige „Schläger“ und riefen nach einem harten Durchgreifen, um den „illegalen“ Streik zu beenden. Am Tag des Massakers sprachen die Polizeikommandeure schon von einem „D-Day“, an dem der Streik zerschlagen werden würde. Der Hügel neben einem der Grubenschächte, wo sich tausende Arbeiter versammelt hatten, wurde von den Bullen durch Stacheldraht abgeriegelt. Dies ging einher mit einer massiven Mobilmachung von Repressionskräften, einschließlich berittener Polizei, gepanzerter Fahrzeuge, Soldaten der SANDF (Armee) und der Zusammenziehung von bis zu 3000 Bullenschlägern in der Marikana-Gegend. Offensichtlich sollte den streikenden Bergarbeitern eine blutige Lektion erteilt werden, insbesondere als „Vergeltung“ für die zwei Polizisten und zwei Wachleute, die während der Streikwoche getötet wurden. Mit ihrem Kommentar nach dem Massaker, sie befehle den Bullen, das Geschehene nicht zu bereuen, machte die kürzlich durch Präsident Jacob Zuma ernannte Polizeichefin Riah Phiyega eindeutig klar, dass die Bullen auf blutige Rache aus waren (siehe Sowetan, 20. August).

Die Führer der Dreierallianz versuchen nun auf widerwärtige Weise – wobei ihnen fast alle bürgerlichen Medien unisono folgen –, ihr blutiges Verbrechen zu vertuschen, indem sie die Schuld für die „sinnlose Gewalt“ … auf die massakrierten streikenden Bergarbeiter schieben! Das ist die Position aller Führer der Allianz, vom COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi über Blade Nzimande von der SACP bis zu ANC-Präsident Zuma. Die Herausgeber der City Press verdeutlichten das Ziel dieser Kampagne unmissverständlich durch ihre ungeheuerliche Schönfärberei: „Doch dies geschah in einem demokratischen Staat. Und während die nervösen und aufgeregten Polizisten, die den Abzug betätigten, für ihre Taten geradestehen müssen, ist es wichtig daran zu erinnern, dass die Streikenden bis an die Zähne bewaffnet waren und sich drohend verhielten. Die Grenze zwischen unschuldig und schuldig verläuft nicht so klar wie in Sharpeville 1960 oder Soweto 1976“ („Marikana. Tragic, But It’s Not Sharpeville“ [Marikana. Tragisch, aber nicht Sharpeville], 19. August). In Wahrheit ist das Blut schwarzer Arbeiter heute genauso wenig wert wie unter der Apartheid-Herrschaft.

Für Arbeiterverteidigungsgruppen!

Es gab viel Aufregung darüber, dass die streikenden Arbeiter Waffen wie selbstgemachte Speere, Macheten und sogar ein paar Schusswaffen hatten. Wenn man sich die scheinheiligen bürgerlichen Leitartikler und Allianzführer so anhört, hätten die Zulu, Xhosa und andere eingeborene afrikanische Krieger, die durch die Gewehre der britischen und niederländischen Kolonialherren niedergemäht wurden, auch einen Teil der Schuld für das „sinnlose Blutvergießen“ auf sich nehmen müssen, weil sie mit Speeren und anderen primitiven Waffen versuchten, zurückzuschlagen! Wir treten ohne Wenn und Aber für das Recht der Arbeiterklasse auf bewaffnete Selbstverteidigung gegen die blutige Gewalt des kapitalistischen Staates, der Wachschutz-Schläger der Bosse und anderer professioneller Streikbrecher ein. Für Arbeiterverteidigungsgruppen zum Schutz der Streikpostenketten! Das blutige Massaker hat gezeigt, dass die Arbeiter und Unterdrückten angesichts dieser brutalen Tötungsmaschine besser vorbereitet und besser organisiert sein müssen.

Dass in der bürgerlichen Propaganda die Arbeiter, die am 16. August abgeschlachtet wurden, mit den in der vorigen Woche angeblich von streikenden Bergarbeitern getöteten zwei Bullen und zwei Wachleuten in einen Topf geworfen werden, weisen wir voller Verachtung zurück. Wir behaupten nicht, die genauen Umstände dieser Todesfälle zu kennen, aber eines ist sicher: Über den Tod der professionellen Streikbrecher der Bourgeoisie vergießen wir keine Tränen. Diese Propagandakampagne gehört zu der andauernden Repression gegen die streikenden Bergarbeiter, die das Massaker überlebt haben. Etwa 260 Arbeiter, die am 16. August festgenommen wurden, sitzen immer noch in Untersuchungshaft; Freilassung auf Kaution wird ihnen verwehrt. Sie sind wegen Gewalttätigkeit und aufgrund des Todes dieser Bullen und Wachleute sogar wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Arbeiter in Südafrika und weltweit müssen gegen dieses blutige Massaker und die andauernde Repression protestieren: Nieder mit allen Anklagen gegen die verhafteten Streikenden bei Lonmin! Trotz des Verlustes ihrer Genossen haben die Lonmin-Arbeiter mutig geschworen, weiter zu kämpfen, bis ihre Forderungen erfüllt werden. Die Lonmin-Bosse drohen den streikenden Arbeitern mit Massenentlassungen und fordern die sofortige Rückkehr zur Arbeit. Wir sind solidarisch mit den Forderungen dieser Arbeiter nach einem existenzsichernden Lohn von 12 500 Rand [etwa 1200 Euro] pro Monat und verbesserten Arbeitsbedingungen. Diese Woche sind auch in anderen Minen in der Provinz Nordwest Streiks ausgebrochen, wo die Arbeiter ebenfalls 12 500 Rand fordern. Um die Lonmin-Arbeiter zu unterstützen und dem blutigen Staatsterror gegen die Arbeiter entgegenzutreten, sind Solidaritätsstreiks im Bergbau und in anderen Industriezweigen dringend nötig.

Irreführer der NUM wollten streikende Bergarbeiter bluten sehen

Unter denen, die in der Woche vor dem Massaker vom 16. August am lautesten nach scharfem Durchgreifen gegen den Bergarbeiterstreik riefen, waren verachtenswerter Weise die Führer der National Union of Mineworkers (NUM – Bergarbeitergewerkschaft). Nur ein paar Tage davor geiferte NUM-Generalsekretär Frans Baleni: „[Wir sind] beunruhigt, dass die Strafverfolgungsbehörden die ausufernde Gewalt in diesem Gebiet in der Provinz Nordwest unbehelligt weiterlaufen ließen“, und er forderte „den Einsatz einer Sondereinsatzgruppe oder der SANDF, um mit den kriminellen Elementen in Rustenburg und der umliegenden Mine entschieden aufzuräumen“ (Mail & Guardian online, 14. August)! Der NUM-Sprecher Lesiba Seshoka trat in der gleichen Woche im Fernsehen auf und denunzierte die streikenden Arbeiter als „Schläger“, mit denen man nicht verhandeln könne und denen mit Gewalt zu begegnen sei. Baleni und andere NUM-Führer stellten sich nach dem blutigen Massaker auf die Seite der Bullen!

Um von ihrer elenden – nun mit dem Blut der 34 massakrierten Arbeiter besiegelten – Verratspolitik der Klassenzusammenarbeit gegen die Bergarbeiter in ihrer eigenen Gewerkschaft abzulenken, haben die NUM-Führer versucht, einer konkurrierenden Gewerkschaft die Schuld zuzuschieben: der Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU), die besonders unter den am schlechtesten bezahlten Schichten der Bergarbeiter Mitglieder gewonnen hat. Wie viele Arbeiter bei Lonmin durch die AMCU vertreten werden, bleibt angesichts widersprüchlicher Berichte verschiedener Quellen unklar. Auf jeden Fall waren unter den Arbeitern, die bei der von Baleni geforderten staatlichen Repression massakriert wurden, auch NUM-Mitglieder. Sie waren ebenso wie viele andere, die die NUM verlassen und verzweifelt nach einer anderen Vertretung gesucht hatten, gegen die NUM-Führung auf die Barrikaden gegangen. Ähnliche Entwicklungen waren schon bei Impala Platinum zu beobachten, wo im Februar ein erbitterter Streik es sowohl mit der Staatsrepression als auch mit dem Verrat der NUM-Bürokratie aufnehmen musste (siehe Artikel in Spartacist South Africa Nr. 8, Winter 2012).

Nach Jahren des Verrats entschieden die verärgerten Bergarbeiter von Lonmin, ihre Forderungen selbst aufzustellen. Zu diesen Forderungen gehörte eine Lohnerhöhung von 4000 auf 12 500 Rand pro Monat und anständige Arbeitsbedingungen. Die NUM-Bürokraten und ihre Speichellecker verurteilen diese Lohnforderungen als „unrealistisch“ und zeigen damit, wie sehr sie in die privilegierte schwarze Elite, den Strohmännern der Randlords, integriert wurden und sich mit den Bergwerksbossen identifizieren. Baleni bekommt ein Gehalt von 77 000 Rand (etwa 7300 Euro) pro Monat! Cyril Ramaphosa, ein früherer NUM-Generalsekretär und einer der Verhandlungsführer des Ausverkaufs-Deals von 1994 mit den weißen Herrschern, ist Anteilseigner bei Lonmin und hat kürzlich 19,5 Millionen Rand (etwa 1,8 Millionen Euro) für einen Büffel geboten!

Die NUM-Bürokraten und andere Führer der Dreierallianz verlangen nach dem Massaker staatliche Repression gegen die AMCU; so forderte die Führung der SACP in der Provinz Nordwest die Verhaftung der AMCU-Führer. Wir verteidigen die AMCU gegen staatliche Repression, und wir verteidigen auch das Recht der Bergarbeiter, sich durch die AMCU vertreten zu lassen, wenn sie das möchten. Doch die Antwort auf den Verrat der Führer der NUM und anderer COSATU-Gewerkschaften kann nicht darin bestehen, einfach auszutreten und eigenständige Gewerkschaften zu gründen, was die Arbeiter tendenziell schwächt und spaltet. Die Basis dieser Gewerkschaften muss gegen die Ausverkäufer in der Führung gerichtet werden. Notwendig ist ein harter Kampf, um die gegenwärtigen, pro-kapitalistischen Führer rauszuschmeißen und durch eine klassenkämpferische Führung zu ersetzen, die für Industriegewerkschaften kämpft, in denen für maximale Stärke im Kampf gegen die Bosse alle Arbeiter vereint werden. Das ist verbunden mit dem Kampf für eine revolutionäre Avantgardepartei, die gebraucht wird, um dem Kapitalismus durch eine Arbeiterrevolution ein Ende zu machen.

Das Lonmin-Massaker unterstreicht mit Blut, wie wahr es ist, was der bolschewistische Führer W. I. Lenin in Staat und Revolution (1917) schrieb: Der Staat ist „ein Organ der Klassenherrschaft, ein Organ zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere“. Der bürgerliche Staat kann nicht reformiert oder unter Druck gesetzt werden, um den arbeitenden Menschen oder den Unterdrückten zu dienen. Das Massaker an den streikenden schwarzen Bergarbeitern wurde sowohl von schwarzen als auch von weißen Bullen durchgeführt, was das Wesen aller Bullen als professionelle Streikbrecher und bezahlte Killer der Kapitalistenklasse hervorhebt. Wir sagen: Bullen und Wachleute raus aus den Gewerkschaften! Dieser kapitalistische Staat der Neo-Apartheid erzwingt weiterhin die brutale Unterdrückung der schwarzen Mehrheit und verteidigt die Herrschaft und die Profite der überwiegend weißen Kapitalistenklasse. Er muss durch eine sozialistische Arbeiterrevolution gestürzt und durch einen Arbeiterstaat ersetzt werden.

Dieses grundlegende marxistische Verständnis vom kapitalistischen Staat steht in krassem Gegensatz zu den reformistischen Führern der SACP und COSATU, die die Bullen als ihre „Genossen“ ansehen, und zu ihren linken Anhängseln, die sich als „sozialistische“ Kritiker der Führer der Dreierallianz darstellen, nur um eine andere Variante reformistischer Politik anzubieten. Die Democratic Socialist Movement (DSM, südafrikanische Sektion von Peter Taaffes Komitee für eine Arbeiterinternationale, in Deutschland SAV) zum Beispiel gab eine Protesterklärung gegen das Lonmin-Massaker heraus, in der sie den NUM-Führern vorwerfen, sie „verraten jedes Grundprinzip des Kampfes der Arbeiter“. Und das ausgerechnet von einer Gruppe mit der grotesken Position, dass Bullen „Arbeiter in Uniform“ seien! Wie nicht anders zu erwarten, fährt DSM in ihrer Erklärung fort, die Lonmin-Streikenden dafür zu schelten, sie hätten „erst zwei Wachleute getötet, am Samstag, und dann zwei Polizisten am Montag. Das brachte den Kampf der Arbeiter nicht voran, sondern spaltete ihn“ („For a general strike to end the Marikana massacre“, 17. August). Damit leisten die Pseudosozialisten der DSM ihren Anteil, um in die Kampagne von Gewalt-Vorwürfen gegen die streikenden Arbeiter einzustimmen, und empfehlen ihnen, sich dem bürgerlichen Staat zu unterwerfen.

NUM-Präsident Senzeni Zokwana machte sich auf, mit den streikenden Arbeitern bei Lonmin zu sprechen, und versuchte sie aus einem gepanzerten Polizei-Nyala (Typ eines bewaffneten Fahrzeugs) heraus zu überzeugen, den Streik zu beenden. Nicht überraschend brüllten sie ihn nieder und er verzog sich hinter die Polizeilinien – ein plastisches Bild von kochender Wut, die die Arbeiter gegenüber ihren verräterischen Irreführern empfinden. Diese Unzufriedenheit hat sich über Jahre aufgebaut – Ergebnis des riesigen Abgrundes zwischen dem „besseren Leben für alle“, das mit dem Machtantritt der Dreierallianz versprochen wurde, und der andauernden, hoffnungslosen Realität kapitalistischen Elends unter der Neo-Apartheid. Die elenden Bedingungen in den Bruchbuden rund um Lonmin und anderen Bergwerken im „Platingürtel“ sind düsteres Zeugnis davon.

Die Reformisten der aus dem Stalinismus stammenden SACP, die Zokwana kürzlich zum Vorsitzenden wählten, liefern seit Jahren Pseudo-„Theorien“ über die verschiedenen „Etappen“ der „National-Demokratischen Revolution“ ab, um ihr Bündnis mit dem bürgerlich-nationalistischen ANC und ihre Rolle bei der Verwaltung des Kapitalismus in der Dreierallianz zu rechtfertigen. Wir haben schon oft gewarnt, dass die stalinistische „Theorie“ der „Etappenrevolution“ eine verdammte Lüge ist: Die zweite „Etappe“ besteht immer darin, dass die bürgerlichen Nationalisten sich gegen die Kommunisten und Arbeiter wenden und sie abschlachten. Lonmin ist eine tödliche Warnung! Gewerkschaftskämpfer des COSATU und SACP-Mitglieder, die wirklich für den Kommunismus kämpfen wollen, müssen vom prokapitalistischen Programm dieser Organisationen gebrochen und für eine Strategie gewonnen werden, die auf der Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von allen bürgerlich-nationalistischen Kräften beruht. Das schließt auch den ehemaligen Führer der ANC-Jugendorganisation, Julius Malema, ein, einen populistischen Demagogen, der unter den Bergarbeitern eine Menge Ansehen gewonnen hat. Heute posiert Malema zwar als Freund der Arbeiter, aber er ist ein bürgerlicher Politiker, der für die Erhaltung dieses blutigen kapitalistischen Systems eintritt und erst vor ein paar Jahren gelobte, für Zuma zu „töten“.

Die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse vom bürgerlichen Nationalismus gehört zum Kern der trotzkistischen Theorie der permanenten Revolution. Die nationale Unterdrückung, unter der die schwarze Mehrheit leidet, die imperialistische Vorherrschaft und die vielfältige Unterdrückung und Rückständigkeit, die Südafrikas Kapitalismus kennzeichnen, können nur durch eine Arbeiterrevolution überwunden werden, die international ausgeweitet wird. Wir brauchen eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung als Teil einer sozialistischen Föderation des südlichen Afrikas, die bis zum Letzten dafür kämpft, sich mit Arbeiterrevolutionen in den imperialistischen Zentren zu verbinden und eine internationale sozialistische Planwirtschaft aufzubauen. Blutige Grausamkeiten wie das Lonmin-Massaker werden dann als Teile eines dunklen Kapitels der Menschheitsgeschichte der Vergangenheit angehören. Dafür kämpfen wir.

 

Spartakist Nr. 195

Spartakist Nr. 195

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