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Spartakist Nummer 183 |
Mai 2010 |
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Zitat
Kapitalistische Krise und Arbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit und Verelendung gehören zum Wesen des Kapitalismus, dessen Irrationalität durch die heutige Weltwirtschaftskrise unterstrichen wird. Leo Trotzkis Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale (bekannt als Übergangsprogramm und grundlegendes programmatisches Dokument der Gründungskonferenz der Vierten Internationale 1938) gilt auch heute noch. Im Übergangsprogramm betont Trotzki die Notwendigkeit, die Gewerkschaften zum Kampf für Arbeit für alle zu mobilisieren. Gegen die prokapitalistische Gewerkschaftsbürokratie und die reformistischen Führer, die die Arbeiter an den Klassenfeind binden, wird ein System von Forderungen aufgestellt, das die Tagesnöte der Massen mit der Aufgabe des revolutionären Sturzes des Kapitalismus verbindet. Ein Ende von Arbeitslosigkeit und Armut kann nur mit der Enteignung der Kapitalistenklasse durch eine Arbeiterregierung erreicht werden, d. h. durch die revolutionäre Diktatur des Proletariats.
Unversöhnlichen Krieg erklärt die Vierte Internationale der Politik der Kapitalisten, die weitgehend von ihren Agenten, den Reformisten, übernommen wird und darauf abzielt, die ganze Last des Militarismus, der Krise, der zerrütteten Währungen und ähnlicher Plagen des kapitalistischen Niedergangs auf die Arbeiterschaft abzuwälzen. Sie fordert Arbeit und ein menschenwürdiges Dasein für alle. Weder Geldinflation noch -stabilisierung können dem Proletariat als Losung dienen, denn beide sind nur Enden desselben Knüppels. Gegen die Preissteigerungen, die mit Herannahen des Krieges einen immer zügelloseren Charakter annehmen werden, kann man nur unter der Losung der gleitenden Lohnskala kämpfen. Die Tarifverträge müssen eine dem Steigen der Verbrauchsgüterpreise entsprechende automatische Anhebung der Löhne gewährleisten.
Bei Strafe seiner eigenen Zersetzung darf das Proletariat nicht dulden, dass ein wachsender Teil der Arbeiter zu Dauerarbeitslosen, zu Elenden gemacht wird, die von den Abfällen einer sich zersetzenden Gesellschaft leben. Das Recht auf Arbeit ist das einzige ernsthafte Recht, das dem Arbeiter in einer auf Ausbeutung begründeten Gesellschaft bleibt. Dieses Recht wird ihm jedoch heute auf Schritt und Tritt entzogen. Es ist an der Zeit, gegen die strukturelle wie auch konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit neben der Forderung nach öffentlichen Arbeiten die Losung der gleitenden Skala der Arbeitszeit auszugeben. Die Gewerkschaften und andere Massenorganisationen müssen Arbeitende und Arbeitslose in gegenseitiger Bürgschaft und Solidarität vereinen. Die verfügbare Arbeit wird dann unter allen vorhandenen Arbeitskräften aufgeteilt, und damit wird die Dauer der Arbeitswoche bestimmt. Jeder Arbeiter erhält denselben Durchschnittsverdienst wie bei der bisherigen Arbeitswoche. Der Lohn, mit einem fest garantierten Minimum, folgt der Bewegung der Preise. Ein anderes Programm ist bei den heutigen katastrophalen Zeiten nicht annehmbar.
Die Besitzenden und ihre Anwälte werden die Unmöglichkeit darlegen, diese Forderungen zu verwirklichen. Kleinere, insbesondere ruinierte Kapitalisten werden dabei auf ihre Geschäftsbücher verweisen. Die Arbeiter weisen diese Einwände und Bezugnahmen unterschiedslos ab. Es handelt sich nicht um den normalen Zusammenstoß gegensätzlicher materieller Interessen, sondern vielmehr darum, das Proletariat vor Zersetzung, Hoffnungslosigkeit und Verderben zu bewahren. Es geht um Leben und Tod der einzig schöpferischen und fortschrittlichen Klasse und damit um die Zukunft der Menschheit. Kann der Kapitalismus die Ansprüche nicht befriedigen, die sich unvermeidlich aus den von ihm erzeugten Übeln ergeben, dann mag er zugrunde gehen. Ob jene Forderungen realistisch oder unrealistisch sind, ist hierbei eine Frage des Kräfteverhältnisses und kann nur durch den Kampf entschieden werden. Durch diesen Kampf, welche unmittelbaren praktischen Erfolge er auch erzielen mag, werden sich die Arbeiter am besten von der Notwendigkeit überzeugen, die kapitalistische Sklaverei zu beseitigen.
Leo Trotzki, Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale (1938)
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