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Spartakist Nummer 179

September 2009

Wahlen 2009: Nichts zu wählen für Arbeiter, Unterdrückte!

SPD/LINKE: Krisenberater für deutschen Imperialismus

Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

„Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten soll – das ist das wirkliche Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus“, so Lenin in Staat und Revolution (1917). Diese knappe Charakterisierung der bürgerlichen „Demokratie“ ist so aktuell wie eh und je. Heutzutage übernimmt in Europa oft ein Mitglied der Sozialdemokratie diese Aufgabe im Sold der Bourgeoisie. Die Bundestagswahlen am 27. September finden während der größten Weltwirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren statt. Die Wahlen sollen die nächste Regierung legitimieren, die, wie immer sie zusammengesetzt ist, die Angriffe auf die Arbeiterklasse um ein Vielfaches fortsetzen wird. Denn ihre Aufgabe ist es, den Kapitalisten trotz Krise zu ermöglichen, ihre Profite einzustreichen und sich gegen ihre imperialistischen Konkurrenten zu behaupten. Bei diesen Wahlen gibt es für die Arbeiter nichts zu wählen – keine Partei gibt auch nur vor, für die unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse zu kandidieren. Wir stellen der Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie, für die die Führungen von SPD und Linkspartei und die mit ihnen verbandelten Gewerkschaftsführer stehen, unsere Perspektive entgegen: der Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei, die fähig ist, die multiethnische Arbeiterklasse in einer sozialistischen Revolution zu führen. Das Privateigentum an Produktionsmitteln muss den Kapitalisten entrissen und durch eine geplante Wirtschaft ersetzt werden, geführt durch Arbeiterräte im Interesse aller arbeitenden Menschen.

„Sozialstaat“-Wahlpropaganda der Linkspartei entwaffnet Arbeiter

Die Unterstützung für die SPD hat einen historischen Tiefpunkt erreicht, Wahlprognosen dümpeln bei knapp über 20 Prozent. Als bürgerliche Arbeiterpartei – Basis in der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften, Führung mit bürgerlichem Programm – hatte sie für die Bourgeoisie zeitweise einen besonderen Wert als Regierungspartei, weil sie es besser als bürgerliche Parteien vermochte, ihrer Basis die Angriffe der Kapitalisten reinzuwürgen. 1998 bis 2005 griff die SPD/Grünen-Regierung an allen Fronten Löhne und Sozialleistungen an, peitschte die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 durch. Auch der erste Kriegseinsatz der Bundeswehr seit der Zerschlagung von Nazideutschland durch die sowjetische Rote Armee fand 1999 auf dem Balkan unter der SPD/Grünen-Regierung statt.

Schon 2005 schaffte es der damalige SPD-Bundeskanzler Schröder nur durch eine heuchlerische massive Mobilisierung gegen die offen arbeiterfeindlichen Wirtschaftspläne der CDU, zumindest Ministerposten für die SPD zu ergattern. Heute geht gar nichts mehr. Zuviel Unmut und Wut hat sich in der Arbeiterbasis der SPD angestaut über noch weitergehende Angriffe der SPD/CDU-Koalition in den letzten vier Jahren. Die SPD/Grünen-Regierung hatte nach dem 11. September 2001 den rassistischen „Krieg gegen den Terror“ von US-Präsident Bush aufgegriffen und startete Rasterfahndungen, Abschiebungen und Repressionen gegen Immigranten muslimischen Hintergrunds oder arabischer Abstammung in riesigem Ausmaß, was die Große Koalition unter Innenminister Schäuble noch weiter verschärfte. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier war als Kanzleramtschef unter Rot/Grün persönlich verantwortlich für die Entscheidungen (und späteren Vertuschungsversuche) des deutschen Imperialismus über das Schicksal von Murat Kurnaz, Khaled El-Masri und wer weiß welch anderer Menschen muslimischer Herkunft noch, die die deutsche und die US-Regierung als „Terrorverdächtige“ brandmarkten und „verschwinden“ lassen wollten (siehe „Steinmeier, Sozialdemokratie und der rassistische ,Krieg gegen den Terror‘“, Spartakist Nr. 166, Frühjahr 2007).

Diese Regierungskampagne ermutigt immer wieder Nazi-Terror auf den Straßen. Am 1. Mai griffen in Dortmund Faschisten direkt das kurdisch-türkische Kontingent der DGB-Demo an, die Bullen verprügelten einen Gewerkschafter, der sich zusammen mit seinen Kollegen dagegen verteidigte. Am 1. Juli ermordete in einem Dresdner Gerichtssaal ein Rassist die Ägypterin Marwa El-Sherbini, die er vorher als „Terroristin“ und „Islamistin“ beschimpft hatte. Und ein Polizist schoss auf den ägyptischen Ehemann der Frau, den er „für den Angreifer hielt“ (tagesspiegel.de, 8. Juli). Die multiethnische Arbeiterklasse mit ihrem strategischen Bestandteil an türkischen und kurdischen Immigranten muss gegen diese rassistischen Angriffe mobilisiert werden. Weg mit den Anti-Terror-Gesetzen! Stoppt die Abschiebungen durch Gewerkschaftsaktionen! Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben!

Die Linkspartei, die zweite bürgerliche Arbeiterpartei in diesem Land, die im Zuge der Krise der SPD 2007 durch einen Zusammenschluss von WASG und PDS entstand, versucht aus dem Niedergang der SPD zu profitieren. „Weg mit Hartz 4“ fordert das Wahlprogramm der LINKEN, und Klaus Ernst intonierte im Bundestag: „Wir werden die Bundestagswahl zur Volksabstimmung über die Rente mit 67 machen“ (Rede, 3. Juli). Im Wesentlichen fordert die LINKE einfach das Rückgängigmachen einiger Schweinereien, die in den letzten drei Regierungsperioden durch oder mit der SPD durchgedrückt wurden. „Es geht hier um die Wiederherstellung der Demokratie und des Sozialstaats“, so Lafontaine (Bundestagsrede, 25. September 2008).

Alle Errungenschaften der Arbeiterklasse aus den Zeiten des angeblichen „Sozialstaats“ in Westdeutschland, wie Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhungen usw. waren immer das Ergebnis von Arbeiterkämpfen, andererseits waren die Kapitalisten auch viel eher bereit, Zugeständnisse zu machen, da sie die „rote Gefahr“ eindämmen wollten zu einer Zeit, als das „Konkurrenzsystem“ DDR mit all seinen Errungenschaften der vergesellschafteten Wirtschaft existierte – keine Arbeitslosigkeit, billige Wohnungen, kostenlose gute Gesundheitsversorgung. Der „Sozialstaat“ war immer nur so sozial, wie die Kapitalisten die Arbeiter fürchteten. Die klassenkollaborationistische Propaganda der LINKEN soll die Arbeiter an ihre kapitalistischen Ausbeuter und deren Staat binden, denn was die LINKE antreibt, ist den Kapitalismus mitzuregieren. Der Berliner SPD/Linkspartei-Senat zeugt davon, wie sie das tun: Er zerriss einfach die Tarifverträge im öffentlichen Dienst und warf Tausende auf die Straße, gleichzeitig schmiss er der maroden Berliner Bankgesellschaft die Gelder in den Rachen. Er schickt die Polizei gegen Flüchtlinge, schiebt ab, kürzt massiv im Bildungswesen und bespitzelt Schüler und Studenten mit rassistischen Überwachungsdateien. Der „rot-rote“ Senat ist eine bürgerliche Regierung.

Die SAV – Sozialistische Alternative, großenteils in der Linkspartei eingenistet, ruft auf: „DIE LINKE wählen – links aktiv werden – DIE LINKE verändern!“ (Wahlaufruf der SAV zu den Bundestagswahlen, 25. August). Zwar tritt sie dafür ein, „dass DIE LINKE sich an keiner Regierung mit pro-kapitalistischen Parteien wie SPD und Grünen, egal ob in Bund, Länder [sic] oder Gemeinden, beteiligt“, aber angesichts der Tatsache, dass die LINKE eh keine Chance auf Regierungsteilnahme auf Bundesebene hat, versucht sie einfach das Profil der LINKEN ein bisschen zu schärfen, um mehr Stimmen einzuheimsen. Und wenn dann der Linkspartei in Thüringen oder im Saarland bei den Landtagswahlen am 30. August wirklich eine Regierungsbeteiligung gelingt, wird die SAV jubeln, dass es jetzt eine „linke“ Regierung gibt, die man noch weiter nach links drängen könne. Aber vor allem schließt es die SAV ganz offensichtlich nicht aus, dass die LINKE im eigenen Namen die Regierungsverantwortung im Kapitalismus übernehmen könnte (oder vielleicht mit einer „linkeren“ SPD zusammen?), zumindest auf kommunaler Ebene. In einem Artikel über Kommunalpolitik („Linke Politik in den Kommunen“, 6. Juli) propagiert sie als leuchtendes Beispiel Liverpool Anfang der 80er-Jahre, wo die Schwesterorganisation der SAV, die sich damals Militant nannte, als Mitglied der sozialdemokratischen Labour Party die Stadtverwaltung übernommen hatte. Militant verwaltete das Budget, das der kapitalistische Staat zur Verfügung stellte, und war der Boss der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Und dann schickten sie 31 000 Entlassungsschreiben an diese Arbeiter, was sie als „Taktik“ bezeichneten, um mehr Geld von der nationalen Regierung zu bekommen.

Kommunisten können natürlich für Parlamente, legislative Körperschaften, kandidieren, um als revolutionäre Opposition das Parlament als Tribüne zu nutzen. Aber „Kommunalpolitik“ im Sinne der SAV bedeutet, wirklich Verantwortung für die Verwaltung des bürgerlichen Staates zu übernehmen. Laut SAV würde eine „sozialistische“ Stadtverwaltung „antikapitalistisches, sozialistisches Bewusstsein … enorm … fördern“ (ebd.). Das ist eine reformistische Lüge im Eigeninteresse der SAV, die hofft, mittels des Vehikels der Linkspartei selbst in die eine oder andere kommunale kapitalistische Regierung zu gelangen. Die Arbeiter werden eingelullt und entwaffnet durch die Propaganda, der existierende kapitalistische Staatsapparat könne „übernommen“ oder „unterwandert“ und für ihre Interessen benutzt werden. Die Staatsfrage ist die grundlegende Scheidelinie zwischen Revolutionären und Reformisten. Dieser existierende kapitalistische Staat hat die zentrale Funktion, mittels Polizei, Militär und Justiz das Privateigentum an Produktionsmitteln zu schützen. Damit die Arbeiterklasse ihre Interessen durchsetzen und ihre Macht ausüben kann, ist es nötig, den bürgerlichen Staatsapparat zu zerschlagen und einen auf Rätedemokratie und Planwirtschaft basierenden proletarischen Staat zu errichten, die Diktatur des Proletariats.

Auch andere „linke“ Kritiker innerhalb der LINKEN ordnen ihre etwaigen Widersprüche dem einen heiligen Ziel unter: einem Erfolg der LINKEN bei der Wahl. Zum Beispiel verkündet die Kommunistische Plattform: „Die Eröffnung der Programmdebatte hat bis zum 28. September 2009 Zeit“ – das heißt bis zum Tag nach den Bundestagswahlen („Alles für ein gutes Abschneiden der LINKEN!“, Juli 2009, Mitteilungen der Kommunistischen Plattform).

„Sozialisten“, die in bürgerlichen Regierungen sitzen, ob auf nationaler oder kommunaler Ebene, verwalten den Staat der Bourgeoisie. Da wir Kommunisten unversöhnliche Gegner des bürgerlichen Staates sind, kandidieren wir grundsätzlich nicht für Exekutivämter (siehe „Nieder mit Exekutivämtern des kapitalistischen Staates! Marxistische Prinzipien und Wahltaktik“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 27, Frühjahr 2009).

Die Linkspartei unterstützte im Wesentlichen die „Rettungspakete“ der Bundesregierung vom Herbst 2008, die den bankrotten Banken und Unternehmen Milliarden von Steuergeldern in den Rachen warf, und forderte nur, dass von den Geldern auch etwas in der „Realwirtschaft“ ankommen soll. Sie möchten den Kapitalisten ein bisschen was von deren Profiten abknapsen und den Kapitalismus stärker „regulieren“, etwa durch Nationalisierung von Banken, was auch die SAV fordert. Wie Trotzki aber im Übergangsprogramm klar machte, ist es notwendig, „die Frage der Enteignung mit der Frage der Arbeiter- und Bauernmacht [zu] verbinden“. Er forderte u. a. die entschädigungslose Enteignung der Privatbanken und die Verstaatlichung des Kreditsystems und betonte, dies „wird jedoch nur dann diese günstigen Ergebnisse zeitigen, wenn die Staatsmacht selbst aus den Händen der Ausbeuter vollständig in die Hände der Arbeiterschaft übergeht“. Denn für die Kapitalisten bedeuten einzelne Verstaatlichungen einfach nur, dass der Staat einschreitet, um ihre Profite zu schützen, wie schon Lenin erklärte: „ein Staatsmonopol in der kapitalistischen Wirtschaft [ist] lediglich ein Mittel zur Erhöhung und Sicherung der Einkünfte für Millionäre aus diesem oder jenem Industriezweig, die dem Bankrott nahe sind“ (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, 1916).

Lafontaines berüchtigte Hetze gegen „Fremdarbeiter“, die deutsche Arbeitsplätze gefährden würden, in seiner Chemnitzer Rede vom Juni 2005 ist nur die andere Seite der Medaille seiner wiederholten Propagierung: „Es geht nicht ohne Protektionismus.“ Protektionismus – chauvinistische Maßnahmen zur Rettung der „eigenen“ kapitalistischen Wirtschaft – geht einher mit der Hetze gegen „Billiglohnkonkurrenz“ aus Osteuropa und Asien (insbesondere China). Für die Arbeiterklasse ist dies ein nationalistisches Gift, das Arbeiter aus unterschiedlichen Ländern gegeneinander ausspielt und so ihre Kampfkraft schwächt. „Proletarier aller Länder vereinigt euch“, seit Marx’ Zeiten ein zentraler Kampfruf von Kommunisten, zeigt besonders in der Krise seine brennende Aktualität.

Die Unterstützung für die LINKE ist trotz der Krise der SPD nicht wesentlich angewachsen. Ein Aspekt dabei ist sicher der SPD-eigene Antikommunismus, vielfach verbreitet von SPD-Gewerkschaftsbürokraten, die es Lafontaine nicht verzeihen, dass er in einer gemeinsamen Partei mit den Nachfolgern der SED der DDR sitzt, die heute zur Konkurrenz gegenüber der SPD erwächst. Wir Kommunisten sind scharfe politische Gegner der PDS-Gründer, aber das hat einen ganz anderen Grund: Sie halfen an vorderster Front in der SED, die DDR auszuverkaufen, und dann integrierten sie sich im imperialistischen Deutschland in eine zweite sozialdemokratische Partei und spielen jetzt Arzt am Krankenbett des Kapitalismus.

Die Linkspartei versucht auch, als „Antikriegspartei“ Stimmen zu gewinnen, und fordert „Die Bundeswehr sofort aus Afghanistan abziehen“. Sie fordert aber in ihrem Wahlprogramm nicht den Abzug der imperialistischen Besatzungstruppen aus dem Balkan, wo die deutsche Bourgeoisie ureigenste Interessen verfolgt. In einem Papier des Ältestenrats (19. Februar) lobt sie sogar „durchaus stabile Resultate“ der imperialistischen Besatzer! Schon bisher war der „Antimilitarismus“ der Linkspartei nur Augenwischerei, da sie immer an allen Ecken der Welt die UN-Blauhelme befürwortete. Die UNO ist nichts als eine „Räuberhöhle“ (Lenins Beschreibung des Vorläufers der UN, des Völkerbunds), in der die stärksten Imperialisten das Sagen haben; aber hier hat die deutsche Bourgeoisie vermeintlich mehr Einfluss als in der NATO, also ist die LINKE, die ja den deutschen Imperialismus mitregieren will, für die UN. Auch in ihrem aktuellen Wahlprogramm fordert sie „NATO auflösen“ – zugunsten einer Art NATO ohne Einfluss der USA, des stärksten Konkurrenten der deutschen Bourgeoisie. Sie will die NATO „ersetzen durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands“! Nun, die Sache einer strategischen Partnerschaft mit Russland verfolgen Teile der deutschen Bourgeoisie auch unter der Großen Koalition.

Wir sind prinzipielle Gegner des bürgerlichen Staatsapparats und daher auch seiner Armee, egal ob sie nun als Wehrpflicht- oder „Freiwilligen“armee daherkommt. Mit Karl Liebknecht sagen wir: Kein Mann, keinen Pfennig für die bürgerliche Armee! Bundeswehr raus aus dem Balkan, Afghanistan, Afrika und Nahost! Aber Kommunisten sind keine Pazifisten, denn Pazifismus entwaffnet immer nur die Arbeiterklasse und die Unterdrückten. Wir treten für die bedingungslose militärische Verteidigung der deformierten Arbeiterstaaten China, Vietnam, Kuba und Nordkorea ein, wozu auch die Entwicklung und das Testen atomarer Waffen gehört, um die Imperialisten abzuschrecken.

Keine Wahl bei diesen Wahlen

Die Arbeitslosigkeit, die Verzweiflung unzähliger Menschen darüber, wie viele andere auch ins Elend abzurutschen, ist Thema der Wahlkampagnen der linken Parteien. SPD-Steinmeiers so offensichtliche Wahllüge, bis 2020 praktisch die Arbeitslosigkeit (die heute „offiziell“ massiv geschönt bei knapp 3,5 Millionen liegt) abzuschaffen, hat bei seinen Gegnern viel Hohn ausgelöst, bei seiner Basis sicher eher Bitterkeit. Ironischerweise liegt hier die LINKE hinter der SPD zurück: Sie fordert in ihrem Wahlprogramm „Zukunftsprogramm für zwei Millionen Arbeitsplätze auflegen“. Solange die Basis der Arbeitslosigkeit, der Kapitalismus, nicht entmachtet ist, sind Zahlenspiele über die Arbeitslosigkeit zynische Wahlpropaganda. Die Kapitalisten stellen nur dann ein, wenn es ihnen Profite bringt. Die Wahrheit ist, dass der Kapitalismus gerade darauf basiert, dass es fast immer ein größeres oder kleineres Reservoir an Arbeitslosen gibt, die je nach „Konjunktur“ zur Verfügung stehen oder auf die Straße geworfen werden. Wie Marx prägnant erklärte:

„Die Überarbeit des beschäftigten Teils der Arbeiterklasse schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Diktate des Kapitals zwingt. Die Verdammung eines Teils der Arbeiterklasse zu erzwungnem Müßiggang durch Überarbeit des anderen Teils, und umgekehrt, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten“ (Das Kapital, Erster Band).

Offiziell gibt es übrigens heute keine Definition für „Vollbeschäftigung“, heutzutage fällt eine Arbeitslosenquote von bis zu vier Prozent darunter. In den 1960er-„Wirtschaftswunderjahren“ galt eine Quote von unter einem Prozent. Die Kapitalisten passen ihre Statistiken pünktlich ihren Notwendigkeiten an. Die permanente Existenz einer Arbeiterreservearmee, die jetzt in der Krise noch mal sprunghaft wächst und immer größere Schichten von Menschen an den Rand der Verelendung drückt, steht im krassen Gegensatz zu den Errungenschaften einer geplanten, vergesellschafteten Wirtschaft, selbst einer bürokratisch deformierten in einem halben Land wie der DDR, der es historisch an Arbeitskräften mangelte (siehe dazu „Für internationale sozialistische Planwirtschaft!“ in dieser Ausgabe).

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), einer der vielen Satelliten der LINKEN, kandidiert in eigenem Namen nur dort, wo es der nicht weh tut. Zum Beispiel in Brandenburg, wo fast 30 Prozent für DIE LINKE erwartet werden und die Stimmen für die DKP nicht weiter ins Gewicht fallen. Im Saarland dagegen bei den Kommunalwahlen am 30. August, wo für die Linkspartei jede Stimme zählt, um vielleicht in die Regierung zu kommen, erklärt sie „Die Stimme für Oskar Lafontaine und die PDL“ zu einem Signal, „das auch wir Kommunisten als antikapitalistische und sozialistische Kraft mit setzen wollen!“ („Erklärung der DKP Saarland zu den Landtagswahlen 2009“, 21. August). Ebenso wie die LINKE beruft sich die DKP in ihrer „Friedenspolitik“ auf die UN und ebenso wie DIE LINKE und die ebenfalls kandidierende, ebenfalls reformistische Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) fordert die DKP das „Verbot aller faschistischer Parteien und Organisationen, vor allem der NPD“ entsprechend des Grundgesetzes. Solche Appelle schüren Vertrauen in den kapitalistischen Staat und seine bewaffneten Schlägertrupps, die Polizei, sie demobilisieren und entwaffnen die Arbeiterklasse. Jegliche solcher Verbote sind in der Vergangenheit letztlich im Namen der „Verteidigung der Demokratie“ gegen Arbeiter, Immigranten und Linke eingesetzt worden. Schon bei Einleitung des KPD-Verbotsverfahrens 1951 etwa wurde als Abdeckung im gleichen Jahr ein Verbotsverfahren gegen die faschistische SRP eingeleitet.

Bei den Europawahlen im Juni hatten rechtspopulistische und faschistische Parteien in einigen Ländern besorgniserregende Erfolge erzielt. Die Wirtschaftskrise, die weiterhin droht, Millionen Kleinbürger und Arbeiter ins Elend zu werfen und zu Lumpenproletariern zu machen, sind ein Nährboden, auf dem die Faschisten durch Terror und Demagogie sehr wohl wachsen können. Diese mörderischen Schläger haben in den letzten Monaten ihre Provokationen auf der Straße verstärkt und bei mehreren Gelegenheiten direkt Gewerkschafter angegriffen (siehe „Nazischläger überfallen DGB-Mai-Demos“, Spartakist Nr. 178, Juli 2009). In Thüringen bedrohen diese Mordbanden Zeca Schall, einen Wahlkämpfer der CDU, der angolanischer Herkunft ist. DKP und Co. und die Gewerkschaftsbürokraten entwaffnen die Arbeiterklasse und alle diejenigen, die im Fadenkreuz der Nazis stehen, mit flehentlichen illusionären Appellen an das bürgerliche Grundgesetz. Aber die Faschisten sind die außerlegalen Sturmtruppen der Kapitalisten, die immer in der Hinterhand gehalten werden für den Fall, dass die Kapitalisten ihre Macht durch die Arbeiterklasse bedroht sehen. Es ist dringend nötig, die Macht der organisierten Arbeiterbewegung gegen die Nazis zu mobilisieren. Für Arbeiter-/Immigrantenmobilisierung, um die Nazis zu stoppen! Unser Ziel ist es, eine multiethnische revolutionäre Arbeiterpartei aufzubauen, die die Arbeiterklasse an der Spitze aller Unterdrückten und aller vom rassistischen kapitalistischen Staat und den faschistischen Banden Bedrohten zur Macht führt. Erst der Sturz des Kapitalismus wird den Nazi-Mörderbanden endgültig den Boden entziehen.

Die Grünen waren schon bei ihrer Gründung 1980, noch bevor sie 1993 mit dem in der DDR entstandenen antikommunistischen Bündnis 90 fusionierte, eine bürgerliche Partei, die sich in keiner Weise auf die Arbeiterklasse bezog. Sie kultivieren einen Ruf, sich für Immigranten einzusetzen, aber das ist einfach hohl angesichts ihrer Regierungsbeteiligung 1998–2005 in der SPD/Grünen-Regierung: Sie sind mitverantwortlich für all die rassistischen Aktivitäten dieser Regierung im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“. Auch ihre Haltung zum deutschen Imperialismus ist eindeutig. Grünen-Ober-Guru Joschka Fischer war zentral dafür, den Kriegseinsatz auf dem Balkan zu motivieren im Namen von „Menschenrechten“ und mit „antifaschistischer“ Demagogie. Selbst Christian Ströbele, das „linke“ Flaggschiff der Grünen in Berlin-Kreuzberg, fordert nicht etwa den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, sondern nur in „einem überschaubaren zeitlichen Rahmen“ und nachdem die imperialistischen Besatzerarmeen ihnen genehme „afghanische Sicherheitskräfte“ ausgebildet haben. Nichts anderes will die deutsche Bourgeoisie auch, die keine unmittelbaren Interessen in Afghanistan hat.

Die relativ junge Piratenpartei spricht die offensichtlich berechtigte Besorgnis über immer stärkere Versuche des bürgerlichen Staates an, alle und jeden zu überwachen, speziell auch im Internet. Aber auch sie hat absolut nichts mit der Arbeiterbewegung zu tun. Im Wesentlichen stützen sich Grüne und Piratenpartei auf die gleiche Klientel wie die FDP – unterschiedliche Schichten der Kleinbourgeoisie, die versuchen, jeweils ihre Wünsche voranzubringen, dabei aber den Kapitalismus verteidigen. In Thüringen ruft die Piratenpartei für die Landtagswahl zur Wahl der Grünen auf („Thüringer Piraten unter grüner Flagge“, Neues Deutschland, 24. August).

Die Partei für Soziale Gleichheit (PSG), die auch zu den Wahlen antritt, versucht sich als Alternative zur SPD und zur Linkspartei und als „orthodox“ trotzkistisch darzustellen. Die PSG ist die deutsche Sektion einer dubiosen Organisation, die aus Gerry Healys Internationalem Komitee für die Vierte Internationale entstand und heute von David North geführt wird. In den 70er-Jahren wurden Healy & Co. zum Sprachrohr mörderischer kapitalistischer arabischer Regime: Sie rechtfertigten und unterstützten 1979 die Hinrichtung von 21 irakischen KP-Mitgliedern, seit 1977 hatten sie einen Vertrag mit Libyens Gaddafi, der ihnen eine Million Pfund einbrachte und die Finanzierung ihrer Pseudo-Massen-Tageszeitung News Line ermöglichte (siehe Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 12, Winter 1986/87). Vor vielen Jahren schon charakterisierten wir die von Healy und North geführte politische Tendenz als politische Banditen, deren Praxis in krassem Widerspruch steht zu ihren angeblichen Grundsätzen, die sich zudem je nach materieller Interessenlage ändern. Früher hatten sie an die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer appelliert, bei der Zerstörung der Sowjetunion mitzuhelfen, heute behaupten sie, die Gewerkschaften seien bürgerlich und bejubeln Streikbruch. Früher nannten sie sich „sozialistisch“, heute berufen sie sich in ihrem Namen nur noch auf „soziale Gleichheit“ und betreiben „antistalinistische“ Hetze im Geiste des sozialdemokratischen Antikommunismus gegen einen Konkurrenten bei den Bundestagswahlen, die ex-maoistische MLPD („Wie steht ihr zur MLPD?“, gleichheit.de, kein Datum).

Kapitalistische Krise: gesammelte Lügen

Alle Behauptungen über ein „Abflauen“ der Krise spiegeln die Sicht der Kapitalisten wider und ihre Propaganda für die Wiederwahl von Merkels CDU. „Die Börse erholt sich“? Durch die Bankenstützungen der Regierungen und die extrem niedrigen Zinsen der Zentralbanken wurde Banken und Wirtschaft viel Geld in den Rachen geschmissen, das landete aber nicht in Produktionskapazitäten, die derzeit den Kapitalisten keinen Profit versprechen, sondern in Aktien. Wie ein Artikel sagte: Die „Realwirtschaft“ liegt zwar immer noch am Boden, aber „die Nachfrage nach Aktien treibt deren Preise“. Und mit dieser neuen Version einer Börsenblase geht das muntere Spekulieren weiter und einige Banken machen schon wieder dicke Profite. Zynisch prangen Seite an Seite die Schlagzeilen „Quelle streicht 3700 Stellen“ und „ ,Die Rezession ist vorbei‘ – Börsen feiern die Erholung der Wirtschaft“ (Tagesspiegel, 14. August). Viel Jubel gab es bei den Kapitalisten darüber, dass das Exportvolumen um ein paar Prozent stieg.

Aber selbst einer der von den Kapitalisten bezahlten „Wirtschaftsweisen“, Peter Bofinger, verwies vorsichtig darauf, dass der Auftragseingang dennoch immer noch um etwa 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegt. Und: „Die Zahl der Arbeitslosen wird steigen, prognostizieren Wirtschaftsexperten“ („Das dicke Ende kommt am Arbeitsmarkt“, manager-magazin.de, 9. August). In vielen Betrieben der Metallindustrie läuft Ende des Jahres die staatlich subventionierte Kurzarbeit aus, in der Autoindustrie stehen Entlassungen an mangels Absatz nach dem kurzfristigen Produktionsschub durch die „Abwrackprämie“. Ein Geheimpapier der Bundesagentur für Arbeit sieht mehr als 12 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet und das wird wohl große Bereiche der Kernindustrie Deutschlands betreffen. Ebenso werden noch verstärkter Entlassungen in der Verbrauchsgüterindustrie und im Einzelhandel erwartet – mangels „privater Nachfrage“, d. h. die Menschen haben einfach kein Geld mehr in der Tasche. Die Hertie-Warenhauskette hat gerade dichtgemacht, und nun steht offenbar der gesamte KarstadtQuelle-Konzern vor der Zerschlagung. In ganz Europa werden weiter stark steigende Arbeitslosenzahlen erwartet, und die Länder Osteuropas, deren Wirtschaft durch die Konterrevolution und die nachfolgenden kapitalistischen Schockprogramme schon vorher vernichtet wurde und die vom Imperialismus abhängig sind, werden noch weiter den Bach runtergehen. In den USA, wo es ebenfalls Jubel über eine verbesserte Lage der Banken gibt, stieg die Zahl der Hauspfändungen schon bis Februar innerhalb eines Jahres um 81 Prozent, und bis Ende 2009 wird eine weitere Steigerung erwartet. In mehreren Orten der USA sind ganze Zeltstädte entstanden von Leuten, die nirgendwo sonst mehr wohnen können.

Hierzulande wird nach den Wahlen die neue Regierung wie eine Dampfwalze versuchen, noch mehr den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung in den Boden zu stampfen, was man jetzt im Wahlkampf nicht laut ausspricht. Damit die Arbeiterklasse den Angriffen standhalten kann, ist es unbedingt nötig, mit den Lügen ihrer sozialdemokratischen Irreführer zu brechen, die behaupten, es gäbe zum Kapitalismus keine Alternative. Dazu gehört das Konzept der „Mitbestimmung“, das behauptet, es könne grundlegend gemeinsame Interessen von Arbeitern und Kapitalisten geben. Die Arbeiter sollen mitverantwortlich gemacht werden für die kapitalistische Krisenbewältigung. So schreibt die IG-Metall in „Mehr Mitbestimmung und Kapitalbeteiligung ist gefragt“ (3. August): „Wir wollen, dass die Belegschaften mit einem nennenswerten Anteil am neuen integrierten Konzern von Volkswagen und Porsche beteiligt werden… Statt Lohnverzicht bekommen die Beschäftigten Kapitalanteile des Unternehmens.“ In den USA hat die Führung der Autogewerkschaft UAW gerade das gleiche perfide Spiel betrieben: Um „Mitbesitzer“ von GM zu sein, hat die Gewerkschaft Rentenansprüche der Arbeiter verschachert.

Es ist harter, internationalistischer Klassenkampf nötig, um die Interessen und den Lebensstandard der Arbeiterklasse und der gesamten Bevölkerung zu verteidigen. Es gibt auf gewerkschaftlicher Ebene keine einfachen, unmittelbaren Lösungen, aber einige offensichtliche Forderungen, die eine Richtung weisen, wie der Kampf zu führen ist: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, wer immer sie tut und aus welchem Land auch immer er kommt! Aufteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich! Organisiert die Unorganisierten! Wie Trotzki 1938 erklärte:

„Ob jene Forderungen ‚realistisch‘ sind, ist hierbei eine Frage des Kräfteverhältnisses und kann nur durch den Kampf entschieden werden. Durch diesen Kampf, welche unmittelbaren praktischen Erfolge er auch erzielen mag, werden sich die Arbeiter am besten von der Notwendigkeit überzeugen, die kapitalistische Sklaverei zu beseitigen“ (Übergangsprogramm).

In allen kapitalistischen Krisen passiert das Gleiche: Die gesellschaftliche Produktion allen Reichtums kommt in Konflikt mit der privaten Aneignung dieser Werte durch die Kapitalisten. Auf der Jagd nach Profiten werden Produktivkräfte vernichtet und Menschen aus dem Produktionsprozess raus und in die Armut geschleudert. Eine Lösung dafür kann es nicht im Rahmen des Kapitalismus geben. Die Lösung ist so revolutionär wie einfach: Die Arbeiterklasse muss den Kapitalisten die Produktionsmittel aus den Händen nehmen und im Rahmen einer geplanten internationalen Wirtschaft die vorhandenen Ressourcen im Interesse aller Menschen einsetzen. Die, die arbeiten und die Werte schaffen, müssen herrschen. Um ein solches Bewusstsein in die Arbeiterklasse zu tragen und sie zum Sieg zu führen, ist der Aufbau einer revolutionären multiethnischen Arbeiterpartei nötig, und genau das ist unsere Aufgabe als Kommunisten. Egal, ob nun gerade Wahlen sind oder nicht.

 

Spartakist Nr. 179

Spartakist Nr. 179

September 2009

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Zitat

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