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Spartakist Nummer 166

Frühjahr 2007

Die Russische Revolution von 1905

Spartakist-Jugend

Nachfolgend drucken wir den zur Veröffentlichung redigierten Text eines Schulungsvortrags ab, den Genosse Sam Kirk am 18. Juni 2005 beim „Youth Maintenance Work-In“ des Spartacus Youth Clubs hielt.

Ich hatte ein großes „Problem“ – allerdings ein gutes Problem – bei der Vorbereitung auf diese Schulung. Genau dieses Material ist schon von den Genossen George Foster und Joseph Seymour vor einigen Jahren in hervorragenden Schulungsveranstaltungen behandelt worden (siehe: „Prelude to the Bolshevik October: The Russian Revolution of 1905“ [Auftakt zum bolschewistischen Oktober: Die Russische Revolution von 1905], Workers Vanguard Nr. 288 und 289, 11. und 25. September 1981, und „Lenin and the Vanguard Party“ in der gleichnamigen Spartacist-Broschüre, 1978, auch auf deutsch als „Lenin und die Avantgardepartei“ erhältlich). Wenn ihr das schon gelesen habt, erwartet also nicht allzu viel Neues. Doch es reicht nicht aus, das nur schwarz auf weiß zu haben. Jede Generation muss sich selbst mit den Schlüsselfragen von Revolution und Parteiaufbau auseinandersetzen. Marxismus ist keine Religion, in der offenbarte Wahrheiten von den „Auserwählten“ verkündet werden. Es bedarf einer Menge Anstrengung, sich die Erfahrungen der Vergangenheit anzueignen, um unsere gegenwärtigen Aufgaben festzulegen.

Wir studieren die Russische Revolution von 1905 nicht nur, weil sie im Rückblick der Auftakt zur ersten erfolgreichen Arbeiterrevolution in der Geschichte war, der Oktoberrevolution von 1917. Die Revolution von 1905 hatte auch für sich genommen welthistorische Bedeutung. Wie Lenin in „Ein Vortrag über die Revolution von 1905“ vom Januar 1917 ausführte, war dies das erste Mal in der Geschichte, dass die Industriearbeiterklasse bei einer Revolution die führende Rolle spielte. Was als ein politischer Protest der Arbeiter begann, um auf den Zaren Druck auszuüben, entwickelte sich im Laufe des Jahres rasch zu politischen Massenstreiks, Meutereien, zur Bildung von Sowjets und zu bewaffneten Aufständen für den Kampf um die Macht.

Bolschewismus kontra Menschewismus

Die Russische Revolution inspirierte viele, doch ihre Mechanismen wurden nicht von sehr vielen begriffen. Die Welt sah die Arbeiterklasse kämpfen, hatte aber kein programmatisches Verständnis von den politischen Debatten innerhalb der führenden, dynamischsten Partei der Revolution, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR). Die SDAPR wurde zur Hauptkraft für einen revolutionären Flügel in der Zweiten Internationale und bestand in Wirklichkeit aus zwei Parteien, der bolschewistischen und der menschewistischen Fraktion.

Die SDAPR wurde formell 1898 auf einem winzigen Treffen in Minsk gegründet, unter ständiger Bedrohung durch Polizeirepression. Der Zweite Kongress 1903 war der eigentliche Gründungskongress einer national koordinierten revolutionären Bewegung in Russland, die Konsolidierung verschiedenartiger örtlicher Gruppierungen um ein vereinbartes Programm, das in einer regelmäßig erscheinenden Zeitung Anwendung finden sollte, in der Iskra – dem politischen Gerüst, um das die Partei aufgebaut werden sollte. Der Kongress von 1903 führte zu einer unerwarteten Spaltung zwischen zwei Schattierungen der Partei – informell die „Harten“ und die „Weichen“ genannt –, aus denen die Bolschewiki bzw. die Menschewiki entstanden. Der unmittelbare Auslöser der Spaltung war die Definition der Parteimitgliedschaft und die Zusammensetzung der Iskra-Redaktion. Doch dahinter verbargen sich tiefere politische Differenzen, die damals nicht zur Gänze ausformuliert wurden.

In „Lenin und die Avantgardepartei“ gibt Genosse Seymour eine anschauliche Beschreibung der bolschewistischen Fraktion von 1904:

„Was stellte Leninismus 1904 dar? Vor allem ein festes Bekenntnis zur revolutionären Sozialdemokratie [zum Kommunismus], besonders zur führenden Rolle der proletarischen Partei im Kampf gegen den zaristischen Absolutismus. Außerdem eine unnachgiebige Haltung gegenüber erwiesenen Opportunisten, wie den führenden Ökonomisten, und eine misstrauische Haltung gegenüber ihrer möglichen Wandlung hin zu revolutionärer Politik. Lenin setzte sich für eine zentralisierte, disziplinierte Partei ein und war daher ein unversöhnlicher Feind des für die russische sozialdemokratische Bewegung typischen Zirkelwesens und Cliquismus.“

Wir täten gut daran, uns danach zu richten!

Im Februar 1904, nachdem die japanische Kriegsflotte Russlands Pazifikflotte in Port Arthur (heute Dalian) in der Mandschurei eingeschlossen hatte, begann Russland seinen Krieg gegen Japan, den es verlieren sollte. Die greifbare militärische Niederlage der Autokratie weckte Hoffnungen auf die Möglichkeit einer gewissen inneren Reform Russlands. Die russische liberale Bourgeoisie, deren wirtschaftliche Macht ständig wuchs, die aber den Launen des autokratischen politischen Systems unterworfen und an die mächtigeren europäischen Kapitalisten gebunden war, verstand in gewisser Weise, dass Russlands Niederlage im Krimkrieg von 1854–56 zu den zaristischen Reformen von 1861 geführt hatte, die die Leibeigenschaft aufgehoben hatten. Diese Reform gehörte zu einem Programm, das kapitalistische Beziehungen in Russland etablierte, um den Staat gegen seine imperialistischen Feinde zu stärken.

Die liberale Bourgeoisie, die eine Chance witterte, ihre eigenen Interessen voranzutreiben, verfolgte im Krieg einen gemäßigt defätistischen Kurs, verkörpert durch die „Bankett-Kampagne“ der Semstwos [Selbstverwaltungsein-heiten auf Kreis- und Gouvernementsebene]. Wenn das für euch nicht allzu revolutionär klingt, dann habt ihr Recht. Diese vom Adel geleiteten, größtenteils bäuerlichen Versammlungen forderten bescheiden eine repräsentative Nationalversammlung und größere bürgerliche Freiheiten. Die Methode der Bourgeoisie waren Zusammenkünfte, Bankette und Petitionen, doch diese Entwicklungen waren Symptome für die tiefer liegenden Umwälzungen in der Gesellschaft.

Ein wichtiges Ergebnis der Semstwo-Kampagne von 1904 war, dass sie die reformistischen Impulse der Menschewiki zum Vorschein brachte. Am Vorabend der Revolution schrieben die Menschewiki:

„Wenn man den Schauplatz des Kampfes in Rußland betrachtet, was bekommt man dann zu sehen? Nur zwei Mächte: die zaristische Selbstherrschaft und die liberale Bourgeoisie, die sich organisiert hat und jetzt ungeheuer ins Gewicht fällt. Die Arbeitermasse dagegen ist zersplittert und kann nichts tun. Als selbständige Macht bestehen wir nicht, und darum besteht unsere Aufgabe darin, die zweite Macht Ñ die liberale Bourgeoisie Ñ zu unterstützen, ihr Verhalten zu billigen und sie unter keinen Umständen durch Hervorkehren unserer selbständigen proletarischen Forderungen einzuschüchtern.“ (Zitiert in: Grigori Sinowjew, Geschichte der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki), 1923)

Lenin machte sich lustig über die ängstliche Bourgeoisie, und die Menschewiki warfen ihm und den Bolschewiki vor, die Liberalen einzuschüchtern. Lenin gab zurück, dass die Menschewiki demnach durch den Schatten der eingeschüchterten Liberalen eingeschüchtert wären! Was in der SDAPR als hitziger Streit um zweitrangige Fragen begonnen hatte, spitzte sich zu einem Kampf über die zentrale Rolle der Arbeiterklasse in der Revolution zu. Die Selbstbeschränkung der Menschewiki als Stimmungsmacher für die Liberalen erlaubte eine viel klarere Abgrenzung des Bolschewismus vom Menschewismus, als bis dahin nach der Spaltung von 1903. „Von diesem Moment an, wiederhole ich, begann im Bolschewismus der Prozeß der Konsolidierung. Der bolschewistische Flügel begann, wie ein Schwamm, der das Wasser aufsaugt, die revolutionärsten Elemente der damaligen Sozialdemokratie aufzusaugen, die sich nun endlich von der Richtigkeit seiner Anschauungen überzeugt hatten“ (G. Sinowjew, Geschichte der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki)).

Polizei-„Sozialismus“

Jede Erörterung des 9. Januar, des Beginns der Russischen Revolution von 1905, muss den radikalen russisch-orthodoxen Priester Vater Gapon zur Sprache bringen. Seine Bewegung war ein zweiter erfolgloser von der russischen Geheimpolizei inspirierter Versuch, durch Organisierung der Arbeiter in insgeheim von der Polizei gelenkten Gewerkschaften mit reaktionärem Programm den sozialdemokratischen Einfluss in der Arbeiterbewegung zu untergraben. Dies ergänzte die vom Zarismus bevorzugte Methode des Umgangs mit der Arbeiterklasse, nämlich blutige Unterdrückung jeglichen Versuchs, sich zu organisieren und zu kämpfen. Gapons Bewegung war von direkter staatlicher Kontrolle unabhängiger als ein früherer Versuch von Sergej Subatow, dem Leiter der Moskauer Geheimpolizei, der Arbeitervereine unter polizeilicher Kontrolle einrichtete. Die Methode der Bolschewiki mit dem Subatowismus umzugehen war, den reaktionären Charakter seiner Vereine zu entlarven und sie gleichzeitig zu unterstützen, wenn sie an der Führung von Streiks teilnahmen. Nachdem Subatows Vereine mehrere Streiks geführt hatten, wurde Subatow von seinen Herren davon in Kenntnis gesetzt, dass sein Experiment zu Ende sei. Dennoch hatte er direkten Einfluss auf Vater Gapon.

Gapon gründete seine Versammlung der russischen Fabrik- und Werkstattarbeiter der Stadt St. Petersburg etwa zur gleichen Zeit, wie der Krieg mit Japan begann. Die Mitgliedschaft war offen für russische und andere christliche Untertanen des Reiches. Das Innenministerium genehmigte die Satzung der Organisation. Gleichzeitig versammelte Gapon, um für die Massen attraktiv zu sein, heimlich ehemalige Sozialdemokraten um sich, und sie warteten mit einem geheimen „Programm der Fünf“ auf, das Elemente des Minimalprogramms der Sozialdemokratie enthielt.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1904 gewannen die Ereignisse an Fahrt. Eine von einem Mitglied der Sozialrevolutionären Partei geworfene Bombe tötete den berüchtigt antisemitischen Innenminister Wjatscheslaw Plehwe. Plehwe war ein Ultrareaktionär, der für die Auflösung der Subatow-Vereine verantwortlich war und den konservativen Flügel der Semstwo-Bewegung unterstützte. Er wurde durch einen „gemäßigten“ Zaristen ersetzt. In Verbindung mit der totalen Niederlage bei Port Arthur (die Pazifikflotte ging verloren und 80 Prozent der belagerten Truppen wurden getötet) entstand daraus eine hochbrisante politische Atmosphäre. Gapons Organisation wuchs im Zeitraum von Monaten rasch von ein paar hundert auf mehrere tausend Industriearbeiter an. Dies war beängstigend, insbesondere für die Fabrikbesitzer der Stadt.

Als Vergeltung für den wachsenden Einfluss von Gapons Vereinigung wurde Ende Dezember eine Handvoll ihrer aktiven Mitglieder aus den riesigen Putilow-Metallwerken entlassen. Unter extremem Handlungsdruck hielt Gapon Massenversammlungen darüber ab, wie man zu reagieren habe, und über die Hälfte der Arbeiter der Fabrik schloss sich der Vereinigung an. Angesichts der Unnachgiebigkeit der Betriebsleitung fand sich Gapon an der Spitze eines Streiks wieder, der am 3. Januar begann und dem sich rasch eine große Anzahl von Arbeitern in St. Petersburg anschloss.

Als Versuch, diese Auseinandersetzung durch weniger herausfordernde Methoden zu bereinigen, verfasste Gapon eine Petition, die dem Zaren höchstpersönlich am Sonntag, dem 9. Januar, von den Werktätigen Russlands beim Winterpalais, dem Zentrum autokratischer Macht, untertänigst vorgelegt werden sollte. Der Inhalt der Petition war widersprüchlich, mit vielen unterstützenswerten Forderungen wie dem Acht-Stunden-Tag und der Trennung von Kirche und Staat, gemischt mit vollkommener Unterwürfigkeit gegenüber dem Zaren. Die Ereignisse eskalierten. An diesem Morgen begannen sich weit über 100000 Arbeiter, der Großteil der arbeitenden Bevölkerung der Hauptstadt, in ihrer Sonntagskleidung an verschiedenen Treffpunkten rings um die Innenstadt zu versammeln, um den Marsch auf das im Stadtzentrum gelegene Winterpalais zu beginnen.

Der Blutsonntag

Bevor wir das Schicksal des Marsches betrachten, wollen wir den Charakter der örtlichen bolschewistischen Organisation untersuchen. Diese Untergrundgruppe hatte ungefähr 200–300 Mitglieder, von denen die meisten in den Zwanzigern waren. Ein Mitglied der Kiewer Gruppe gab in seinen Memoiren eine allgemeine Beschreibung der örtlichen Parteiorganisationen in Russland als „meist unreife Jugendliche, hitzköpfig und beherzt, aber nur schwach mit den arbeitenden Massen verbunden und ohne Einfluss in den Fabriken“. Dennoch versuchten sie unablässig trotz erbitterter staatlicher Repression beim Proletariat Gehör zu finden. Ein typischer Werdegang eines studentischen Aktivisten war sechs Monate halböffentliche Arbeit, gefolgt von Gefängnisaufenthalt, Exil und hoffentlich Flucht. Soweit sie Mitglieder in den Fabriken hatten, waren dies oft Lehrlinge, die nicht viel Autorität bei den qualifizierteren Arbeitern besaßen. Wie ein Putilow-Arbeiter es ausdrückte, wurde jungen Arbeitern, die über Politik zu reden versuchten, gesagt, sie sollten „zuerst lernen, einen Hammer zu halten und einen Meißel und ein Messer zu benutzen, und dann könnt ihr damit anfangen, zu argumentieren wie jemand, der anderen etwas beizubringen hat“ (zitiert in: Gerald Dennis Surh, 1905 in St. Petersburg: Labor, Society and Revolution [1905 in St. Petersburg: Arbeiterschaft, Gesellschaft und Revolution], 1989).

Die Sozialdemokraten im Narwa-Distrikt, in dem die riesigen Putilow-Werke lagen, hatten unter insgesamt 30000 Arbeitern ungefähr 40 Unterstützer, organisiert in einer Handvoll Untergrund-Studienzirkel. Die anfängliche Einstellung der Bolschewiki gegenüber Gapon war, ihn korrekterweise als einen fragwürdigen Abenteurer anzuprangern, aber auch das Ausmaß zu unterschätzen, in dem seine Versammlung rasch immer mehr Gehör fand. Lenin führte aus der Ferne einen Kampf, um die Partei dazu zu bringen, in diese Bewegung kämpferisch zu intervenieren.

Versuche, bei Gapons Versammlung zu intervenieren, waren vor der Sonntags-Demonstration schwierig. Ein Bolschewik wurde, sowie er sich als Parteimitglied zu erkennen gab, in seiner Rede von Gapon unterbrochen, der erklärte: „Es ist unerlässlich, dass alle sehen, dass dies keine revolutionäre Bewegung ist, sondern eine friedliche Prozession zum Zaren.“ Er fuhr fort: „Ich habe euch immer respektiert und als ehrenhafte Leute angesehen. Ich verneige mich vor euch. Ich verneige mich tief vor euch: Bringt keine Spannungen in unsere Bewegung. Lasst uns unter einem gemeinsamen Banner des Friedens auf unser geheiligtes Ziel zugehen“ (zitiert in: Walter Sablinsky, The Road to Bloody Sunday [Der Weg zum Blutsonntag], 1976). Gapon verfügte, dass die Sozialdemokraten am Ende der Demonstration marschieren sollten, „um den Kampfgeist der Menge aufrechtzuerhalten“. Diese weiche Zensur wurde mit der harten kombiniert. Bolschewistischen Agitatoren wurde oft das Rederecht auf Treffen der Versammlung verwehrt und manchmal wurden sie verprügelt und ihre Flugblätter zerstört. Auf der Demonstration selbst waren rote Fahnen verboten.

Das bolschewistische Parteikomitee war zu Recht besorgt, dass die Demonstration eine Polizeifalle sein würde. Es wurde beschlossen, Teams mit Flugblättern und Bannern zu den verschiedenen Ausgangspunkten des Marsches zu schicken, aber solange zu warten, bis die Stimmung der Menge freundlich war. Dass an einem dieser Treffpunkte nur ungefähr ein Dutzend Parteiunterstützer erschien, war typisch für das Geschehen in der ganzen Stadt. Der Typ, der das Banner mitbringen sollte, tauchte niemals auf; er war ein Geheimbulle. Die Demonstranten waren nicht sehr empfänglich für kommunistische Propaganda, da sie sich auf den Weg machten voller Illusionen, dass auf Gapons Art Zugeständnisse errungen werden könnten. Rote Fahnen wurden nicht entfaltet, Flugblätter nicht verteilt. Als die Zehntausenden von Arbeitern auf verschiedenen Routen ins Stadtzentrum marschierten, stießen sie auf Truppenansammlungen, die mehrfach aus nächster Nähe Gewehrsalven auf die dicht gedrängte Menge abfeuerten. Über 1000 wurden getötet und fast 4000 verletzt an dem Tag, der als Blutsonntag in die Geschichte eingegangen ist.

Eine Definition von Revolution ist, wenn „die herrschende Klasse nicht mehr herrschen kann wie bisher und die Massen nicht mehr leben wollen wie bisher“. Von dem Augenblick an, als die ersten Schüsse fielen, war der Gaponismus tot. Die Massen wechselten von der Unterwürfigkeit gegenüber dem Zaren zu der Forderung nach seinem Tod. Offenheit für revolutionäre Propaganda nahm schlagartig zu. Am Nachmittag des Blutsonntags wehten rote Fahnen, und man riss sich um die bolschewistischen Flugblätter. Durch explosionsartige Ereignisse kann sich die politische Szenerie in kurzer Zeit sehr dramatisch verändern. In dieser sich ändernden Situation werden alle Programme erwogen und geprüft. Alle Richtungen bekommen ihre Chance. Es waren die Bolschewiki, die das Programm besaßen, das in Übereinstimmung mit den tiefsten Bedürfnissen der Arbeiterklasse den Weg vorwärts wies, und infolge der vom 9. Januar ausgelösten Ereignisse fanden sie wohlwollendes Gehör bei Millionen von Arbeitern, Studenten und Soldaten. Unter diesen waren Zehntausende, die revolutionäre Aktivisten werden wollten und nach einer Partei Ausschau hielten, der sie sich anschließen konnten.

Lenin stand den örtlichen bolschewistischen Führern, den „Komiteeleuten“, die auf neue Ereignisse nur langsam reagierten, ziemlich kritisch gegenüber. Da gibt es seinen berühmten Brief [vom Februar 1905] an die örtlichen Parteiführer Alexander Bogdanow und Sergej Gussew, in dem er im übertragenen Sinne empfiehlt, „jeden einfach an die Wand zu stellen, der zu behaupten wagt, es gäbe keine Menschen“ [d. h. keine Menschen, die man für die Partei rekrutieren könne]. Lenin bekam von den Komiteeleuten eine Menge Widerstand gegen die Erweiterung der Organisation zu spüren. Die Kader der Bolschewiki hatten sich daran gewöhnt, unter den unglaublich schwierigen Bedingungen der Untergrundarbeit zu operieren. Aus der Ferne musste Lenin energisch eingreifen, um die Lage zu wenden. Interessanterweise hatte Lenin einen ähnlichen Kampf zu führen gegen eine Neigung, den Einfluss ihrer linken Widersacher zu unterschätzen.

Nach der Katastrophe vom Blutsonntag erlaubte der Zar die Einrichtung der so genannten Schidlowsky-Kommission. Diese erlaubte den Arbeitern, Vertreter zu wählen, die vor dem Zaren erscheinen und katzbuckeln durften. Dieses Komitee war eine Farce, doch es wird oft angeführt als der Ursprung der Idee von den Sowjets. Wie in den Sowjets war der Repräsentationsschlüssel ein Delegierter auf 500 Arbeiter. Die Wahlen zur Kommission boten eine Öffnung für sozialdemokratische Agitation auf Massenversammlungen. In schwärmerischen Briefen an Lenin prahlte Gussew: „Hurra! Das PK [Parteikomitee] kann stolz sein; sein ganzer Plan, all seine Beschlüsse, seine ganze Taktik, alles ist aufgegangen, selbst die Details – alles ist auf brillante Weise gelungen.“ Lenin schrieb einen sarkastischen Brief zurück, und warnte, „daß Sie trotzdem allzu optimistisch sind, wenn Sie meinen, mit den Petersburger Menschewiki leicht fertig werden zu können“ (siehe: Solomon Schwartz, The Russian Revolution: The Workers’ Movement and the Formation of Bolshevism and Menshevism [Die Russische Revolution: Die Arbeiterbewegung und die Herausbildung von Bolschewismus und Menschewismus], 1967). Tatsächlich sahen viele Arbeiter, die erstmals am politischen Kampf teilnahmen, kaum einen Unterschied zwischen den beiden Fraktionen. Die Komiteeleute schwankten hin und her zwischen dem Hang zu politischer Enthaltsamkeit und der Prahlerei, dass sich politische Hindernisse ohne großen Kampf verflüchtigen würden.

Man muss wissen, dass die Bolschewiki damals von ihren reformistischen Widersachern abschätzig als „Sekte“ bezeichnet wurden. Ebenso werden in vielen geschichtlichen Darstellungen zu 1905, die aus einer dem Aufbau einer Avantgardepartei feindlichen Position heraus geschrieben wurden, Lenins Kämpfe mit den Komiteeleuten angeführt. Zur Ehrenrettung der Komiteeleute muss gesagt werden, dass dies ergebene Revolutionäre waren, organisatorisch kompetent und politisch hart. Sie organisierten Tausende von Arbeitern auf kommunistischer Grundlage. Doch sie machten Fehler, und diese wurden oftmals korrigiert.

Drei Konzeptionen der Russischen Revolution

Womit sich jeder Revolutionär herumschlug, war die Frage des Charakters der Revolution in einem Land mit einer relativ kleinen, aber mächtigen Arbeiterklasse und einer riesigen Bauernschaft. Die menschewistische Position wurde bereits erörtert. Sie war ein Nachlaufen hinter der liberalen Bourgeoisie. Zuerst würde es eine bürgerliche Revolution geben, und dann im weiteren Verlauf, nach einer unbestimmten Zeitspanne, eine Arbeiterrevolution. Dies ist heute als Zwei-Etappen-Theorie der Revolution bekannt, und Stalinisten wie Maoisten haben sich das ihr zugrunde liegende Konzept zu eigen gemacht. Die Realität dieser Theorie, wie die Erfahrung vieler gescheiterter Revolutionen der letzten hundert Jahre zeigt, besteht darin, dass die Arbeiter in der ersten Etappe der Bourgeoisie die Macht überlassen und dass in der zweiten Etappe die Bourgeoisie die Arbeiter im Blut ertränkt.

Die Position der Bolschewiki war eine strenge Zurückweisung dieser Art von Nachtrabpolitik. Ihr Blick war auf die Arbeiterklasse gerichtet, die in gemeinsamem Kampf ein revolutionäres Bündnis mit den Bauern eingehen sollte, um den Zarismus zu stürzen und für demokratische Forderungen zu kämpfen. Gleichzeitig würde die Arbeiterklasse für sozialistische Forderungen kämpfen. Die Frage, welche Rolle die Bauernschaft spielen sollte, war in einem Land, in dem die Arbeiterklasse weniger als zehn Prozent der Bevölkerung ausmachte, eine ungeheuer wichtige Frage. Gegen Ende seines Lebens fasste Trotzki Lenins Position zusammen:

„Die rückständige russische Bourgeoisie ist unfähig, ihre eigene Revolution bis zu Ende durchzuführen! Der vollständige Sieg der Revolution mittels der ,demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft‘ wird alles Mittelalterliche hinwegfegen, der Entwicklung des russischen Kapitalismus einen amerikanischen Rhythmus verleihen, das Proletariat in der Stadt und auf dem Dorf festigen und dem Kampf für den Sozialismus weite Möglichkeiten eröffnen. Andererseits wird der Sieg der russischen Revolution der sozialistischen Revolution im Westen einen starken Impuls verleihen, und letztere wird Rußland nicht nur vor der Gefahr einer Restauration bewahren, sondern darüber hinaus dem russischen Proletariat erlauben, die Machteroberung in einer verhältnismäßig kurzen geschichtlichen Zeitspanne ins Auge zu fassen.“ (Leo Trotzki, Drei Konzeptionen der Russischen Revolution, 1939)

Trotzki betrachtete diese Perspektive als undurchführbar und unvollkommen, da sie die Etappen der Revolution unzutreffend charakterisierte, aber dennoch waren die unmittelbaren operativen Schlussfolgerungen für die allgemeine Richtung des Kampfes richtig und dieselben wie Trotzkis.

Die Beschränktheit von Lenins Theorie wirkte sich 1905 nicht aus, da die Revolution nicht weit genug ging. Doch bei der Erörterung der drei Konzeptionen der Revolution ist es geradezu ausgeschlossen, nicht in Betracht zu ziehen, was später, im Jahre 1917, geschah. Lenin ließ nämlich seine Analyse als überholt fallen und übernahm im Wesentlichen Trotzkis Position. Doch im Jahre 1905 wurde Trotzkis Theorie, die als Theorie der permanenten Revolution bekannt wurde, wie er selbst erklärt, „kaum anerkannt“ (Drei Konzeptionen der Russischen Revolution).

Trotzki wies die Vorstellung einer Zwei-Klassen-Diktatur zurück, wie sie in Lenins Position entworfen wurde und ersann stattdessen die Diktatur des Proletariats, das sich auf die Bauernschaft stützt. Er fasste seine Perspektive der permanenten Revolution folgendermaßen zusammen:

„Der vollständige Sieg der demokratischen Revolution in Rußland ist vorstellbar nur unter der Form der Diktatur des Proletariats, das sich auf die Bauernschaft stützt. Die Diktatur des Proletariats, die unvermeidlich nicht nur demokratische, sondern auch sozialistische Aufgaben auf die Tagesordnung setzt, wird gleichzeitig der internationalen sozialistischen Revolution einen starken Impuls verleihen. Nur der Sieg des Proletariats im Westen wird Rußland vor der bürgerlichen Restauration schützen und ihm die Möglichkeit geben, den sozialistischen Aufbau bis zu Ende durchzuführen“ (Trotzki, Drei Konzeptionen der Russischen Revolution).

Man erinnere sich, dass Lenins grundlegende Abhandlung, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“ im Sommer 1905 geschrieben worden war, bevor die Hauptschlachten des Proletariats stattgefunden hatten. Trotzkis bahnbrechendes Werk „Ergebnisse und Perspektiven“ wurde geschrieben, als die Revolution 1906 abklang, und basierte auf seiner unmittelbaren persönlichen Erfahrung im Zentrum der Ereignisse.

Damals gab Lenins Position den Marschbefehl für die revolutionäre Partei in Russland ab, die Bolschewiki. Er betonte, dass ein Generalstreik für sich genommen nicht ausreiche. Zugleich müsse ein Kampf um die Macht durch bewaffnete Aufstände organisiert werden. Die Avantgardepartei trete nicht nur für die Revolution ein, sondern sorge für Führung. Die Menschewiki verurteilten dies als Abenteurertum und Rebellion und setzten es in Gegensatz zur Bildung von Bewusstsein. Und selbst Rosa Luxemburg, die seit 1905 eng mit Lenin zusammenarbeitete, brauchte lange, um eine Idealisierung der Massenstreiks zu überwinden.

Man denke auch daran, dass, obwohl sich die Aktivitäten der Bolschewiki und der Menschewiki vor Ort manchmal ähnelten, sich ihre Zielsetzungen unterschieden, vor allem bei den weiter oben gelegenen Führungsrängen. Beide versuchten tatkräftig, die Arbeiterklasse in Streiks gegen den zaristischen Staat zu organisieren und zu führen. Dies ist ein Hinweis auf den Drang der einfachen Mitglieder nach Einheit zwischen den Fraktionen, der sich aus den Ereignissen des Jahres ergab. Trotzki war als Vorsitzender des Petersburger Sowjets gewiss ein Wortführer für diese Tendenz zur Einheit; erst 1917 gab er sein Streben nach Einheit der Fraktionen gänzlich auf und schloss sich den Bolschewiki an.

Der St. Petersburger Sowjet

Im Mai 1905 wurde das russische Militär von Japan endgültig geschlagen. Die Baltische Flotte, die um die halbe Welt geschickt worden war, um nach dem Verlust der Pazifikflotte Port Arthur zu retten, kam fünf Monate zu spät. Unterwegs wurde sie in einer eintägigen Seeschlacht in der Tsushimastraße (zwischen Japan und Korea) fast vollständig aufgerieben.

Im Gefolge der Niederlage zu Wasser und zu Lande stimmte der Zar schließlich einer Abgeordnetenversammlung zu, der Duma, die auf der Grundlage eines beschränkten Wahlrechts gewählt werden würde und ihm unverbindlichen Rat geben dürfte. Dies wurde vom größten Teil der Gesellschaft als schlechter Scherz angesehen. Die Bolschewiki riefen zu einem Boykott der Wahlen auf. Anstatt die politische Landschaft, wie beabsichtigt, zu beruhigen, kochte die Wut über.

Im September wurde der von den USA vermittelte Friedensvertrag von Portsmouth unterzeichnet, der den überwältigenden Sieg Japans festschrieb. In diesem Fall war die Niederlage der eigenen herrschenden Klasse im Krieg eine gute Sache für die russische Arbeiterklasse. Im Oktober erschütterte eine revolutionäre Welle den Zarismus in seinen Grundfesten. Die Gründung des Petersburger Sowjets erfolgte nach einer Reihe von Streiks, die in einem Generalstreik der Eisenbahner gipfelte. Trotzki schrieb bewegend über die unglaubliche Einheit der Eisenbahnarbeiter, die ihren Streik nicht nur mit höchster Disziplin begannen, sondern auch beendeten (siehe: Trotzki, 1905, 1922). Jetzt gab es eine revolutionäre repräsentative Körperschaft der Arbeiterklasse in der Hauptstadt des Reiches, den Sowjet, der sich hauptsächlich auf Arbeiter der Kriegsindustrie stützte. Der Zar hatte genug gesehen. Ohne eine substantielle Reform musste er mit einem Umsturz rechnen. Das Oktobermanifest, das eine Verfassung und legislative Befugnisse für die zukünftige Duma bewilligte, wurde herausgegeben.

Im Grunde war dies sehr wenig, doch die liberale Bourgeoisie hatte genug gesehen. Als das Proletariat immer mehr als eine unabhängige Kraft auftrat, schlug sich die liberale Bourgeoisie noch vollständiger auf die Seite der offenen Konterrevolution. Die Menschewiki wurden durch ihre Unterstützung des Oktobermanifestes noch weiter politisch entlarvt.

Die Bewilligung des Oktobermanifests war verbunden mit einem landesweiten, von der Regierung organisierten Angriff auf die jüdische Bevölkerung. Von jeher bedeutet reaktionäre Konterrevolution in Russland Pogrome (d. h. antijüdische Plünderungen und Lynchmorde). Lenin führt die Zahlen von 4000 im Verlauf der Revolution Ermordeten und 10000 Verstümmelten an. Einige Pogrome fanden Ende 1904 während einer Welle des kriegslüsternen Patriotismus statt; die Juden wurden lächerlicherweise der Unterstützung Japans bezichtigt. Interessanterweise dienten 30000 Juden im russischen Militär im Fernen Osten. Doch die große Mehrzahl der Pogrome fand zwischen der Herausgabe des Oktobermanifests und dem Ende des Moskauer Aufstands im Dezember statt (d. h. innerhalb zweier Monate).

Das Schüren von Hass gegen Juden durch die reaktionären „Schwarzhunderter“ war ein bewusster Versuch der Regierung, die Revolution zum Scheitern zu bringen. Ihm widersetzten sich auf heroische Weise jüdische sozialistische Organisationen, Bolschewiki und Menschewiki, die bewaffnete Verteidigungsgruppen aufstellten. Wichtig war, dass Industriearbeiter, insbesondere die vorwiegend russischen Eisenbahnarbeiter, eine herausragende Rolle bei der Verteidigung der Juden spielten. Bezeichnenderweise gab es in Petersburg keine Pogrome, da sich die Arbeiterklasse von Anfang an entschlossen zeigte, die jüdische Bevölkerung mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.

Ein Beispiel dafür, wie sich rückständiges nationalistisches Bewusstsein unter dem Einfluss revolutionärer Ereignisse rasch verändern kann, kann man an der Polenfrage beobachten. Die Revolution beflügelte die Kämpfe der Nationalitäten im zaristischen „Völkergefängnis“, wo weniger als die Hälfte des Reichs russisch war. Der russische Unterdrücker-Nationalismus schürte antipolnischen Chauvinismus, und der Nationalismus der unterdrückten polnischen Nation wiederum war antirussisch. Dies infizierte die Arbeiterklasse. Die Revolution durchkreuzte diesen Zustand. Nach der Kunde von den Ereignissen des Blutsonntags brachen in Warschau und vielen anderen polnischen Städten Generalstreiks aus, geführt von Kommunisten. Polnische Kommunisten unter der Führung von Felix Dserschinski (heroischer späterer Leiter der Tscheka [Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage, zur Verteidigung des frühen sowjetischen Arbeiterstaats gegründet]) machten die große Anzahl russischer Soldaten in Polen mit internationalistischer Propaganda bekannt. Im November, als in Polen das Kriegsrecht verhängt wurde, revanchierten sich die russischen Arbeiter bei ihren Klassenbrüdern, als der Petersburger Sowjet einen Generalstreik zur Verteidigung Polens ausrief! (Siehe: Robert Blobaum, Feliks Dzierzynski and the SDKPiL: A Study of the Origins of Polish Communism [Felix Dserschinski und die SDKPiL: Eine Untersuchung über die Ursprünge des polnischen Kommunismus], 1984).

Die Erfahrung des St. Petersburger Sowjets war ein großartiger Schritt vorwärts für die Revolution. Unter Trotzkis Führung wurde eine Körperschaft geschaffen, die über Generalstreiks hinaus ging und dem Proletariat eine organisatorische Struktur für den Kampf um die Macht bot. Die Haltung des Sowjets war heroisch und revolutionär von Anfang bis Ende, auch bei dem Prozess gegen seine Führer, nachdem er zerschlagen worden war, denn der Prozess wurde als Tribüne für revolutionäre Ideen genutzt.

Die bolschewistischen Komiteeleute hatten Schwierigkeiten, damit umzugehen. Sie waren nicht gegen Sowjets an sich; tatsächlich schufen die Bolschewiki den ersten im Juni. Ihr Problem war, dass sie keinen unterstützen wollten, bei dem sie nicht die Führung hatten. Ähnliche Probleme hatten sie mit Gewerkschaften, die schlagartig erstmals gegründet wurden. Lenin intervenierte dahingehend, dass Führung im Laufe des Kampfes erworben werden müsste, dass aber die Sowjets und Gewerkschaften auf der breitesten Grundlage aufgebaut werden könnten und sollten. Die Komiteeleute sahen die Opportunisten in den Sowjets und hielten sich unkluger Weise abseits, da sie für eine Spaltung mit den Opportunisten waren. Die Taktik gegenüber diesen neuen Phänomenen musste im Kampf herausgearbeitet werden.

Der Moskauer Aufstand

Der Moskauer Aufstand vom 7. bis 19. Dezember war ein Generalstreik, der sich zu einem bewaffneten Aufstand auswuchs. Lenin betrachtete ihn als den Höhepunkt der Revolution, der unglücklicherweise dadurch gekennzeichnet war, dass die Massen eine Führung hatten, die hinter ihnen her hinkte. Das heißt, die Ereignisse bewegten sich einen Schritt schneller voran als die Führung der Arbeiterklasse vor Ort zu gehen bereit war.

Es gibt das Beispiel der Zusammenstöße mit der Polizei bei der Fielder-Akademie, wo Gruppen von Studenten und Arbeitern ständige Treffen abhielten. Im ganzen Land waren die Universitäten Zentren der Organisierung der Arbeiterklasse und politischer Diskussion. Nachdem die Gendarmen überraschend auf bewaffneten Widerstand gestoßen waren, zogen sie sich zurück, beschossen dann die Schule, wobei sie mehrere Studenten niedermachten, und nahmen Massenverhaftungen vor. Es ist eine Sache, eine programmatische Linie für bewaffneten Kampf zu haben, und eine andere, sie angesichts eines feindlichen und organisierten Staates auszuführen. In der ganzen Stadt gab es Scharmützel, Barrikaden wurden errichtet und Kampfeinheiten zogen ins Gefecht. Es gab einen Kampf um die Loyalität der Truppen, wobei Lenin schätzte, dass 5000 regierungstreu waren und 10000 schwankten.

In seiner Bilanz der Ereignisse zitierte Lenin Marx, „der revolutionäre Fortschritt bricht sich Bahn in der Erzeugung einer geschlossenen und mächtigen Konterrevolution, d. h. indem er den Gegner zwingt, sich zu seiner Verteidigung immer extremerer Mittel zu bedienen, und so immer machtvollere Mittel des Angriffs entwickelt“ („Die Lehren des Moskauer Aufstands“, 29. August 1906). Die Massen lernten aus eigener Erfahrung Lenins Argument, dass der Generalstreik nicht genügte. Es ging um die Frage: Wer soll herrschen? Wie sollten sie die Revolution zu Ende bringen? Lenin beharrte sehr nachdrücklich darauf, dass die Revolution eine Kunst ist und koordiniert werden muss, insbesondere durch die Entwicklung von Taktiken einer vom Proletariat unterstützten Guerillakriegsführung.

Um sich klar zu machen, wie ernsthaft die Bolschewiki waren, betrachte man das Beispiel von Leonid Krasin. Er war der politisch höchstrangige bolschewistische Führer in Petersburg und ein ausgesprochener Berufsrevolutionär. Er organisierte unter anderem die Produktion von Granaten auf hohem technischem Niveau (er war ausgebildeter Ingenieur) und trainierte die Kampfeinheiten in ihrem Gebrauch. Er organisierte und leitete technische Hilfs- und Verteidigungstrupps. Einer dieser Trupps war darauf vorbereitet, die Eisenbahnlinie von Petersburg nach Moskau zu sprengen (und so die Entsendung der Truppen zu verhindern, die schließlich den Moskauer Aufstand niederschlugen), doch der Trupp scheiterte mit seiner Mission. Den bolschewistischen Parteikadern war es bitter ernst mit einem bewaffneten Aufstand, doch sie hatten es mit jungen und unerprobten Kräften zu tun (siehe: Timothy O’Connor, The Engineer of Revolution: L.B. Krasin and the Bolsheviks, 1870–1926 [Der Ingenieur der Revolution: L.B. Krasin und die Bolschewiki, 1870–1926], 1992).

Der Moskauer Aufstand wurde nach etwas mehr als einer Woche des Kampfes niedergeschlagen. Streiks legten die Stadt lahm. Kampfeinheiten und Barrikaden wurden mit Truppen und Artillerie angegriffen. Über 1000 wurden getötet, und dem Aufstand folgte eine Verhaftungs- und Hinrichtungswelle.

Internationale Bedeutung der Revolution von 1905

Man muss sich den enormen Einfluss klar machen, den die Ereignisse in Russland international ausübten. Das ist etwas, wovon wir uns als Mitglieder der Internationalen Kommunistischen Liga leiten lassen sollten, wenn wir nationale Sektionen des revolutionären Marxismus rund um die Welt zu festigen und auszubauen versuchen. Wir bauen eine programmatisch harte und disziplinierte Internationale auf, die revolutionäre Führung geben will. Wir wissen, dass in diesem Kampf die Weltwirtschaft alle Nationen organisch verbindet.

Die Genossen haben hoffentlich die Woche damit verbracht, beim „Youth Maintenance Work-In“ dieses Sommers in der Praxis die Auswirkungen der verdummenden Arbeitsteilung zwischen Hand- und Kopfarbeit in der bürgerlichen Gesellschaft zu bekämpfen. Bei linker Politik ist uns heute die Teilung zwischen „direkter Aktion“ und reformistischem Opportunismus geläufig (zum Beispiel Anarchisten kontra Organisationen wie die International Socialist Organisation und die Workers World Party), eine Trennung mehr der Form als dem Inhalt nach. In einer viel kleineren Größenordnung erinnert dies an die politischen Trennlinien unter Hunderttausenden von Militanten der Arbeiterklasse in der Welt von 1905. Die falsche Trennung zwischen Aktion und Theorie wurde verkörpert einerseits durch die Anarchosyndikalisten, die bekannt waren für ihre Befürwortung der direkten Aktion durch „Massenstreik“ und für ihre Ablehnung von „Politik“ (d. h. Programme, Theorien, Parlamentarismus). Andererseits gab es die revolutionäre, aber in zunehmendem Maße konservative, sozialdemokratische Zweite Internationale unter der Führung von August Bebel, Karl Kautsky und Eduard Bernstein von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Sie bewegten sich in Richtung eines reformistischen Programms, das sich immer mehr darauf beschränkte, das Bewusstsein der Arbeiterklasse nach und nach durch Bildung und parlamentarische Aktivität anzuheben.

Bei jeder dieser beiden Tendenzen gab es einen revolutionären Flügel – James P. Cannon, der den Industrial Workers of the World (IWW) beitrat und später half, die amerikanische Kommunistische Partei zu gründen, Alfred Rosmer und Victor Serge, Anarchosyndikalisten, die später zu Kommunisten wurden und Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Führer des revolutionären Flügels der SPD. Sie alle versuchten die antirevolutionären Schlussfolgerungen der jeweiligen Tendenz zu bekämpfen. Die Russische Revolution von 1905 bot die Möglichkeit, die besten Aspekte beider Strömungen auf revolutionäre Weise zu vereinigen.

Rosa Luxemburg begrüßte in ihrem Werk Massenstreik, Partei und Gewerkschaften von 1906 die Entwicklungen in Russland von 1905 als die „geschichtliche Liquidation des Anarchismus“, denn nach Jahren der Verherrlichung des Massenstreiks durch die Anarchisten als höchstem Ziel waren es die Sozialdemokraten in Russland, die ihn tatsächlich geführt hatten. Doch der Haupttenor ihrer Polemik richtete sich gegen den Konservatismus in ihrer eigenen Partei. Sie erklärte, dass Marx’ dynamische Kritik am Abenteurertum des Anarchismus zu einer selbstgefälligen Karikatur des Marxismus gemacht würde: die Ansicht, Sozialismus würde erreicht nur nach einem langsamen, friedlichen Erziehungsprozess der Arbeiter durch eine stetig wachsende Sozialdemokratie. Der konservative sozialdemokratische Widerstand gegen den Generalstreik wurde in dem Paradox zusammengefasst: „Entweder ist das gesamte Proletariat noch nicht im Besitz mächtiger Organisationen und Kassen, dann kann es den Generalstreik nicht durchführen, oder es ist bereits mächtig genug organisiert, dann braucht es den Generalstreik nicht“.

Die Massen in Deutschland waren von den Ereignissen in Russland in hohem Maße berührt, da sie innerhalb eines Jahres erlebten, dass „die Bastion der Reaktion des neunzehnten Jahrhunderts wurde zum Vortrupp der Revolution des zwanzigsten“ (Carl E. Schorske, Die große Spaltung, Die deutsche Sozialdemokratie von 1905 bis 1917, 1981). In Deutschland streikten 1905 genauso viele Arbeiter wie in den vorangegangenen fünf Jahren zusammengenommen. Ein ganzes Jahr lang füllte die russische Revolution täglich die Titelseiten der sozialistischen Zeitungen. Die Tatsache, dass die Arbeiterklasse es wagte, im zaristischen Russland um die Macht zu streiten, war ein schwerer Schlag gegen die „evolutionäre Theorie“ des Sozialismus, deren Einfluss ständig gewachsen war, während in der sozialistischen und Gewerkschaftsbewegung Europas und der USA eine prokapitalistische Schicht von „Arbeiterleutnants“ Fuß gefasst hatte. Gleichzeitig wurde die sozialistische und Gewerkschaftsführung immer mehr zu einer privilegierten Schicht, welche mit materiellen Vergünstigungen zu bestechen sich die imperialistischen Herren leisten konnten. Die Gewerkschaftsbürokratie leitete ihre Privilegien aus ihrer Stellung an der Spitze der Arbeiterbewegung ab und war zunehmend damit zufrieden, im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft zu operieren. In Deutschland wandte sich die Gewerkschaftsführung offen gegen den linken Flügel, als sie verräterischerweise die Streikbewegung das ganze Jahr 1905 über einzudämmen und zu entschärfen versuchte [siehe Schorske].

Luxemburgs Polemiken gegen die konservativen und opportunistischen Elemente in ihrer eigenen Partei waren schonungslos und größtenteils korrekt. Aber der linke Flügel hing, wie alle Flügel der Sozialdemokratie, der Theorie von der „Partei der Gesamtklasse“ an, die besagte, dass die Arbeiterklasse nur eine Partei haben sollte, in der alle politischen Tendenzen repräsentiert sind. In Europa sorgte diese Theorie dafür, dass ein organisatorischer Bruch mit dem Opportunismus innerhalb der Arbeiterbewegung verhindert und schließlich der revolutionäre Flügel dem reformistischen untergeordnet wurde. Das war keine abstrakte Frage. Mit dem Aufschwung des Radikalismus 1905 gewann Luxemburg die SPD formal für ihre Linie der Befürwortung und Durchführung der Taktik des politischen Massenstreiks, doch 1906 erreichte die konservative Gewerkschaftsführung einen faulen „Kompromiss“, der ihr das Recht gab, gegen die Parteilinie ihr Veto einzulegen, wenn sie ihr Betätigungsfeld tangierte.

Luxemburg stellte sich vor, dass die revolutionäre Welle den konservativen Opportunismus hinwegfegen würde, wie ein rasch fließender Fluss einen abgestandenen Teich vom Abschaum befreit. Luxemburgs Überzeugung, dass ein Aufwallen militanten Klassenkampfes naturgemäß die Opportunisten vertreiben würde, erwies sich als ein großer Irrtum. Die Genossen wissen, dass Luxemburg und Liebknecht 1919 ermordet wurden, während des konterrevolutionären Terrors, den eine Regierung unter der Leitung ihrer ehemaligen „Genossen“ entfacht hatte.

Trotz politischer Kritik an ihr ehren wir Luxemburg als eine revolutionäre Internationalistin durch und durch. Sie schrieb in ihrer Massenstreik-Broschüre von 1906, es sei „gänzlich verfehlt, die russische Revolution als ein schönes Schauspiel, als etwas spezifisch ,Russisches‘ von weitem zu betrachten und höchstens das Heldentum der Kämpfer, d. h. die äußeren Akzessorien des Kampfes, zu bewundern. Viel wichtiger ist es, daß die deutschen Arbeiter die russische Revolution als ihre eigene Angelegenheit zu betrachten lernen, nicht bloß im Sinne der internationalen Klassensolidarität mit dem russischen Proletariat, sondern vor allem als ein Kapitel der eigenen sozialen und politischen Geschichte.“

James P. Cannon brachte ein ähnliches Argument in Bezug auf die amerikanischen Arbeiter in seinem Aufsatz über die anarchosyndikalistische IWW, die 1905 inmitten anhaltenden Beifalls für die Russische Revolution gegründet wurde.

In Asien wurde der Einfluss der Revolution auch wahrgenommen, aber auf eine ganz andere Weise. Es gab zwei miteinander zusammenhängende Ereignisse. Einmal die Niederlage, die Russland, eine bedeutende europäische Macht, durch Japan, eine aufstrebende Macht in der imperialistischen Welt, im russisch-japanischen Krieg erlitten hatte. Dies war das erste Mal in der modernen Geschichte, dass ein asiatisches Land ein europäisches Land besiegt hatte. Der russisch-japanische Krieg von 1904/05 war ein interimperialistischer Krieg, bei dem die Arbeiterklasse keine Seite hatte. Doch Lenin, in seinem brennenden Hass auf den Zarismus, unterstützte zu Unrecht den Sieg der japanischen Bourgeoisie über die zaristische Autokratie als den Sieg eines „fortschrittlichen, fortgeschrittenen Asien“ über das „rückständige und reaktionäre Europa“ („Der Fall von Port Arthur“, Januar 1905). Im Lichte des interimperialistischen Weltkriegs betrachtet, der 1914 ausbrach, war Lenins Position von 1905 ein Fehler. Aber 1905 war der kapitalistische Imperialismus ein neues Phänomen, und Lenin war noch nicht zu einem theoretischen Verständnis der imperialistischen Epoche gelangt. So betrachtete er den russisch-japanischen Konflikt durch die Brille der marxistischen Sichtweise des 19. Jahrhunderts, dass progressive nationale Kriege unterstützenswert seien und dass das zaristische Russland die reaktionäre Hauptmacht in Europa sei. Russlands Niederlage zeigte den Massen Asiens, dass die kolonialistischen Länder Europas und die Vereinigten Staaten nicht unbesiegbar waren.

Was aber den Osten wirklich erschütterte war, dass sich mitten in diesem Krieg die Massen Russlands, mit der Arbeiterklasse an der Spitze, erhoben, um ihren eigenen Unterdrücker, das autokratische System des kapitalistischen Russlands, abzuschütteln. Dies lieferte ein internationalistisches Beispiel für die nationalen Kämpfe gegen koloniale Herrschaft. Es ist interessant, China zu betrachten, das heute in der Welt einen so bedeutenden Platz einnimmt. Nordchina gab einen Großteil des Schlachtfeldes für den russisch-japanischen Krieg ab. Russische Truppen besetzten die Mandschurei, und unter diesen Truppen waren am Ende des Krieges, Mitte 1905, schätzungsweise 3500 aktive bolschewistische Unterstützer, die für die Demobilisierung der Truppen agitierten. Chinesische Revolutionäre, die nach der Revolution von russischem Territorium zurückkehrten, spielten eine zentrale Rolle in den Streiks bei der chinesischen Osteisenbahn von 1906/07. Im Jahre 1907 organisierten chinesische und russische Revolutionäre gemeinsame politische Streiks zum Jahrestag des Massakers vom Blutsonntag an russischen Arbeitern durch russische zaristische Truppen.

Ein weiteres Beispiel ist der Iran, wo eine große Anzahl iranischer Immigranten in Südrussland arbeiteten, vor allem konzentriert auf den Ölfeldern Bakus, und wo eine direkte organisatorische Beziehung zur russischen Sozialdemokratie bestand. Als im Dezember 1905 die iranische Revolution ausbrach, stand die Arbeiterklasse mit einem Generalstreik in Teheran an vorderster Front. In Indien und der Türkei markierte das Jahr 1905 ebenfalls einen dramatischen Beginn für die antikoloniale Bewegung.

Generalprobe für 1917

Am Ende wurde die Revolution von 1905 niedergeschlagen. Dass die Bourgeoisie international relativ stabil war, war ein Faktor, der dazu beitrug, dass die Revolution nicht weiter kam. Die Welt befand sich nicht in dem Aufruhr, in dem sie 1917 nach drei Jahren des Weltkriegs sein würde. So gesehen hatte die herrschende Klasse Spielraum, sich zu erholen und durch staatliche Repression zu retten. Ein anderer Faktor war, dass die Proteste in den Städten das Land nicht tief genug durchdrangen, wo die Häufigkeit von Bauernprotesten vielleicht nur 20 Prozent derer des Proletariats betrug. Das heißt, die Illusionen in den Zar, die das St. Petersburger Proletariat vor dem 9. Januar, wenn auch stark erschüttert, hatte, hielten sich auf dem Lande länger. Dies spiegelte sich in der Tatsache wider, dass sich die Armee nicht spaltete und kein Teil von ihr auf die Seite der Revolution überging. Das bedeutet nicht, dass es nicht einige große Risse gegeben habe. Sowohl Lenin als auch Trotzki führten das Beispiel sympathisierender Truppen an, die während des Moskauer Aufstandes die Straße entlang marschierten und die Marseillaise sangen. Auch die Meuterer des Panzerkreuzers Potemkin versuchten im Sommer 1905, sich mit den revolutionären Arbeitern Odessas (der viertgrößten Stadt Russlands) zu vereinigen. Die Polizei konnte das nur verhindern, indem sie 1000 Demonstranten an einem Tag am Hafen niedermetzelte.

Die Autorität der herrschenden Klasse war durch die Revolution in hohem Maße untergraben und die liberale Bourgeoisie war bloßgestellt. Obwohl sie sich redlich Mühe gaben, konnte das Andenken an 1905 nicht ausgelöscht werden. Die Uhr ließ sich nicht zurückdrehen. Das heißt, dass darauf folgende Perioden (die Periode der Reaktion, die Periode des Wiederauflebens der Arbeiterklasse, der Erste Weltkrieg und schließlich die Revolutionen von 1917) sich alle im Schatten der Erfahrungen von 1905 abspielten.

Die Revolution wurde niedergeschlagen, doch die wirkliche Errungenschaft war eine bolschewistische Partei mit Tausenden neuer Mitglieder, die im Kampf zeigten, dass sie es ernst meinten und die bei Abertausenden von Arbeitern Autorität und Unterstützung erlangten. Die Partei hatte eine Führung, die die Lehren verallgemeinern und Irrtümer korrigieren konnte. Eine Partei, die hart genug war, Illusionen bei der Arbeiterklasse zu bekämpfen, dass sich Bolschewiki und Menschewiki einfach vereinigen sollten, dass die programmatischen Unterschiede „doch nicht so ernst seien“, die aber flexibel genug war, 1917 Revolutionäre wie Trotzki aufzunehmen und den Kern seiner korrekten Theorie der permanenten Revolution und seine mehreren Tausend Unterstützer bis 1917 zu integrieren. Die bolschewistische Partei, die die Revolution von 1905 als Propagandagruppe aus 1000 bis 2000 Mitgliedern begonnen hatte, war am Schluss eine kleine Massenpartei. Im Jahre 1907, bevor der Ausbruch der Reaktion die Reihen der Partei dezimierte, hatten die Bolschewiki etwa 45000 Mitglieder. Und dank ihrer vorhergehenden Erfahrung hatte die Partei und die Klasse beim nächsten Mal eine weit bessere Chance auf Klarheit und Erfolg. Wenn wir wirklich von 1905 lernen, dann lässt uns das einen flüchtigen Blick auf das werfen, was uns als kleiner Propagandagruppe bevorsteht, wollen wir wirklich unserem Slogan gerecht werden: „Wir sind die Partei der Russischen Revolution!“

Ich hoffe dieser Vortrag liefert einen Rahmen, um weitere Studien anzuregen. Hundert Jahre später sieht die Weltrealität nicht schön aus. Die Ansicht, dass Erfahrungen der Vergangenheit für eine „neue Weltrealität“ belanglos seien, ist leider vorherrschend, vor allem bei der Linken. Dies ist ein Aspekt der Übernahme des von der bürgerlichen öffentlichen Meinung verbreiteten Mythos vom „Tod des Kommunismus“. Wir sind vollkommen davon überzeugt, dass diese Leute den Weg der Menschewiki gehen werden, wenn sie mit revolutionären Situationen konfrontiert werden, in denen ihr Programm entlarvt wird (von uns), weil es keine revolutionären Antworten auf brennende Fragen hat. In unserem Kampf werden wir von Lenin geleitet, der am fünften Jahrestag von 1905 bemerkte, „daß nur harte Kämpfe und namentlich Bürgerkriege die Menschheit von dem Joche des Kapitals zu befreien vermögen, andererseits, daß nur die klassenbewußten Proletarier als Führer der großen Mehrheit der Ausgebeuteten auftreten können und auftreten werden“. Lang lebe das Andenken der Revolution von 1905!

 

Spartakist Nr. 166

Spartakist Nr. 166

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