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Spartakist Nummer 159

Sommer 2005

Für Klassenkampf gegen Sozialraub

PDS/WASG-Linkspartei keine Alternative zur SPD

Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!

Das imperialistische EU-Bündnis ist in einer tiefen Krise. Das Referendum zur EU-Verfassung ging in Frankreich und den Niederlanden verloren, weil weite Teile der Arbeiterklasse die EU zunehmend mit der Demontage ihrer sozialen Errungenschaften identifizieren, deshalb dagegen stimmten und so ihren Regierungen herbe Niederlagen bereiteten. Selbst in Luxemburg stimmte in den Arbeiterbezirken die Mehrheit gegen die EU-Verfassung. Viele der europäischen Bourgeoisien reagierten verstört auf diese Serie von Absagen an die EU. Konnten sich Schröder und Chirac vor kurzem noch wegen ihrer Opposition zum Irakkrieg in Popularität sonnen, so ist auch das jetzt vorbei. Wir betonten immer, dass ihre Opposition zu Bush nichts mit der berechtigten Ablehnung des Kriegs seitens der Arbeiterklasse zu tun hatte, sondern dass Schröders und Chiracs Opposition einfach ein Ausdruck konkurrierender imperialistischer Nationalinteressen war und sie der Arbeiterklasse und kolonial unterdrückten Völkern nicht weniger feindlich gegenüberstehen als Bush oder Blair, und warnten vor den Balkanschlächtern Fischer und Schröder.

Schröders „Referendum“ war die Wahl in Nordrhein-Westfalen. Nach sieben Jahren Angriffen der SPD/Grünen-Bundesregierung auf die Arbeiterklasse, den Hartz-Gesetzen und der Agenda 2010, den Kriegseinsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan, laufen der SPD die Mitglieder und Wähler in der Arbeiterklasse weg. Dies versucht Schröder durch die Neuwahlen zu stoppen. Wir warnten schon bei den Wahlen 1998: „SPD/PDS: Rassistische Abschieber und imperialistische Kriegshetzer!“ und forderten: „Keine Stimme für SPD, PDS!“ (Spartakist Nr. 133, Herbst 1998). Und natürlich waren wir auch gegen eine Stimme für die bürgerlichen Grünen. Was die Risse in der SPD verursacht, liegt begründet in ihrem Charakter als einer Partei, deren Programm bürgerlich und deren Führung pro-kapitalistisch ist, die aber zugleich ihre Basis in der Arbeiterklasse hat, was sich in den sehr engen Beziehungen zu den Massenorganisationen der Arbeiterklasse, den Gewerkschaften, ausdrückt. Sie ist eine bürgerliche Arbeiterpartei, wie Lenin, der Führer der ersten erfolgreichen Arbeiterrevolution, der russischen Oktoberrevolution von 1917, erklärte. Dass Sozialdemokraten die dreckigen Geschäfte der Bourgeoisie erledigen, ist nichts Neues. Bereits 1932 schrieb Trotzki in Was nun? Schicksalfragen des deutschen Proletariats:

„Die Sozialdemokratie unterstützte den Krieg im Namen künftiger Prosperität. Statt Prosperität kam Verfall. Jetzt bestand die Aufgabe nicht mehr darin, aus der Unzulänglichkeit des Kapitalismus die Notwendigkeit der Revolution zu folgern, auch nicht darin, durch Reformen die Arbeiter mit dem Kapitalismus auszusöhnen. Die neue Politik der Sozialdemokratie bestand darin, die bürgerliche Gesellschaft um den Preis des Verzichts auf Reformen zu retten.

Aber auch das war nicht die letzte Stufe der Entartung. Die gegenwärtige Krise des sterbenden Kapitalismus zwang die Sozialdemokratie, auf die Früchte des langen wirtschaftlichen und politischen Kampfes zu verzichten und die deutschen Arbeiter auf das Lebensniveau ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter hinabzuführen.“

In seinem höchsten und letzten Stadium – dem Stadium des Imperialismus – gerät das kapitalistische Profitsystem zunehmend in Konflikt mit selbst den grundlegendsten Interessen des Proletariats. In einem System, das auf der Jagd der Kapitalisten nach immer mehr Profiten basiert, ist keine Errungenschaft der Arbeiter dauerhaft sicher. Wer den Rahmen des Kapitalismus akzeptiert, kann nicht erfolgreich und dauerhaft die Interessen der Arbeiterklasse durchsetzen – dies erfordert eine revolutionäre Perspektive, das kapitalistische System durch sozialistische Revolution zu stürzen. Dafür brauchen wir eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei, die revolutionäres Bewusstsein in die Arbeiterklasse trägt. Die endgültige Zerstörung des ersten Arbeiterstaates der Welt, der Sowjetunion, hat ein ideologisches Klima hervorgebracht, das durch den weit verbreiteten Glauben an den „Tod des Kommunismus“ beherrscht wird und in dem das proletarische Bewusstsein zurückgeworfen worden ist. Dies hat die Notwendigkeit einer revolutionären Partei erhöht, den Kampf zu führen, der Arbeiterklasse das Bewusstsein über ihre historische Aufgabe zu vermitteln, den Kapitalismus zu stürzen. Diejenigen, die versuchen die SPD oder andere sozialdemokratische Formationen wie die WASG/PDS/Linkspartei, die grundlegend dem Kapitalismus verpflichtet sind, zum „Kämpfen“ zu bringen, sind ein Hindernis für den Kampf, eine Partei zu schmieden, die die Illusionen in Reformismus zerstört und die Arbeiterklasse von der Sozialdemokratie bricht.

Seit der Konterrevolution 1991/92 stehen die Kapitalisten nicht mehr in Konkurrenz zur geplanten Wirtschaft des degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion und der deformierten Arbeiterstaaten in Osteuropa und deren sozialen Errungenschaften, wie Arbeit für alle, Kindergärten, kostenlose Gesundheitsversorgung, keine Obdachlosigkeit usw. Die Zerstörung der DDR 1990, gegen die wir Spartakisten bis zuletzt kämpften, führte zur Demontage der ostdeutschen Industrie, wodurch die Massenarbeitslosigkeit um Millionen zunahm. Der „Sozialstaat“ ist heute in den Augen der Kapitalisten nichts als überflüssige Lohnnebenkosten. Er war ein System sozialer Zugeständnisse, das helfen sollte, die Arbeiterklasse im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion ruhig zu stellen. Deshalb wurde er von den Kapitalisten, der SPD und der CDU getragen. Osteuropa und die Länder der ehemaligen Sowjetunion sind heute für die kapitalistische Ausbeutung geöffnet und stellen ein Reservoir billiger Arbeitskräfte. Die Bosse brauchen oft nur mit der Verlagerung von Fabriken zu drohen, um von den Gewerkschaften massive Zugeständnisse zu bekommen, wie Arbeitszeitverlängerungen, Lohnkürzungen und Niedriglöhne bei Neueinstellungen. Die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung akzeptiert dies, weil sie die nationalistische Logik vom „Standort Deutschland“ teilt und glaubt, dass die „guten alten Zeiten“ von Vollbeschäftigung und „Sozialstaat“ wiederkehren würden, wenn die hocheffiziente deutsche Industrie nur wieder „konkurrenzfähig“ sei. Das ist blanker Unsinn. Kürzungen kampflos zu akzeptieren heißt nur, dass die Löhne und Arbeitszeiten sich immer weiter verschlechtern werden. Die Arbeiter haben diese Fabriken aufgebaut, sie haben den Profit der Bosse erwirtschaftet. Die Fabriken sollen ihnen gehören.

Arbeiterkämpfe gegen SPD/Grünen-Regierung und PDS

An Versuchen der Arbeiterklasse, sich gegen die Angriffe der Bosse und der Regierung zu wehren, hat es wahrlich nicht gefehlt. Die Demonstration von Hunderttausend Arbeitern am 1. November 2003, die von linken Gruppen und Gewerkschaftern gegen den expliziten Widerstand der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen organisiert wurde, ist davon ebenso ein Zeugnis wie der Versuch der ostdeutschen Metaller, die 35-Stunden-Woche durchzusetzen, was von dem damaligen IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel offen sabotiert wurde. Sobald der Streik Auswirkungen auf die Produktion im Westen zu haben drohte, also effektiv Wirkungen zu zeigen begann, sahen Zwickel & Co. die Klassenzusammenarbeit gefährdet, d. h. das nationalistische Konzept vom „Standort Deutschland“, und sie verkauften den Streik aus. Seit dieser von Teilen der Gewerkschaftsbürokratie gewollten Niederlage fühlen sich die Kapitalisten im Aufwind und greifen jetzt die Arbeiterklasse an vielen Fronten an. Und die SPD/Grünen-Regierung tat das Ihre dazu. Den Protest am 3. April 2004 gegen die Agenda 2010 hat die Gewerkschaftsbürokratie übernommen, um anschliessend zu versuchen, weitere Proteste zu ersticken. Doch letzten Sommer kamen diese in Form der Montagsdemonstrationen insbesondere in Ostdeutschland zurück, als die Auswirkungen der Hartz-Gesetze deutlich wurden. Den Weg vorwärts zeigte der militante Streik gegen die angedrohten Entlassungen bei Opel in Bochum, der gegen den Willen der Gewerkschaftsführung geführt wurde, die alles Mögliche tat, um den Streik zu sabotieren, dafür sorgte, dass er auf Bochum beschränkt blieb, und ihn nach neun Tagen ausverkaufte. Dieser Kampf hatte das Potenzial, nicht nur in Deutschland zu einem Flächenbrand zu werden, sondern auch in Britannien, Schweden und Polen unter den dortigen Opel/GM-Arbeitern Resonanz zu finden. Hier zeigte sich die potenzielle soziale Macht der Arbeiterklasse.

Aus diesen Kämpfen gegen die Kapitalisten und ihre SPD/Grünen-Regierung entstand die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit, um diesem Protest ein parlamentarisches Ventil zu geben und ihn dahingehend zu kanalisieren, dass man Druck auf die SPD ausübt, doch bitte sozialer zu sein. WASG, PDS und Lafontaine versuchen alles in parlamentarische Bahnen zu lenken und behaupten, allein durch ihre Präsenz im Bundestag „werden die etliche Sozialabbau-Maßnahmen nicht mehr wagen“ (Frankfurter Rundschau, 5. Juli). Unsinn! Wenn das so wäre, warum hat es dann die PDS nicht verhindert in den ersten vier Jahren der SPD/Grünen-Regierung und warum ist Lafontaine nicht im Bundestag geblieben? Die Regierung ist das Vollzugsorgan der herrschenden Klasse, deren Interessen das Regierungsprogramm bestimmen. Um den Kapitalisten Einhalt zu gebieten, muss die Arbeiterklasse in ihrem eigenen Interesse mobilisiert werden, Klasse gegen Klasse. Das heißt Arbeiter in den Betrieben auch zu politischen Streiks gegen die Regierung zu mobilisieren. Ein entschiedener Kampf der Gewerkschaften, basierend auf Streiks in den Betrieben, hätte die Hartz-Reformen und die Agenda 2010 tatsächlich für einige Zeit stoppen können, wie es der Kampf der IG Metall gegen Kohl über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1996 geschafft hat. Solche Kämpfe hätten auch das Selbstbewusstsein der Arbeiterklasse gehoben und ihr die eigene soziale Macht gezeigt. Diese Perspektive ist entgegengesetzt zu den parlamentarischen Manövern der WASG, Lafontaines und Co., wofür diese die unzufriedenen Arbeiter gewinnen wollen. In den Gewerkschaften ist entscheidend jedoch der politische Kampf gegen die sozialdemokratischen Ausverkäufer in den Gewerkschaftsführungen, egal ob diese in SPD, PDS oder WASG organisiert sind! Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung! Dazu braucht es eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei.

Revolutionärer Internationalismus kontra reformistischer Nationalismus

Die WASG ist ein Sammelsurium von Gewerkschaftsbürokraten, dem DGB verbundenen Intellektuellen, immigrierten gewerkschaftlichen Vertrauensleuten und Betriebsräten sowie diversen linken Gruppen, das sich als eine „Sozialstaatspartei“ und Alternative zur SPD darzustellen versucht. Das erklärte Ziel ist, die SPD auf ihren Kurs von 1998 zurückzubringen und auf parlamentarischer Ebene Druck auf die SPD zu machen, damit diese ihren Kurs ändere. Seit der SPD-Niederlage bei der NRW-Wahl hat sich die WASG den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine mit ins Boot geholt, um genau dieses parlamentarische Manöver durchzuführen. Die Funktion der WASG ist, einen wirklichen Bruch enttäuschter Arbeiter mit sozialdemokratischer Klassenzusammenarbeit zu verhindern und alle Wut zurück in die Sackgasse des reformistischen Parlamentarismus zu kanalisieren.

Das wirft die Frage auf, wie die Arbeiterklasse ihre Errungenschaften verteidigen und ausweiten kann. Ganz grundsätzlich werden Reformen im Kapitalismus immer wieder in Frage gestellt werden, da es im Kapitalismus darum geht, Profit zu erwirtschaften. Dies führt zwangsläufig zur Verschärfung der Ausbeutung und zu Kriegen um Absatzmärkte und Rohstoffe. Wie irrational dieses Profitsystem ist, zeigt sich allein schon daran, dass das hoch industrialisierte Deutschland eine offizielle Arbeitslosenquote von mehr als 10 Prozent hat, während die Arbeitszeit verlängert und das Rentenalter erhöht werden soll. Als proletarische Internationalisten treten wir für die Interessen der Arbeiter in Deutschland und überall sonst auf der Welt ein. Wie Karl Marx bereits im Kommunistischen Manifest 1848 schrieb: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Gegen die Massenarbeitslosigkeit ist ein Kampf notwendig für eine gleitende Skala von Löhnen und Arbeitszeit! Für die Verteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich! Gegen das Gegeneinander-Ausspielen von Jungen und Alten, Frauen und Männern muss für gleichen Lohn für gleiche Arbeit gekämpft werden. Die machtvolleren Produktionsarbeiter müssen für die schwächeren Teile von Belegschaften, wie das Küchen- oder Reinigungspersonal, einstehen und gegen Outsourcing einen gemeinsamen Kampf führen. Insbesondere aber ist es unabdingbar, der Spaltung der Arbeiterklasse entlang nationaler und ethnischer Linien einen Riegel vorzuschieben durch einen Kampf für volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben, und für die effektive Durchsetzung gleicher Rechte für nationale und ethnische Minderheiten. Immigrierte Arbeiter sind ein strategischer Bestandteil der organisierten Arbeiterklasse und stellen eine Brücke zu den Klassenkämpfen in den Ländern dar, aus denen sie kommen. Die nach wie vor machtvollen Gewerkschaften in Deutschland müssen ihre Solidarität mit ihren Klassenbrüdern in Polen und Osteuropa bei deren Kämpfen zeigen. Insbesondere müssen sie den Arbeitern, die von deutschen Firmen in diesen Ländern ausgebeutet werden, dabei helfen, Gewerkschaften aufzubauen und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Ein solcher Kampf ist im Interesse aller Arbeiter. Wenn der Kapitalismus so bankrott ist, dass er die grundlegenden Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung wie Arbeit für Alle und eine menschenwürdige Existenz nicht befriedigen kann, so hat er es verdient, gestürzt zu werden. Notwendig ist die Errichtung einer Planwirtschaft, die für die Bedürfnisse aller und nicht für den Profit einer winzigen Minderheit produziert.

Wenn man nicht auf einem revolutionären internationalistischen Programm steht, sondern den Rahmen der gegebenen kapitalistischen Gesellschaft akzeptiert, dann muss man sich zwangsläufig mit Arbeitslosigkeit, niedrigen Löhnen, rassistischen Angriffen und so weiter arrangieren. Das tun WASG, PDS und die entstehende Linkspartei, und sie wollen Arzt am Krankenbett des Kapitalismus sein, sprechen davon, den „Sozialstaat“ erhalten zu wollen, der für viele, beispielsweise Immigranten, ohnehin nie so sozial gewesen ist. Die „sozialistische“ PDS im Berliner SPD/PDS-Senat steht in der ersten Reihe der Angreifer auf die Arbeiterklasse, um drastisch mehr Profit herauszuschlagen und die Stadt auf Kosten der Arbeiter und Immigranten zu sanieren. Bereits im Februar 2002 forderten wir: „Dieses Programm des sozialen Kahlschlags und verschärfter Arbeitslosigkeit muss durch Klassenkampf gegen diese kapitalistische SPD/PDS-Regierung verhindert werden.“ Die Kahlschlagpolitik des SPD/PDS-Senats lässt viele WASG-Mitglieder aus gutem Grund sehr skeptisch auf die PDS reagieren. So fordern viele den Austritt der PDS aus den Landesregierungen, bevor sie sich mit ihr vereinigen.

Nur was ist das Programm der WASG und ihres Frontmanns Oskar Lafontaine? Die WASG beschreibt sich selbst als Sozialstaatspartei, und ihre ganze Strategie ist es, Druck auf die SPD auszuüben, damit die ihren Kurs ändert. Dies wurde durch Klaus Ernsts Kommentar nach der NRW-Wahl unterstrichen, dass es nicht das Ziel der WASG gewesen sei, die SPD/Grünen-Regierung zu stürzen. Also die Logik des kleineren Übels.

Lafontaines Linkspartei – Neuaufguss der SPD

Lafontaine gibt sich als ein Vertreter der „kleinen Leute“. So argumentiert er: „Nur eine gerechte Entlohnung der Arbeit führt zu Wachstum und Beschäftigung“ (Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft), und tritt für eine stärkere Besteuerung der Reichen und die Besteuerung von Spekulationsgewinnen ein. Viel Kredit hat er in der Arbeiterklasse dadurch gewonnen, dass er 1999 den Balkankrieg der SPD/Grünen-Regierung ablehnte. Insgesamt aber ist es ein Abklatsch der alten SPD, bevor diese mit Schröder und Lafontaine auf der Regierungsbank Platz nahm. Lafontaine ist aber auch berüchtigt für seine gewerkschaftsfeindlichen und rassistischen Positionen, die sich aus seinem Programm von ökonomischem Nationalismus und Protektionismus ergeben, um Arbeitsplätze für Hiesige auf Kosten von Ausländern zu schaffen bzw. zu erhalten. Bei seinem ersten Auftritt für die WASG am 14. Juni in Chemnitz hetzte Lafontaine gegen Immigranten: „Der Staat ist verpflichtet, seine Bürger zu schützen, wenn ihnen Fremdarbeiter die Arbeitsplätze wegnehmen“ („Lafontaine auf Platz 1 in NRW“, sozialismus.info, 20. Juni). In den frühen 90er-Jahren griff er die Gewerkschaften an und forderte damals schon die Flexibilisierungen, die Schröder dann durchsetzte. Als saarländischer Ministerpräsident war er verantwortlich für das Schüren von Pogromstimmung gegen Roma und Sinti, und er war eine zentrale Figur in der SPD, als die 1992 die faktische Abschaffung des Asylrechts betrieb. In der Bild-Zeitung klatschte er Beifall für die Pläne von SPD-Innenminister Schily, Internierungslager für Flüchtlinge in Nordafrika zu errichten, so dass diese es gar nicht erst bis hierher schaffen.

Verlogene Hetze wie diese wird benutzt, um deutsche Arbeiter und Arbeitslose gegen ihre immigrierten Kollegen aufzuhetzen und von dem für die Massenarbeitslosigkeit wirklich Verantwortlichen, das kapitalistische Profitsystem, abzulenken. Lafontaine appelliert sehr bewusst an rassistische und nationalistische Rückständigkeit und versucht diese in Wählerstimmen zu verwandeln. Die Kritik aus der WASG und von dem Bündnispartner PDS an Lafontaine war anfangs verhalten, wurde aber inzwischen so massiv, dass dieser sich inzwischen gezwungen sah, zumindest Teile zurückzunehmen. Die Sozialistische Alternative Voran (SAV), die in der WASG liquidiert ist, berichtet darüber, dass Lafontaine bei dem NRW-Parteitag der WASG am 18./19. Juni in Köln seine Rede verstanden wissen wollte „als Verteidigung der Beschäftigten in Deutschland, ,nicht nur von deutschen Arbeitnehmern sondern auch von Türken, Italienern‘ und anderen, die seit Jahrzehnten hier lebten und Steuern zahlten… ,Lohndrücker sind nicht die Leute, die hier rein kommen, sondern die Leute hier, die davon profitieren‘.“

Während dies eine Abschwächung der Chemnitz-Rede darstellt, ist es aber dennoch von nationalistischem Protektionismus geprägt und richtet sich gar nicht sonderlich verdeckt gegen die osteuropäischen Arbeiter, die eben noch nicht zwanzig Jahre lang hier Steuern gezahlt haben. Lafontaines Programm gegen Massenarbeitslosigkeit ist es, die Grenzen dicht zu machen und von deutschen Firmen zu verlangen, dass sie gute Jobs „zu Hause“ schaffen sollen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass man einer Politik das Wort redet, bei der ein Teil der Arbeiterklasse gegen einen anderen gehetzt wird. Lafontaine rechtfertigte seine Chemnitz-Rede damit, dass er „das Thema Schutz vor Billiglohnkonkurrenz nicht der NPD überlassen“ (FAZ online, 29. Juni) wolle. Wer aber nicht eindeutig Partei ergreift für die Rechte osteuropäischer Arbeiter, der hilft dabei, die Arbeiterbewegung rassistisch zu spalten und so den Nazis den Weg zu bereiten.

Bei einer von der PDS organisierten Veranstaltung in Berlin am 4. Juli stellte der Berliner IG-BAU-Vorsitzende Lothar Näthebusch die Arbeit der IG BAU gegenüber ausländischen Bauarbeitern dar, richtete sich implizit gegen Lafontaines Politik und zeigte auch, wie widersprüchlich die WASG/PDS ist. Laut Näthebusch gehen sie auf die Baustellen und klären die entrechteten Arbeiter über ihre Rechte auf und unterstützen die Arbeiter, diese durchzusetzen. So hat die IG BAU für diese Arbeiter einen Wanderarbeiterverband aufgebaut. Das sind zwar Schritte in die richtige Richtung, wie auch der Streik der Berliner Bauarbeiter 2002, als aufgrund der Arbeit der IG BAU ausländische Arbeiter sich in Solidarität dem Streik anschlossen. Tatsächlich steht diese Politik in starkem Kontrast zu IG-BAU-Demos Mitte der 90er-Jahre, auf denen Republikaner-Nazis Flugblätter verteilen konnten und immigrierte und/oder ausländische Arbeiter physisch angegriffen wurden. Auf nationaler Ebene führt die IG BAU heute die Kampagne „Ohne Regeln geht es nicht“. Hier wird nach neuen Gesetzen gegen Schwarzarbeit gerufen, die dann von Polizei, Arbeitsämtern und Zoll umgesetzt werden, was zwangsläufig bei Razzien zu staatlichen Hetzjagden auf ausländische Arbeiter führt und anschließend zu deren Abschiebung. Das Vertrauen in den bürgerlichen Staat schwächt die Gewerkschaften und ist entgegengesetzt dazu, die Arbeiter in ihrem eigenen Interesse zu mobilisieren.

SPD und Grüne und die mit ihnen verbundene bürgerliche Presse griffen die Chemnitz-Rede von Lafontaine und dessen Wortwahl „Fremdarbeiter“ mit Vergnügen auf, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Das ist aber reine Heuchelei. Insbesondere kritisiert keiner von ihnen, dass Lafontaine gegen immigrierte Arbeiter hetzt. Tatsächlich hat die SPD/Grünen-Regierung, die im Jahr 2000 Erleichterungen für Einbürgerungen einführte, die Grenzen für Immigranten dichter als je zuvor gemacht. Die „Ausländergesetze“ wurden verschärft; unter dem Deckmantel des „Kampfs gegen den Terrorismus“ wurde die Rasterfahndung durchgeführt und wurden Gesetze verabschiedet, die sich gegen die Arbeiterklasse insgesamt richten; hinzu kamen Kopftuchverbote; Abschiebungen am laufenden Band und eine Repression gegen Immigranten muslimischen Hintergrunds oder arabischer Abstammung in nie gesehenem Ausmaß. Eines der staatlichen Mittel sind die Massenrazzien gegen Moscheen, die einschüchtern und isolieren sollen. Und hier treffen sich der bürgerliche Staat und die „demokratischen“ Parteien wieder mit den Nazis, die auch gegen das Kopftuch und generell gegen Muslime hetzen. Weg mit dem rassistischen Kopftuchverbot! Stoppt die Abschiebungen durch Gewerkschaftsaktionen! Weg mit den Anti-Terror-Gesetzen! Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!

Der EU-Beitritt der Türkei

Merkel/Koch (CDU) und Stoiber (CSU) wollen wieder, wie 2000 mit der Unterschriftskampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, den rechten Rand mobilisieren in einer rassistischen antimuslimischen und antitürkischen Kampagne. Sie bekommen Unterstützung vom junge-Welt-Redakteur Jürgen Elsässer, einem früheren Chefideologen der „antinationalen/antideutschen“ Nationalisten und Proimperialisten. Elsässer gibt vor, die Interessen polnischer und osteuropäischer Arbeiter zu vertreten, und schlägt vor: „Eine Unterschriftensammlung für ein Referendum über die EU-Verfassung, über die Osterweiterung und über den Türkei-Beitritt – damit könnte die bunte Truppe von Lafontaine und Gysi nicht nur die zehn Prozent-Marke knacken, da wäre noch mehr drin!“ (junge Welt, 18. Juni). Das ist nichts weiter als der Versuch, auf antitürkischem Rassismus zu reiten.

Lafontaine will die Stimmung gegen die EU ausnutzen, die sich in der Ablehnung der Referenden in Frankreich und Holland ausdrückte. Neben der Ablehnung aus chauvinistischen Motiven wurden die meisten Stimmen gegen die EU-Verfassung deshalb abgegeben, weil die imperialistische EU mit den Angriffen auf die Sozialsysteme und mit der „neoliberalen“ Politik identifiziert wird. Lafontaine wendet sich gegen den EU-Beitritt der Türkei, stellt aber nirgendwo die EU als solche in Frage, die ein Bündnis der kapitalistischen Herrscher verschiedener imperialistischer sowie ökonomisch rückständiger Länder gegen die europäische Arbeiterklasse ist. Tatsächlich ist er ein Befürworter speziell des Bündnisses mit Frankreich und argumentierte wiederholt dafür, dieses Kerneuropa zu vertiefen, um ein stärkeres imperialistisches Gegengewicht zu den USA zu schaffen.

Viele Arbeiter türkischer Herkunft versprechen sich eine Erleichterung ihrer Lebenssituation, wenn die Türkei in der EU wäre. Verwandte könnten einfacher zu Besuch kommen oder man könnte wieder leichter nach Deutschland einwandern. Aber als ein Ergebnis der kapitalistischen Konterrevolution hat die deutsche Bourgeoisie heute wieder ein riesiges Reservoir von Facharbeitern in Osteuropa zur Verfügung und versucht, ungelernte Arbeit in die Länder zu verlagern, wo die Profitrate wesentlich höher ist. Und so sind türkische und kurdische Immigranten doppelt so hoch von Arbeitslosigkeit betroffen. Besonders Jugendliche der zweiten und dritten Generation werden von der herrschenden Klasse mit rassistischer Verachtung bedacht und als Zündstoff für soziale Explosionen gefürchtet. Dennoch ist ein wichtiger Teil von Immigranten türkischen oder kurdischen Hintergrunds in den unteren Schichten der Arbeiterklasse in der Schwerindustrie konzentriert und bildet einen strategischen Bestandteil der deutschen Arbeiterklasse. Bei den Streiks in der Metallindustrie 2002 waren die Streikpostenketten integriert, und türkische und kurdische IG-Metaller standen in vorderster Reihe, um die Betriebe dicht zu machen.

Kurdische Arbeiter und Bauern erwarten sich von der EU-Mitgliedschaft das Ende ihrer nationalen Unterdrückung. Die EU wird aber nicht der Bildung eines kurdischen Staates zustimmen, weil dies die Destabilisierung der Türkei, Irans, Iraks und Syriens bedeuten würde. Auch werden in der EU selber nationale Minderheiten unterdrückt, man braucht sich nur die Basken in Spanien und Frankreich anzusehen, die irischen Katholiken in Nordirland oder die Albaner, Türken, Roma, Makedonier in Griechenland, um nur ein paar Beispiele nationaler Unterdrückung in der EU aufzuzählen. Wie wir bereits im Spartakist (Nr. 157, Winter 2004/2005) schrieben:

„Wir sind kompromisslos gegen die chauvinistische antitürkische Kampagne. Gleichzeitig sind wir unversöhnliche Gegner der imperialistischen EU und jeder ihrer Ausweitungen. Dies würde nur die imperialistische Ausbeutung der türkischen Bevölkerung erleichtern, wozu auch die brutalen Kürzungsmaßnahmen gehören, die für Kandidaten erforderlich sind. Wie das rassistische Arbeitsverbot gegen die neuen EU-Mitglieder unterstreicht und die Kampagnen zur Unterdrückung von PKK und linken türkischen Organisationen in EU-Ländern zeigen, sind die EU-Imperialisten Feinde der Arbeiterklasse sowie der Kurden und anderer unterdrückter nationaler Minderheiten.“

Arbeiter in Deutschland müssen den Arbeitern in Osteuropa und der Türkei helfen im Kampf für ordentliche Löhne und Arbeitsbedingungen und gegen die Auswirkungen der Konterrevolution in Osteuropa. Dafür ist eine revolutionäre Partei notwendig, die auf einem Programm von internationalistischem Klassenkampf basiert. Letztendlich kann nur eine geplante Wirtschaft die riesigen ökonomischen und sozialen Unterschiede zwischen diesen Ländern schließen. Auf dieser Basis und mit dieser Perspektive kämpfen wir für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

PDS/WASG: Einig gegen Klassenkampf

Es bedurfte des Drucks von Lafontaine, um die WASG-Führung, die in den letzten Monaten versuchte, sich durch Antikommunismus und Hetze gegen die DDR einen Namen zu machen, zu einem Bündnis mit der PDS zu bewegen. Die Führung der WASG betonte immer, dass sie nach rechts hin offen sei, tatsächlich auch die CDU-Wähler ansprechen möchte, und sie machte dem ehemaligen Gesundheitsminister Seehofer (CSU) schöne Augen. Um ihre Respektabilität zu unterstreichen, suchten sie einen Pfaffen aus, der bei den NRW-Wahlen an der Spitze der WASG-Liste kandidierte. Die Aussicht, im Bundestag zu sitzen und der SPD das Händchen zu halten, überwand letztlich die Anti-PDS-Stimmung in der WASG.

Die PDS, die die DDR ausverkaufte, wobei Gorbatschow die Fäden zog, ist im wiedervereinigten Deutschland mittlerweile bei den Kapitalisten nicht ungern gesehen, um die dreckigste Arbeit für sie zu erledigen. Der Berliner SPD/PDS-Senat ist seit Jahren die beispiellose Speerspitze im Kampf gegen die Gewerkschaften, um die Kahlschlagpolitik mit möglichst wenig Widerstand der Betroffenen durchzusetzen. Erst kürzlich erpresste der Senat von den Arbeitern der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Lohnkürzungen von 10 Prozent bei dort bereits Beschäftigten und 25 Prozent bei Neueingestellten durch die Drohung mit weiterer Privatisierung. Die sozialdemokratische Ver.di-Führung leistete den sozialdemokratischen Verrätern im Senat aktive Schützenhilfe, indem sie die Streik-Urabstimmung gar nicht mehr auszählen ließ, statt den notwendigen Kampf der BVG-Arbeiter mit ihren Kollegen der Berliner S-Bahn zu organisieren. Diese offene Kapitulation vor dem Senat wird diesen nur ermutigen, auch die Löhne und Gehälter aller anderen im Öffentlichen Dienst Beschäftigten massiv zu reduzieren. Klaus Wowereit, Harald Wolf, Heidi Knaake-Werner und Co. müssen gestoppt werden durch Klassenkampf gegen den SPD/PDS-Senat.

Die WASG-Führung selbst hält sich aus allen Klassenkämpfen heraus, um ja nicht in einen Loyalitätskonflikt mit der sozialdemokratischen Führung der Gewerkschaften zu geraten. Bei einer WASG-Veranstaltung am 29. Juni in Berlin zu dem Konflikt bei der BVG – mit prominenter Anwesenheit von SAV und Linksruck – wurde der Charakter dieses verrotteten Bündnisses deutlicher. Während ein Gewerkschaftsbürokrat darüber berichtete, wie ihm die Arbeiter die Hölle heiß machten für den Ausverkauf, wurden nur die SPD-Politiker im Senat erwähnt und über die Rolle der PDS und Lafontaines Rassismus verschämt geschwiegen. Nur wir Spartakisten kritisierten deren schmutzige Rolle. Diese Veranstaltung zeigte deutlich, dass die Politik der WASG nicht eine Seite mit den angegriffenen Arbeitern bezieht, sondern dass sie den Ausverkäufern assistiert. Unsere Seite ist die der Arbeiter, die gegen die sozialdemokratischen Ausverkäufer kämpfen wollen.

Das passt ganz in das Gesamtbild der WASG: kein Wort zu dem Daimler-Ausverkauf im letzten Jahr, da sie ja eine Wahlalternative sei. Zum wilden Streik bei Opel gab es Mitglieder der Basis, die auf den Kampf schauten und Unterstützungsarbeit leisteten, die WASG hatte aber als Organisation keinerlei Interesse an diesem bedeutenden Kampf für die Erhaltung der Arbeitsplätze der Opel-Arbeiter. In Wirklichkeit heißt dies bei einer zu einem großen Teil aus Gewerkschaftsfunktionären bestehenden Organisation, dass sie dem Streik in den Rücken gefallen ist. Aber nicht nur das. Als nach einem Bericht der SAV Opel-Arbeiter bei der NRW-Konferenz am 15. Januar ihren Fall – der Vorstand hatte es abgelehnt, sie als Betriebsgruppe in die WASG aufzunehmen – vortragen wollten, wurden sie rausgeschmissen, was nur zu deutlich beweist, was die WASG-Führung von kämpferischen Arbeitern hält. Die Arbeiterklasse hat eine PDS/WASG/Lafontaine-Partei – oder auch nur die einzelnen Bestandteile – so nötig wie Pest und Cholera. Brecht mit sozialdemokratischem Reformismus! Keine Stimme für SPD, PDS/WASG/Linkspartei!

SAV zeigt ihr sozialdemokratisches Gesicht

Die SAV, die innerhalb der WASG unschuldigerweise die Zielscheibe einer antikommunistischen Hexenjagd ist, versucht der WASG ein linkes Image zu verpassen und verschweigt bewusst die schmutzige Rolle der WASG-Führung in den Klassenkämpfen: „Die WASG muss zu einer kämpferischen Arbeiterpartei gemacht werden. Eine Partei ist nötig, die ihren Schwerpunkt nicht in der parlamentarischen Arbeit sieht, sondern im Widerstand in den Betrieben und auf der Straße“ (Solidarität, Juni/Juli 2005). Die SAV stellte als Begründung für ihre Ablehnung eines Bündnisses von WASG und PDS die Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern in den Vordergrund. Letztes Jahr gaben wir der SAV kritische Wahlunterstützung bei den Kommunalwahlen in Rostock, weil sie – was außergewöhnlich ist – dort unabhängig und gegen die PDS (und SPD) antrat und eine grobe Klassenlinie zog, was sie andernorts nicht tat. Die SAV lehnte unser Angebot ab, weil wir Michael Jackson gegen die rassistische Kampagne des bürgerlichen US-Staates verteidigten. Diese prüde, gegenüber Rassismus bestenfalls gleichgültige Rückständigkeit der SAV ist konkreter Ausdruck ihrer Unterstützung der sozialdemokratischen WASG, gegenüber der sie sich als respektabel beweisen will, und es ist Ausdruck ihrer Unterstützung des kapitalistischen Staats und der bürgerlichen Familienwerte, auf die er sich stützt.

Wie wenig der Bezug der SAV auf eine „kämpferische Arbeiterpartei“ wert ist, zeigt sich deutlich an ihrer Bejubelung von Lafontaines Auftritt in Köln und der Unterstützung des Bündnisses mit der PDS. Beides enttarnt den prinzipienlosen Opportunismus der SAV:

„Dankbar nahmen die Delegierten auf, wie der künftige Spitzenkandidat die wirtschaftlich Mächtigen ins Visier nahm und die Politik der etablierten Parteien geißelte. Trotz mancher Vorbehalte – mit Lafontaine zog die Gewissheit ein: Wir können es schaffen, erfolgreich zu sein und eine Stimme für die Opfer von Kahlschlag und Kürzungen, für die Masse der Bevölkerung, im Bundestag erheben…

Die SAV-Mitglieder machten auf dem Parteitag deutlich, sich auch in Zukunft konstruktiv am Aufbau der WASG mit der Ausrichtung auf eine kämpferische Arbeiterpartei zu beteiligen und unmittelbar engagiert und entschlossen an einem WASG-Wahlkampf – ob auf der kritisierten PDS-Liste oder eigenständig – einzusetzen. Selbst in dieser Form sorgt die Kandidatur für eine enorme Politisierung neuer Schichten von Beschäftigten und Erwerbslosen.“ („Lafontaine auf Platz 1 in NRW“, sozialismus.info, 20. Juni)

Wenn das nicht der blanke parlamentarische Kretinismus ist! Trotz aller linken Rhetorik der SAV über eine neue Arbeiterpartei zeigten wir bereits im Herbst 2004 auf, wie ähnlich die Programme von Lafontaine und der SAV sind:

„Sehen wir uns das ,sozialistische‘ Programm der SAV mal näher an: ,Wir fordern, dass die Reichen und Superreichen zur Kasse gebeten werden, um Sozialleistungen und ein gutes Gesundheitswesen zu finanzieren. Eine drastische progressive Besteuerung auf Gewinne und Vermögen wäre ein erster Schritt in diese Richtung‘ (Solidarität, September 2004). Dies stellt im Kern genau das dar, was Lafontaine argumentiert. Die SAV argumentiert aber auch, man höre und staune, für ,sinnvolle Enteignungen‘. Was darunter zu verstehen ist, wird dann auch erklärt: ,Nämlich von solchen Firmen, die dicht machen, verlagern oder Arbeitsplätze im großen Umfang vernichten … [sowie] die großen Banken und Konzerne generell‘. Ohne den revolutionären Sturz des kapitalistischen Staats aber, und darüber spricht die SAV nie, bleibt dieses schon sehr limitierte Programm von Enteignungen der Kapitalisten einfach ein utopischer sozialdemokratischer Traum, der darauf baut, dass man den kapitalistischen Staat für die Zwecke der proletarischen Machtübernahme benutzen kann.“

Als die SPD nach der Wiedervereinigung anfing, zusammen mit der Kohl-Regierung die Arbeiterklasse zu attackieren, trat die SAV nach Jahrzehnten Mitgliedschaft aus der SPD aus und bezeichnete die SPD von da an als bürgerliche Partei. Die exstalinistische PDS hatte inzwischen ihren sozialdemokratischen Charakter ausreichend demonstriert, um die Unterstützung der SAV zu bekommen. Auch bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 2002, woraus der jetzige SPD/PDS-Senat entstand, unterstützte die SAV die PDS. Jetzt zeigt sich die SAV enttäuscht von der PDS, weil diese genau das tut, was sie ankündigte und wovon jeder wusste, dass sie es tun würde. Jetzt erwartet die SAV von der WASG, dass die den Kampf führt, wobei jedem, der sehen will, klar ist, dass das, was da entsteht, fragil wie es ist, bestenfalls ein Neuaufguss der Sozialdemokratie ist, ein weiteres Hindernis für den Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei.

Für ein revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

Viele linke Organisationen wie DKP, Linksruck, SAV oder die Gruppe Arbeitermacht versuchen, Arbeitern und linken Jugendlichen die WASG und/oder PDS als klassenkämpferische Arbeiterpartei oder linke Alternative zu verkaufen, und unterstützen sie politisch. Die Basis dafür ist, dass diese Organisationen weitgehend die Sozialdemokratie mit dem Sozialstaat identifizieren, und die WASG stellt sich als „Sozialstaatspartei“ dar. Die Kapitalisten aber sehen keinen Sinn mehr darin, den „Sozialstaat“ aufrecht zu erhalten, da sie ihn seit der Konterrevolution Anfang der 90er-Jahre nicht mehr als „Alternative“ zum Sozialismus brauchen. Jetzt, da die Gefahr des Kommunismus gebannt zu sein scheint, geht es für die Kapitalisten darum, die Profite so hoch zu schrauben, dass sie in dem globalen Kampf um Märkte mit den anderen Imperialisten mithalten können. Ein Teil davon ist, das Sozialsystem zu privatisieren, so dass das Geld für Investitionen zur Verfügung steht. Ein anderer Teil ist, die Bundeswehr umzurüsten für weltweite Einsätze, um deutsche Interessen auch am Hindukusch, so SPD- Kriegsminister Struck, vertreten zu können. Wir fordern: Bundeswehr raus aus dem Balkan und Afghanistan! Keinen Mann, keinen Pfennig für die imperialistische Armee!

Das notwendige Geld dafür muss der Arbeiterklasse abgepresst werden. So, wie die SPD/Grünen-Regierung zentral dafür war, den Balkan- und den Afghanistankrieg zu führen, so war sie auch wichtig dabei, die Gewerkschaften zu lähmen, zu diskreditieren und sturmreif zu machen für die Angriffe der nächsten, vermutlich CDU-geführten Regierung. Mehr denn je sind der Bruch mit der Politik sozialdemokratischer Klassenzusammenarbeit und die Mobilisierung der Arbeiterklasse unabhängig von der Bourgeoisie nötig. Wir brauchen eine revolutionäre Avantgardepartei, um die unvermeidlichen Klassenkämpfe zu einer erfolgreichen, revolutionären Lösung zu führen. Diese Partei wird durch die Intervention in soziale Kämpfe aufgebaut werden, indem die klassenbewusstesten Kämpfer zu einem revolutionären Kader geschmiedet werden und darum kämpfen, das Klassenbewusstsein der Arbeiter zu heben. Dieser Kampf muss geführt werden gegen WASG und PDS, die die Arbeiterklasse immer wieder an den Kapitalismus binden. Brecht mit allen Arten von Sozialdemokratie, ob SPD, PDS, WASG oder Linkspartei. Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei, die die Arbeiterklasse an die Macht führt und damit imperialistischen Krieg, Rassismus und kapitalistische Ausbeutung für immer beendet!

Spartakist Nr. 159

Spartakist Nr. 159 

Sommer 2005

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