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Spartacist (deutsche Ausgabe) Nummer 30

Winter 2014/15

Die Folgen stalinistischer Klassenzusammenarbeit

Griechenland 1940-49: Eine verratene Revolution

Der wirtschaftliche Zusammenbruch Griechenlands inmitten einer globalen Rezession hat dieses kleine kapitalistische Land zu einem Pulverfass gemacht. Während die imperialistischen Mächte der EU Griechenland ausplündern, hat die gefügige griechische Bourgeoisie den arbeitenden Massen ungeheures Leid zugefügt. Von Obdachlosigkeit und Hunger bedroht, geht das kämpferische Proletariat seit Jahren immer wieder auf die Straße, wobei es zu riesigen Demonstrationen und Proteststreiks kommt. Gleichzeitig ist die faschistische Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), die Hitlers Nazis nacheifert, massiv angewachsen. Mit teilweise erheblicher Unterstützung von Polizei und Offizierskorps organisiert sie immer dreistere Angriffe auf Immigranten und Linke.

Im Lager des Proletariats wie auch der Bourgeoisie hat die scharfe Polarisierung der griechischen Gesellschaft bittere Erinnerungen an den Bürgerkrieg der 1940er-Jahre wachgerufen, als die Arbeiter- und Bauernmassen unter der Führung der Kommunistischen Partei (KKE) gegen Griechenlands herrschende Klasse und deren imperialistische Schirmherren kämpften. Sieben Jahrzehnte später bleiben die damaligen Ereignisse im Bewusstsein der Arbeiterklasse eingebrannt.

Gemessen an den Verwüstungen und der Brutalität war der Zweite Weltkrieg noch schrecklicher als der erste interimperialistische Weltkrieg von 1914–18. Kennzeichnend für die Brutalität der Imperialisten sind die industrielle Mordmaschinerie der Nazi-Vernichtungslager sowie die gezielten Abwürfe von Brandbomben (und Atombomben) gegen hunderttausende deutsche und japanische Zivilisten. Hinzu kommt die von den Briten vorsätzlich herbeigeführte Hungersnot im kolonialen Indien, wo deren Kriegsspekulation und bewusste imperialistische Politik zum Tod von weit über einer Million Menschen führte. Ähnliche imperialistische Brutalität wurde auch der griechischen Bevölkerung zuteil. Während der Besetzung des Landes durch die italienischen und deutschen Imperialisten und ihre bulgarischen Verbündeten starben schätzungsweise 550 000 Menschen bei einer Bevölkerung von gerade mal sieben Millionen, zum großen Teil an Hunger, aber auch durch systematische Massaker und die Ausradierung ganzer Ortschaften. Mehrere zehntausend, vor allem Arbeiter und Linke, wurden anschließend von der griechischen Bourgeoisie und ihren britischen (und später amerikanischen) Beschützern abgeschlachtet.

Die griechischen Massen kämpften mutig und aufopferungsvoll. Die Verwüstungen durch die deutsche Besatzungsmacht und die systematische Ausplünderung des Landes riefen in Städten und Dörfern eine mehr oder weniger spontane Widerstandsbewegung hervor. Die KKE stellte sich an die Spitze dieses Widerstands. Die von ihr gegründete und dominierte Nationale Befreiungsfront (EAM) war eine Koalition mit kleinen Gruppen von Sozialdemokraten, bürgerlichen Liberalen und kleinbürgerlich-bäuerlichen Populisten. KKE-Kader wie Aris Velouchiotis machten aus den in den Bergen operierenden Guerillagruppen die Griechische Volksbefreiungsarmee (ELAS), den kämpfenden Arm der EAM. Es ist bemerkenswert, dass die auf den Gewerkschaften basierende Nationale Arbeiterbefreiungsfront (EEAM) schon im Juli 1941 gegründet wurde, zwei Monate vor der EAM. Die ebenfalls von der KKE initiierte und geführte EEAM wurde zur vorherrschenden Organisation des griechischen Proletariats während des Krieges. Unter ihrer Führung verwandelten sich die Arbeiterviertel Athens und anderer Großstädte in Festungen gegen die Invasoren.

Im April 1944 befanden sich bereits 90 Prozent des griechischen Festlands in der Hand der Widerstandsbewegung. Als unter den Hammerschlägen der sowjetischen Roten Armee das Dritte Reich der Nazis zu zerbrechen begann und die Deutschen aus Griechenland zurückweichen mussten, waren die KKE-geführten Kräfte praktisch die unangefochtenen Herren des Landes. Die EAM wurde von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung unterstützt und ihre Vereinigte Panhellenische Jugendorganisation hatte eine halbe Million Mitglieder. Am Ende der Besetzung verfügte die ELAS über mindestens 70 000 gut bewaffnete Kämpfer sowie eine große Anzahl von Reservisten.

Die Arbeiterklasse in Athen, Piräus, Thessaloniki und anderen Städten spielte im Widerstand eine zentrale und organisierte Rolle, was in einer Reihe von Generalstreiks und Großdemonstrationen gegen die Verwüstungen durch die Besatzungsmacht zum Ausdruck kam. Nach dem deutschen Rückzug ging der Kampf der Arbeiterklasse weiter, wofür die Dekemvriana (Dezember-Ereignisse), der Athener Aufstand vom Dezember 1944 gegen die vereinten Kräfte des griechischen kapitalistischen Staates und einer britischen Expeditionsarmee, beispielhaft waren.

Das war ganz offenbar eine günstige Situation für die kommunistisch geführten Arbeiter, die Macht zu ergreifen und mit den kapitalistischen Unterdrückern abzurechnen. Selbst der wütend antikommunistische britische Agent Chris Woodhouse, der während der Besetzung per Fallschirm in Griechenland gelandet war, gab zu:

„Wären EAM/ELAS entschlossen gewesen, bei der Befreiung Griechenlands gewaltsam die Macht zu übernehmen, hätte ihnen die Hauptstadt am Tag des deutschen Abzugs offen gestanden. Hätten sie sich dazu entschlossen, so hätten sie nur durch eine kostspielige Invasion vertrieben werden können, die aufgrund des Drucks der Alliierten und der öffentlichen Meinung unmöglich gewesen wäre. Durch kein denkbares Kalkül könnte man die Wiederkehr einer besseren Gelegenheit erwarten.“

– Woodhouse, Apple of Discord: A Survey of Recent Greek Politics in Their International Setting [Zankapfel: Eine Studie der jüngsten griechischen Politik in ihrem internationalen Zusammenhang], Hutchinson & Co., London 1948

Doch die KKE-Führung lehnte es ab, um die Macht zu kämpfen. Weshalb? Warum endeten die Dekemvriana mit einer blutigen Niederlage wie der Spanische Bürgerkrieg der 1930er-Jahre, statt mit einem Sieg wie die bolschewistische Revolution von 1917? Diese Frage plagt die KKE bis heute. Doch sie lässt sich nicht im stalinistischen Rahmen der KKE-Politik beantworten. Zum Verständnis der zentralen Lehren des griechischen Bürgerkriegs – die entscheidend sind für die Schmiedung einer authentisch kommunistischen Avantgardepartei in Griechenland – kommt man nur vom Standpunkt des Trotzkismus aus, der die Kontinuität des Bolschewismus von W. I. Lenin darstellt.

Stalinismus kontra Bolschewismus

In der Periode nach dem konterrevolutionären Zusammenbruch der Sowjetunion und der bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten in der DDR und in Osteuropa 1989–92 ist die KKE eine der wenigen kommunistischen Massenparteien geblieben, die sich nicht von der russischen Oktoberrevolution von 1917 formal losgesagt haben. Aufgrund ihrer maßgeblichen Rolle im Bürgerkrieg und ihrer langen Geschichte von Aufopferung und staatlicher Verfolgung strahlt sie unverdientermaßen revolutionäre Militanz aus. Die KKE, die sich auf die kämpferischsten Teile der Arbeiterklasse stützt und in Griechenlands parlamentarischer Politik die Nische der „extremen Linken“ ausfüllt, hat in den letzten Jahren ihre Ablehnung jeglicher Wahlbündnisse mit bürgerlichen Parteien verkündet und ihre eigene Rolle im Bürgerkrieg scharf kritisiert.

Die gegenwärtige Runde der Selbstkritik in der KKE ist offenbar noch nicht abgeschlossen. Der 2011 veröffentlichte zweite Band ihrer Dokimio istorias tou KKE [Abhandlung zur Geschichte der KKE] (Sygchroni Epochi, Athen), weicht in zahlreichen Punkten von dem 1995 veröffentlichten ersten Band ab. Seitdem hat die KKE eine neue Fassung des ersten Bandes angekündigt. Inzwischen produziert die Parteipresse am laufenden Band neue Enthüllungen darüber, wo die KKE und die „internationale kommunistische Bewegung“ den falschen Weg eingeschlagen haben. Kürzlich behauptete die KKE in einem Artikel ihres Zentralorgans Rizospastis (Radikal) unter der Überschrift „Seiten aus den Jahren 1941–1944“:

„Der Kampf der KKE in dem Jahrzehnt von 1940 bis 1949, mit dem bewaffneten Kampf von EAM/ELAS im Dezember 1944 und der Demokratischen Armee Griechenlands (1946–1949), ist die größte Gabe unserer Partei an die Arbeiterklasse und die anderen armen Volksschichten sowie ihr größter Beitrag zur Tätigkeit der internationalen kommunistischen Bewegung im 20. Jahrhundert.

Es hat sich jedoch in Griechenland wie auch international bestätigt, dass selbst die ruhmreichsten Bewegungen zur sicheren Niederlage verurteilt sind, wenn ihre Avantgarde die grundlegende Frage jedes politischen Kampfes – die Machtfrage – nicht richtig lösen kann. Das Dilemma, das sich stellte, musste und konnte nur heißen: die Macht der Bourgeoisie oder die Arbeitermacht. Doch obwohl die KKE ganz klar im Visier der Bourgeoisie war, konterte sie mit der Strategie der ,nationalen Einheit‘.“

Rizospastis (22. Dezember 2013)

Diese Aussage wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Warum sollte eine selbsternannte kommunistische Avantgarde den Kampf für Arbeitermacht umlenken in die Sackgasse der bürgerlichen „nationalen Einheit“ – und warum geschah das nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien, Frankreich, Italien und anderen Ländern, zum Beispiel in Südafrika? Dazu äußern sich die Ideologen der KKE nicht. Sie können es auch nicht, denn damit müssten sie die nationalistische, verräterische Politik der Klassenkollaboration bis zu ihren stalinistischen Wurzeln zurückverfolgen.

Die KKE verherrlicht Stalin als „einen der hervorragendsten Führer des Proletariats der UdSSR aber auch der internationalen kommunistischen Bewegung“ („J. W. Stalin: Sein ungeheurer Beitrag für die Sache des Aufbaus des Sozialismus“, Rizospastis, 17.–19. Dezember 2010). In Wirklichkeit war Stalin der Totengräber der Revolution; Stalinismus ist nicht die Kontinuität des proletarischen, revolutionären und internationalistischen Programms des Bolschewismus, sondern vielmehr die Rückkehr zur menschewistischen Koalitionspolitik der Klassenzusammenarbeit, die schon 1917 der Todfeind dieses Programms war.

Der Sturz der zaristischen Autokratie in der Februarrevolution von 1917 leitete eine Periode der Doppelherrschaft ein, in der die Sowjets (Räte) der Arbeiter und Soldaten der schwachen bürgerlichen Provisorischen Regierung gegenüberstanden. Solange die Menschewiki die dominierende Kraft in den Sowjets blieben, versuchten sie im Bündnis mit den kleinbürgerlich-bäuerlichen Sozialrevolutionären die Macht, die die Arbeiter gewonnen hatten, der Bourgeoisie zurückzugeben, und traten sogar in die Provisorische Regierung ein als Teil einer Koalition mit bürgerlichen Parteien. Gegen die menschewistische Koalitionspolitik, den Vorläufer von Stalins „Volksfront“, propagierten die Bolschewiki die Losung: „Alle Macht den Sowjets!“

Lenin musste einen scharfen internen Kampf führen, um die bolschewistische Partei für diese revolutionäre Perspektive zu gewinnen. Bis zu seiner Rückkehr nach Russland Anfang April nahm die bolschewistische Führung unter Stalin und Lew Kamenjew eine versöhnlerische Haltung gegenüber den Menschewiki ein, wobei sie der Provisorischen Regierung bedingte Unterstützung gab mit der Behauptung, dies stehe im Einklang mit der alten bolschewistischen Formel der „demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft“. Lenins „Aprilthesen“ bezweckten die Wiederbewaffnung der bolschewistischen Partei, damit sie den Kampf auf die Diktatur des Proletariats ausrichtet und die Massen davon überzeugt: „Die Sowjets der Arbeiterdeputierten sind die einzig mögliche Form der revolutionären Regierung“ („Über die Aufgaben des Proletariats in der gegenwärtigen Revolution“, April 1917). Damit verwarf er ausdrücklich seine frühere Konzeption, wonach die russische Revolution die Form einer „demokratischen Diktatur“ annehmen würde.

Im Gegensatz zu den KKE-Ideologen, die gelegentlich die Aprilthesen zitieren, kam Lenin zu dem Schluss, dass das russische Proletariat vor dem westlichen Proletariat die Macht ergreifen könne und gezwungen sein werde, über die bürgerlich-demokratischen Aufgaben der Revolution hinauszugehen und sozialistische Maßnahmen einzuführen. Lenins Schlussfolgerung deckte sich von der Umsetzung her mit Trotzkis Konzept der permanenten Revolution. Trotzki seinerseits schloss sich Lenins Auffassung von der Avantgardepartei an, was eine tief gehende Fusion ihrer Kräfte ermöglichte. Lenins Kampf im April schuf die Grundlage für den Sieg der Bolschewiki im Oktober.

Verglichen mit Griechenland war in Russland das Proletariat noch winziger, was sein numerisches Verhältnis zum Kleinbürgertum betraf, das aus der geknechteten, verarmten und rückständigen Bauernschaft bestand. Die Bolschewiki lehnten jedes Versöhnlertum gegenüber den Sozialrevolutionären ab, deren Verteidigung der bürgerlichen Ordnung in Wirklichkeit dem Landhunger ihrer bäuerlichen Basis zuwiderlief. Im Gegenteil: Durch den Kampf, die Herrschaft der raubgierigen Kapitalisten und Gutsbesitzer hinwegzufegen und deren Besitz zu enteignen, gelang es dem bolschewistisch geführten Proletariat, viele Millionen von Bauern für sich zu gewinnen, darunter die bäuerlichen Soldaten der sich auflösenden russischen Armee.

Die Kommunistische Internationale (KI oder Komintern) wurde 1919 gegründet, um für eine sozialistische Weltrevolution zu kämpfen. Doch die von der Oktoberrevolution entflammte revolutionäre Nachkriegswelle in Europa führte nicht zur Machtergreifung der Arbeiter, was vor allem an der fehlenden Reife der kommunistischen Avantgarde in diesen Ländern lag. Ende 1923 lag Lenin nach einem Schlaganfall im Sterben. Für die sowjetischen Massen stand Trotzki, der die Rote Armee geschmiedet hatte, gleich nach Lenin an zweiter Stelle. Er wurde aber von dem Triumvirat Josef Stalin, Lew Kamenjew und Gregori Sinowjew immer mehr an den Rand gedrängt. Ein besonders harter Rückschlag war das Scheitern der deutschen Revolution im Oktober 1923. Das hieß für die Sowjetunion, erst einmal auf unbestimmte Zeit isoliert zu sein.

In diesem Zusammenhang gelang es einer konservativen Bürokratenschicht unter Stalin, in Partei und Staat der Sowjetunion dem Proletariat die politische Macht zu entreißen. Diese Entwicklung wurde deutlich bei der manipulierten Delegiertenwahl zur 13. Parteikonferenz vom Januar 1924, auf der die noch ungefestigte Linke Opposition um Trotzki trotz ihrer weit verbreiteten Unterstützung in der Partei nur drei Delegierte erhielt. Trotzki kämpfte beharrlich gegen die Konsolidierung dieser politischen Konterrevolution, die gekennzeichnet war durch immer krassere Fälle von Verrat am internationalen Proletariat und bis Ende der 1930er-Jahre schließlich zur weitgehenden Auslöschung praktisch aller führenden Kader der bolschewistischen Partei aus der Zeit von 1917 führte. Auch wenn die Sowjetunion weiterhin auf den von der bolschewistischen Revolution geschaffenen Grundlagen basierte, nämlich der verstaatlichten Wirtschaft, der zentralen Planung und dem staatlichen Außenhandelsmonopol, hatte sich nach 1924 alles geändert: die Personen, die die Sowjetunion regierten, die Art und Weise und zu welchem Zweck die Sowjetunion regiert wurde. Dieses Verständnis zu erlangen, muss der erste Schritt sein für revolutionär Gesinnte in der KKE und ihrem Umfeld.

Mit seiner Erklärung Ende 1924, dass man den Sozialismus in einem einzigen Lande erreichen könne, wurde Stalin zum Sprecher für die Bestrebungen der konservativen russisch dominierten Bürokratie, die ihre verhältnismäßig privilegierte Stellung gegen revolutionäre „Abenteuer“ absichern wollte. Diese Äußerung widersprach völlig dem bolschewistischen Standpunkt, wonach die Oktoberrevolution nur die erste in einer Reihe proletarischer Revolutionen war, die sich auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder Europas und die ganze Welt erstrecken werde. Auf Stalins Dogma ist der Revisionismus zurückzuführen, der in dem vergeblichen Streben nach „friedlicher Koexistenz“ mit dem Imperialismus zum Ausdruck kommt (und nicht auf eine Rede von Stalins Nachfolger Nikita Chruschtschow 1956, wie es die KKE-Führung behauptet). Im Jahr 1926 gab die Sowjetbürokratie über das Anglo-Russische Komitee den verräterischen Führern des britischen Trades Union Congress (TUC) linke Flankendeckung, als diese den Generalstreik verrieten. In der Chinesischen Revolution von 1925–27 trieben Stalin und sein damaliger Verbündeter Nikolai Bucharin die Auflösung der Kommunistischen Partei Chinas in die bürgerlich-nationalistische Guomindang voran. Die Folge war die Enthauptung des chinesischen Proletariats durch den nationalistischen Schlächter Chiang Kai-shek, der 1926 von Stalin zum Ehrenmitglied des Exekutivkomitees der Komintern ernannt worden war.

Diese bankrotte antirevolutionäre Politik wurde von Stalin/Bucharin im Programmentwurf für den VI. Weltkongress der Komintern 1928 festgeschrieben. Bis 1924 hatte kein einziger Marxist, auch nicht Stalin, die Auffassung vertreten, man könne eine egalitäre sozialistische Gesellschaft in einem einzelnen Land aufbauen. Denn eine solche Gesellschaft braucht internationale Arbeitsteilung sowie ein weit höheres Produktivitätsniveau als selbst in den fortgeschrittensten kapitalistischen Ländern. In seiner Schrift „Der Programmentwurf der Kommunistischen Internationale – Kritik der grundlegenden Thesen“ zeigte Trotzki die national-reformistischen Konsequenzen dieses antimarxistischen Dogmas auf:

„Die neue Lehre verkündet, dass der Sozialismus auf dem Boden eines nationalen Staats aufgebaut werden kann, wenn nur keine Intervention dazwischenkommt. Daraus kann und muss sich ungeachtet aller feierlichen Erklärungen im Programmentwurf eine Politik der Kollaboration mit der ausländischen Bourgeoisie ergeben. Das Ziel ist die Vermeidung einer Intervention, denn dadurch wird ja der Aufbau des Sozialismus gesichert, d. h. die historische Grundfrage gelöst. Die Aufgaben der Komintern-Parteien bekommen dadurch lediglich einen Hilfscharakter. Sie sollen die UdSSR vor einer Intervention schützen und nicht etwa für die Eroberung der Macht kämpfen…

Wenn sogar in der rückständigen UdSSR im nationalen Rahmen der Sozialismus verwirklicht werden kann, dann umso mehr im fortgeschrittenen Deutschland. Morgen werden also die Führer der Kommunistischen Partei Deutschlands diese Theorie vorlegen. Der Programmentwurf ermächtigt sie dazu. Übermorgen wird die französische Partei an der Reihe sein. Das wird der Anfang des Zerfalls der Komintern entlang der Linien des Sozialpatriotismus sein.“

– Trotzki, Die Dritte Internationale nach Lenin, 1928

Die sozialpatriotische KKE-Politik der „nationalen Einheit“ ist eine logische Folge ihres weiteren Festhaltens am „Sozialismus in einem Lande“.

1935: Der Liquidationskongress der Komintern

Kurz nach dem VI. Weltkongress rief Stalin die sogenannte Dritte Periode aus, wonach die Revolution überall unmittelbar bevorstand. Die Kommunistischen Parteien lehnten die bestehenden Gewerkschaften ab, stempelten die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ ab und stürzten sich in eine Reihe sektiererischer Abenteuer, was zu ihrer zunehmenden Isolierung von den organisierten proletarischen Massen führte. Dieses pseudolinke Zwischenspiel gipfelte in der Weigerung der deutschen KP-Führung, die reformistische Sozialdemokratie zu einer Arbeitereinheitsfront gegen die Nazis aufzurufen, was dazu führte, dass Hitler 1933 an die Macht kommen konnte, ohne dass ein Schuss fiel.

Bis zum Debakel in Deutschland sahen sich Trotzki und seine Anhänger in der Internationalen Linken Opposition als ausgeschlossene Fraktion der KI. Aber als der Triumph der Nazis keinerlei interne Proteste hervorrief, erklärte Trotzki: „Und wenn die Komintern auch diesmal taub blieb, so ist sie eben eine Leiche“ („Man kann nicht länger mit Stalin, Manuilski, Losowski und Co. in ein und derselben ,Internationale‘ bleiben“, Juli 1933). Jetzt bestand die Aufgabe darin, die Vierte Internationale aufzubauen. Wie Trotzki schlussfolgerte, konnte nur noch eine proletarisch-politische Revolution, die von einer neuen bolschewistisch-leninistischen Partei geführt wird, der Sowjetbürokratie die Macht entreißen – eine Revolution, deren Voraussetzung die bedingungslose Verteidigung des sowjetischen Arbeiterstaates ist.

Stalin, der nach dem Sieg der Nazis in Panik geriet, blieb dabei, dass alles nach Plan gelaufen sei, wobei er aber den Kurs änderte und eine unverhohlene Allianz mit den imperialistischen „Demokratien“ anstrebte. Das Gebot der Stunde war jetzt die „Volksfront gegen den Faschismus“, ein Wahlbündnis mit bürgerlichen Parteien, das sich notwendigerweise auf ein Programm bürgerlicher Reformen beschränkt. Der neue Verrat wurde auf dem VII. Weltkongress der KI 1935 festgeschrieben, den Trotzki als den „Liquidationskongress der Komintern“ (August 1935) bezeichnete. Stalins Mann fürs Grobe, Gregori Dimitroff, erklärte auf dem Kongress:

„Gegenwärtig haben die werktätigen Massen in einer Reihe von kapitalistischen Ländern konkret für den heutigen Tag zu wählen nicht zwischen proletarischer Diktatur und bürgerlicher Demokratie, sondern zwischen bürgerlicher Demokratie und Faschismus.“

– VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/Main 1971

Wenn KKE-Unterstützer tatsächlich auf den VII. Weltkongress zu sprechen kommen, umgehen sie behutsam dieses politische Minenfeld. Zwar behauptet die KKE im Moment, Wahlbündnisse abzulehnen, doch ruft sie weiterhin zu „Volksmacht“, „Volksbündnissen“ usw. auf und appelliert an das Kleinbürgertum auf der Grundlage von bürgerlichem Populismus. Erst vor wenigen Jahren hatte die KKE getönt: „Der VII. Weltkongress der KI bewaffnete die internationale Arbeiterbewegung mit einem klaren Konzept von den Perspektiven des Kampfes gegen Faschismus und Krieg“ (Dokimio istorias tou KKE [Abhandlung zur Geschichte der KKE], Bd. 1, Sygchroni Epochi, Athen 2011).

Derart „bewaffnet“ wurden die Stalinisten weltweit zu einem Bollwerk der verfaulenden bürgerlichen Ordnung, wie es die Sozialdemokraten schon seit 1914 sind. Die Volksfrontpolitik wurde in den USA, Europa und anderen Ländern angewandt. Als nach dem Wahlsieg der Volksfront in Frankreich 1936 die kapitalistische Herrschaft durch einen Generalstreik herausgefordert wurde, gab der stalinistische Führer Maurice Thorez die berühmt gewordene Erklärung ab, man müsse einen Streik beenden können. Im Spanischen Bürgerkrieg von 1936–39 wurden die Stalinisten, wie Trotzki sagte, „die kämpfende Avantgarde der bürgerlich-republikanischen Konterrevolution“ („Klasse, Partei und Führung“, August 1940). Stalin setzte seine Hoffnung auf „demokratische“ Bündnispartner, und da die Stalinisten sich diesen gegenüber als verlässlich erweisen wollten, taten sie alles in ihrer Macht Stehende, um das revolutionäre Proletariat Spaniens zu unterdrücken, indem sie kämpferische Arbeiter, die sich gegen die bürgerliche Volksfrontregierung stellten, gefangen nahmen und ermordeten, den heldenhaften Aufstand von Barcelona 1937 physisch zerschlugen und so schließlich der jahrzehntelangen Franco-Reaktion den Weg ebneten (siehe „Trotzkismus kontra Volksfrontpolitik im Spanischen Bürgerkrieg“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 27, Frühjahr 2009).

Die Volksfront ist, wie Trotzki schrieb, „die Hauptfrage proletarischer Klassenstrategie in dieser Epoche. Sie bietet auch das beste Kriterium für die Differenz zwischen Bolschewismus und Menschewismus“ („Die POUM und die Volksfront“, Juli 1936). Stalinismus ist wiederaufgewärmter Menschewismus. Damit müssen KKE-Anhänger, die auf der Suche nach einem Weg zur sozialistischen Revolution sind, sich programmatisch auseinandersetzen.

Leninistische Politik im Zweiten Weltkrieg

Die KKE-Kritik an der „nationalen Einheit“ bleibt pure Heuchelei, solange die KKE nicht ihre Unterstützung für Stalins „demokratische“ imperialistische Verbündete im Zweiten Weltkrieg verurteilt. Authentische Leninisten – d. h. Trotzkisten – ließen sich von dem revolutionären Internationalismus leiten, den die Bolschewiki im Ersten Weltkrieg verfochten. Seit dem Kriegsbeginn im August 1914 kämpfte Lenin für den vollständigen Bruch mit den sozialpatriotischen Klassenverrätern der Zweiten Internationale sowie für eine kompromisslose Opposition gegen deren Politik des „Burgfriedens“ – also der Klassenzusammenarbeit im Namen der „Vaterlandsverteidigung“. Dem setzten die Bolschewiki die Losung entgegen: Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg!

Im Zweiten Weltkrieg trat die Vierte Internationale für revolutionären Defätismus gegen alle Krieg führenden Imperialisten ein – sowohl gegen die Alliierten als auch gegen die Achsenmächte –, wobei sie gleichzeitig die Bestrebungen kolonialer und halbkolonialer Völker unterstützte, sich von imperialistischer Unterjochung zu befreien, solange diese Kämpfe nicht der einen oder anderen imperialistischen Macht definitiv untergeordnet waren. Einen wichtigen Unterschied zum Ersten Weltkrieg bildete allerdings die Existenz der Sowjetunion, die wir Trotzkisten gegen imperialistischen Angriff und innere Konterrevolution bedingungslos verteidigten.

Dabei ergaben sich für die Trotzkisten verschiedene Schwierigkeiten bezüglich der Taktik, weil allgemein die Auffassung herrschte, dass die imperialistischen Alliierten im Zweiten Weltkrieg einen fortschrittlichen, demokratischen Krieg gegen den Faschismus geführt hätten, vor allem gegen Hitlers barbarisches Regime in Deutschland. Waren die Sozialdemokraten Ende des Ersten Weltkriegs weitgehend diskreditiert, so gingen die Reformisten, vor allem die Stalinisten, aus dem Zweiten Weltkrieg mit gestärkter Autorität hervor wegen ihrer führenden Rolle in der Volksfront des „antifaschistischen Widerstands“. Tatsächlich war es die Sowjetunion, die gegen Hitler-Deutschland die mit Abstand verlustreichsten Kämpfe führte, und es war die Rote Armee, die den Sieg über die Nazi-Pest errungen hat. Auf Seiten der Imperialisten jedoch ging es in diesem Krieg – wie auch schon im Ersten Weltkrieg – um eine Neuaufteilung der Welt, was in Nordafrika, in Südasien und im westlichen Pazifik deutlich wurde. Wie die Nachkriegsordnung zeigte, hatten die westlichen Imperialisten für eine Welt gekämpft, die für neokoloniale Ausbeutung, rechte Reaktion und sämtliche Übel des Kapitalismus „sicher“ war, also auch für das gegenwärtige Wiederaufleben des Faschismus.

Einige Monate vor dem VII. Weltkongress umriss Trotzki die Politik, die die Bolschewiki-Leninisten im kommenden interimperialistischen Konflikt verfolgen würden, und er sah voraus, welch verräterische Rolle der Stalinismus spielen würde:

„Das internationale Proletariat wird auf die Verteidigung der USSR auch sogar in dem Falle nicht verzichten, wenn diese sich zu einem Militärbündnis mit dem einen Imperialisten gegen die anderen gezwungen sähe. Aber in diesem Fall noch mehr als in jedem anderen wird das internationale Proletariat sich volle politische Unabhängigkeit von der Sowjetdiplomatie und somit von der Bürokratie der Dritten Internationale sichern…

Das Proletariat des im Bündnis mit der USSR stehenden kapitalistischen Landes behält seine unversöhnliche Feindschaft der imperialistischen Regierung des eigenen Landes gegenüber voll und ganz bei.“

– „Krieg und die Vierte Internationale“, 1934

Frustriert durch sein erfolgloses Buhlen um die „demokratischen“ Imperialisten schloss Stalin am Vorabend von Hitlers Einmarsch in Polen im September 1939 mit Nazideutschland einen „Nichtangriffs“pakt. Wieder durchliefen die Kommunistischen Parteien in den westlichen Demokratien eine kurze linke Phase, in der sie ihre Imperialisten rundweg verurteilten (ohne die geringste Kritik zu äußern am deutschen Imperialismus unter den Nazis). Der Hitler-Stalin-Pakt zerbrach am 22. Juni 1941, als deutsche Truppen die Sowjetunion überfielen. Stalin, der Ende der 1930er-Jahre das sowjetische Oberkommando in blutigen Säuberungen enthauptet und wiederholt Warnungen der sowjetischen Spionagenetze in Westeuropa und Japan vor den Kriegsplänen der Nazis in den Wind geschlagen hatte, war von der Invasion gelähmt. Der Preis, den die Rote Armee und die Sowjetvölker zahlen mussten für das rührende Vertrauen des Woschd (Russisch für Führer) in den Naziführer, war unermesslich.

Als Hitler die Sowjetunion angriff, forderten die in den Lagern Sibiriens inhaftierten Trotzkisten, dass man sie an der Front für die Verteidigung des Vaterlands der Oktoberrevolution kämpfen lasse. Weltweit bejubelten die Vierten Internationalisten, zusammen mit den fortgeschrittenen Arbeitern aller Nationen, jeden Sieg der Roten Armee gegen die Nazi-Kriegsmaschine. Dabei fielen sie nicht vor den kapitalistischen Herrschern auf die Knie und versanken nicht im Sumpf der bürgerlichen Demokratie. Die Stalinisten dagegen wurden über Nacht zu den besten Verteidigern der herrschenden Klassen des „demokratischen“ Imperialismus, dessen Raubgier sie erst gestern noch gebrandmarkt hatten.

Mit der italienischen Invasion im Oktober 1940 erreichte der Krieg Griechenland. Nachdem Mussolinis Truppen zurückgeschlagen worden waren, schickte Hitler im April 1941 die Wehrmacht, die das Land besetzte, um die Südflanke der Achsenmächte abzusichern. Seit 1936 hatten die griechischen Arbeiter und Bauern unter der Diktatur von Ioannis Metaxas gestöhnt. Trotz der Bewunderung des Diktators für die faschistischen Regime Deutschlands und Italiens hatte das Metaxas-Regime bis zur italienischen Invasion versucht, eine pro-britische Neutralitätspolitik zu verfolgen. Seit seiner Entstehung stand der moderne griechische Staat unter dem Schutz der Großmacht Britannien.

Im Ersten Weltkrieg übte Lenin scharfe Kritik an jenen „Sozialisten“, die die Verteidigung ihres Vaterlandes mit dem Hinweis auf die bedrängte Lage kleiner Länder rechtfertigten, die in den interimperialistischen Krieg hineingezogen worden waren. In einer Polemik gegen den Revisionisten Karl Kautsky führte er später aus: „Ist der Krieg ein reaktionärer, imperialistischer Krieg, d. h. ein Krieg, der von zwei Mächtegruppen der imperialistischen, gewalttätigen, raubsüchtigen, reaktionären Weltbourgeoisie geführt wird, so macht sich jede Bourgeoisie (sogar die eines kleinen Landes) der Mittäterschaft am Raube schuldig, und meine Aufgabe, die Aufgabe eines Vertreters des revolutionären Proletariats, ist es dann, die proletarische Weltrevolution vorzubereiten als einzige Rettung vor den Schrecken des Weltgemetzels“ (Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, 1918). Dagegen machte KKE-Führer Nikos Zachariadis, der damals zusammen mit vielen anderen Linken in einem Lager des Metaxas-Regimes eingesperrt war, voll mit bei der enormen Begeisterung für „nationale Einheit“, von der Griechenland nach der italienischen Invasion erfasst wurde. In einem offenen Brief, der bis heute von der KKE in Ehren gehalten wird, mahnte Zachariadis eindringlich: „Wir müssen diesem von der Metaxas-Regierung geführten Krieg all unsere Kraft vorbehaltlos zur Verfügung stellen“ (abgedruckt in Richard Clogg, Hrsg., Greece 1940–1949: Occupation, Resistance, Civil War [Griechenland 1940–1949: Besetzung, Widerstand, Bürgerkrieg], Palgrave Macmillan, London 2002).

Erst nach dem Angriff auf die Sowjetunion gründete die KKE die Nationale Befreiungsfront EAM und deren Kampftruppe ELAS. Der Name ELAS – der wie Hellas (Griechenland) klingt – unterstreicht den nationalistischen Charakter, den die KKE dem Widerstand geben wollte. Das politische Manifest der EAM, in dem die Worte „Sozialismus“ oder „Kommunismus“ gänzlich fehlen, verkündet: „Der Kampf wird alle sozialen Klassen des Volkes umfassen, vom Arbeiter bis zum Bourgeois, vom armen Bauern bis zum Grundbesitzer“ („Was ist die nationale Befreiungsfront und was will sie?“, abgedruckt in Greece 1940–1949). Im Einklang mit ihrer Volksfrontpolitik schaffte es die KKE, eine Handvoll Sozialdemokraten und bürgerliche Liberale wie auch die Agrarpartei in die EAM einzubeziehen. Diese Handvoll repräsentierte den Schatten der Bourgeoisie – Trotzkis Charakterisierung für den geringfügigen bürgerlichen Bestandteil in der spanischen Volksfront von 1936 –, wohingegen die überwiegende Mehrheit der griechischen Bourgeoisie mit den Roten und dem Widerstand nichts zu tun haben wollte. Dennoch war dieser Schatten ein Garant dafür, dass sich die EAM für die Verteidigung bürgerlicher Eigentumsverhältnisse einsetzte, und gleichzeitig ermöglichte er es den KKE-Führern, ihren Verrat an der kämpferischen Arbeiterbasis im Namen der „Einheit“ zu rechtfertigen.

Auch einige Elemente des früheren Offizierskorps gründeten Widerstandsgruppen, die im Vergleich zur ELAS militärisch unbedeutend waren. Die beiden wichtigsten – die Nationale Republikanische Griechische Liga (EDES) und die Nationale und Soziale Befreiung (EKKA) – waren antikommunistische Werkzeuge des britischen Oberkommandos in Kairo, das deren hauptsächlichen Wert nicht im Widerstand gegen die deutsche Besatzung sondern im Kampf gegen die ELAS sah.

Arbeiterkämpfe unter der Besatzung

Die gesamte Geschichte Griechenlands zwischen den beiden Weltkriegen demonstrierte, dass man den Widerstandskampf der Werktätigen gegen die Besatzung der Achsenmächte unmöglich auf „nationale Befreiung“ beschränken konnte, wie es das stalinistische Schema erforderte. Das Leiden der griechischen Werktätigen wurde durch die hinzugekommene ausländische Besetzung noch vertieft, was aber keineswegs bedeutete, dass das reaktionäre Hirngespinst der Stalinisten von einer „nationalen Einheit“ verwirklicht werden konnte. Dafür hatte die griechische Bourgeoisie zu viel Furcht vor dem Proletariat, so dass die Klassenfrage unweigerlich in den Vordergrund trat. Außerdem war der britische Premierminister Winston Churchill, der die revolutionären Unruhen in Europa Ende des vorigen interimperialistischen Krieges noch in Erinnerung hatte, fest entschlossen, jeglichen Einfluss der Kommunisten in der griechischen Gesellschaft zu beseitigen. Churchill bestand auch darauf, dass der zutiefst verhasste König Georg II., welcher Metaxas als Diktator eingesetzt hatte, auf den Thron zurückkehrte.

Konfrontiert mit der feindlichen Haltung ihrer erhofften „demokratischen“ Verbündeten kämpften die stalinistisch geführten Partisanen – trotz der proimperialistischen Politik der KKE – weitgehend unabhängig und nicht unter der Führung und militärischen Disziplin der imperialistischen Alliierten. Nach dem Aufstand vom Dezember 1944 schrieb die amerikanische Socialist Workers Party (SWP), die politisch maßgebliche Sektion der Vierten Internationale, in einem Artikel:

„Die Widerstandsbewegung in Griechenland nahm ohne – und gegen – die Bourgeoisie Massencharakter an. Die Massen waren gegen Churchills Kollaborateure in Kairo genauso feindlich eingestellt wie gegen Hitlers Quislinge in Athen. Die entscheidende Kraft in der Widerstandsbewegung war die Arbeiterklasse.“

– „Civil War in Greece“ [Bürgerkrieg in Griechenland], Fourth International (Februar 1945)

Vor allem der heroische Sieg der Roten Armee über die Nazis in der Schlacht von Stalingrad im Februar 1943 trug dazu bei, dass die griechische Arbeiterklasse allmählich durch Streiks und andere Aktionen an Selbstvertrauen gewann. Am 5. März wurde der zweite der beiden Generalstreiks gegen die von den Nazis in Gang gesetzte „Zivilmobilisierung“ zur Zwangsarbeit durch eine Massendemonstration in Athen unterstützt. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei und den Besatzungstruppen, dabei stürmten Demonstranten das Arbeitsministerium und vernichteten die Listen von den Arbeitern, die nach Deutschland deportiert werden sollten. Noch am gleichen Abend gaben die deutschen Behörden bekannt, dass die Pläne zur Zivilmobilisierung zurückgezogen worden waren. Es war das einzige Mal, dass dies im besetzten Europa passierte.

Diese Aktionen gehören zu den bekanntesten Erfolgen der EAM, aber ihre proletarischen Anhänger in der EEAM organisierten auch eine ganze Reihe von Streiks, Demonstrationen und weiteren Aktionen. Am 25. Juni 1943 demonstrierten nach der Hinrichtung von 128 Kommunisten über 150 000 Menschen gegen den Staatsterror der Nazis. Als Folge des Protests konnten 50 Straßenbahnarbeiter, die wegen Beteiligung an einem Streik hingerichtet werden sollten, gerettet werden. Unter Hinweis auf die zahlreichen Streiks, die jeden Monat unter deutscher Besetzung stattfanden, kommt der Historiker Angelos Avgoustidis zu dem Schluss: „Die aktive Rolle der EEAM im Widerstand erweckte den allgemeinen Eindruck, dass die griechischen Städte damals ständig in Aufruhr waren“ („EEAM: The Workers’ Resistance“, Journal of the Hellenic Diaspora, Herbst 1984). 1944 befanden sich die Deutschen in den wichtigsten Städten im Belagerungszustand. Die deutschen Truppen wagten sich nicht in die Arbeiterviertel Athens, den sogenannten „Roten Gürtel“, und nur in bewachten Konvois konnten sie die Städte verlassen.

Die Hoffnung auf soziale ebenso wie auf nationale Befreiung kam darin zum Ausdruck, dass Frauen in diesem Kampf eine wichtige Rolle spielten. Weibliche Kader dominierten die Nationale Solidarität, ein Netzwerk von Unterstützern, und junge Frauen waren in der Jugendbewegung der EAM aktiv. Das Wahlrecht bekamen die griechischen Frauen erstmals 1944 bei den Wahlen zur „Bergregierung“ der EAM. In der Zeit von 1946 bis 1949 stellten Frauen etwa 30 Prozent der kämpfenden Truppe und 70 Prozent des medizinischen und anderen Hilfspersonals der von den Kommunisten geführten Guerillaarmee. In dem Artikel „Left-Wing Women Between Politics and Family“ [Linke Frauen zwischen Politik und Familie] schreibt Tassoula Vervenioti: „In der Öffentlichkeit traten griechische Frauen en masse erstmals während der deutschen Besetzung auf“; „auch heute noch haben weibliche Mitglieder der EAM und der KKE das Gefühl, dass sie durch ihre Widerstandstätigkeit als historisches Subjekt gehandelt und Selbstbewusstsein, Gleichheit und Wertschätzung erlangt haben“ (Mark Mazower, Hrsg., After the War was Over: Reconstructing the Family, Nation, State in Greece, 1943–1960 [Nachdem der Krieg zu Ende war: Das Wiederherstellen von Familie, Nation und Staat in Griechenland, 1943–1960], Princeton University Press, Princeton 2000).

Gleichzeitig begrüßten KKE/EAM mit ihrer nationalistischen Volksfrontpolitik sogar die reaktionäre Orthodoxe Kirche mit offenen Armen. Orthodoxe Priester wurden in der EAM willkommen geheißen und einige kämpften in ELAS-Einheiten. Das EAM-Manifest stank nach antideutschem und antiitalienischem Chauvinismus, verbunden mit widerlicher frauenfeindlicher Rückständigkeit: „Was ist nur aus der ,traditionellen griechischen Sitte und Moral‘ geworden? Ausländische Soldaten flanieren in unseren Städten und Dörfern Arm in Arm mit unseren Frauen, unseren Töchtern, unseren Schwestern“ (abgedruckt in Greece 1940–1949). Im EAM-Manifest heißt es schrill:

„Sexuelle Beziehungen mit Ausländern müssen in jeder Hinsicht gegeißelt und verurteilt werden. Frauen, die sich hingeben, müssen geächtet werden. Jede Frau, die sich Ausländern hingibt, ist bereits ein Spitzel und Verräter. Man muss für sie herabsetzende Beiwörter und Begriffe benutzen und klarmachen, dass ihnen nach dem Krieg auf beiden Wangen mit unlöschbarer Schrift ein P für Porni [Prostituierte] und Prodotissa [Verräterin] eingeritzt werden wird.“

Unter der Führung der Stalinisten wurde die riesige soziale Macht der Arbeiterklasse nicht dafür mobilisiert, dem kapitalistischen Ausbeutersystem ein Ende zu bereiten, stattdessen wurden die heroischen Kämpfer des Proletariats vor den Karren des bürgerlichen Nationalismus und seiner sozialen Rückständigkeit gespannt.

Die Revolte in Kairo

Im August 1943 luden die Briten die verschiedenen Guerillagruppen nach Kairo, dem Sitz der bürgerlichen griechischen Exilregierung, um deren Aktivitäten aufeinander abzustimmen. Die Vertreter von KKE/EAM beknieten den König, erst nach einer Volksabstimmung nach Griechenland zurückzukehren. Doch Churchill lehnte diese Forderung ab, und die Verhandlungen waren vorüber, bevor sie überhaupt begonnen hatten. Churchill kam zu dem Schluss, dass etwas getan werden müsse, um der ELAS die Flügel zu stutzen.

Gestärkt durch britische Hilfe lieferte sich die EDES ab Oktober 1943 militärische Kämpfe mit der ELAS (was später als die „erste Runde“ im Bürgerkrieg bekannt wurde). Die Antwort kam prompt: In kürzester Zeit war die EDES von völliger Vernichtung bedroht. Gerettet wurde die EDES (die sowohl mit den Nazis als auch mit den Briten gegen die ELAS zusammenarbeitete) dieses Mal durch das Eingreifen der deutschen Armee. Bald nahm die ELAS die Kampfhandlungen wieder auf und hätte die EDES-Kräfte mit Leichtigkeit vernichten können, doch EAM/ELAS waren auf die Einheit „aller nationalen Kräfte“ aus und unterzeichneten im Februar 1944 das von den Briten ausgehandelte Plaka-Abkommen, wonach die Guerillagruppen ihre gegenseitigen Feindseligkeiten einstellen sollten. Das Plaka-Abkommen war nicht von Dauer. Die ELAS wurde bald wieder angegriffen, diesmal von der anderen durch die Briten geförderten Guerillatruppe, der EKKA, deren Regiment 5/42 von der ELAS umzingelt und vernichtet wurde.

Am 10. März 1944 verkündeten EAM/ELAS die Gründung des Politischen Komitees zur Nationalen Befreiung (PEEA). Für die KKE/EAM-Führung war diese „Bergregierung“ nie etwas anderes als ein Faustpfand für zukünftige Verhandlungen über die Aufteilung der Posten in einer von den Briten unterstützten Koalitionsregierung. Doch sie wurde demonstrativ von Stalin zurückgepfiffen, der alles fürchtete, was die Briten gerade zu dem Zeitpunkt beunruhigen könnte, als eine zweite Front gegen Deutschland Realität werden sollte. Im Gegensatz dazu wurde die Gründung der PEEA von den Soldaten, Matrosen und Fliegern der griechischen Streitkräfte in Ägypten, die aus etwa 30 000 griechischen Soldaten, die nach der Nazibesetzung geflohen waren, sowie aus Freiwilligen der in Ägypten lebenden Griechen bestand, mit Begeisterung begrüßt. Als Königlich-Griechische Streitkräfte im Nahen Osten wurden sie dem britischen Oberkommando für den Nahen Osten in Kairo unterstellt und bei El Alamein eingesetzt. Doch die überwältigende Mehrheit der Soldaten und Matrosen sympathisierte mit EAM/ELAS und wurde zu einem Hort der revolutionären Agitation.

Offiziere, die der EAM nahestanden, forderten in einer Resolution, „die Gründung einer Regierung, die sich auf das Politische Komitee zur Nationalen Befreiung stützt und das kämpfende Volk repräsentiert“ („Die Nahost-Bewegung“, Rizospastis, 23. April 2000). Die Festnahme von sechs dieser Offiziere löste eine wütende Meuterei aus, die auf die Flotte übergriff, als rebellierende Matrosen die „Pindus“, die „Averoff“, die „Ajax“ und andere Schiffe besetzten. Matrosen an Bord des im Hafen von Alexandria liegenden Zerstörers „Pindus“ warfen ihre reaktionären Offiziere ins Meer. Churchill gab seinem Flottenoberbefehlshaber die Anweisung: „Lassen Sie den Rangältesten der ,Averoff‘ nicht darüber im Zweifel, dass uns seine Zusicherung, nicht zu schießen, in keiner Weise bindet“ (zitiert in Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bd. 5.2, Bern 1952). Die Meuterei wurde niedergeschlagen und Tausende wurden in Konzentrationslager in der Wüste verschleppt. Einige wurden zum Tode verurteilt, viele weitere starben unter unerträglichen Bedingungen.

Ägyptens kleine stalinistische Gruppe unter der Führung von Henri Curiel kam den griechischen Soldaten und Matrosen zu Hilfe und organisierte zu ihrer Unterstützung riesige Demonstrationen in Kairo und Alexandria. Curiel versorgte die Aufständischen mit Lebensmitteln und Wasser, stellte ihnen Unterkunft und Geld zur Verfügung und half denen, die nach der Meuterei entkommen konnten, bei der Suche nach einem vorübergehenden Unterschlupf. Griechenlands stalinistische Führer dagegen fielen den Meuterern in den Rücken und verurteilten die Meuterei als „irrwitzige Aktion verantwortungsloser Personen“; dies ist als Mitteilung einer EAM-Delegation an den britischen Botschafter Reginald Leeper dokumentiert (U.S. Department of State, Foreign Relations of the United States Diplomatic Papers, 1944). Heute sagt die KKE, diese Mitteilung sei „inakzeptabel und unerklärlich“ (Dokimio, Bd. 1). Dennoch wurde sie damals in der KKE-Zeitung Rizospastis (Athener Ausgabe, 25. Mai 1944) veröffentlicht.

Ende Mai 1944 traf sich im Libanon eine Delegation aus Vertretern von KKE, EAM und PEEA mit dem neu ernannten Premierminister Georgios Papandreou, um ein von Leeper verfasstes Abkommen zu unterzeichnen. Churchill sah in Papandreou den griechischen Politiker, der am ehesten in der Lage war, gegenüber der KKE eine Politik der harten Linie zu verfolgen. Im Libanon-Abkommen heißt es: „Wir sind uns alle einig, dass die Meuterei im Nahen Osten ein Verbrechen gegen unser Land darstellte“ (abgedruckt in E. A. M. White Book, Greek American Council, New York 1945). Zum Dank dafür, dass sie auf die Leichen ihrer Genossen spuckte, erhielt die EAM sechs von 24 Ministerposten in einer neuen Regierung der „nationalen Einheit“ unter Papandreou. Durch ihren Eintritt in die Papandreou-Regierung verliehen die Stalinisten diesem verhassten Marionettenregime bei der Bevölkerung ein gewisses Ansehen.

Im September kam es zum Caserta-Abkommen in Italien, in dem sich die EAM/ELAS-Führer bereit erklärten, ihre Kämpfer dem Befehl des britischen Generals Sir Ronald Scobie zu unterstellen – dessen Ziel es war, die ELAS zu eliminieren! Wie Woodhouse es darstellt: „Das Abkommen brachte das sieben Monate zuvor in Plaka begonnene Projekt zum Abschluss, wonach sichergestellt werden sollte, dass die Rückkehr der Alliierten (und mit ihnen die der Regierung Papandreou) von der EAM/ELAS unbehelligt blieb“ (Woodhouse, Apple of Discord).

Einen Monat später akzeptierte Stalin bei einem Treffen in Moskau Churchills berüchtigtes „Prozentabkommen“. Nach eigener Aussage bemerkte Churchill gegenüber Stalin: „Um nur von Großbritannien und Russland zu sprechen, was würden Sie dazu sagen, wenn Sie in Rumänien zu neunzig Prozent das Übergewicht hätten und wir zu neunzig Prozent in Griechenland, während wir uns in Jugoslawien auf halb und halb einigen?“ (Der Zweite Weltkrieg, Bd. 6.1, Stuttgart 1954). Churchill schrieb diesen Vorschlag auf ein Stück Papier, so sein Bericht weiter, und: „Ich schob den Zettel Stalin zu, der mittlerweile die Übersetzung gehört hatte. Eine kleine Pause trat ein. Dann ergriff er seinen Blaustift, machte einen großen Haken und schob uns das Blatt wieder zu. Die ganze Sache beanspruchte nicht mehr Zeit als sie zu schildern.“

Die Revolte in Athen

Am 12. Oktober 1944 musste die deutsche Armee Athen räumen. Zwei Tage später traf Scobie in Griechenland ein und hatte die Papandreou-Regierung im Schlepptau. Auf seinem Weg vom Hafen Piräus ins Zentrum Athens wurde der britische Konvoi von einer riesigen Menschenmenge mit KKE-Plakaten „Wir heißen unsere Verbündeten willkommen“ begrüßt.

In dieser Periode übernahmen Selbstverwaltungskomitees der Bevölkerung sowohl die Lebensmittelverteilung als auch kostenlose medizinische Hilfe und das öffentliche Schulwesen. Fabriken, die von den Besitzern verlassen oder geschlossen worden waren, wurden von Arbeitern besetzt und weiter betrieben. Während die Arbeiter danach strebten, die Macht auszuüben, die schon in ihren Händen lag, versuchten die „kommunistischen“ Minister in der Regierung der „nationalen Einheit“ (wie zuvor bereits die Menschewiki in Russland, die Sozialdemokratische Partei 1918/19 in Deutschland, die Stalinisten in Spanien usw.), diese Macht zu liquidieren. Die von der EAM kontrollierte nationale Zivilgarde (Politofylaki – Bürgerwehr) übergab ihre Macht der Polizei (Ethnofylaki – Nationalschutz), die ihrerseits diejenigen schützte, die mit den Nazis kollaboriert hatten. Die EAM-Minister für Finanzen und Arbeit übernahmen die Verantwortung für das Festsetzen von Hungerlöhnen und für die Entlassung „überzähliger“ Arbeiter, um die in die Höhe schnellende Inflationsrate zu senken. Die riesigen Kriegsprofite bürgerlicher Spekulanten wurden nicht beschlagnahmt, wie von den Arbeitern verlangt, sondern nur besteuert. Die KKE warnte vor Streiks, doch wütende Arbeiter begannen mit der Mobilisierung.

Die brennende Frage, die sich den britischen Imperialisten und der griechischen Bourgeoisie stellte, war die Entwaffnung des Proletariats und der ländlichen Massen. Anfang November 1944 verlegten die Briten die Bergbrigade von Italien nach Griechenland und bereiteten sich auf den Entscheidungskampf vor. Diese Brigade bestand aus fanatischen Antikommunisten, die aus den griechischen Streitkräften in Ägypten rekrutiert worden waren. Doch mit der Mobilisierung der Massen spürten die Stalinisten die Faust im Nacken und sperrten sich dagegen, die Waffen niederzulegen, ohne zuerst sicherzustellen, dass die Nazi-Kollaborateure sowie die rechten Schlächter der Bergbrigade und der Heiligen Kompanie ebenfalls entwaffnet würden.

Ende November stellte Scobie den ELAS-Einheiten ein Ultimatum, bis zum 10. Dezember die Waffen niederzulegen, und drohte, dass andernfalls „die Stabilität der Währung nicht gewährleistet und das Volk nicht ernährt werden könne“ (E. A. M. White Book). Schließlich traten die sechs EAM-Minister zurück. In seiner Rücktrittserklärung forderte der KKE-Anführer Yannis Zevgos „die Demobilisierung aller bewaffneten Kräfte“, auch der ELAS, und „die Schaffung einer echten Nationalgarde, die im Dienste der Nation steht“. Während Churchill und Scobie planten, ein Blutbad an dem in der ELAS organisierten bewaffneten Proletariat anzurichten, plädierte die KKE dafür, die Nation über die Klasse zu stellen!

Um Druck auf die Regierung auszuüben, rief die EAM zu einer Massendemonstration am 3. Dezember auf dem Syntagma-Platz in Athen und zu einem Generalstreik am darauffolgenden Tag auf. Wenige Stunden vor der Demonstration zog Papandreou plötzlich die Genehmigung zurück. Unter dem Schutz britischer Panzer eröffnete die Polizei das Feuer auf die Hunderttausenden Teilnehmer, wobei mindestens 20 getötet und weit über 100 verletzt wurden. Ein Augenzeuge berichtete in der Chicago Sun:

„Während die Polizei auf die unbewaffneten Demonstranten schoss, marschierte die große Menge aufrecht weiter. Frauen und Mädchen riefen, selbst nachdem ihre Genossen getötet worden waren, mit einem Lächeln auf den Lippen: ,Lang lebe Churchill! Lang lebe Roosevelt! Nieder mit Papandreou! Nein zum König!‘“

– zitiert in: E. A. M. White Book

Am Tag nach dem Massaker töteten und verwundeten rechte Banden und die Polizei wiederum hunderte Menschen, die von der Beerdigung der am Sonntag Getöteten nach Hause zurückkehrten. Wütende Athener Arbeiter besetzten in der ganzen Stadt Polizeiwachen und riefen „Tod für Papandreou!“ In Piräus marschierten Hafenarbeiter mit Knüppeln, Messern und Schusswaffen. Churchill telegrafierte an Scobie:

„Sie sind für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Athen verantwortlich und haben alle EAM.-ELAS.-Banden, die sich der Stadt nähern, am Einmarsch zu hindern und eventuell zu vernichten… Zögern Sie aber nicht, so zu handeln, als befänden Sie sich in einer eroberten Stadt, in der ein örtlicher Aufstand ausgebrochen ist.

– Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bd. 6.1

Schließlich verkündete das Zentralkomitee der ELAS am 7. Dezember: „Die allgemeine Schlacht für Freiheit und vollständige Unabhängigkeit Griechenlands hat begonnen. Wir wollten den Kampf nicht; er wurde uns aufgezwungen“ (E. A. M. White Book). Innerhalb von wenigen Tagen hatten Arbeitereinheiten ganz Athen unter Kontrolle, bis auf ein kleines Gebiet von einigen Quadratkilometern. Feldmarschall Alexander, der nach Athen geschickt worden war, um die Lage in Augenschein zu nehmen, sagte Leeper am 11. Dezember: „Sie befinden sich in einer ernsten Lage. Ihr Seehafen ist abgeschnitten, ihr Flughafen kann nur von Panzern oder gepanzerten Fahrzeugen erreicht werden, Sie sind zahlenmäßig unterlegen, Ihre Depots sind umzingelt und Sie haben nur noch für drei Tage Munition“ (zitiert in John O. Iatrides, Revolt in Athens, Princeton University Press, 1972).

Die KKE-Führer, erschrocken über die revolutionären Konsequenzen ihres Kampfes, überhäuften die hartnäckigen Briten mit Zugeständnissen und versuchten dem Kampf mit Scobies Streitkräften aus dem Weg zu gehen, wobei sie sogar die Verbrüderung mit dessen Soldaten verboten. Anstatt ihre Kräfte auf Athen zu konzentrieren, wo die Entscheidung über Sieg oder Niederlage fallen würde, startete die ELAS einen größeren Angriff gegen die Reste der EDES-Streitkräfte in Epirus und gegen eine weitere reaktionäre Guerillagruppe in Mazedonien. Während die in Panik geratenen britischen Imperialisten in Athen und in London Telegramme hin- und herschickten, verkündete das EAM-Zentralkomitee am 15. Dezember, „dass es die Macht nicht übernehmen will. Es will keinerlei Coup d’État. Es will keine einseitige Regierung der Linken“ (E. A. M. White Book).

Der Verrat von Varkiza

Am 25. Dezember traf Churchill in Athen ein, um persönlich die Sache in die Hand zu nehmen. Obwohl er zuvor keinen anderen Regenten als den König zulassen wollte, akzeptierte er schließlich Erzbischof Damaskinos. Die KKE-Führer kapitulierten auf der ganzen Linie. Eine neue Regierung „der nationalen Einheit“ unter Ausschluss von KKE/EAM und auch von Papandreou sollte gebildet werden. Am 30. Dezember, als die griechischen Arbeiter weiterhin um ihr Leben kämpften, billigte die Sowjetregierung offiziell ihre Niederschlagung, indem sie bekanntgab, sie würde für die Marionettenregierung in Athen einen Sowjetbotschafter nominieren.

Vor Churchills Ankunft hatten es Guerillakämpfer geschafft, eine Tonne Dynamit in den Abwasserkanälen unter dem Hotel Grande Bretagne zu platzieren, wo Churchill wohnen wollte. Diese Episode veranschaulicht die Fähigkeit und die Kühnheit der ELAS, aber sie war nichts anderes als eine Demonstration der Stärke im Dienste einer verrotteten Politik, deren eigentliches Ziel das Ergattern von ein paar mehr Kabinettssitzen in einer künftigen kapitalistischen Regierung war. Bei seiner Rückkehr nach Britannien prangerte Churchill die ELAS im Parlament an und sagte in Richtung Stalin: „Ich denke, ,Trotzkisten‘ ist eine bessere Definition für diese Leute und gewisse andere Sekten als das normale Wort, und es hat den Vorteil, in Russland ebenso verhasst zu sein“ („War Situation and Foreign Policy“ [Kriegslage und Außenpolitik], Rede vor dem Unterhaus, Hansard, 18. Januar 1945). Der Artikel in Fourth International vom Februar 1945 bemerkte dazu:

„Die ELAS ist nur in einem Sinn ,trotzkistisch‘ – im revolutionären Instinkt ihrer unbeugsamen Kämpfer, in ihrer großartigen Kampf- und Aufopferungsfähigkeit. Doch ihr Programm und ihre Führung haben mit ,Trotzkismus‘ nichts gemein. Churchill vergisst, dass er sich während der echten ,trotzkistischen‘ Revolution in seinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können, nach Moskau zu fahren, um die Zustimmung der Bolschewiki zur Einsetzung des Weißgardisten Baron Wrangel als Ersatzregenten für den Zar zu bekommen, während die Rote Armee stillschweigend ihre Waffen abgeben würde.“

– „Civil War in Greece“

Anfang Februar 1945 kehrte eine Delegation des britischen Trades Union Congress mit erfundenen Berichten über Gräueltaten der Kommunisten aus Athen zurück, um Churchill pflichtbewusst bei seinem reaktionären Kreuzzug gegen das griechische Proletariat zu unterstützen. Passenderweise wurde die Delegation von Sir Walter Citrine angeführt, einem Verräter am Generalstreik von 1926. Der TUC-Bericht war Teil einer massiven Propagandakampagne, bei der die ELAS-Kämpfer als Massenmörder hingestellt wurden. Die politische Polizei der KKE, die „Schutzorganisation der Kämpfer des Volkes“, hat zweifellos eine Reihe von Kollaborateuren und Rechten hingerichtet. Sie benutzte den Kampf auch als willkommene Gelegenheit, dutzende Trotzkisten zu ermorden. Doch viele „Beweise“ für Massenhinrichtungen an griechischen Zivilisten waren einfach frei erfunden.

Am 11. Februar erklärte KKE-Führer Siantos auf einer Pressekonferenz:

„Die Großen Alliierten haben entschieden, dass es nützlich ist, die britische Armee in Griechenland zu haben, und in dieser Hinsicht ist deren Anwesenheit eine gute Sache. Wir glauben, dass der Konflikt zwischen den Briten und der ELAS die Folge eines bedauerlichen Missverständnisses ist, das hoffentlich bald vergessen sein wird.“

– zitiert in: Dominique Eudes, The Kapetanios: Partisans and Civil War in Greece, 1943–1949 [Die Kapetanios: Partisanen und Bürgerkrieg in Griechenland, 1943–1949], Monthly Review Press, New York 1972

Am Tag darauf unterzeichneten Siantos und seine Genossen das Varkiza-Abkommen. Der Vertrag sah vor, dass „die bewaffneten Kräfte des Widerstands und insbesondere die ELAS, reguläre Truppen wie Reservisten, demobilisiert werden sollen“, während „die Heilige Kompanie unverändert bestehen bleiben soll, da sie dem Alliierten Oberkommando direkt unterstellt ist“ (zitiert in Apple of Discord).

Die stalinistischen Führer fürchteten, die ELAS-Mitglieder würden sich gegen eine Abmachung erheben, die sie nicht nur entwaffnen, sondern auch den Bedingungen des Kriegsrechts unterwerfen würde, so dass sie ohne Haftbefehl festgenommen werden könnten. Die KKE-Führer verlangten eine Amnestie, stimmten nach einigem Hin und Her jedoch einer Scheinamnestie für politische Verbrechen zu, wonach die Festnahme und Verhaftung von Zehntausenden von Kämpfern möglich war, da deren Aktionen nicht als politisch, sondern als gewöhnliche Verbrechen galten.

Klugerweise weigerten sich viele ELAS-Anhänger, ihre Waffen abzugeben, die sie stattdessen vergruben. Durch Unterzeichnung des Entwaffnungsbefehls stellte sich der ELAS-Führer Aris Velouchiotis, der bei der Basis große Autorität besaß, hinter diesen Verrat. Doch dann sammelte er die bewaffneten Kämpfer (darunter viele, die vor der rechten Terrorherrschaft in den Städten geflohen waren) in den Bergen, um neue Kämpfe vorzubereiten. Nachdem der KKE-Führer Nikos Zachariadis im Mai 1945 mit einem britischen Militärflugzeug aus dem Konzentrationslager Dachau zurückgekehrt war, verurteilte er Velouchiotis als einen Abenteurer. Kurz darauf wurden Velouchiotis und seine kleine Anhängerschar von Regierungskräften umzingelt. Entweder beging er Selbstmord oder er wurde getötet; sein Kopf wurde abgeschlagen und als antikommunistische Trophäe zur Schau gestellt.

Zachariadis löste als Parteiführer den diskreditierten Siantos ab, der bald darauf zum Sündenbock gestempelt wurde für die „Fehler“ der KKE-Führung bei der Athener Revolte (wie auch später Zachariadis selber). In dem Artikel „C.P. Heads Admit Treacherous Role in Greek Struggle“ [KP-Führer geben verräterische Rolle beim Kampf in Griechenland zu] bemerkte die amerikanische SWP dazu:

„Wenn etwas so schmutzig ist, dass man es kaum mehr weißwaschen kann, braucht man sich nur an die Führung der griechischen Stalinisten zu wenden. Sie kriegen alles weißgewaschen, selbst eine blutige Terrorherrschaft, für die sie selbst die Verantwortung tragen. Sie sind die Altmeister in der Kunst, mit einem Schuss blauer Farbe der ,Selbstkritik‘ alles noch weißer zu bekommen.“

Militant (7. Juli 1945)

Der Verrat von Varkiza war das logische Ergebnis des VII. Weltkongresses der Komintern und seines Schulterschlusses mit den imperialistischen „Demokraten“. Stalin hatte 1943 die Komintern aufgelöst – die für die Sache der Revolution schon vorher tot war –, um Roosevelt und Churchill gegenüber hervorzuheben, dass er mit Revolutionen nichts am Hut hat. Bei Kriegsende haben sowohl die französischen als auch die italienischen Stalinisten die Arbeiter entwaffnet und die greifbar nahen Möglichkeiten zur proletarischen Revolution abgewürgt – alles nur für ihre stalinistische Fantasie von einer Nachkriegsordnung mit „friedlicher Koexistenz“.

Die „Dritte Runde“

Für den Kampf in Griechenland brachte das Varkiza-Abkommen nur eine kurze Atempause. Zwar fanden keine größeren Kämpfe mehr statt, aber von Frieden konnte schwerlich die Rede sein. Kennzeichnend für die Zeit von Varkiza bis zu den Wahlen am 31. März 1946 war eine Welle von Streiks sowie weißer Terror, dem die Entwaffnung der Arbeiter durch die Stalinisten in die Hände spielte. Fast 1300 Linke wurden ermordet, etwa 85 000 verhaftet und mehr als 31 000 gefoltert. Dennoch hielt sich die KKE an die Bedingungen des Abkommens und bereitete sich auf die Wahlen vor.

Es war völlig klar, dass die Wahlen ein einziger Schwindel sein würden. Als die KKE wegen der ständigen Angriffe der Rechten die Verschiebung der Wahlen forderte, lehnte Damaskinos das ab. Die KKE boykottierte schließlich die Wahl, ebenso wie liberale Regimegegner. Erwartungsgemäß siegte die monarchistische Koalition. Fünf Monate später brachte eine Volksabstimmung über die Monarchie das unwahrscheinliche Ergebnis von 68 Prozent Zustimmung. Die Zeitung der amerikanischen Trotzkisten bemerkte dazu, dass während der Volksabstimmung in Griechenland „ein 45 000-Tonnen-Flugzeugträger und sechs weitere Kriegsschiffe vor der griechischen Küste ihre furchterregende Militärmacht zur Schau stellten“ (Militant, 22. März 1946).

Im Februar 1946 hatte das KKE-Zentralkomitee sein Zweites Plenum abgehalten. Später wurde behauptet – von der KKE wie auch von Antikommunisten –, dass auf diesem Treffen die Partei beschlossen habe, den Bürgerkrieg von 1946–49 zu eröffnen. Ob die KKE-Führer jemals eine solche Entscheidung trafen, ist fragwürdig. Diese „dritte Runde“ des Kampfes (mit der Athener Revolte als zweiter Runde) zeigte, dass die revolutionäre Energie der Arbeitermassen trotz des Verrats von Varkiza nicht erschöpft war. Mit einem Hang zur Rechtfertigung schrieb der KKE-Parteihistoriker Makis Mailis:

„Dieser Kampf bewies, dass die KKE fähig war, die Interessen der Arbeiterklasse und der Volksschichten den strategischen Zielen und Plänen der Ausbeuter nicht [!] unterzuordnen. Ihre Taten bewiesen, dass die KKE nicht in das System eingebunden war, trotz strategisch wichtiger Fehler wie bei den Abkommen von Libanon, Caserta und Varkiza.“

– „Die Strategie der KKE mit Nikos Zachariadis als Generalsekretär des ZK (1931–1956)“, Kommounistiki Epitheorisi [Kommunistische Rundschau] (November/Dezember 2013)

Die KKE hatte ihre reformistische Ausrichtung nicht geändert. In Wirklichkeit hatte sich „das System“ geweigert, die KKE einzubinden. Gerade die unablässige Gewalttätigkeit der griechischen Reaktion trieb die arbeitenden Massen in einen bewaffneten Kampf für ihre Selbsterhaltung und nötigte die KKE-Führung erneut dazu, sich an dessen Spitze zu stellen. Nur drei Monate nach ihrer Gründung im Oktober 1946 kontrollierte die stalinistisch geführte Demokratische Armee Griechenlands (DSE) weite Teile Nordgriechenlands. Und viele Unterstützer der stalinistischen Jugendorganisation EPON und andere Sympathisanten der Guerillas waren in der Wehrpflichtigenarmee der Regierung. Doch anstatt für den Sieg zu kämpfen, suchten die Stalinisten verzweifelt nach einem Kompromiss und machten wiederholt Friedensangebote.

Zu dieser Zeit war der von den USA geführte Kalte Krieg gegen die Sowjetunion bereits in vollem Gange. Auf Churchills Rede vom „Eisernen Vorhang“ im März 1946 in Fulton, Missouri folgte ein Jahr später in Washington die Proklamierung der antisowjetischen Truman-Doktrin. Da die Sonne im bankrotten britischen Empire unaufhaltsam unterging, zog die antikommunistische Labour-Regierung von Churchills Nachfolger Clement Attlee im April 1947 die britischen Truppen aus Griechenland schließlich ab. An die Stelle Britanniens trat der viel mächtigere US-Imperialismus. Die USA begannen, massiv Militärhilfe an das rechte Athener Regime zu liefern, um die „Ausbreitung des Kommunismus“ zu verhindern.

Unter dem Druck der zunehmend kriegerischen Drohungen des US-Imperialismus sah sich Stalin gezwungen, Bulgarien und die meisten anderen sowjetisch besetzten Länder Mittel- und Osteuropas in bürokratisch deformierte Arbeiterstaaten zu verwandeln. In Jugoslawien hatte der Sieg der von Josip Broz Titos KP geführten Partisanen über die Nazis und deren einheimische Verbündete ebenfalls zur Gründung eines deformierten Arbeiterstaats geführt. Damit konnten die DSE-Kämpfer jenseits der Nordgrenze Griechenlands Unterschlupf finden.

Doch anstatt der DSE die für einen Sieg benötigte militärische Hilfe zu geben, ließen Stalin und Tito die griechischen Kämpfer am Tropf hängen. 1948 beorderte Stalin bulgarische und jugoslawische KP-Führer in den Kreml und erklärte ihnen laut Milovan Djilas, damals Titos Vizepräsident: „Der Aufstand in Griechenland muss zusammenklappen“ (Milovan Djilas, Gespräche mit Stalin, Frankfurt am Main 1963).

Die sich entwickelnde Spaltung zwischen Titos Jugoslawien und Moskau beeinflusste bereits maßgeblich die Ereignisse. Nachdem der Kreml den Geldhahn zugedreht hatte, gab Tito, der auf US-Hilfe hoffte, im Juli 1949 bekannt, dass er die Grenzen für die griechischen Kämpfer schließt. Das war für die DSE der Todesstoß. Im August führten die DSE-Kämpfer an der gebirgigen Grenze zu Albanien und Jugoslawien ihr letztes Gefecht: Zahlenmäßig den griechischen Regierungsstreitkräften weit unterlegen, wurden sie von US-Fliegern mit Napalm bombardiert. Die Niederlage des Guerillakriegs, in dem etwa 40 000 kommunistisch geführte Kämpfer ihr Leben verloren – Resultat der nationalistischen Rivalität zwischen den stalinistischen Bürokraten in Moskau und Belgrad, die zum Erdrosseln der letzten Runde der griechischen Revolution führte –, zeigt deutlich die Perfidie des Dogmas von „Sozialismus in einem Lande“.

Mazedonien: Lackmustest für griechische Revolutionäre

Wichtigster Schauplatz des Guerillakriegs war Mazedonien, und eine Vielzahl von Mazedoniern kämpfte in der DSE: Im April 1947 stellten sie schätzungsweise 25 Prozent der kommunistischen Streitkräfte, im Laufe der Zeit noch mehr. Zu dieser Zeit hatte die KKE ihre frühere Forderung nach dem Recht auf Selbstbestimmung für Mazedonien begraben und forderte stattdessen nationale Gleichberechtigung innerhalb der Grenzen Griechenlands. Doch im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien erkannte die KKE zumindest die nationale Existenz des slawischen Volkes der Mazedonier an.

In Mazedonien, das im Zweiten Balkankrieg 1913 zwischen Griechenland, Serbien und Bulgarien aufgeteilt worden war, prallten Rivalitäten und Intrigen dieser drei Regionalmächte aufeinander. Griechenland hatte den größten Teil der Region annektiert und anschließend einen Großteil der slawischsprachigen Bevölkerung vertrieben bzw. zwangsweise hellenisiert, wobei die Dagebliebenen keinerlei nationale Rechte erhielten. Sogar schon die Anerkennung der Existenz dieser nationalen Minderheit, geschweige denn deren Recht auf Lostrennung, war den Fürsprechern eines „Großgriechenlands“ verhasst. Für Revolutionäre in Griechenland ist daher seit langem die Unterstützung des Rechts der slawisch-mazedonischen Minderheit in Nordgriechenland auf Selbstbestimmung ein Lackmustest für ihr Bekenntnis zum internationalistischen Kampf gegen die griechische Bourgeoisie.

Trotzki sprach die mazedonische Frage 1932 in einer Diskussion mit den frühen griechischen Trotzkisten, den Archeiomarxisten, an. Die Archeiomarxisten waren gegen die Unabhängigkeit der mazedonischen Minderheit. Auf ihr Argument, dass das ägäische Mazedonien „zu 90 Prozent griechisch“ sei, antwortete Trotzki: „Als unsere erste Aufgabe müssen wir diese Zahlen [der Regierung] auf der ganzen Linie in Frage stellen.“ Zur Frage der Unabhängigkeit sagte Trotzki:

„Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, diese Losung abzulehnen. Wir können nicht sagen: Wir sind gegen die Losung, weil die Bevölkerung gegen sie sein wird. Die Bevölkerung muss nach ihrer Meinung dazu befragt werden. Die ,Bulgaren‘ stellen eine unterdrückte Schicht dar…

Es ist nicht unsere Aufgabe, nationalistische Aufstände zu organisieren. Wir sagen lediglich, dass dann, wenn die Mazedonier es machen wollen, wir auf ihrer Seite stehen werden, dass die Entscheidung bei ihnen liegen soll und wir ihre Entscheidung auch unterstützen werden.“

– „A Discussion on Greece“, Frühjahr 1932

Dann wies Trotzki auf den springenden Punkt in dieser Frage für Marxisten in Griechenland hin:

„Sorge bereitet mir nicht so sehr die Frage der mazedonischen Bauern, sondern vielmehr, ob es bei den griechischen Arbeitern nicht doch eine Spur von chauvinistischem Gift gibt. Das ist sehr gefährlich. Für uns, die wir für eine Balkanföderation von Sowjetstaaten sind, ist es unerheblich, ob Mazedonien dieser Föderation als autonomes Ganzes oder als Teil eines anderen Staates angehört.“

Die Unterdrückung der mazedonischen Minderheit unter dem griechischen Militärstiefel war so schlimm, dass viele Mazedonier anfänglich die bulgarische Besetzung im Zweiten Weltkrieg willkommen hießen. Im Fall von Mazedonien musste man nicht nur gegen den Chauvinismus der bulgarischen herrschenden Klasse eintreten, sondern auch gegen den der griechischen Bourgeoisie. Doch das war nicht die Vorgehensweise der Stalinisten: Zum Beispiel organisierte die EEAM im Juli 1943 in Athen eine Massendemonstration gegen die bulgarische Annexion des „griechischen“ Mazedonien.

Viele Mazedonier waren bald von der Brutalität der Achsenmächte-Besatzer abgestoßen. Während des Krieges von 1946–49 konnte die DSE bei der slawischen Minderheit Anhänger für ihren Kampf gewinnen. Das lag hauptsächlich an der jenseits der jugoslawischen Grenze stattfindenden sozialen Revolution. Die mazedonischen Partisanen errichteten in dem Gebiet ihr eigenes Hauptquartier, geführt von mazedonischen Offizieren, die die mazedonische Sprache und Flagge benutzten. Die Schaffung einer autonomen mazedonischen Republik innerhalb der jugoslawischen Föderation sollte später eine starke Anziehungskraft auf die in Griechenland lebenden Slawen ausüben. Die jugoslawische Agitation für ein vereinigtes Mazedonien stieß bei der KKE auf feindliche Ablehnung.

Doch als sich Moskaus Bruch mit Tito vertiefte, bemühte sich die KKE um das Wohlwollen der Mazedonier, um deren Unterstützung für Tito zu untergraben. So erklärte sie im Januar 1949, dass „der Sieg der DSE und der Volksrevolution dem mazedonischen Volk seine vollständige nationale Wiederherstellung bringen wird, seinen eigenen Wünschen entsprechend“ (Resolution des Fünften Plenums des ZKs der KKE, 30./31. Januar 1949, www.rizospastis.gr). Nur wenige Monate später, nach der Niederlage im Bürgerkrieg, lehnte die KKE allerdings das Recht auf Selbstbestimmung wieder ab. Nach den einleitenden Worten „Stalin lehrt uns“ erklärte der führende KKE-Sprecher Vasilis Bartziotas im Oktober 1949: „Heute hat sich die Lage geändert. Wir müssen zur Losung der nationalen Gleichberechtigung zurückkehren, die der Sechste Kongress der KKE [1935] aufgestellt hat“ (zitiert in Andrew Rossos, „Incompatible Allies: Greek Communism and Macedonian Nationalism in the Civil War in Greece, 1943–1949“ [Unverträgliche Verbündete: Griechischer Kommunismus und mazedonischer Nationalismus im griechischen Bürgerkrieg, 1943–49], Journal of Modern History, März 1997).

Mehr als 40 Jahre später, als mitten in der konterrevolutionären Zerstörung des deformierten Arbeiterstaates Jugoslawien die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien 1991 ihre Unabhängigkeit erklärte, war überall in Griechenland auf Plakaten zu lesen: „Mazedonien ist griechisch!“ Die KKE-Sprecherin Aleka Papariga wurde damals Zielscheibe einer Hexenjagd, nur weil sie festgestellt hatte, dass in Griechenland slawischsprachige Menschen leben. Dennoch eifert die KKE heutzutage der griechischen Bourgeoisie nach und wettert gegen „einen bewussten Versuch, bei der muslimischen Minderheit türkisches Nationalbewusstsein und bei einem Teil der slawischsprachigen sogenanntes ,mazedonisches‘ Nationalbewusstsein zu fördern“. Die KKE erklärt:

„Die Versuche von USA und EU, die Anerkennung einer ,mazedonischen nationalen Minderheit‘ sowie einer ,türkischen Minderheit‘ zu erreichen, stellt mit all ihren Konsequenzen einen weiteren Schritt dar zur Infragestellung der Grenzen (z. B. des Vertrags von Lausanne) und des territorialen Status in der Region, was außerdem von nationalistischen Kreisen in der Türkei und der FYROM [ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien] nicht verheimlicht wird.“

Rizospastis (27. April 2014)

Diese groteske Berufung auf einen 90 Jahre alten imperialistischen Vertrag, um die territoriale Integrität des kapitalistischen Griechenlands zu verteidigen, spricht Bände über den angeblichen revolutionären Anspruch der KKE. Man vergleiche dies mit Lenin, der schrieb: „Dem Angehörigen einer unterdrückenden Nation muss es ,gleichgültig‘ sein, ob die kleinen Nationen seinem Staat oder dem Nachbarstaat oder sich selbst angehören … Um ein internationalistischer Sozialdemokrat zu sein, darf man nicht nur an seine eigene Nation denken, sondern muss höher als sie die Interessen aller Nationen, ihre allgemeine Freiheit und Gleichberechtigung stellen“ („Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung“, Juli 1916).

Es ist eine Aufgabe der Leninisten, nationalen Chauvinismus unter den Arbeitern zu bekämpfen und sie im Geiste des Internationalismus zu erziehen. Nur wenn es gelingt, die proletarische Avantgarde von jeder Loyalität gegenüber ihrem „eigenen“ kapitalistischen Staat loszureißen und zu der Einsicht zu gewinnen, dass die Arbeiter aller Länder ein gemeinsames Interesse am Sturz des Kapitalismus und an der Errichtung einer weltweiten kommunistischen Gesellschaft haben, wird es möglich sein, eine Partei zu schmieden, die dazu fähig ist, eine Revolution anzuführen. Das trifft besonders auf den Balkan zu, wo nationalistische Gebietskonflikte lange dazu gedient haben, das Bewusstsein der Arbeiterklasse zu vergiften. In der Erklärung anlässlich der Gründung der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands 2004 schrieben wir:

„Die Balkanhalbinsel ist eine Region mit unzähligen geografisch vermischt lebenden Völkern und unterdrückten Minderheiten. Eine gerechte Lösung der nationalen Frage auf dem Balkan erfordert eine sozialistische Föderation. Die IKL erkennt an, dass die Mazedonienfrage einen Glaubwürdigkeitstest für jede Gruppierung darstellt, die sich in Griechenland auf den Internationalismus beruft. Die TGG verteidigt die nationalen Rechte der mazedonischen Minderheit in Griechenland, einschließlich des Rechtes auf Errichtung ihres eigenen Staates oder einer Vereinigung mit dem bestehenden Staat Mazedonien. Volle demokratische Rechte für nationale Minderheiten in Griechenland! Für eine Sozialistische Föderation des Balkans!

Spartacist, englische Ausgabe Nr. 59 (Frühjahr 2006)

Trotzkisten im griechischen Bürgerkrieg

Die stalinistische Bürokratie im Kreml war ein widersprüchliches Phänomen, das einerseits aus der Isolation und der relativen Schwäche der Wirtschaft der Sowjetunion entstanden war und andererseits diese verstärkte. Während sie im Allgemeinen eine reaktionäre Politik zur Verteidigung ihrer bürokratischen Privilegien verfolgte, sah sie sich zeitweilig dazu gezwungen, mit ihren eigenen Methoden die historisch fortschrittliche kollektivierte Wirtschaft zu verteidigen, auf der diese privilegierte Position beruhte. In den kapitalistischen Ländern dienten die stalinistischen Parteien zwei Herren – der Kremlbürokratie und der einheimischen Bourgeoisie. Doch diese Parteien, die sich mit den Federn der Russischen Revolution schmückten, mussten gleichzeitig die Loyalität der subjektiv revolutionären Massen behalten, die sich um ihr Banner scharten. In einem Artikel der amerikanischen Trotzkisten über den griechischen Bürgerkrieg wurde diese widersprüchliche Situation treffend geschildert:

„Die griechischen Massen brannten vor revolutionärer Entschlossenheit und wollten den Sturz all ihrer Unterdrücker – Nazis und Griechen – vorbereiten. Anstatt der Massenbewegung ein revolutionäres Programm ähnlich dem bolschewistischen Programm von 1917 zu geben und die Massen auf die Machtergreifung vorzubereiten, steuerten die Stalinisten die Bewegung in die Sackgasse der Volksfrontpolitik. Die Stalinisten, die sich praktisch einer Hegemonie über die Massenbewegung erfreuten, taten sich mit einer Menge von kleinbürgerlichen Politikern, Rechtsanwälten und Professoren zusammen, die bei den Massen über keinerlei Unterstützung oder Einfluss verfügten, und arbeiteten daran, den Kampf künstlich auf die kapitalistische Demokratie zu beschränken…

Allein schon die Androhung der EAM, ein solches Programm [für eine demokratische Republik] umzusetzen, führte zu Bürgerkrieg und britischer Intervention. Aus Furcht vor der unausweichlichen Logik des Kampfes – der nur mit der Diktatur des Proletariats siegen konnte – strebten die Stalinisten und kleinbürgerlichen Führer nach einem Abkommen mit der reaktionären bürgerlichen Exilregierung und über sie mit dem britischen Imperialismus…

Die aufständischen Massen trennt eine große Kluft von ihren verräterischen stalinistischen Führern. Doch solange die Stalinisten am Ruder sind, können sie dem revolutionären Druck der Arbeiter und Bauern nicht entkommen, die den König hassen und seine Rückkehr nie kampflos hinnehmen werden; die entschlossen sind, Griechenland nicht nur von den Kollaborateuren mit Deutschland zu säubern, sondern auch von allen Statthaltern der Metaxas-Diktatur, und die instinktiv eine sozialistische Lösung anstreben.“

– „Civil War in Greece“

Dieses dialektische Verständnis teilten die Trotzkisten in Griechenland leider nicht. Sie stellten sich nicht nur gegen die verräterischen stalinistischen Führer, sondern lehnten auch die stalinistisch geführte Massenbewegung ab.

Der Trotzkismus in Griechenland war aus der Gruppe der Archeiomarxisten entstanden, die 1924 aus der Kommunistischen Partei Griechenlands ausgeschlossen wurde. Nach mehreren Jahren Schulungsarbeit und der Veröffentlichung von grundlegenden Texten des Marxismus auf Griechisch fingen die Archeiomarxisten mit Gewerkschaftsarbeit an, wobei sie in einigen Gewerkschaften die Führung errangen. 1930 schlossen sie sich der Internationalen Linken Opposition (ILO) an und wurden zu deren größter Sektion, mit einer Mitgliedschaft, die ungefähr so groß war wie die der KKE. Vier Jahre später brach der Großteil der Archeiomarxisten mit Trotzki, als dieser zu einer neuen Internationale aufrief. Unter denen, die Trotzki treu blieben, war auch der langjährige Kader Georg Vitsoris. Nachdem Vitsoris ins Exil getrieben wurde, übernahm Agis Stinas die Führung der Gruppe.

Inzwischen hatte Pantelis Pouliopoulos, der von 1924 an bis zum Jahr vor seinem Ausschluss 1927 Generalsekretär der KKE war, die Spartakos-Gruppe gegründet. Pouliopoulos bekannte sich verbal zur Linken Opposition, lehnte es aber ab, sich mit der offiziellen ILO-Sektion, den Archeiomarxisten, zu vereinigen. Er war anfangs ebenfalls gegen den Aufruf zur Vierten Internationale gewesen, doch 1935 begann er sich der Position Trotzkis zu nähern. So gab es Ende der 1930er-Jahre in Griechenland zwei Hauptgruppen, die sich auf den Trotzkismus beriefen. Im Laufe der Jahre wechselten verschiedene andere Gruppierungen (insbesondere die von Loukas Karliaftis) zwischen den beiden hin und her oder gründeten kurzlebige unabhängige Grüppchen.

Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs versuchten die besten der europäischen trotzkistischen Kader das Programm des revolutionären Internationalismus am Leben zu erhalten, im Gegensatz zum krassen Chauvinismus der stalinistisch geführten Widerstandsbewegungen, ausgedrückt zum Beispiel in der Schlagzeile in l’Humanité, Zeitung der Kommunistischen Partei Frankreichs: „A chacun son boche“ („Jedem seinen Boche“, Schimpfwort für Deutsche). Insbesondere versuchten die Trotzkisten, sich mit den deutschen und italienischen Besatzungssoldaten zu verbrüdern, weil sie verstanden, dass sich darunter viele Arbeiterjugendliche mit kommunistischem oder sozialistischem Hintergrund befanden, die als Brückenkopf für eine sozialistische Revolution in ganz Europa dienen könnten. Beispielhaft in dieser Hinsicht waren die französischen Trotzkisten, die bei den deutschen Truppen in Brest eine Zelle aufbauten und die Zeitung Arbeiter und Soldat herausgaben, sowie das holländische Komitee Revolutionärer Marxisten. (Mehr dazu in „Documents on the ,Proletarian Military Policy‘“ [Dokumente zur Proletarischen Militärpolitik], Prometheus Research Series Nr. 2, Februar 1989.)

In Griechenland wurde Pouliopoulos zum Symbol des proletarischen Internationalismus, als er 1943 einem italienischen Hinrichtungskommando gegenüberstand und in italienischer Sprache an die Soldaten als Klassenbrüder appellierte. Diese weigerten sich zu schießen, und es blieb einem faschistischen Offizier überlassen, Pouliopoulos hinzurichten.

Der Kampf für das Programm

Die Vierten Internationalisten mussten ihr Programm unter unvorstellbar schwierigen Bedingungen anwenden. Zahlenmäßig schwach, waren die Trotzkisten in Griechenland durch den Krieg von der Vierten Internationale isoliert und wurden von Faschisten, „demokratischen“ Imperialisten und Stalinisten gleichermaßen verfolgt. Zur Zeit der italienischen Invasion 1940 befanden sich die meisten griechischen Trotzkisten zusammen mit vielen KKE-Kämpfern in den Straflagern von Metaxas. Doch die griechischen Trotzkisten waren auch durch ernsthafte politische Probleme gelähmt, besonders hinsichtlich der russischen und der nationalen Frage. (Für eine detaillierte Abhandlung über den Trotzkismus in Griechenland siehe die zwei unveröffentlichten Dissertationen von Alexis Hen: „Les trotskystes grecs et le Parti communiste de Grèce pendant la Seconde Guerre mondiale“ [Die griechischen Trotzkisten und die Kommunistische Partei Griechenlands im Zweiten Weltkrieg], INALCO, Dezember 2006, und „Les trotskystes entre deux phases de la guerre civile en Grèce 1945–1946“ [Die Trotzkisten zwischen zwei Bürgerkriegsphasen in Griechenland, 1945–1946], INALCO, November 2011.)

Im Zweiten Weltkrieg waren, anders als im Ersten, zahlreiche europäische Länder längere Zeit von der deutschen (und in geringerem Maße von der italienischen) Armee besetzt. Diese Besetzung brachte Verwirrung in die Reihen der europäischen Trotzkisten und führte zu symmetrischen Abweichungen bei der nationalen Frage. So trat in Frankreich die Gruppe um Marcel Hic für eine ausgesprochen nationalistische Volksfront-Linie ein (der sich andere französische Trotzkisten entgegenstellten), wonach die Trotzkisten „der ,französischen‘ Fraktion der Bourgeoisie die Hand reichen“ sollten (zitiert in „Documents on the ,Proletarian Military Policy‘“). In Griechenland begingen die beiden trotzkistischen Gruppen den entgegengesetzten Fehler, indem sie nicht anerkannten, dass es unter der Nazi-Besetzung auch Aspekte von nationaler Unterdrückung gab. Karliaftis verteidigte diese abstentionistische Position sein Leben lang:

„Im imperialistischen Krieg ist eine Besetzung nichts weiter als eine Phase, ein mehr oder weniger bedeutendes Ereignis im andauernden Krieg… Weder stellt sich damit die nationale Frage und die Frage der nationalen Befreiung, noch ändern sich damit die grundlegenden Pflichten des Proletariats, d. h. die Verwandlung des Krieges in einen Bürgerkrieg.“

– zitiert in: „Documents on the ,Proletarian Military Policy‘“

Trotzki war zwar gegen jene „Quasi-Internationalisten“, die nach Frankreichs Besetzung durch die Nazis für die Unterstützung der alliierten Imperialisten eintraten, aber im Gegensatz zu Karliaftis ignorierte er nicht, dass die nationale Frage wieder an Bedeutung gewann. Vielmehr betonte er die zusätzliche Schubkraft, die eine proletarische Revolution durch den Kampf gegen nationale Unterdrückung erhalten könne:

„In den besiegten Ländern wird sich die Lage der Massen sofort aufs äußerste verschlechtern. Zur sozialen Unterdrückung kommt nationale Unterdrückung hinzu, deren Hauptlast ebenfalls von den Arbeitern getragen wird. Unter allen Formen der Diktatur ist die totalitäre Diktatur eines ausländischen Eroberers die unerträglichste…

Mit Sicherheit ist zu erwarten, dass sich jedes eroberte Land rasch in ein Pulverfass verwandeln wird…

Die neue Kriegskarte Europas macht die Prinzipien des revolutionären Klassenkampfes nicht hinfällig.“

– „We Do Not Change Our Course“ [Wir ändern unseren Kurs nicht] (Juni 1940)

In der russischen Frage waren die beiden griechischen trotzkistischen Gruppen uneins. Die Pouliopoulos-Gruppe rief zur bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion auf. Stinas lehnte dies ab und sein Antisowjetismus wurde sogar noch giftiger, als Stalin im Block mit den alliierten Imperialisten in den Krieg eintrat. Ähnliche Auseinandersetzungen über die russische Frage brachen in anderen Sektionen der Vierten Internationale aus, vor allem in der amerikanischen SWP, wo sich nach der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes eine kleinbürgerliche Opposition unter der Führung von Max Shachtman, James Burnham und Martin Abern abspaltete und die Workers Party gründete, die sich unverhohlen von der bedingungslosen militärischen Verteidigung der UdSSR lossagte.

Beide griechischen Gruppen lehnten die Volksfrontpolitik der Stalinisten ab und verurteilten die Unterstützung der angloamerikanischen Alliierten. Sie schlossen sich dem Enthusiasmus der KKE für Metaxas’ Krieg gegen Italien nicht an, denn sie erkannten, dass dieser dem interimperialistischen Konflikt untergeordnet war. Jedoch gingen beide trotzkistischen Gruppen in Griechenland darüber noch hinaus, indem sie die Verteidigung der ELAS erst gegen die deutsche Besatzungsarmee und dann 1944/45 gegen die reaktionären britischen/griechischen Kräfte grundsätzlich ablehnten. Durch diese abstentionistische Linie der Trotzkisten waren die kämpfenden Massen der chauvinistischen Demagogie der Stalinisten ausgeliefert.

Die tiefe Desorientierung der griechischen Trotzkisten im Krieg war das Resultat ihres jahrelangen Versäumnisses, den Vorrang des Kampfes für programmatische Klarheit anzuerkennen. Derartige interne Kämpfe sind für das Zusammenschweißen einer politisch homogenen Kaderorganisation entscheidend. Stattdessen brachte der vorgebliche Trotzkismus in Griechenland eine Vielzahl von konfusen und heterogenen Gruppen hervor, die sich zusammentaten und dann wieder auseinanderfielen, ohne im Geringsten an Klarheit gewonnen zu haben.

Sektierertum und Stalinophobie

Sobald 1945 der Kontakt mit der Internationale wiederhergestellt war, wurde das Sektierertum der griechischen Organisationen gegenüber der Widerstandsbewegung zum Gegenstand der Kritik ihrer Genossen in anderen Ländern. Doch der Rat gegen Sektierertum ging oft in Richtung des Opportunismus gegenüber den Stalinisten. Diese opportunistische Stoßrichtung war bereits in einer Resolution offensichtlich, die auf einer Geheimkonferenz im Februar 1944 in Paris verabschiedet wurde. Zu den Teilnehmern gehörten auch zwei Exilgriechen: Georg Vitsoris sowie Michalis Raptis (Michel Pablo), der nach dem Krieg zum wichtigsten Führer der Internationale und zum Architekten einer revisionistischen Politik wurde, die zur Zerstörung der Internationale führte. Diese Resolution rief die Vierten Internationalisten auf, sie sollten sich:

„unter den Mitgliedern der militärischen Organisationen, die von der Nationalen Einheit der antideutschen Bourgeoisie und der Stalinisten kontrolliert werden, als geheime Fraktionen organisieren, mit eigener Disziplin und fest ausgerichtet auf den Bruch mit diesen Organisationen, wann immer dies am vorteilhaftesten oder dringlichsten erscheint.“

– „Theses on Liquidation of World War II and the Revolutionary Upsurge“ [Thesen über das Ende des Zweiten Weltkriegs und zum revolutionären Aufschwung], Fourth International (März 1945)

Trotzkisten lehnen den Partisanenkampf nicht aus Prinzip ab, denn er kann für den Kampf des Proletariats durchaus von Nutzen sein, wenn es um den Sturz der kapitalistischen Herrschaft geht. Doch wie wir in der Einleitung zu unserer Broschüre der Prometheus Research Series bemerkten:

„Obwohl die Entwicklung der jeweiligen Partisanenbewegungen in Frankreich, Italien und Griechenland einen unterschiedlichen Verlauf nahm, war deren Führung, soweit sie nicht einfach bürgerlich-nationalistisch war, stalinistisch, wobei die Stalinisten ihre Kräfte dem militärischen und politischen Bündnis mit den ,demokratischen‘ Imperialisten untergeordnet hatten. Hätten die kleinen trotzkistischen Zellen bei den nationalistischen bürgerlichen oder stalinistischen Militärformationen mitgemacht und sich dadurch entsprechend untergeordnet und angepasst, so hätte dies das Aufgeben des Klassenstandpunktes und das Überschreiten der Klassenlinie, also Klassenkollaboration bedeutet. Darüber hinaus hätte es die notwendige Strategie der Zersetzung der Armeen der Achsenmächte durch revolutionäre Verbrüderung durchkreuzt.“

– „Documents on the ,Proletarian Military Policy‘“

Diejenigen griechischen Trotzkisten, die sich dem stalinistisch geführten Widerstand anzuschließen versuchten, wurden oft mit der Kugel eines stalinistischen Meuchelmörders belohnt. Es wäre notwendig gewesen, in den Städten beim Proletariat zu bleiben und sich auf den Augenblick vorzubereiten, wo sich das Proletariat als Klasse im Kampf erhebt. Das war zum Beispiel in Vietnam bei der Niederlage der japanischen Besatzungstruppen 1945 der Fall. Obwohl dort die Trotzkisten letztendlich besiegt und viele ihrer Kader gefangen genommen und hingerichtet wurden, konnten sie in die damals stattfindenden sozialen Unruhen eingreifen und in Saigon einen proletarischen Aufstand gegen die von Ho Chi Minhs Stalinisten dominierte Volksfrontregierung anführen, die mit den Streitkräften des britischen und französischen Imperialismus verbündet war. (Siehe die Spartacist-Broschüre Stalinism and Trotskyism in Vietnam, 1976.)

Griechenland war nicht Vietnam. Die große Mehrheit der Arbeiterklasse stand unter der festen Kontrolle der Stalinisten, die während des Dezemberaufstands von 1944 die Trotzkisten zu Dutzenden zusammengetrieben und ermordet hatten. Doch was den Trotzkisten grundsätzlich fehlte war ein Programm, mit dem sie in die stalinistisch geführte Massenbewegung intervenieren konnten. Anstatt die Arbeitererhebung zu unterstützen und zugleich gegen die verräterischen stalinistischen Führer aufzutreten und ihre kompromisslerische Politik zu entlarven, nahmen die Trotzkisten eine abstentionistische Haltung ein.

Die von dem verstorbenen Pouliopoulos gegründete Gruppe behauptete in einer Erklärung zu den Dekemvriana, die im Februar 1945 veröffentlicht wurde, dass angesichts der mörderischen antitrotzkistischen Rolle der KKE eine Intervention objektiv unmöglich gewesen sei. In der Erklärung wird zwar anerkannt, dass der Kampf „zwischen der Rechten und der KKE/EAM den Charakter eines Konflikts zwischen dem Kapital und den unterdrückten Schichten der Gesellschaft annahm“, doch jeder Hinweis auf eine militärische Verteidigung der EAM-Kräfte wird vermieden (zitiert in „Les trotskystes grecs et le Parti communiste de Grèce pendant la Seconde Guerre mondiale“). Zwei Monate später setzte die Pouliopoulos-Gruppe, die inzwischen mit Karliaftis fusioniert hatte, in einer Konferenzresolution (veröffentlicht in ihrer Zeitung Ergatika Nea, Arbeiternachrichten) die EAM mit den bürgerlichen britischen/griechischen Kräften gleich:

„Die beiden sich gegenseitig bekämpfenden Gruppen müssen vom Standpunkt des Klassenkampfes und der proletarischen Revolution aus beurteilt werden; die unterdrückten Massen können und müssen diese allein aufgrund dieser historischen Perspektive beurteilen und beide schonungslos verurteilen wegen ihrer politischen Linie sowie wegen des Kräfteverhältnisses, auf das sie sich stützten, und der Mittel und Methoden, die sie anwandten…

Der Konflikt, der innerhalb der Dezember-Bewegung entstand, war kein Konflikt zwischen entgegengesetzten sozialen Kräften, sei es zwischen Kapital und Proletariat oder zwischen dem Kapital und den unterdrückten Schichten der Bevölkerung.“

– zitiert in: „Les trotskystes entre deux phases de la guerre civile en Grèce 1945–1946“

Mit dieser hämischen Devise „Hol die Pest Euere Häuser beide!“ – wie konnten die Trotzkisten je hoffen, damit irgendeinen der vielen tausenden Arbeiter zu gewinnen, die sich durch die Kapitulation der KKE-Führung verraten fühlten?

Schon Anfang 1945 hatten oppositionelle Elemente in der Pouliopoulos-Gruppe angefangen, deren abstentionistische Linie während der Revolte zu kritisieren. Die interne Diskussion wurde in der Zeitung der Gruppe öffentlich gemacht, mit differenzierteren Ansichten über die Rolle der Stalinisten und die Widersprüche der Widerstandsbewegung. Auf einer Konferenz im Juli 1946, an der auch Pablo teilnahm, fusionierten die Stinas- und die Pouliopoulos-Gruppe (sowie eine weitere kleine Gruppe aus Thessaloniki) zur Internationalistischen Kommunistischen Partei Griechenlands (Vierte Internationale), der KDKE. Obwohl nur eine Minderheit der fusionierten Gruppe Pablo unterstützte, gelang es diesem, seine Linie durchzusetzen, die das Sektierertum der Trotzkisten gegenüber der Widerstandsbewegung und den Dekemvriana verurteilte. Während des Guerillakriegs von 1946–49 bezogen die Trotzkisten eindeutig Stellung dafür, die von der KP geführten Kräfte militärisch zu unterstützen.

Angesichts der politischen Bedrohung, die der Trotzkismus darstellte, erklärte sich die KKE im Herbst 1946 bereit, in einer Reihe von drei Veranstaltungen mit der KDKE in Athen zu debattieren. Die Stalinisten waren wegen der bürgerlichen Verfolgung und der Gärung in ihren eigenen Reihen nach dem Verrat von Varkiza in die Defensive gedrängt worden. Eine zentrale Streitfrage bei den Debatten waren die britischen Truppen. Obwohl die Trotzkisten – im Gegensatz zur KKE – zu Recht davor gewarnt hatten, dass die alliierten Imperialisten den Massen eine neue Diktatur aufzwingen würden, waren die trotzkistischen Redner nicht bereit, sich explizit für den Abzug der britischen Truppen auszusprechen, weil dies für sie ein Zugeständnis an den griechischen Nationalismus bedeutet hätte. Zu den von der KDKE ausgewählten Sprechern gehörten der antisowjetische Stinas sowie Karliaftis, der immer noch seine frühere Position verteidigte, keine Seite mit der ELAS gegen die Wehrmacht zu beziehen. Dies verdeutlichte, dass die griechischen Trotzkisten sich weiterhin weigerten, sich um die Arbeiterbasis der Stalinisten zu bemühen.

Fast 70 Jahre später stellen jetzt die Gruppen, die in Griechenland einen falschen Anspruch auf den Trotzkismus erheben, ein sozialdemokratisches, antikommunistisches Sammelsurium dar – sie meiden die KKE wie der Teufel das Weihwasser und haben für deren Arbeiterbasis nur Verachtung übrig. Im Gegensatz dazu hat die Trotzkistische Gruppe Griechenlands als einzige Organisation die Perspektive, die griechischen Arbeiter, darunter auch die Anhänger der KKE, zu einem revolutionären Programm sowie zum Kampf für eine authentisch leninistische Avantgardepartei zu gewinnen.

Griechischer Stalinismus – damals und heute

Die erste Lehre, die man aus Widerstand und Bürgerkrieg zu ziehen hat, ist die Erkenntnis, dass die Niederlage nicht in erster Linie auf die militärische Überlegenheit des Gegners zurückzuführen ist und auch nicht auf die Fehler von Einzelpersonen, sondern auf die stalinistische Politik der Führung. Die soziale Befreiung, die die Massen herbeisehnten und für die sie kämpften, konnte nur durch eine Arbeiterrevolution erreicht werden, die die kapitalistischen Ausbeuter hinwegfegt. Genau das erwarteten und ersehnten Abertausende von kämpferischen Kommunisten nach dem Sieg über die faschistische Pest, nicht nur in Griechenland, sondern auch in Frankreich, Italien und anderen Ländern. Aber die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion fürchtete eine Arbeiterrevolution, da sie wusste, dass dadurch ihr Schmarotzerdasein bedroht würde. Und die KKE-Führer, die Stalin folgten, ermöglichten es der Bourgeoisie, wieder an die Macht zu gelangen. Wer den Verrat aus der Vergangenheit rechtfertigt oder beschönigt, bereitet einen neuen vor.

Das ist heute in Griechenland deutlich spürbar. Während das Leben für die Massen und insbesondere die Jugend immer unerträglicher wird, brüstet sich die KKE mit den von ihrer Gewerkschaftsorganisation PAME organisierten Protestaktionen und argumentiert gleichzeitig, das Proletariat müsse den Tag abwarten, an dem eine „objektiv revolutionäre Situation“ vom Himmel fällt, als eine Art Deus ex Machina. In der Zwischenzeit wachsen die mit dem Nazigruß aufmarschierenden Faschisten von Chrysi Avgi sprunghaft an, weil sie eine „radikale“ Antwort jetzt anbieten. Dringend nötig ist eine Arbeitereinheitsfront, die den Kampf aufnimmt und alle wichtigen Gewerkschaften einbezieht, um die Arbeiterbewegung, Immigranten, Homosexuelle und alle Unterdrückten gegen die Faschisten zu verteidigen. Stattdessen redet die KKE davon, „die verbrecherischen und menschenverachtenden Theorien“ der Faschisten durch Bildungsprogramme in den Schulen zu „isolieren“ oder sie an der Wahlurne zu schlagen (Erklärung des Politbüros der KKE, 27. September 2013).

Die Faschisten sind kein Debattierklub oder rechter ideologischer Zirkel, sondern eine gewalttätige paramilitärische Bande, die sich ethnischen „Säuberungen“ und der völligen Zerschlagung der Arbeiterbewegung verschrieben hat. Die griechische Bourgeoisie sieht ihre Herrschaft derzeit nicht durch das Proletariat bedroht und gibt daher den Faschisten noch nicht in dem Maße ihre Unterstützung, wie es Anfang der 1930er-Jahre die Schlüsselsektoren der deutschen Bourgeoisie taten. Doch Trotzkis Warnung an die deutschen Arbeiter gilt auch für die KKE-Mitglieder von heute:

„Arbeiter-Kommunisten, Ihr seid Hunderttausende, Millionen; Ihr könnt nirgendwohin wegfahren, für Euch gibt es nicht Reisepässe genug. Wenn der Faschismus an die Macht kommt, wird er wie ein furchtbarer Tank über Eure Schädel und Wirbelsäulen hinwegrollen. Rettung liegt nur in unbarmherzigem Kampf.“

– Trotzki, „Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen?“ (Dezember 1931)

Die KKE bemäntelt ihre kriminelle Passivität mit der völlig korrekten Erklärung, dass die einzige Antwort auf den Faschismus letztendlich eine sozialistische Revolution ist. Doch das Programm der KKE ist nicht die sozialistische Revolution, sondern reformistisches Vertrauen in den bürgerlichen Staat. Die KKE beklagt sich: „Der bürgerliche Staat verfügt im juristischen Rahmen über die Mittel, die kriminellen Aktivitäten der ,Chrysi Avgi‘ zu bekämpfen. Die Tatsache, dass dies bisher nicht geschehen ist, liegt in der Verantwortung der Regierungen“ (Erklärung des Politbüros der KKE, 27. September 2013). Die Bourgeoisie hält die Faschisten in Reserve als eine Kraft, die sie auf das Proletariat loslassen kann, sobald und sofern es nötig wird. Und selbst wenn der Staat aus Eigeninteresse ihnen einen kleinen Denkzettel verpasst, dient dies der Bourgeoisie als Präzedenzfall für die verstärkte Unterdrückung von „Extremisten“ auf der Linken. Darüber hinaus ermöglicht es den faschistischen Mördern auch, wie in Griechenland heute offensichtlich, sich gegenüber dem „kleinen Mann“ als Märtyrer darzustellen.

In Übereinstimmung mit ihrem kriecherischen Legalismus versucht die KKE sich bei den faschistisch verseuchten Bullen anzubiedern, indem sie ihre „Streiks“ unterstützt und diese bezahlten Schläger des kapitalistischen Staates in der Arbeiterbewegung willkommen heißt. In einem Brief vom 27. Februar 2013 an den Präsidenten der European Confederation of Police erklärte Aleka Papariga von der KKE unverblümt: „Wie bei allen anderen Werktätigen unterstützen wir das Recht der Uniformierten, Gewerkschaftsaktionen durchzuführen und für ein anständiges Leben zu kämpfen“ (Rizospastis, 8. März 2013).

Die Trotzkistische Gruppe Griechenlands kämpft darum, aus denjenigen, die aus den Lehren der Geschichte lernen wollen, einen bolschewistischen Kader zusammenzuschweißen, der sich zum Aufbau einer griechischen Sektion der wiedergeschmiedeten Vierten Internationale verpflichtet. Im Kampf für eine Partei, die einen neuen revolutionären Aufschwung zum Sieg führen kann, möchten wir die folgende Passage aus einem Dokument der britischen Socialist Labour League von 1961, einem der Gründungsdokumente unserer Tendenz, besonders hervorheben:

„Die Geschichte der letzten 40 Jahre hat nachdrücklich die von Lenin und Trotzki so oft wiederholte Lektion bestätigt, dass es für die Bourgeoisie keine unmöglichen Situationen gibt. Sie überlebte die Anfechtungen von Revolution und Wirtschaftsdepression zwischen den Kriegen durch das Zurückgreifen auf den Faschismus. Sie überlebte den Zweiten Weltkrieg mit Hilfe der Komplizenschaft der stalinistischen und sozialdemokratischen Führungen – die sicherstellten, dass die Arbeiterklasse nicht nach der Macht griff – und sie benutzte die Atempause, um neue Herrschaftsmethoden zu entwickeln und die Wirtschaft zu stärken. Sogar die aussichtsloseste Lage kann überwunden werden, solange die aktive Intervention der Arbeiter als Klasse für sich – mit einer Partei und Führung, die die Perspektive haben, den Kapitalismus zu stürzen – nicht rechtzeitig vorbereitet wird.“

– „The World Prospect for Socialism“ [Die Weltperspektive für den Sozialismus]

Die ganze Selbstkritik der KKE ist ein Schwindel, der verschleiern soll, dass ihre heutige Politik von Grund auf in einer Kontinuität steht mit ihrer Politik der Klassenzusammenarbeit, die Griechenlands Arbeiterklasse in den 1940er-Jahren in eine Todesfalle führte. Eine Partei, die in der Lage ist, den Kampf für die Macht der Arbeiterklasse zu führen, kann nur dadurch geschmiedet werden, dass sie die Wahrheit sagt und das Proletariat davon überzeugt, dass seine Klasseninteressen allen Flügeln der Bourgeoisie und ihrem Staat unversöhnlich entgegenstehen.

 

Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr. 30

DSp Nr. 30

Winter 2014/15

·

Die Folgen stalinistischer Klassenzusammenarbeit

Griechenland 1940-49: Eine verratene Revolution

·

Clara Zetkin und der Kampf für die Dritte Internationale

(Frauen und Revolution)

·

Brief der IKL an Revolutionary History, 1991

Gegen reformistische Apologeten des ukrainischen Faschismus

·

Korrektur zur Voran/Militant-Labour-Broschüre

Die Polizei und die Deutsche Revolution von 1918/19

·

Aus den Archiven des Marxismus

Bolschewistische Politik im Ersten Weltkrieg

„Pazifismus oder Marxismus“ von Grigori Sinowjew