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Spartakist Nummer 215

Winter 2016/2017

Nieder mit der Repression!

Studentenproteste in Südafrika

Folgende Einleitung erschien zuerst in Workers Vanguard, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S. (Nr. 1099, 4. November 2016).

30. Oktober 2016 – Südafrikas Neo-Apartheid-Regierung hat ihre brutale Repression gegen Studenten, die für kostenlose, hochwertige Bildung für alle kämpfen, weiter verschärft. Ende vergangenen Jahres hatten Campus-Streiks und -Proteste Südafrika in Aufruhr versetzt und dazu geführt, dass die Regierung die zuvor angekündigte Erhöhung der Studiengebühren auf Eis legte. Als im September der Minister für Hochschulbildung (und Generalsekretär der Kommunistischen Partei) Blade Nzimande ankündigte, dass die Gebühren wieder erhöht werden würden, flackerten erneut Massenproteste auf. Wie unsere Genossen von Spartacist/South Africa in einem Flugblatt vom 22. September schilderten, schickte die Dreierallianz-Regierung aus Afrikanischem Nationalkongress (ANC), Kommunistischer Partei Südafrikas (SACP) und dem Kongress Südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU) ihre Bullen und Campus-Sicherheitsleute, um diese Proteste durch Tränengaswolken, Hagel von Gummigeschossen und Massenverhaftungen brutal zu unterdrücken (siehe „Mass Student Protests Demand Free Education Now“ [Studentenmassenproteste fordern: Kostenlose Bildung sofort], Workers Vanguard Nr. 1097, 7. Oktober 2016).

In den Wochen seither wurde die Repression noch intensiver. Die Polizei verkündete diese Woche, dass seit Februar 831 „Fees-Must-Fall“-Demonstranten [Studiengebühren müssen fallen] verhaftet wurden! Am 20. Oktober starb der Studentenführer Benjamin Lesedi Phehla von der Technischen Universität Tshwane, nachdem ein Auto in eine Studentendemonstration hineingerast war. Das Partisan Defense Committee (eine mit der Spartacist League/U.S. verbundene rechtliche und soziale Verteidigungsorganisation, in Deutschland das Komitee für soziale Verteidigung) schickte am 25. Oktober ein Protestschreiben an die südafrikanische Regierung:

„Wir stehen in Solidarität mit den protestierenden Studenten und ihrer Forderung nach kostenloser, hochwertiger Bildung, ohne die schwarze Jugendliche dazu verurteilt sind, Billigjobs anzunehmen, oder gezwungen sind, sich in Südafrikas arbeitslose Massen einzureihen. Ganze 3,2 Prozent aller schwarzen Jugendlichen im Alter von 18 bis 29 Jahren besuchen weiterführende Schulen, und 85 Prozent davon brechen die Ausbildung ab.“

Dass die Studentenproteste ungeachtet der heftigen Repression weitergingen, ist nur ein Ausdruck davon, wie brisant die Lage im ganzen Land ist. Die Proteste trafen einen Nerv bei den Unterdrückten, die äußerst unzufrieden sind über die gebrochenen Versprechungen, sie von der weißen Minderheitsherrschaft zu befreien. Die Führer der Dreierallianz sind bei den Arbeitern, den Armen der Townships und bei der Jugend weitgehend in Verruf geraten, nicht zuletzt wegen der nackten Polizeirepression, die die Regierung anwendet. Am krassesten zeigte sich das wahre Gesicht des rassistischen Neo-Apartheid-Südafrikas bei dem Polizeimassaker an 34 streikenden Bergarbeitern in Marikana 2012. Anzeichen für den Autoritätsverlust der ehemaligen Führer des „Befreiungskampfes“ ist die Tatsache, dass auch einige Führer von Jugendorganisationen der Dreierallianz selber bei den jetzigen Studentenprotesten verhaftet wurden. Die Dreierallianz-Führer weckten weit verbreitete Erwartungen in ein besseres Leben für die verarmten schwarzen Massen, agieren aber als Strohmänner des rassistischen kapitalistischen Ausbeutersystems, unter dem diese Erwartungen niemals erfüllt werden können. Nachstehend drucken wir eine Erklärung von Spartacist/South Africa vom 19. Oktober 2016 ab.

Am Sonntag verhaftete die Polizei bei einer frühmorgendlichen Razzia im Wits-Junction-Studentenwohnheim Mcebo Dlamini, ehemaliger Präsident des SRC [Studentenvertretung] der Wits [Witwatersrand-Universität in Johannesburg] und prominenter Führer der Fees-Must-Fall-Proteste (FMF). Die fingierten Anklagen gegen Dlamini lauten auf Angriff mit beabsichtigter schwerer Körperverletzung, gewaltsame Störung der öffentlichen Ordnung und Diebstahl. Heute wurde ihm skandalöserweise Freilassung auf Kaution verweigert, da die Staatsanwaltschaft „Fluchtgefahr“ geltend machte, weil er in Swasiland, außerhalb der vom Kolonialismus gezogenen südafrikanischen Grenzen, geboren wurde! [Inzwischen kam er auf Kaution frei mit der Auflage, nicht durch „gesetzeswidrige Aktivitäten“ den Lehrbetrieb in Wits zu stören.] Dlaminis Verfolgung ist Teil eines durchsichtigen, koordinierten Versuchs des bürgerlichen Staates, die Massenproteste für kostenlose Hochschulbildung durch ihre Enthauptung zu zerschlagen. Von Pretoria über Kapstadt bis Durban wurden Studentenführer verhaftet, interniert oder von den Bullen mit Festnahme bedroht. Protestführer an der Wits erfuhren von einer „Abschussliste“ der Polizei und der Universitätsleitungen, die Hand in Hand arbeiten, um militante Studenten zu verfolgen. Laut Polizei wurden in den vergangenen acht Monaten mehr als 500 Menschen im Zusammenhang mit den FMF-Protesten verhaftet. An der Universität von KwaZulu-Natal sitzen elf Studenten seit einem Monat im Gefängnis. An der Universität von Kapstadt wurde letzte Woche dem Studentenführer Masixole Mlandu Freilassung auf Kaution verweigert, ihm droht mindestens eine Woche Haft in Pollsmoor, einem für seine Brutalität berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis, in das das weiße rassistische Apartheid-Regime regelmäßig schwarze Freiheitskämpfer schickte, um ihnen eine Lektion zu erteilen. Ein weiterer diese Woche an der Wits verhafteter Student wurde von den Bullen verschleppt und in Limpopo ausgesetzt, nachdem er Berichten zufolge nackt ausgezogen und gefoltert worden war.

Kapitalistischer Staat und Universitätsverwaltungen antworten zunehmend mit nackter Polizeirepression, flankiert von zynischer, rassistischer Propaganda, in der die Protestierenden als „gewalttätige Schläger“ verleumdet werden, welche die Rechte einer „schweigenden Mehrheit“, die „einfach nur lernen möchte“, mit Füßen treten. Diese Heuchelei enthüllte sich in den vergangenen Wochen jedem, der sich die Mühe machte hinzuschauen: Eine Universität nach der anderen ordnete die Wiederaufnahme des Lehrbetriebs an und setzte dies mit Waffengewalt durch. Die Besatzungstruppen der Polizei trieben nicht nur protestierende Studenten auseinander und verfolgten sie, sondern schossen sogar auf einen katholischen Priester, der versuchte, in seiner Kirche Zuflucht suchende Demonstranten zu schützen. Sie eröffneten das Feuer auch auf Personen, die Lehrveranstaltungen besuchen wollten, ebenso auf Campus-Arbeiter, die einfach nur versucht hatten, Studenten gegen die Polizeigewalt zu verteidigen. Dieses Wochenende verhängte die Wits-Verwaltung eine Ausgangssperre nach 22 Uhr – ein rassistisches rigoroses Vorgehen gegen schwarze Studenten, die die überwiegende Mehrheit der auf dem Campus Wohnenden stellen. Selbst diejenigen, die diese Ausgangssperre befolgten und in ihren Wohnheimen blieben, wurden von der Polizei angegriffen und beschossen. Viele Studenten haben sich dieser Ausgangssperre zu Recht widersetzt und sie als „Habibs [Rektor von Wits] Apartheid“ angeprangert. Nieder mit der rassistischen Ausgangssperre an der Wits!

Die protestierenden Studenten haben militant und mutig gekämpft, um die Universitäten lahmzulegen. Das ist ihr einziges Mittel, das System zu stören und ihrem Ärger über ihren Ausschluss von höherer Bildung – finanziell und durch rassistische Diskriminierung – Gehör zu verschaffen. Campusarbeiter an der Wits und anderen Universitäten legten in Solidarität mit den Studenten und aus Protest gegen das brutale Durchgreifen der Polizei die Arbeit nieder, ebenso wie einige Mitglieder des Lehrpersonals, hauptsächlich Schwarze. Aber die Durchsetzung der gerechten Protestforderungen läuft letztlich auf eine Schlacht zwischen Klassenkräften in der Gesellschaft hinaus, und Realität ist, dass die Lahmlegung des Lehrbetriebs an und für sich den Interessen der vorwiegend weißen herrschenden Kapitalistenklasse, der die bürgerliche Dreierallianz-Regierung und die Universitätsrektoren gleichermaßen dienen, nicht wirklich schadet. Die Studenten brauchen nicht einfach nur überzeugende und schlagkräftige Argumente, sie brauchen soziale Macht. Gegen diese Polizeistaatsmethoden im Apartheid-Stil muss es militante Massenproteste geben, in deren Zentrum das überwiegend schwarze Proletariat des Landes steht, das den Kapitalisten da weh tun kann, wo es zählt – bei ihren Profiten. Nur die Arbeiterklasse hat diese Macht, aufgrund ihrer Organisierung und zentralen Rolle im kapitalistischen Produktionssystem.

Entscheidend zur Entfesselung dieser Macht ist ein politischer Kampf gegen die Arbeiterleutnants des Kapitals, die gegenwärtig in den Führungen der Organisationen der Arbeiterklasse sitzen. Die Führer von SACP und COSATU ließen keinerlei Zweifel daran, wo sie stehen. In zahlreichen Erklärungen verurteilten sie die Proteste als „gewalttätig“ und forderten ihre Beendigung. Das ist kein Zufall, sondern ergibt sich aus ihrer prokapitalistischen Politik der Klassenzusammenarbeit. Die Spitzen von SACP und COSATU sind Teil der bürgerlichen Dreierallianz mit dem bürgerlichen ANC und somit direkt verantwortlich für die Angriffe auf die Arbeiter und Unterdrückten, die diese kapitalistische Regierung im Rahmen der Verwaltung des Neo-Apartheid-Systems durchführt. Dazu zählt auch die staatliche Verfolgung von Studentenführern wie Mcebo Dlamini, obwohl er und viele andere Protestführer der Progressive Youth Alliance, dem Jugendableger der Dreierallianz, angehören. Die Führer von NUMSA, AMCU und anderen „unabhängigen“ Gewerkschaften gehören zwar nicht der Dreierallianz an, haben aber im Grunde das gleiche prokapitalistische Programm. Bisher haben sie allenfalls verbale „Solidarität“ mit den Studentenprotesten bekundet, sich aber geweigert, ihre Basis zur Verteidigung der Demonstranten gegen den kapitalistischen Staat zu mobilisieren.

Die Arbeiterklasse braucht eine revolutionäre Avantgardepartei, die als Tribun aller Unterdrückten handelt, ausgehend von dem Verständnis der historischen Rolle des Proletariats als Totengräber des Kapitalismus und ausgerichtet auf strikte politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse vom kapitalistischen Staat und allen bürgerlichen Parteien. Im Neo-Apartheid-Südafrika, wo sich Rassen- und Klassenunterdrückung immer noch weitgehend decken, ist der Kampf für den revolutionären Sturz des Kapitalismus untrennbar verbunden mit dem Kampf für nationale Befreiung der schwarzen Mehrheit, bei dem das Proletariat die Führung übernehmen muss – dem Kampf für eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung. Dies bedeutet einen scharfen politischen Kampf gegen alle Spielarten des Nationalismus – die Lüge, dass die schwarze Bevölkerung insgesamt ein gemeinsames Interesse hat, das über den Klassen steht –, der bedeutet, den Klassenkampf abzulehnen und das Proletariat seinen Klassenfeinden unterzuordnen. Wir von Spartacist/South Africa haben die feste Perspektive, die leninistisch-trotzkistische Partei aufzubauen, die notwendig ist, um der rassistischen Neo-Apartheid ein Ende zu bereiten – als Teil des Kampfes für neue Oktoberrevolutionen weltweit. Jeder Student oder Lehrende, dem Ausbildung am Herzen liegt, jeder klassenbewusste Arbeiter muss fordern: Freiheit für alle protestierenden Studenten! Die Anklagen müssen fallengelassen werden! Keine Bullen auf dem Campus! Vorwärts zu einer kostenlosen, hochwertigen Bildung für alle!

Schickt Protestbriefe!

Wir rufen Gewerkschaften, Studentenorganisationen und antirassistische Aktivisten weltweit dazu auf, sich mit den südafrikanischen Studentenaktivisten zu solidarisieren. Schickt Protesterklärungen mit der Forderung nach der Freilassung aller verhafteten Demonstranten und dem Fallenlassen aller Anklagen an:

Mr.  Jacob Zuma, President of the Republic of South Africa, Private Bag X1000, Pretoria, 0001, South Africa; E-Mail: presidentrsa@presidency.gov.za und Dr. Blade Nzimande, Minister of Higher Education and Training, Private Bag X174, Pretoria, 0001, South Africa; E-Mail: Sako.M@dhet.gov.za.

 

Spartakist Nr. 215

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