|
|
Spartakist Nummer 210 |
Oktober 2015 |
|
|
Griechische Trotzkisten zur vorgezogenen Neuwahl
Keine Stimme für Syriza! Keine Stimme für Volkseinheit!
KKE: Widerruft eure Aufforderung zum Ungültigwählen beim Referendum!
Am 20. September gewann die kapitalistische Syriza-Partei bei den Parlamentswahlen mit 35 Prozent. Alexis Tsipras liess sich bereits einen Tag später zum Ministerpräsidenten vereidigen und erklärte, dass er und die rechte ANEL erneut die Regierung bilden werden, obwohl beide Parteien bei der Wahl mehr als 430 000 Stimmen verloren. Dies ist eine Kampfansage an alle Griechen, die von der imperialistischen EU aufgedrückten Spar-Memoranden jetzt zusammen mit Syrizas eigenem Austeritäts-Paket umzusetzen. Fast die Hälfte der Griechen ging trotz Wahlpflicht erst gar nicht zur Wahl und sah darin keinen Weg aus der Krise. Die KKE bot trotz ihrer Verankerung in den Gewerkschaften keine Perspektive, sie hatte skandalöserweise bei dem Referendum im Juli nicht zu einer Neinstimme gegen die EU aufgerufen und damit auch eine Gelegenheit verpasst, die Arbeiterklasse im Kampf nach vorne zu unterstützen. Ein Widerruf dieser falschen Position durch die KKE wäre ein Beginn, die Notwendigkeit einer revolutionären, proletarischen Lösung der Krise in den Vordergrund zu stellen. Dafür kämpfen unsere Genossen der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands (TGG). Nachfolgende Erklärung unter dem Titel „Für Arbeiterkämpfe gegen EU und Euro“ verbreitete die TGG anlässlich der Wahlen vom 20. September.
7. September 2015 – Die Trotzkistische Gruppe Griechenlands ist prinzipiell gegen jede Stimmabgabe für die kapitalistische Partei Syriza bei den Wahlen am 20. September, ebenso wie schon bei den Wahlen 2012 und zuletzt im Januar. Syriza an der Macht erwies sich als genau das, was wir schon vor der Wahl sagten – sie ist der imperialistischen EU verpflichtet und ein Feind der Arbeiter und Unterdrückten. Wir sind auch aus Prinzip gegen jede Unterstützung für die Syriza-Abspaltung Volkseinheit (LAE). LAE ist eine bürgerlich-populistische „Front“, die versucht, das verdreckte Anti-Austeritäts-Banner, das Syriza bereits innerhalb weniger Monate nach ihrer Wahl in den Schmutz trat, irgendwie zu retten.
LAE-Führer Lafazanis und Konsorten bieten der Arbeiterklasse keinerlei Alternative zur bürgerlichen Syriza. Sie blieben bis zu Tsipras’ Rücktritt Teil der Syriza-Regierung und zeigten so, dass sie der Aufrechterhaltung kapitalistischer Stabilität verpflichtet sind und dass ihre Stimme gegen das Memorandum nur bloße Show war. LAE verspricht, aus dem Euro auszusteigen (doch nicht aus der EU), aber nur falls es notwendig werde! Aber die Ereignisse der vergangenen Monate zeigen sonnenklar, dass es innerhalb der Zwangsjacke der imperialistischen EU und ihres Werkzeugs Euro für die Arbeiter und Unterdrückten Griechenlands absolut keinen Weg vorwärts gibt. Nieder mit dem Euro und der EU! Zerreißt das Dritte Memorandum! Streicht die Schulden!
Als Bestrafung dafür, dass die griechische arbeitende Bevölkerung es wagte, beim Referendum am 5. Juli mit Nein zu stimmen, präsentierte die Troika ein noch bösartigeres Programm von Hunger, Elend und Demütigung. Syriza akzeptierte diese imperialistische Erpressung. Es reicht! Diese Krise kann nicht an der Wahlurne gelöst werden. Der einzige Weg vorwärts ist harter Kampf der Arbeiterklasse an der Spitze aller Unterdrückten, um Syrizas Ausverkauf abzuwehren. Am 17. Juli richtete die TGG einen Aufruf zur Bildung von Arbeiteraktionskomitees an die breitesten Schichten der Arbeiterbewegung und ihrer Verbündeten:
„Die EU und der Euro müssen zurückgewiesen werden. Im Kampf dafür und für eine Regierung, die im Interesse der Werktätigen handelt und diesen gegenüber verantwortlich ist, müssen im ganzen Land Komitees aus Arbeitern verschiedener politischer Richtungen und ihren Verbündeten – Jugendlichen, Arbeitslosen, Immigranten, Rentnern – aufgebaut werden. Diese Schlacht kann nicht im parlamentarischen Rahmen gewonnen werden… Brecht mit den Kapitalisten und ihren Banken!“ [abgedruckt in Spartakist Nr. 209, August 2015]
Wir rufen auch gleichgesinnte und klassenbewusste arbeitende Menschen in der ganzen Europäischen Union dazu auf, diese Ziele zu unterstützen und einen gemeinsamen Klassenkampf zu führen – griechische, deutsche und andere europäische Arbeiter gegen Schäuble, Merkel, Hollande und all die anderen EU-Verbrecher!
Die Internationale Kommunistische Liga, zu deren Sektionen die TGG gehört, war von Anfang an aus Prinzip Gegner der EU. Die EU ist ein instabiles, vom deutschen Imperialismus dominiertes Konsortium, dessen Ziel es ist, den Lebensstandard der Werktätigen in ganz Europa in den Keller zu treiben, auch in imperialistischen Ländern wie Deutschland. Der Euro ist ein Instrument zur wirtschaftlichen Beherrschung der ärmeren Länder durch die Hauptmächte. Der einzige Weg aus dem Albtraum immer wiederkehrender kapitalistischer Krisen ist es, die Arbeiter in ganz Europa kämpferisch zu vereinen, um die imperialistische EU wegzufegen im Kampf für sozialistische Revolutionen hier und international. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!
Sowohl 2012 als auch bei den Wahlen im Januar rief die TGG zur Wahl der reformistischen KKE auf, weil diese sich konsequent sowohl gegen Syriza als auch gegen die imperialistische EU gestellt hatte. Aber beim Referendum am 5. Juli rief die KKE-Führung die Werktätigen dazu auf, ihre Stimme wegzuwerfen durch ungültige Stimmzettel, auf die KKE-Losungen geschrieben werden sollten. Dieser Verrat steht in völligem Gegensatz zu der von der KKE behaupteten Opposition gegen die EU. Wir fordern die KKE auf, ihre Position zum Referendum am 5. Juli zu widerrufen. Falls die KKE das tut, werden wir ihr bei den kommenden Wahlen kritische Wahlunterstützung geben.
Die Antwort der KKE auf das Referendum am 5. Juli stand auch im Gegensatz zu allen anderen Aufrufen der KKE für eine Nein-Stimme bei EU-Referenden – vom Maastrichter Vertrag bis zum Lissabonner Vertrag. Und 2011 rief die KKE zu einer Nein-Stimme bei dem von Papandreou von der PASOK geplanten Referendum über das zweite [EU-]Memorandum auf (siehe Rizospastis, 3. November 2011, Titelseite). Die KKE-Führer behaupteten, eine Ablehnung des Troika-Deals am 5. Juli hätte eine implizite Unterstützung für Syrizas eigenes verrottetes Austeritäts-Paket bedeutet. Sowohl 2011 als auch 2015 war die Ablehnung des Troika-Deals einfach eine Ansage an die imperialistischen EU-Herrscher, zur Hölle zu fahren.
Vor dem Referendum am 5. Juli veröffentlichte die TGG eine Erklärung: „Stimmt mit Nein! Nieder mit der EU! Keine Unterstützung für die Syriza-Regierung!“ [abgedruckt in Spartakist Nr. 209, August 2015]. Wir erklärten, dass eine Ja-Stimme eine schreckliche Niederlage für Werktätige in ganz Europa wäre und den imperialistischen und kapitalistischen Herrschern grünes Licht geben würde, die Lebensbedingungen von Millionen Menschen noch weiter zu zerstören. Es hätte auch Syriza das Leben erleichtert, denn dann hätten sie behaupten können, die Ja-Stimme zwinge sie dazu, Sozialkahlschlag durchzusetzen. Das durchschlagende Nein-Ergebnis bedeutet, dass Syriza jetzt völlig entblößt dasteht als feige Stiefellecker der Imperialisten, die trotz des Mandats der Bevölkerung, den Deal zurückzuweisen, vor der Troika kapitulierten.
Die Abstimmung am 5. Juli trug zur Destabilisierung der parlamentarischen Ordnung in Griechenland bei und bot der Arbeiterklasse die Gelegenheit, im Kampf nach vorne zu treten. Ein solcher Kampf muss über den bürgerlichen Wahlzirkus und die Strategie, das Parlament zu einer Rückkehr in die Zeit vor dem Memorandum drängen zu wollen, hinausgehen. Stattdessen muss die Notwendigkeit einer revolutionären, proletarischen Lösung der Krise in den Vordergrund gestellt werden.
Die TGG ist gegen jegliche Unterstützung für den Wahlblock aus Antarsya und der Revolutionären Arbeiterpartei (EEK). Diese Reformisten liefen zunächst der bürgerlichen Syriza hinterher und nun hängen sie am Rockzipfel der bürgerlich-populistischen LAE. Diese Gruppen behaupteten bei den Januarwahlen, gegen Syriza zu sein, zeigten aber ihr wahres Gesicht im Februar, als sie alle zu Pro-Regierungsdemonstrationen für nationale Einheit strömten. Diese Demonstrationen sollten Tsipras’ Position bei den „Verhandlungen“ für den Ausverkauf an die Troika stärken. Jetzt jammern Antarsya/EEK am 3. September in ihrer „Erklärung von ANTARSYA – Wahlen 20. September“, die LAE „scheint aus dem von Syriza beschrittenen Weg keine Schlussfolgerungen gezogen zu haben“. Offensichtlich sind die Reformisten von Antarsya und der EEK ebenfalls unfähig, entsprechende „Schlussfolgerungen“ zu ziehen. Ihre Wahlerklärung ruft zu einer Stimmabgabe gegen Syriza, Nea Dimokratia, PASOK, Potami und Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“) auf, aber nicht gegen LAE. Es ist klar, dass Antarsya/EEK die LAE dazu drängen wollen, die „neue“ (d. h. alte) Syriza zu werden.
Solch parlamentarische Politik des Druckausübens, auf die die reformistische Linke im ganzen Verlauf der Krise gesetzt hat, ist eine Sackgasse. Unser Aufruf zu Arbeiteraktionskomitees ist ein Aufruf an Kräfte, die viel größer und umfassender sind als unsere eigenen, den Kampf gegen die EU und den Euro aufzunehmen, basierend auf der Mobilisierung der unabhängigen Macht der Arbeiterklasse. Es ist kein Aufruf an Kräfte wie die LAE, sich nach links zu bewegen, oder dazu, eine linkere kapitalistische Regierung zu wählen. Die Forderungen, die wir in unserem Aufruf vorbringen, sprechen die unmittelbaren dringenden Bedürfnisse der arbeitenden Menschen an: Arbeitsplätze für alle durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich! Anständige Renten für alle Rentner, gekoppelt an die Lebenshaltungskosten! Gesundheitsversorgung und Wohnraum von hoher Qualität für alle! Für Arbeiterkontrolle über die Lebensmittelversorgung und die Preise! Weg mit der Mehrwertsteuer! Die Kapitalisten und ebenso ihre „linken“ Agenten wie Syriza haben bewiesen, dass ihr System unfähig ist, den Massen für die grundlegendsten Lebensbedürfnisse die Mittel zur Verfügung zu stellen. Höchste Zeit, dass die Arbeiterklasse darum kämpft, die Kontrolle der Gesellschaft zu übernehmen: Enteignet die Banken, Versorgungsbetriebe, Transportmittel, Häfen und Schiffsindustrie!
Wenn die zugrundegerichtete Kleinbourgeoisie und die Massen von Arbeitslosen nicht die Arbeiterklasse an der Spitze eines solchen Kampfes sehen, werden sie zunehmend von den „radikalen“ Lösungen der Faschisten angezogen. Die Faschisten von Chrysi Avgi waren bei den Januar-Wahlen drittstärkste Kraft und versuchen nun, Syrizas Ausverkauf auszunutzen, indem sie als populistische „Retter“ der Nation posieren. Chrysi Avgi profitiert gerade von den chauvinistischen Ungeheuerlichkeiten der Regierung jede Woche gegen die Tausenden verzweifelten Immigranten, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um es durch Griechenland in die rassistische Festung Europa zu schaffen. Gegen die rassistische Hetze von Regierung und Faschisten, die die Immigranten zu Sündenböcken stempeln, muss die Arbeiterklasse für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten kämpfen! Arbeiteraktionskomitees würden dafür kämpfen, dass tausende arbeitslose Bauarbeiter eingestellt werden, um kostenlosen Wohnraum guter Qualität zu bauen, sowohl für alle Immigranten, die es hierher geschafft haben, als auch für die steigende Anzahl obdachloser Griechen.
Ziel der Faschisten ist es, die Wut der Entrechteten nicht nur gegen Immigranten, sondern auch gegen Linke, Homosexuelle und Gewerkschafter zu richten. Letztlich ist ihr Ziel die physische Vernichtung der Gewerkschaften und der Linken, und genau deshalb halten die Kapitalisten die Faschisten in Reserve. Also ist es dringend notwendig, die soziale Macht der Gewerkschaften und der Arbeiter im allgemeinen zu massiven Einheitsfront-Demonstrationen zu mobilisieren, um die Faschisten zu stoppen. Für Arbeiterverteidigungstrupps: Zerschlagt die faschistische Gefahr! Verteidigt die Immigranten gegen rassistische Angriffe!
Die KKE hat trotz ihres sozialen Gewichts in den Gewerkschaften keine Perspektive, die Führung bei der Mobilisierung von Arbeiterkontingenten zu übernehmen, die – gestützt auf die Gewerkschaften – Immigranten, Linke und Homosexuelle verteidigen, indem sie die Faschisten von der Straße fegen. Stattdessen ruft die KKE dazu auf, die Faschisten zu „isolieren“, als ob Faschismus einfach nur eine Frage von üblen Ideen sei. Das nationalistische populistische Programm der KKE, ausgedrückt in ihren Aufrufen zu „Volksmacht“ und zur Verteidigung der Grenzen Griechenlands, ist ein Hindernis dafür, die populistische Demagogie der Faschisten zu bekämpfen. Es ist auch ein politisches Hindernis für den Kampf um die revolutionäre Machtergreifung der Arbeiterklasse, denn es kettet die Arbeiterklasse an ihre kapitalistischen Ausbeuter.
Vielen Arbeitern heute mangelt es an revolutionärem Bewusstsein, aber der Grund dafür liegt nicht einfach in „objektiven“ Bedingungen, sondern im opportunistischen Charakter der existierenden Führung der Arbeiterbewegung und ganz besonders der KKE. Wir brauchen eine revolutionäre Partei wie die Bolschewiki von Lenin und Trotzki. Eine solche Partei wird durch den Kampf gegen kapitalistische Zerstörung und faschistische Reaktion geschmiedet werden. Es kann keine „nationale“ Partei sein, sondern sie muss Teil einer einzigen internationalen revolutionären Partei sein, die Sektionen in allen Ländern hat. Die Perspektive der TGG ist es, für eine solche Partei zu kämpfen, die ein Teil einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale sein wird.
|
|
|
|
|