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Spartakist Nummer 208

Mai 2015

Spanien: Unabhängigkeit für Katalonien und für das Baskenland!

Nieder mit der imperialistischen EU! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Der nachfolgende Artikel ist übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 1066, 17. April 2015, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S.

Im vergangenen November forderten 2,3 Millionen Menschen in Katalonien die spanische Zentralregierung heraus und stimmten in einem inoffiziellen Referendum für Unabhängigkeit. Mehr als 80 Prozent der Teilnehmer antworteten auf beide vorgelegten Fragen mit Ja: „Wollen Sie, dass Katalonien ein Staat wird?“ und „Wenn ja, wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat wird?“ Die Abstimmung war Höhepunkt einer seit Jahren zunehmenden Stimmung für Unabhängigkeit in dieser Region im Nordosten Spaniens, in der 7,5 Millionen Menschen leben. Durch den rabiaten Chauvinismus der kastilischen Bourgeoisie im Verbund mit der von der Europäischen Union aufgezwungenen ökonomischen Austerität traten die jahrhundertealten Spaltungen zwischen der Zentralregierung und Spaniens kleineren, unterdrückten Nationalitäten wie den Katalanen in den Vordergrund.

Die massive Wahlbeteiligung an der Abstimmung vom 9. November war eine machtvolle Antwort auf den Beschluss des spanischen Parlaments vom vergangenen April 2014, ein Unabhängigkeitsreferendum zu verbieten. Sie war auch ein klarer Hinweis darauf, dass die nationale Stimmung in Katalonien fest auf Abtrennung von Spanien gerichtet ist und nicht auf Assimilierung. Dementsprechend fordert die Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten): Unabhängigkeit für Katalonien!

Als revolutionäre Marxisten bezwecken wir mit unserer Befürwortung der Lostrennung Kataloniens von Spanien, die Frage der nationalen Unterdrückung von der Tagesordnung zu nehmen, um sowohl in Spanien als auch in Katalonien die Notwendigkeit eines Kampfes der Arbeiterklasse gegen den kapitalistischen Klassenfeind in den Vordergrund zu rücken. Die kapitalistischen Herrscher, ob Kastilier oder Katalanen, benutzen den Nationalismus, um die Tatsache zu verschleiern, dass die Werktätigen kein gemeinsames Interesse mit ihren „eigenen“ Ausbeutern teilen, und um Spaltungen zwischen den Arbeitern unterschiedlicher Nationalitäten zu säen. Ein unabhängiges Katalonien würde den Arbeitern dort viel deutlicher zeigen, dass die katalanischen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Nationalisten keine Kämpfer für die Befreiung von Ausbeutung und sozialer Unterdrückung sind. Unabhängigkeit würde auch die kapitalistische Ordnung im übrigen Spanien erschüttern sowie die imperialistische EU aufrütteln, was dazu beitragen würde, den Weg für Klassenkampf zu ebnen.

Wir lehnen die „unauflösliche Einheit der spanischen Nation“, wie sie die kastilische Bourgeoisie und Spaniens Monarchie geltend machen, ab. Diese wurde drei Jahre nach dem Tod von General Francisco Franco, dessen bonapartistische Diktatur fast 40 Jahre lang herrschte, in der 1978 angenommenen bürgerlich-demokratischen Verfassung verankert. Die spanische Verfassung verweigert Katalanen, Basken und Galiciern, eigenständigen Nationalitäten mit eigener Sprache, ausdrücklich das demokratische Recht auf Selbstbestimmung. Die IKL ist schon immer für das Recht auf Selbstbestimmung dieser unterdrückten Nationen in Spanien eingetreten.

Ein Haupthindernis für die Einheit der Arbeiterklasse in Spanien in der Nach-Franco-Periode ist der extreme Chauvinismus, der sich gegen das baskische Volk richtet. Es gibt einen langen Kampf für baskische Unabhängigkeit. Jede „demokratische“ Regierung, auch unter der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE), hat die blutige Terrorkampagne der Franco-Diktatur gegen den baskischen Separatismus fortgeführt. Die tiefe Spaltung zwischen den Arbeitern der baskischen Region und jenen im Rest Spaniens spiegelt sich darin wider, dass getrennte, nationalistische Gewerkschaften im Baskenland das Übergewicht haben. Es ist schon einige Zeit offensichtlich, dass diese Spaltung nur durch den Kampf für Unabhängigkeit des Baskenlandes überwunden werden kann. Die IKL tritt seit langem für das Recht der Basken auf Lostrennung ein und hat baskische Opfer kapitalistischer staatlicher Repression verteidigt, aber bisher haben wir es versäumt, für die Unabhängigkeit des Baskenlandes einzutreten. Unabhängigkeit für das Baskenland!

Im jenseits der Nordgrenze Spaniens in Frankreich gelegenen Teil des Baskenlandes oder in Nordkatalonien in Frankreich, wo Katalanisch gesprochen wird, scheint es im Moment keine Massenstimmung für Unabhängigkeit zu geben. Die Ligue trotskyste de France, Sektion der IKL, tritt dennoch für das Recht der Basken und Katalanen auf Selbstbestimmung ein, d. h. ihr Recht auf Lostrennung vom französischen Staat. Das beinhaltet auch das Recht, einem unabhängigen Katalonien oder Baskenland beizutreten. Die IKL tritt auch für das Recht anderer katalanischsprachiger Regionen Spaniens wie der Balearen-Inseln ein, einem unabhängigen Katalonien beizutreten. Unsere Forderung nach Unabhängigkeit Kataloniens und des Baskenlandes ist eine Anwendung der leninistischen Position der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts aller Nationen. Wie Lenin 1916 in Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen schrieb:

„Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen bedeutet ausschließlich das Recht auf Unabhängigkeit im politischen Sinne, auf die Freiheit der politischen Abtrennung von der unterdrückenden Nation. Konkret bedeutet diese Forderung der politischen Demokratie die volle Freiheit der Agitation für die Abtrennung und die Lösung der Frage über die Abtrennung durch das Referendum der betreffenden, d. h. der unterdrückten Nation...“

Das Proletariat in Spanien kann nur durch die Unterstützung der Unabhängigkeit für Katalonien und das Baskenland beweisen, dass es sich dem nationalen Chauvinismus seiner eigenen herrschenden Klasse entgegenstellt, was es ihm ermöglicht, das Vertrauen und die Klassensolidarität der Arbeiter in den unterdrückten Nationen zu gewinnen und Argwohn oder Misstrauen zu beseitigen. Gleichzeitig müssen die Arbeiter der unterdrückten katalanischen und baskischen Nation für politische Unabhängigkeit von ihrer jeweiligen nationalen Bourgeoisie kämpfen, die den Ruf nach „nationaler Befreiung“ als Werkzeug benutzt, um die Arbeiter zu täuschen und entlang nationaler Linien zu spalten.

Bürgerliche Rivalitäten im multinationalen Spanien

Die Entschlossenheit der kastilischen Bourgeoisie, jeglichen Bestrebungen für ein unabhängiges Katalonien oder Baskenland einen Riegel vorzuschieben, liegt zu einem guten Teil darin begründet, dass diese Regionen zu den industrialisiertesten und wirtschaftlich produktivsten Spaniens zählen, mit großen Konzentrationen an Finanzkapital. Heute trägt Katalonien (mit 16 Prozent der Gesamtbevölkerung) zu etwa 20 Prozent zu Spaniens Bruttoinlandsprodukt bei. Die zweitgrößte Bank Spaniens ist die baskische Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA), die umfangreiche Kapitalanlagen in Lateinamerika besitzt. Ein spanischer Armeeoberst im Ruhestand fauchte 2012 in einem Interview: „Die Unabhängigkeit Kataloniens? Nur über meine Leiche und die vieler anderer.“ Angesichts der blutigen Geschichte Spaniens sind dies keine leeren Drohungen.

Nach dem Zusammenbruch von Spaniens Immobilienblase 2008 und einer darauffolgenden Finanzkrise, Teil der weltweiten Wirtschaftsdepression, haben die imperialistischen Herrscher der EU und die spanische Bourgeoisie die arbeitenden Menschen Massenentlassungen und brutaler Austerität unterworfen. Gegenwärtig sind über 5,4 Millionen Menschen arbeitslos. Diese Situation hat auf allen Seiten bürgerlichen Nationalismus geschürt.

Die herrschende Partei im Land, die Volkspartei (PP), stammt politisch vom Franquismus ab und verkörpert die monarchistische, rechte katholische Reaktion. In einem durchsichtigen Versuch, die Aufmerksamkeit von der Verantwortung der Bourgeoisie für die anhaltende Wirtschaftskrise abzulenken, hat sie antikatalanische Stimmung angeheizt. Seit Jahren verhindert die PP Versuche Kataloniens, größere Autonomie von der Zentralregierung zu bekommen, und weigert sich, die Bedingungen für die Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Madrid und Barcelona (Kataloniens Hauptstadt) und die Größe des Anteils an den nationalen Ausgaben, der für Katalonien bestimmt ist, neu zu verhandeln. Die PP – verantwortlich für Obdachlosigkeit und Hunger – verbreitet heuchlerisch das chauvinistische Klischee, Katalanen seien gierig und zeigten keine „Solidarität“ für die ärmeren Teile Spaniens.

Der bösartige Chauvinismus, der von Madrid ausgeht, hat in Katalonien heftige Reaktionen hervorgerufen. Ein Auslöser für diese Wut war das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 2010, zahlreiche Abschnitte des katalanischen Autonomiestatuts von 2006 aufzuheben, darunter den Teil, in dem Katalonien als Nation anerkannt wird. Ursprung war eine Klage der PP gegen nicht weniger als 128 der 223 Artikel dieses Statuts. Am Tag nach der Verkündung des Verfassungsgerichtsurteils demonstrierten in Katalonien mehr als eine Million Menschen unter Bannern wie: „Wir sind eine Nation!“

Die katalanische Bourgeoisie, repräsentiert von der Koalition der Convergència i Unió (Konvergenz und Einheit) und ihrer linker daherkommenden Anhängsel in der Esquerra Republicana (Republikanische Linke), die gegenwärtig zusammen die katalanische Generalitat-Regierung dominieren, steht der kastilischen Bourgeoisie an Heuchelei in nichts nach. Sie machen bequemerweise den Rest Spaniens für die Wirtschaftskrise in Katalonien verantwortlich und verweisen auf unvorteilhafte Steuerbestimmungen und fehlende Infrastrukturinvestitionen seitens der Zentralregierung, die ihre Profite schmälern. Gleichzeitig hat die Generalitat selber den Arbeitern und Armen Austerität aufgezwungen.

Nach dem Niedergang des Franco-Regimes sah die katalanische Bourgeoisie ihre Aufgabe darin, sich um sukzessive Übertragung von mehr Autonomie durch die Zentralregierung zu bemühen. Die baskischen und katalanischen Nationalisten unterstützten zu unterschiedlichen Zeiten sowohl PSOE- als auch PP-Regierungen, wenn diese Parteien nicht genügend Stimmen erhielten, um auf sich allein gestellt eine nationale Regierung zu bilden; so holten sie sich Zugeständnisse. Als jedoch die Wirtschaftskrise ausbrach, setzte die PSOE-Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero die Austeritätskampagne in Gang. Schon vorher hatte sie einige ihrer Versprechen gegenüber Katalonien gebrochen. Als 2011 die PP gewählt wurde, konnte sie ohne die Unterstützung einer der regionalen bürgerlich-nationalistischen Parteien eine Regierung bilden, was es ihr gestattete, mit hemmungsloser Feindseligkeit gegen jegliche Dezentralisierungstendenz vorzugehen, wodurch sie weitere Teile der katalanischen Bourgeoisie in Richtung Unabhängigkeit stieß.

Ein weiterer Schlüsselfaktor beim Schwenk eines Teils der katalanischen Bourgeoisie in Richtung Unabhängigkeit ist ihre schwächer werdende Verbindung zum spanischen Markt – seit Jahren verkauft sie mehr ihrer Erzeugnisse auf dem internationalen Markt als in Spanien selbst; ein großer Teil dieser Exporte geht in andere EU-Länder. Kataloniens relatives Gewicht in der spanischen Wirtschaft schwand auch als Folge einer bewussten Politik der kastilischen Bourgeoisie, Gebiete rund um Madrid in den 1960er- und 1970er-Jahren als industrielles Zentrum aufzubauen. Dies verminderte die relative wirtschaftliche Dominanz Kataloniens und der baskischen Region und führte zu einer stärkeren unmittelbaren ökonomischen Konkurrenz der verschiedenen nationalen Bourgeoisien.

EU schürt nationalen Chauvinismus

Zwar ist die katalanische Bourgeoisie in der Frage der Unabhängigkeit weiter gespalten, doch alle Seiten, auch die Befürworter einer Lostrennung, haben sich auf die reaktionäre imperialistische EU festgelegt. Die katalanische Bourgeoisie hat von der EU profitiert und viele arbeitende Menschen in Katalonien, die die Unabhängigkeit unterstützen, sind trotz der Verwüstungen durch die von der EU verhängten Austerität für einen Verbleib in der EU.

Die IKL war von Anfang an prinzipieller Gegner der imperialistischen EU und ihres Geldwerkzeugs, des Euro. Die EU ist ein instabiler Zusammenschluss rivalisierender kapitalistischer Staaten, dominiert von den imperialistischen Hauptmächten, in erster Linie Deutschland. Diese Mächte versuchen, ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren imperialistischen Rivalen USA und Japan zu erhöhen, beuten die Arbeiter in ganz Europa aus und ordnen sich die schwächeren europäischen Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und Irland und ebenso die in Osteuropa unter. Mittels der Mechanismen der Eurozone verlangen Deutschland und andere Gläubigerländer von den Schuldnerländern, „wettbewerbsfähiger“ zu werden durch einschneidende Kürzungen bei Löhnen, Renten und Sozialausgaben. Die IKL war gegen die Einführung des Euro, weil sie wusste, dass der Euro ein Werkzeug der EU-Imperialisten sein würde. Wir erklärten, dass der Kapitalismus auf nationaler Grundlage organisiert ist und dass eine gemeinsame europäische Währung nicht überlebensfähig sein würde.

Trotz allen Geredes der katalanischen Bourgeoisie über Erlangung „fiskalischer Souveränität“ und ihrer Gegnerschaft zu der von Madrid erzwungenen Austerität bedeutet ihr Versprechen in der EU zu bleiben, die Kontrolle über Zinssätze, Ausgaben und Geldpolitik an Frankfurt und Brüssel abzugeben. Und die imperialistischen Herren der EU haben klargemacht, dass sie sezessionistische Schritte nicht gerne sehen, die die kapitalistische Ordnung in Europa weiter destabilisieren könnten. So legte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im vergangenen August Wert darauf, den spanischen Premierminister Mariano Rajoy deutlich gegen jeglichen Schritt Kataloniens in Richtung Unabhängigkeit zu unterstützen.

Die Herrscher der EU schüren Nationalismus und spielen Arbeiter in Ländern wie Deutschland, Britannien und Frankreich gegen jene in schwächeren Ländern aus. Die reformistischen Arbeiterparteien und die Gewerkschaftsbürokraten widersetzen sich der EU nicht; das hat das Anwachsen reaktionärer und unverhohlen faschistischer Kräfte angespornt, die Unzufriedenheit über die Austerität in Hass gegen Immigranten und besonders Muslime umlenken. Die anhaltende Existenz von Schichten verwundbarer Arbeiter mit wenigen Rechten hilft den Kapitalisten dabei, die Löhne und Arbeitsbedingungen aller massiv zu verschlechtern. Gegen diese Teile-und-herrsche-Machenschaften sagen wir: Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten! Keine Abschiebungen!

Wir widersetzen uns allen Formen des Nationalismus und wollen die programmatischen Grundlagen für den Aufbau revolutionärer Arbeiterparteien schaffen, Teil einer wiedergeschmiedeten trotzkistischen Vierten Internationale. Nur solche Parteien können die Arbeiterklasse bei der Ergreifung der Produktionsmittel und der Enteignung der Bourgeoisie international durch eine Reihe sozialistischer Revolutionen führen. Im Gegensatz dazu verbreiten reformistische Linke das Hirngespinst vom Aufbau eines „sozialen Europas“ unter dem Kapitalismus. Nieder mit der imperialistischen EU! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Sofortige Freiheit für alle baskischen Nationalisten!

Die Arbeiterbewegung in Spanien und Frankreich muss sich dem finsteren Kreuzzug des spanischen und des französischen Staates gegen die kleinbürgerlichen Nationalisten von Baskenland und Freiheit (ETA) und deren Sympathisanten entschieden entgegenstellen. Aber die reformistischen Irreführer der PSOE und der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) bringen schon seit Jahren die Arbeiter hinter der kastilischen Bourgeoisie gegen die Basken in Stellung. In seinem Feldzug gegen die Basken hat Madrid politische Parteien und Proteste verboten, Zeitungen geschlossen und Sympathisanten der baskischen Unabhängigkeit verfolgt – Repressivmaßnahmen, die in der gesamten spanischen Geschichte auch dazu eingesetzt wurden, militante Arbeiterkämpfe zu zerschlagen.

Am 10. Januar demonstrierten in den Straßen Bilbaos mehr als 75 000 Menschen und forderten die Beendigung der Praxis des spanischen Staats, baskisch-nationalistische Häftlinge auf entlegene Orte zu „verteilen“. Demonstranten forderten in Sprechchören Freiheit und „volle Amnestie“ für baskische Militante. Zwei Tage später führte der spanische Staat in vier Städten Razzien durch und verhaftete unter dem Vorwurf von Geldwäsche und Steuerhinterziehung 16 Menschen, die sich für die rechtliche Verteidigung baskischer Aktivisten engagieren. Unter den Opfern dieser Schikane waren zwölf Rechtsanwälte, darunter viele, die zum Beginn eines Prozesses in Madrid gegen 35 der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation Angeklagten erwartet worden waren.

Im Rahmen dieser durchsichtigen politischen Hexenjagd durchsuchten Zivilgardisten die Büros von Organisationen, darunter das der für Unabhängigkeit eintretenden baskischen Gewerkschaft Langile Abertzaleen Batzordeak (Patriotische Arbeiterkomitees), die Zehntausende baskischer Arbeiter vertritt. Dort beschlagnahmten sie 90 000 Euro in kleinen Scheinen und Münzgeld, Spenden, die auf der Demonstration zwei Tage zuvor gesammelt worden waren. Wir fordern, alle Anklagen fallen zu lassen! Nieder mit der Repression gegen die Basken!

Wir Marxisten sind gegen die nationalistische Perspektive der ETA und auch gegen die kleinbürgerliche Strategie des individuellen Terrorismus, die sie einst praktizierte (die ETA hat jetzt dem bewaffneten Kampf abgeschworen), aber wir verteidigen die ETA gegen staatliche Unterdrückung. Vergeltungsakte gegen individuelle Repräsentanten des kapitalistischen Staats und der herrschenden Klasse sind ein untauglicher Ersatz – und ein Hindernis – für den notwendigen Kampf zur Ablösung des gesamten verrotteten kapitalistischen Systems durch Mobilisierung der sozialen Macht der Arbeiterklasse in einer sozialistischen Revolution. Zwar sind die Aktionen, die baskische Militante gegen den kapitalistischen Staat und seine Agenten durchgeführt haben, vom Standpunkt der arbeitenden Menschen aus kein Verbrechen, doch führt die reaktionäre Logik des Nationalismus auch zu entsetzlichen Akten wahllosen Terrors, wie 1987 zum kriminellen Bombenanschlag der ETA auf einen Supermarkt in einer Arbeitervorstadt Barcelonas. Solche Verbrechen führen nur dazu, die katalanischen und spanischen Arbeiter weiter in die Arme ihrer eigenen chauvinistischen Bourgeoisie zu treiben.

Ursprünge und Wesen des katalanischen Nationalismus

Katalonien besitzt seit langem ein starkes regionales Identitätsempfinden mit seiner eigenen Sprache, Katalanisch, das heute von mehr als 10 Millionen Menschen in Katalonien wie auch auf den Balearen-Inseln, in Nordkatalonien und Valencia gesprochen wird. Als Feudalfürstentum unter der spanischen Krone geriet Katalonien wiederholt mit der Monarchie in Konflikt. Es war von großer symbolischer Bedeutung, dass das Referendum vom 9. November um den 300. Jahrestag der Niederlage des katalanischen Fürstentums im spanischen Erbfolgekrieg 1714 stattfand. Katalonien hatte den Anspruch der Habsburger auf die spanische Krone gegen die Bourbonen unterstützt und wurde von den siegreichen Bourbonen mit der Unterdrückung seines Parlaments und seiner traditionellen Freiheiten bestraft. (Folge dieses Kriegs war, dass Ludwig XIV, selbst ein Bourbone, Frankreichs Griff auf Roussillon, den nördlich der Pyrenäen gelegenen Teils Kataloniens, konsolidierte.) Der 11. September 1714, bekannt als la Diada, Tag der katalanischen Kapitulation, wird heute in Katalonien als Nationalfeiertag begangen.

Die Geburt des katalanischen Nationalismus geht nicht auf einen Krieg über die königliche Erbfolge zurück, sondern auf die Ära der Konsolidierung des Industriekapitalismus im 19. Jahrhundert. Eine aufkeimende Bourgeoisie erschien in Spanien erstmals im 18. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Textilfabrikation in Barcelona. Der katalanische Kapitalismus entwickelte sich nach Aufhebung der Handelsbeschränkungen mit den spanischen Kolonien im Jahre 1780. Die katalanische Bourgeoisie gedieh vor allem durch die koloniale Vergewaltigung Kubas, wo die Sklaverei erst 1886 abgeschafft wurde.

Ende des 19. Jahrhunderts waren Katalonien und die baskische Region zu Spaniens wichtigsten industriellen Zentren geworden, wobei die baskische Industrie vornehmlich auf Metallurgie und die katalanische auf Konsumgüterproduktion basierte. Die katalanische Bourgeoisie tat sich zusammen, um sich bei der Zentralregierung für den Schutz ihrer Industrien einzusetzen, und eine katalanische intellektuelle Elite betrachtete sich zunehmend als die führende Stimme der Modernisierung in Spanien. Die als „Renaissance“ bekannte kulturelle Bewegung des 19. Jahrhunderts, die die katalanische Sprache und Kunst förderte, spiegelte diese wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen wider.

Außerhalb der baskischen und katalanischen Industriezentren blieb der Großteil Spaniens bis weit ins 20. Jahrhundert in Rückständigkeit stecken. Schon seit dem 16. Jahrhundert trug die spanische Habsburgermonarchie dazu bei, die Entwicklung zu einem einheitlichen Nationalstaat zu unterdrücken, und schürte regionalen Zwiespalt. Die Krone, die Gold und Silber aus den Bergwerken Lateinamerikas anhäufte, stand dem Wachstum von Handel und Fabrikation auf dem spanischen Territorium der iberischen Halbinsel feindselig gegenüber. Eine dekadente Monarchie und ihre mittelalterliche, obskurantistische katholische Kirche herrschte über eine riesige Bauernschaft, die unter einer vom alten Feudaladel abstammenden Gutsbesitzerklasse schwer schuftete. Wie der bolschewistische Führer Leo Trotzki bemerkte: „Spaniens verspätete ökonomische Entwicklung schwächte unvermeidlich die dem Kapitalismus innewohnenden zentralistischen Tendenzen… Die Armseligkeit der nationalen Ressourcen und das Unruhegefühl im ganzen Lande konnte nur diese separatistischen Tendenzen begünstigen“ („Die Revolution in Spanien“, Januar 1931).

Als Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eine große Anzahl von Arbeitern aus verschiedenen Teilen Spaniens in die baskischen und katalanischen Industrien strömte, wurde Katalonien ein Zentrum des proletarischen Radikalismus. Der katalanische Nationalismus war deshalb von Anfang an sowohl durch einen schüchternen Kampf für regionale Autonomie als auch durch Unterstützung des spanischen Staates bei der Unterdrückung von Arbeiterkämpfen geprägt. Frühe nationalistische Organisationen wie die Lliga Regionalista (Regionalistische Liga) waren für die Unterdrückung der heftigen Kampfeswelle, die Katalonien Anfang des 20. Jahrhunderts überrollte – vom Generalstreik in Barcelona 1902 und der als Tragische Woche bekannten antimilitaristischen, antiklerikalen Revolte 1909 bis zum Generalstreik 1917 und der Aussperrung in Barcelona 1919/20. Aus Furcht vor Aufständen der Arbeiterklasse unterstützte die katalanische Bourgeoisie 1923 Miguel Primo de Riveras Militärputsch. Sein Regime machte sich sodann daran, Kataloniens begrenzte Selbstregierung weiter einzuschränken, die katalanische Sprache zu unterdrücken und selbst den Fußballklub von Barcelona zu schließen!

1930, nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise, stürzte das bereits innerlich verfaulende Regime von Primo de Rivera, was in Spanien eine Periode von Arbeitermassenkämpfen einleitete. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1931 wurde eine kapitalistische republikanische Regierung gebildet, an deren Spitze eine Koalition aus bürgerlichen Republikanern und Sozialisten stand. Unter diesem Regime entstand eine als Generalitat bekannte autonome katalanische Regionalregierung unter Führung der bürgerlich-nationalistischen Esquerra Republicana.

Doch das Schreckgespenst einer Arbeiterrevolution trieb den Großteil der katalanischen Bourgeoisie dazu, im Spanischen Bürgerkrieg von 1936–39 Francos konterrevolutionäre Kräfte zu unterstützen. Die katalanische Bourgeoisie wusste nur zu gut, dass Spaniens Arbeiter und Bauern, inspiriert von der bolschewistischen Revolution 1917, nicht nur für eine demokratischere Regierungsform, sondern für eine soziale Revolution kämpften, um ihre Ausbeutung und Unterdrückung zu beenden. So stellten die katalanischen Kapitalisten ihr Klasseninteresse über ihre nationalen Bestrebungen, die dann unter dem Stiefel der franquistischen Repression abermals zerschlagen werden sollten.

Reformistische Irreführer verraten den Kampf der Arbeiter

Katalanische Nationalisten verehren heute den Esquerra-Führer Lluís Companys, Präsident der Regionalregierung zu der Zeit, als diese von Franco gestürzt wurde, als Helden und Märtyrer. In Wirklichkeit saß Companys zusammen mit den stalinistischen Kommunisten, den Sozialisten und den Anarchisten in der Generalitat-Regierung, die den Aufstand der Arbeiterklasse in den Maitagen von Barcelona 1937 blutig erstickte. Die Stalinisten führten den Angriff auf die Arbeiter an, aber es waren die Führer der Anarchisten und der zentristischen Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit (POUM, die zuvor der katalanischen Regierung angehört hatte), die maßgeblich dafür verantwortlich waren, die Arbeiter zu überreden, ihre Barrikaden abzubauen. Dies war ein Schlüsselereignis für die Niederlage der Spanischen Revolution.

Der Verrat der Arbeiterrevolution zeigte eindringlich, dass die Politik der Bildung eines Volksfrontbündnisses mit bürgerlichen Parteien wie der Esquerra in Katalonien für die Arbeiterklasse absolut selbstmörderisch war. Wie wir über die Maitage von Barcelona in „Trotzkismus kontra Volksfrontpolitik im Spanischen Bürgerkrieg“ (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 27, Frühjahr 2009) schrieben:

„Für die heroischen Arbeiter Barcelonas war die Macht zum Greifen nah. Doch gegen Ende der Woche waren die Arbeiter entwaffnet und ihre Barrikaden niedergerissen – nicht als Folge einer militärischen Niederlage, sondern infolge von Sabotage, Verwirrung und Defätismus, den die Arbeiterirreführer verbreiteten… Ein Sieg in Barcelona hätte zu einem Arbeiter- und Bauernspanien führen und Europa am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in revolutionärem Kampf entflammen können. Die Niederlage öffnete wütender Repression Tür und Tor und führte zur Unterdrückung der POUM und der Ermordung oder Inhaftierung ihrer Führer. Indem die Volksfront so das Proletariat entwaffnet hatte, machte sie den Weg frei für Francos Streitkräfte und eine blutige Herrschaft rechtsgerichteter Reaktion.“

Die Arbeiterklasse Spaniens bezahlte mit ihrem Blut für den Volksfrontverrat ihrer Führer, dennoch gaben die reformistischen Irreführer die Politik der Klassenzusammenarbeit niemals auf. Die rapide Industrialisierung Spaniens durch große ausländische Investitionen in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren bewirkte, dass die Arbeiterklasse und ihr Selbstvertrauen anwuchs, die Arbeiter forderten dann das Franco-Regime in seinen letzten Tagen heroisch heraus. Nach Francos Tod 1975 brach in Spanien eine Welle von Protesten und Streiks los gegen die brutale Unterdrückung von Gewerkschaften, linken Parteien und nationalen Minderheiten durch das Regime. Doch die Führer von PSOE und PCE wollten diese Kämpfe in Schranken halten und kanalisierten sie in Richtung auf einen „friedlichen“ Übergang zu bürgerlicher Demokratie. PSOE und PCE unterstützten die Verfassung von 1978, die den von Franco auserkorenen Nachfolger, König Juan Carlos, als Staatsoberhaupt einer spanischen „Nation“ anerkannte. Heute haben die Verräter von der PCE die Dreistigkeit, zu einem Referendum aufzurufen, um Spaniens korrupte Monarchie loszuwerden.

Die Situation heute unterscheidet sich sehr von der Periode des Bürgerkriegs und der der Arbeiteraufstände Mitte und Ende der 1970er-Jahre. Marxisten müssen dies in Rechnung stellen, wenn sie sich mit der nationalen Frage konkret befassen. Die Anerkennung des Rechts auf Lostrennung einer bestimmten Nation bedeutet nicht notwendigerweise Befürwortung einer Lostrennung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Lenin benutzte oft den Vergleich mit der Anerkennung des Rechts auf Scheidung, was natürlich nicht die Forderung nach Auflösung jeglicher Ehe bedeutet.

Zur Zeit des Bürgerkriegs standen das katalanische und das baskische Proletariat in einer revolutionären Situation, die unmittelbar die Möglichkeit einer Überwindung nationaler Spaltungen durch die Machtergreifung der Arbeiter aufwarf, an der Spitze ihrer Klasse. Damals wäre eine Befürwortung der Unabhängigkeit nicht sinnvoll gewesen. Doch jetzt ist seit einigen Jahren schon offensichtlich, dass das Verhältnis zwischen den baskischen und spanischen Arbeitern vergiftet ist. Und in Katalonien äußert sich heute die Unzufriedenheit im Proletariat zunehmend nicht in Richtung von Assimilation – d. h. im Verständnis einer Schicksalsgemeinschaft mit dem spanischen Proletariat –, sondern vielmehr in einer betont separatistischen Stimmung.

Verrottete Sozialdemokraten und bürgerliche Populisten

Die PSOE demonstrierte ihren Hass auf unterdrückte Nationalitäten, als sie in den 1980er-Jahren Todesschwadronen, genannt „antiterroristische Befreiungsgruppen“ (GAL), auf das baskische Volk losließ. Heute ist sich die PSOE mit der herrschenden PP in der chauvinistischen Ablehnung eines katalanischen Referendums einig. Sie fordert, aus Spanien eine Föderation zu machen, in der Katalonien angeblich größere Befugnisse hätte. Dies würde ein bisschen Herumflicken am gegenwärtigen regionalen Autonomiestatus bedeuten mit der Quintessenz, dass Katalonien weiterhin unter dem Stiefel des kastilischen Chauvinismus bleibt. Eine ähnliche Position für einen föderalen bürgerlichen Staat nimmt die Izquierda-Unida-Koalition (IU) unter Führung der PCE ein.

Spaniens politische Ordnung der Ära nach 1978 löst sich auf. Die Parteien, die die politische Arena beherrschen, PSOE und PP, haben beide stark an Unterstützung verloren, was mit ihrer Durchsetzung der weithin verhassten Austeritätsmaßnahmen zusammenhängt. Die Vorstellung eines einheitlichen Spanien wird in Katalonien und anderswo bestritten.

In diese Bresche springt die Podemos-Partei, eine auf dem Kleinbürgertum basierende Formation, die aus der Indignados-Bewegung von 2011 hervorging. Ihre Mission ist, die spanische bürgerliche Demokratie aufzupolieren. Podemos ist voll und ganz der Aufrechterhaltung der EU verpflichtet. Wie die Indignados-Bewegung – und ihr griechisches Gegenstück Syriza – erhebt die populistische Podemos den Anspruch, alle Volksklassen gegen die politischen und wirtschaftlichen Eliten, die sie „la casta“ (die Kaste) nennt, zu vertreten. Podemos’ Populismus zielt darauf ab, die Einsicht zu verschleiern, dass die grundlegende Spaltung der Gesellschaft entlang der Klassenlinie verläuft und dass nur das Proletariat durch die Machtergreifung und die Zerschlagung des Kapitalismus in allen Ländern die Ausbeutung abschaffen kann. Als Marxisten lehnen wir Podemos als eine bürgerliche Partei prinzipiell ab.

Der Podemos-Führer Pablo Iglesias behauptet zwar, für Kataloniens „Recht, zu entscheiden“ einzutreten, erklärte aber in einem Interview mit El Periódico vom 27. Dezember 2014, dass eine „einseitige Erklärung“ der Unabhängigkeit nicht möglich sei und Podemos deshalb einen „verfassungsmäßigen Prozess“ vorschlage. Dies läuft auf eine Verweigerung des katalanischen Selbstbestimmungsrechts hinaus, welches bedeutet, dass die katalanische Bevölkerung – nicht ein spanischer verfassungsmäßiger Prozess – für oder gegen Abtrennung entscheidet.

Podemos’ Popularität hat wie zu erwarten eine Schar opportunistischer Pseudomarxisten in ihren Dunstkreis gezogen. Die mit der britischen Socialist Workers Party verbundene Gruppe En Lucha (Im Kampf), schamlose Fürsprecherin von Podemos, erklärte: „Pablo Iglesias ist kein Lenin, aber es ist für alle besser, gegen den Kapitalismus zu kämpfen in einem Rahmen, in dem Podemos stark ist.“ Während En Lucha Podemos hinterherläuft, die „einseitige“ Unabhängigkeit für Katalonien ablehnt, arbeitet sie in Katalonien mit der Candidatura d’Unitat Popular (CUP – Kandidatur der Volkseinheit) zusammen, deren Ziel eine unabhängige katalanische Regierung unter Führung der beiden dortigen bürgerlichen Hauptparteien ist.

Die Sprachenfrage

Für die kastilische chauvinistische Reaktion in Spanien ist die Sprachenfrage ein wirklich heißes Eisen. Die Minderheitensprachen waren unter Franco offiziell unterdrückt. Die Verfassung von 1978 verordnete Kastilisch (Spanisch) als offizielle Staatssprache, die jeder können muss. Glaubt man der chauvinistischen Hysterie, so ist Spanisch in Katalonien angeblich bedroht und Spanischsprachige sind Opfer furchtbarer Diskriminierung. Dass dies reine Erfindung ist, zeigt die Tatsache, dass in Katalonien von der Bevölkerung über 15 Jahre 99 Prozent Spanisch sprechen können (bei einer Alphabetisierungsrate von 95 Prozent). In Katalonien haben die meisten Menschen auch Kenntnisse des Katalanischen. Katalanisch können etwa 80 Prozent sprechen und 60 Prozent lesen und schreiben.

Die Unterstützung der Madrider Regierung für einen Gesetzentwurf zur Erziehungsreform von 2012 mit dem Ziel der Rezentralisierung des Bildungswesens, der Religionsförderung und der „Hispanisierung“ katalanischer Schüler rief Massenproteste hervor. Der katalanische regionale Oberste Gerichtshof entschied 2014, dass 25 Prozent des Unterrichts einer Schule in kastilischem Spanisch abgehalten werden müssen, wenn ein einziger Schüler dies verlangt. Dies ist ein unverhüllter Versuch, spanischsprachigen Unterricht in katalanischen Schulen zu erzwingen. Eine ähnliche Politik wird auf den Balearen-Inseln verfolgt.

Das Gesetz zur „Normalisierung“ der Sprache in den autonomen Regionen gab 1983 dem Katalanischen im Bildungswesen, der Staatsverwaltung und den Medien eine privilegierte Stellung. Mitte der 1990er-Jahre begann Katalonien, Schulunterricht an Haupt- und weiterführenden Schulen ausschließlich auf Katalanisch zu erteilen, mit ein paar Stunden für spanische Sprache und Literatur pro Woche. Im Autonomiestatut von 2006 wurde „das Recht und die Pflicht, nach Absolvierung der Schulpflicht eine ausreichende mündliche und schriftliche Kenntnis des Katalanischen und des Kastilischen zu haben“, verankert. Dasselbe Statut machte es für Einwohner Kataloniens zur „Pflicht“, beide Amtssprachen, Katalanisch und Kastilisch, zu können.

Der katalanischen Generalitat war es sehr wichtig, sicherzustellen, dass Einwanderer der zweiten Generation Katalanisch lernen. In der Nachkriegsperiode gab es zwei große Einwanderungswellen nach Katalonien – die erste in den 1950er- und ’60er-Jahren aus anderen Gegenden Spaniens und eine weitere einige Jahrzehnte später aus Lateinamerika, Osteuropa und Nordafrika.

Als Marxisten warnen wir vor denen, die die Arbeiterklasse unter dem Vorwand der Verteidigung einer bestimmten „nationalen Kultur“ zu spalten versuchen, was wie in Katalonien unausweichlich zu Diskriminierung anderer Nationalitäten führt. So ist heute in Katalonien eine Grundvoraussetzung für einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, Katalanisch zu können. Wir sind gegen die Aufzwingung jeglicher Amtssprachen. Wir fordern gleiche Sprachenrechte für alle! Wir sind für ein öffentliches, säkulares, ethnisch integriertes Schulsystem, das ausführlich für Unterricht auf Spanisch, Katalanisch und in anderen Sprachen Sorge trägt, je nach den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung. Diese Rechte gelten für arabisch- und rumänisch-sprachige Menschen genauso wie für jene, deren Muttersprache Katalanisch oder Kastilisch ist.

Für die Schmiedung einer leninistischen Partei!

Lenin betonte: „Das nationale Programm der Arbeiterdemokratie: absolut keine Privilegien für irgendeine Nation, für irgendeine Sprache; Lösung der Frage der politischen Selbstbestimmung der Nationen, d. h. ihrer staatlichen Lostrennung, auf völlig freiem, demokratischem Wege“ (Kritische Bemerkungen zur Nationalen Frage, 1913). Eben weil die Bolschewiki für ein solches Programm eintraten, war es ihnen möglich, die Werktätigen hinter sich zu sammeln – Russen, Juden, Armenier, Aserbaidschaner, Ukrainer usw. –, um im Oktober 1917 die Herrschaft der Kapitalisten und Gutsbesitzer zu stürzen.

Heute stellt sich die nationale Frage in Spanien mit brennender Eindringlichkeit. Für die Unabhängigkeit Kataloniens und des Baskenlandes einzutreten ist ein Lackmustest für die Fähigkeit einer jeden Arbeiterorganisation in Spanien, ihrer eigenen Bourgeoisie entgegenzutreten. Die Parteien, die das Proletariat in der Vergangenheit verraten haben, wie die PSOE und die PCE/IU, haben sich wie zu erwarten heute das Ziel der spanischen Kapitalisten zu eigen gemacht, die „Einheit“ des spanischen bürgerlichen Staats aufrechtzuerhalten, der seine Hände wieder und immer wieder mit dem Blut der Arbeiter und unterdrückten Nationalitäten befleckt hat.

Die schreckliche Wirtschaftskrise, die die Arbeiter und die Armen in Spanien und anderswo heimsucht, schreit nach Arbeiterrevolution und Errichtung einer Sowjetföderation von Arbeiterrepubliken auf der iberischen Halbinsel als Teil der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Entscheidendes Instrument hierfür ist eine leninistisch-trotzkistische Partei, die im Kampf für die Wiederschmiedung der Vierten Internationale aufgebaut werden muss. Eine solche Partei wird teuer erkaufte Lehren aus Spaniens eigener Geschichte in ihrem Programm verkörpern, insbesondere, die Trotzki und seine Genossen in den 1930er-Jahren über die notwendige Unabhängigkeit des Proletariats von allen bürgerlichen Kräften darlegten.

 

Spartakist Nr. 208

Spartakist Nr. 208

Mai 2015

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