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Spartakist Nummer 163

Sommer 2006

USA raus aus dem Irak, sofort!

Die US-Besatzung und die kurdische Frage

Für eine Sozialistische Republik Vereinigtes Kurdistan!

Der folgende Artikel wurde übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 871, 26. Mai 2006.

Unter der US-Besatzung des Irak drohen ethnische Feindseligkeiten – die in der Aufteilung des Nahen Ostens durch die Imperialisten begründet liegen und durch die jahrzehntelange bürgerlich-nationalistische Herrschaft geschürt wurden – in einem allseitigen Blutvergießen zu explodieren. Der Bombenanschlag auf die schiitische Al-Askaria-Moschee in Samarra im Februar löste einen Ausbruch kommunalistischer Gewalt zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen aus, der Hunderte, zumeist Sunniten, das Leben kostete. Fast täglich tauchen Leichen von Opfern kommunaler Milizen oder der schiitisch dominierten Polizeikräfte in und um Bagdad auf, oft abscheulich gefoltert und dann wie bei einer Hinrichtung umgebracht. Zehntausende sind angesichts der „ethnischen Säuberungen“ gemischter Dörfer und Stadtviertel durch sunnitische, schiitische oder kurdische Kräfte geflüchtet. Dies alles zusätzlich zu den brutalen Massakern, Massenverhaftungen und weit verbreiteter Folter, die direkt von US-Streitkräften ausgeführt werden.

Der Zynismus von Washingtons Behauptung, dem Irak Demokratie zu bringen, zeigte sich erst kürzlich durch eine Marionettenregierung, die am 20. Mai vorgestellt wurde. Wie die vorhergehende Regierung ist sie von schiitischen und kurdischen Parteien dominiert, auf Kosten der Minderheit sunnitischer Araber, deren Führer unter dem Regime von Saddam Hussein eine beherrschende Rolle gespielt hatten. Die Ministerien der Verteidigung, des Inneren und der nationalen Sicherheit sind noch immer nicht besetzt, weil jede ethnische Gruppe die mörderischen Folgen fürchtet, wenn ihre Rivalen Kontrolle über die Streitkräfte und die Polizei erlangen.

Die imperialistische Besatzung hat in der irakischen Gesellschaft fruchtbaren Boden für reaktionäre Kräfte geschaffen, von islamischen Fundamentalisten und rivalisierenden Klanführern bis hin zu üblen bürgerlichen Nationalisten. Während diese Kräfte nun einander gegenseitig an die Gurgel gehen, sind einem Bürgerkrieg innerhalb der Grenzen des Irak und einer erheblichen Destabilisierung in der Region Tür und Tor geöffnet. Sunnitische arabische Führer im ganzen Nahen Osten sind über die Tatsache erzürnt, dass mit dem Irak zum ersten Mal seit Jahrhunderten ein arabisches Land von Schiiten beherrscht wird. Die wahabitischen Herrscher des benachbarten Saudi-Arabiens, wo die Bevölkerung im ölreichen östlichen Landesteil überwiegend schiitisch ist, sehen mit Schrecken den wachsenden Einfluss des schiitischen Iran im Südirak. Das türkische Regime von Recep Tayyip Erdogan hat etwa 250 000 Soldaten, unterstützt von Panzern und Kampfhubschraubern, im südöstlichen Landesteil entlang der irakischen Grenze zusammengezogen, um jegliches Aufflammen kurdischer Unabhängigkeit im Keim zu ersticken.

Das zunehmende sektiererische Blutvergießen unterstreicht die Tatsache, dass der Irak keine Nation ist, sondern vielmehr ein Flickenteppich verschiedener Völker und Ethnien, der am Ende des Ersten Weltkriegs vom britischen Imperialismus aus dem Osmanischen Reich herausgetrennt wurde. Die Grenzen des Irak wurden willkürlich gezogen, um imperialistische Ölkonzessionen einzuschließen, und zwangen so historisch miteinander verfeindete Bevölkerungsgruppen unter ein gemeinsames Dach. In solch einer Gesellschaft kann eine stabile bürgerlich-demokratische Herrschaft nur ein Phantasiegebilde sein. Solange die Arbeiterklasse nicht als unabhängige politische Kraft im Kampf gegen neokoloniale Herrschaft hervortritt, kann jede dieser Bevölkerungsgruppen nur durch die Unterdrückung der anderen und im Bündnis mit dem US-Imperialismus an die Macht gelangen.

Dies wird durch das Beispiel der Kurden veranschaulicht, deren nationalistische Führer aktiv mit der US-Besatzung des Irak kollaborierten und ihre kurdischen Milizen (die Peschmerga) den US-Streitkräften als Hilfstruppen anboten. Heute handeln die beiden rivalisierenden kurdischen bürgerlichÃnationalistischen Parteien, Jalal Talabanis Patriotische Union Kurdistans (PUK) und Massoud Barsanis Kurdische Demokratische Partei (KDP), als Handlanger der US-Streitkräfte. Seit 1991 existiert im Nordirak eine halbautonome kurdische Region, zuerst unter dem Schutzmantel einer von den US-Streitkräften erzwungenen „Flugverbotszone“ und jetzt direkt unter militärischer US-Besatzung.

Das ist ein zynischer Abklatsch von Selbstbestimmung des kurdischen Volkes, das Generationen von Unterdrückung durch verschiedene kolonialistische und nationalistische Regime zu erdulden hatte. Die kurdischen nationalistischen Führer im Irak haben sich den amerikanisch angeführten Besatzungsstreitkräften untergeordnet. Und viele irakische Kurden betrachten irrtümlicherweise die Besatzung mit Wohlwollen, als einen Garanten gegen arabische Eroberung. Jeder Kampf für kurdische Unabhängigkeit, der nicht den Widerstand gegen die Besatzung und gegen die nationalistischen Parteien, die ihr dienen, zu seinem Ausgangspunkt macht, wird unausweichlich der Besatzung untergeordnet sein.

Irakisch-Kurdistan: Öl und ethnischer Konflikt

Mit fast 30 Millionen Menschen sind die Kurden die größte Nation der Welt ohne eigenen Staat. Kurdistan umfasst die Weiten zerklüfteter Gebirge und ausgetrockneter Täler, die sich über die abgelegenen Teile vier verschiedener Länder erstrecken: der Türkei, des Iran, des Irak und Syriens. Somit erfordert die kurdische Selbstbestimmung den Sturz von vier kapitalistischen Staaten.

Von Bomben- und Giftgasangriffen durch die Briten in den 20er-Jahren über die brutale Unterdrückung unter Saddam Husseins Herrschaft bis zum gegenwärtigen Vernichtungskrieg durch die Türkei ist das Volk Kurdistans Opfer von Unterdrückung, Zwangsumsiedlungen und Massakern sowohl durch die Kolonialmächte als auch durch örtliche kapitalistische Regime gewesen. Das kurdische Volk hat eine lange Geschichte des Kampfes gegen seine Unterdrücker. Seine feudalistischen und bürgerlich-nationalistischen Irreführer haben eine genauso lange Geschichte des Ausverkaufs dieser Kämpfe für eine illusorische Unterstützung von den Imperialisten oder deren regionalen Lakaien.

Als die US-Streitkräfte Ende 2004 die sunnitische Bevölkerung Faludschas vertrieben und die Stadt verwüsteten, bestanden die irakischen Hilfstruppen vor allem aus den kurdischen Peschmerga zusammen mit einigen schiitischen Einheiten aus dem Süden. Bald darauf unterstützten ähnlich zusammengesetzte Einheiten die US-Truppen bei der Erstürmung der gemischt kurdisch-arabischen Stadt Mosul, die von sunnitischen Aufständischen besetzt worden war. Um diese Zeit kommentierte der ehemalige UN-Waffeninspektor Scott Ritter, dass die einzige effektive Einheit der irakischen Armee das 36. Bataillon sei, „eine kurdische Miliz, die vom US-Militär verpflichtet wurde, da der Rest der irakischen Armee nicht gewillt oder unfähig ist, den Kampf gegen die irakischen Widerstandskämpfer zu führen“ (Al Dschasira online, 9. November 2004).

Im kurdisch dominierten Nordirak, der von den US-Besatzern als ein Modell für den Rest des Landes hingestellt wird, haben von US-Truppen unterstützte Peschmerga sunnitische und schiitische Araber wie auch die turkmenischen und christlich-assyrischen Minderheiten angegriffen, sich ihres Besitzes bemächtigt und sie zu Tausenden vertrieben. Die Terrorwelle begann unmittelbar nach der US-Besetzung und schwoll nach den Wahlen vom Januar 2005 an, bei denen die PUK und die KDP ihre Herrschaft über die Provinzregierung gefestigt hatten. Ein Brennpunkt in dem Konflikt ist die Kontrolle über die Stadt Kirkuk, die auf großen Ölreserven ruht. Tatsächlich liegen etwa 40 Prozent der irakischen Ölreserven in der kurdischen Region.

Um den kurdischen Nationalismus zu unterdrücken und die politische Stärke der Kurden in dieser ölreichen Region abzuschwächen, vertrieben die verschiedenen sunnitisch-arabischen Regierungen in Bagdad die Kurden systematisch aus Kirkuk und den umliegenden Gebieten und ersetzten sie durch Araber aus dem Süden. Die „Arabisierung“ wurde von Saddam Hussein nach dem Golfkrieg von 1991 forciert, als Hunderttausende Kurden zwangsweise aus ihren Häusern vertrieben wurden.

Jetzt kehren die Kurden den Prozess um. Die PUK und die KDP haben in rasch wachsende Siedlungen am Stadtrand von Kirkuk mindestens 300 000 Kurden zurückgeführt, wodurch im Vorfeld eines für Ende 2007 geplanten Referendums über den Status von Kirkuk tatsächlich Hunderttausende zusätzlicher Wähler bereitstehen. Die Zurückführungen haben blutige Konfrontationen zwischen Arabern und Kurden hervorgerufen. In den letzten Wochen sind hunderte schiitische Milizionäre nach Kirkuk gezogen, um sich eine gute Ausgangsposition zu verschaffen – das Szenarium für weiteres Blutvergießen.

Befreiung der Kurden und permanente Revolution

Mit US-Unterstützung beherrschen die beiden kurdischen nationalistischen Parteien die Bevölkerung der Region durch Angst und Schrecken. Wie Time online (17. März) berichtete:

„Kurdistan ist ein richtiggehender Polizeistaat, in dem die Asajesch – die Militärpolizei – in jedem Viertel der größeren Städte einen Stützpunkt besitzt und wo die ,Geheimpolizei‘ Parastin Telefongespräche überwacht und kontrolliert, wer am Freitagsgebet teilnimmt.“

Die KDP, die die Provinzen Erbil und Dohuk beherrscht, und die PUK, die die Provinz Suleimanija kontrolliert, haben beide ihre eigenen Milizen. Demonstrationen sind verboten, und Journalisten werden regelmäßig verhaftet und verprügelt. Der Schriftsteller Kamal Karim, ein im Irak geborener Kurde mit österreichischer Staatsbürgerschaft, wurde zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er Barsani Korruption und Machtmissbrauch vorgeworfen hatte. Nach einer internationalen Protestwelle wurde seine Strafe auf 18 Monate herabgesetzt, und später wurde er begnadigt.

Doch das kurdische Volk im Irak ist kaum eine homogene Masse, die hinter ihren nationalistischen Führern steht. Eine Demonstration in Halabdscha vom 16. März, wo Saddam Husseins Regime 1988 einen Giftgasangriff durchgeführt hatte, bei dem ungefähr 5000 Menschen ermordet wurden, zeigte die ganze Wut über die nationalistischen Führer, die unter der Oberfläche der kurdischen „Einheit“ kocht. Als sich Funktionäre zu einem Tag der Trauer über die Grausamkeit von 1988 versammelten, gingen Tausende wütender Kurden auf die Straße, um gegen Korruption, Tyrannei und Vernachlässigung zu protestieren. Die Peschmerga feuerten auf die Demonstration und töteten einen 17-jährigen Demonstranten. Wütende Demonstranten gelangten zu einem Denkmal und einem Museum zum Andenken an die Opfer des Giftgasangriffs und setzten das Museum in Brand.

Aus der Tatsache, dass die Demonstranten ein Denkmal niederbrannten, das an ihr eigenes Leiden erinnert, kann man ermessen, wie tief die Wut des Volkes sitzt. Die BBC (18. März) berichtete, dass das Denkmal zum Brennpunkt des Volkszorns wurde, weil nach Angaben von Anwohnern „Funktionäre die Grausamkeiten für ihre eigenen politischen Ziele ausgenutzt haben, sie selbst aber wenig Unterstützung erhalten hatten“.

Der Protest vom 16. März war der jüngste in einer Reihe von Demonstrationen und Studentenstreiks im ganzen Irakisch-Kurdistan gegen Korruption, Arbeitslosigkeit, schlechte Versorgung und Wohnungsmangel. Trotz der vier bis fünf Milliarden Dollar, die die Regionalregierung von der Zentralregierung erhält, sickert nichts davon bis zu der verarmten Bevölkerung durch. Ein Großteil der Region bleibt unterentwickelt, mit einem hohen Prozentsatz an Analphabetismus und Arbeitslosigkeit. Enttäuscht und unzufrieden mit den nationalistischen Parteien wenden sich viele Studenten und andere junge Leute der Islamischen Union Kurdistans zu, die mit der Moslembruderschaft verbunden ist.

Die Kurden sind nicht einfach nur Opfer nationaler Unterdrückung und wiederholten Verrats durch ihre nationalistischen Führer. Wie wir in unserer zweiteiligen Serie „Das kurdische Volk und die US-Besatzung des Irak“ (Spartakist Nr. 152 und 153, Herbst 2003 und Winter 2003/2004) betonten:

„In den Erdölfeldern von Kirkuk und in anderen strategischen Zentren gibt es eine ziemlich große kurdische Arbeiterklasse mit einer Geschichte militanten Kampfes. Aber größtenteils findet man das kurdische Proletariat außerhalb Kurdistans in Industriezentren wie Istanbul und den Bergbaugebieten der Türkei sowie in Bagdad – zumindest bevor die Stadt durch Sanktionen ausgehungert und durch Bombenangriffe in Schutt und Asche gelegt wurde. Gerade in den städtischen Zentren, bei dem Industrieproletariat, existiert die Macht, die das kurdische Volk zur Freiheit führen kann.“

In den kolonialen und halbkolonialen Ländern kann in der Epoche des Imperialismus nur das Proletariat an der Macht die Aufgaben vollbringen, die historisch von den klassischen bürgerlich-demokratischen Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts angegangen worden waren, wie nationale Emanzipation, Land für die Bauern und formale Gleichheit vor dem Gesetz. Um den Weg zum Sozialismus zu eröffnen, müssen proletarische Revolutionen in der „Dritten Welt“ mit dem Kampf zum Sturz des Kapitalismus in den fortgeschrittenen Industrieländern Europas, Nordamerikas und in Japan verbunden werden. Dieses Verständnis, die trotzkistische Perspektive der permanenten Revolution, enthält die Erfahrung der Russischen Revolution von 1917.

Als Teil des multinationalen Proletariats des Nahen Ostens können die kurdischen Arbeiter eine führende Rolle beim Sturz des verrotteten Gefüges spielen, das im Dienste der imperialistischen Herrscher errichtet wurde. Kurdische und türkische Arbeiter in Europa, besonders in Deutschland, können ein lebendiges Bindeglied sein zur Verknüpfung des kurdischen Unabhängigkeitskampfes mit dem Kampf für sozialistische Revolution im Nahen Osten und in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern Westeuropas. Dieser Kampf erfordert die Führung durch internationalistische Arbeiterparteien, die sich die Losung Sozialistische Republik Vereinigtes Kurdistan als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens auf ihre Fahne schreiben.

Schmiedet proletarisch-revolutionäre Parteien!

Die Herrscher der Türkei, des Iran und Syriens stehen jeglichen ernsthaften Zugeständnissen an kurdischen Nationalismus im Irak einmütig feindlich gegenüber, aus Furcht, dieser würde die Kurden der ganzen Region zum Streben nach Unabhängigkeit ermutigen. Dies trifft vor allem auf die türkische herrschende Klasse zu, die seit Mitte der 80er-Jahre eine Ausrottungskampagne gegen die Kurden und die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) führt. Jahrzehntelang war die Türkei ein bevorzugter Empfänger von Waffenlieferungen der USA und der BRD und diente als wichtiger Vorposten im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion.

Von 1984 bis 1999 tötete das türkische Militär etwa 37 000 Menschen und siedelte Hunderttausende, vielleicht Millionen, kurdischer Dorfbewohner zwangsweise um, wobei es Tausende ihrer Siedlungen niederbrannte und zerstörte. Jahrelang verbot die türkische Regierung den Gebrauch der kurdischen Sprache in Schulen, im Verlagswesen, im Rundfunk und im Fernsehen. In der Öffentlichkeit Kurdisch zu sprechen war verboten. Das kurdische Volk wurde von offizieller Seite als „Bergtürken“ bezeichnet, die Namen ihrer Dörfer in türkische Namen geändert.

Die türkische Bourgeoisie hat im Rahmen von Ankaras Bewerbung für die EU-Mitgliedschaft kosmetische Reformen durchgeführt, um die Europäische Union (EU) zu beschwichtigen. So erlaubte das Regime zynischerweise kurdischsprachigen Unterricht in Privatschulen, die sich nur sehr wenige der verarmten Kurden leisten können. Kurdische Radiosendungen wurden auf vier Stunden pro Woche begrenzt und Fernsehsendungen auf zwei Stunden.

Da die Hoffnungen auf einen EU-Beitritt zurzeit schwinden, versucht das Erdogan-Regime die Wut über wachsende Arbeitslosigkeit, eine schrumpfende Wirtschaft und über Bestechungs- und Korruptionsvorwürfe durch das Schüren chauvinistischen Hasses auf die Kurden abzulenken. In den letzten 18 Monaten brodelte der zunehmende türkische Chauvinismus oft über und führte zu bürgerwehrähnlichen Gewaltakten und versuchten Lynchmorden an Kurden und an Linken.

Inzwischen hat der türkische Staat seine Repression in der Kurdenregion im Südosten verschärft, von militärischen Operationen gegen nationalistische Guerillas bis hin zur Unterdrückung von öffentlichen Protesten. Erdogan hat ausdrücklich damit gedroht, dass „die Sicherheitskräfte gegen die Handlanger des Terrorismus eingreifen werden, egal ob sie Kinder oder Frauen sind“ (BBC News, 1. April). Wie die Türkei hat der Iran Tausende von Soldaten entlang der irakischen Grenze zusammengezogen, wo sie regelmäßig Stellungen der militanten iranisch-kurdischen Gruppe PEJAK beschießen, die in Irakisch-Kurdistan Zuflucht gesucht hat.

Türkische, persische und arabische Arbeiter müssen dafür gewonnen werden, die nationalen Rechte der Kurden und die Rechte anderer unterdrückter Völker zu verteidigen und so den Weg für gemeinsamen Arbeiterkampf gegen ihre gemeinsamen kapitalistischen Unterdrücker zu ebnen. Diese Perspektive ist dem kleinbürgerlich-nationalistischen Programm der PKK diametral entgegengesetzt, die jetzt auch als Volkskongress Kurdistans oder Kongra-Gel bekannt ist. Trotz ihres Anspruchs, eine „marxistisch-leninistische“ nationale Befreiungsbewegung zu sein, lehnt die PKK ein Programm des proletarisch-internationalistischen Kampfes vehement ab und appelliert dementsprechend letzten Endes an das Wohlwollen des Imperialismus. So hat die PKK wiederholt die UNO, die EU und sogar die Vereinigten Staaten dazu aufgerufen, die Türkei zur Lösung der kurdischen Frage zu drängen. Die PKK begrüßte sogar die US-Besatzung des Irak und gab ihren Wunsch bekannt, „mit Washington über die Beteiligung an dessen Kampagne zur Demokratisierung des Nahen Ostens einen Dialog in Gang zu setzen“ (Financial Times, 15. April 2003).

Gegründet von Abdullah Öcalan in den 70er-Jahren, hat die PKK lange einen mutigen Kampf gegen die weit besser ausgerüstete türkische Armee geführt und Massenunterstützung unter kurdischen Landbewohnern und unter kurdischen Arbeitern in der Türkei, in Westeuropa und anderen Ländern erhalten. Für die PKK war der Guerillakrieg ein Mittel, um die türkische Bourgeoisie zur Bewilligung von Zugeständnissen zu drängen. Und im Zuge der zunehmenden Anpassung ihrer Politik an das reaktionäre Klima der nachsowjetischen Welt ließ die PKK ihre Forderung nach einem unabhängigen Türkisch-Kurdistan fallen, indem sie erklärte, „das Existenzrecht der Kurden sollte in einer geeinten demokratischen Türkei anerkannt werden“ (Kongra-Gel News Bulletin, 12. November 2004).

Die PKK unterstützte Ankaras Bewerbung um Mitgliedschaft in der EU und rief die europäischen Imperialisten dazu auf, die Schirmherrschaft über einen „Dialog“ zwischen der kurdischen Bewegung und dem türkischen Regime zu übernehmen. Das sind dieselben imperialistischen Mächte, die dem PKK-Führer Öcalan Asyl verweigerten, als er Ende der 90er-Jahre von der türkischen politischen Polizei gejagt wurde. Die Vereinigten Staaten stellten ihre Geheimdienstinformationen zur Verfügung, die dann zu seiner Entführung durch türkische Kommandos in Kenia führten. Wie die Vereinigten Staaten betrachtet die EU die PKK als eine „terroristische“ Organisation. Deutschland hat seit langem die PKK und eine Reihe kurdischer politischer, kultureller und sozialer Organisationen verboten.

Die Forderung nach Selbstbestimmung für das kurdische Volk im Irak wird von der Arbeiterkommunistischen Partei des Irak (AKP-Irak) aufgestellt, die eine gewisse Basis in Irakisch-Kurdistan besitzt. Im Jahre 2003 riefen diese Reformisten die Vereinten Nationen dazu auf, im Irak „freie Verhältnisse sicherzustellen“, und forderten den Rückzug der US- und britischen Besatzungstruppen. Die UNO ist nichts anderes als ein Instrument im Dienste der Interessen der imperialistischen Mächte. Sie ist dieselbe Institution, die seit Anfang 1990 gegen den Irak 12 Jahre lang Sanktionen verhängt hatte, die 1,5 Millionen Menschen töteten. Es waren UN-Waffeninspektionen, die dem US-Eroberungskrieg den Weg ebneten. Im letzten Jahr war die Hauptinitiative der AKP-Irak die Schaffung des Irak-Friedenskongresses (IFK), dessen Programm sich in dem Aufruf zu einer „säkularen Regierung der Einigung“ erschöpft – d. h. zur Fortführung kapitalistischer Herrschaft unter einem „demokratischen“ Deckmäntelchen.

In Grüßen an eine Konferenz kurdischer Militanter, die 1984 in Europa stattfand, stellte ein Vertreter der Spartakisten die Alternative zur Geschichte des Verrats durch bürgerlich-nationalistische und reformistische linke Organisationen dar:

„Wir wissen: Der Kampf für eine vereinigte sozialistische Republik Kurdistan wird geformt werden durch die zukünftige Entwicklung des revolutionären Proletariats der ganzen Region in Richtung auf eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens, und seinerseits beeinflusst er diese Entwicklung. Unser Modell ist Lenins Russland von 1917 bis 1924, wo die Bolschewiki den nationalen Minderheiten die Möglichkeit und die Vorteile einer Assoziation mit der Sowjetischen Föderation angeboten haben. Für unseren Teil haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die internationalistische Partei der weltweiten proletarischen Revolution zu schmieden, und wir sprechen zu euch mit dem Verständnis, dass von dem Aufbau dieser Partei die Zukunft der Menschheit abhängt“ (Spartakist Nr. 51, Oktober 1984).

 

Spartakist Nr. 163

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