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Spartakist Nummer 160

Herbst 2005

Wähler sagen: Sozialraub, nein Danke

PDS/WASG — Hindernis für Klassenkampf

Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

Der Versuch der europäischen Bourgeoisien, die in Jahrzehnten von Kämpfen errungene soziale Absicherung zu zerstören, hat, nachdem die Volksabstimmungen über die EU-Verfassung in Frankreich und Holland verloren wurden, erneut auf parlamentarischer Ebene einen Dämpfer bekommen. Die deutschen und europäischen Kapitalisten hatten darauf gehofft, dass eine neue deutsche Regierung aus CDU/CSU und FDP einen entschiedenen Angriff auf den „Sozialstaat“ durchführen würde und dafür eine eindeutige Mehrheit bekommen würde. Dieses Projekt ist kläglich gescheitert, und die internationale Bourgeoisie heult darüber, dass in Deutschland jetzt eine Phase der Instabilität heraufzieht, weil es keine deutliche Regierungsmehrheit gibt, die die Angriffe auf die Arbeiterklasse durchführen kann. Die SPD ist zerrissen worden einerseits darüber, mit den kleinbürgerlichen Grünen die Drecksarbeit für die Kapitalisten zu machen, und andererseits zu versuchen, ihre Basis in der Arbeiterklasse anzusprechen, wie in den letzten Wochen vor der Wahl, womit sie eine totale Niederlage verhinderte. So zeigte die SPD die Auswirkungen des Horrorkatalogs des CDU-„Finanzexperten“ Kirchhof auf, der keinen Hehl daraus machte, dass er das Geld von den Arbeitern klauen wollte. Jetzt verschachert sie das Kapital, das sie mit ihrer Wahlrhetorik unter den Arbeitern gewonnen hat, für Ministerposten in einer großen Koalition mit der CDU, deren Aufgabe es sein wird, die sozialen Angriffe auf die Arbeiterklasse weiterzuführen, wenn möglich noch schärfer.

Nach zum Teil heftigen Auseinandersetzungen zwischen der SPD/Grünen-Regierung und den Gewerkschaften über die Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse und die Kriege auf dem Balkan und in Afghanistan spalteten sich Teile der Gewerkschaftsbürokratie von der SPD ab und bauten die WASG auf. Die WASG/Linkspartei.PDS konnte in den Industriezentren Westdeutschlands, und hier insbesondere im Saarland, wo sie beinahe 20 Prozent bekam, sich eine Basis aufbauen und im Osten im Vergleich zur PDS vor drei Jahren noch wesentlich zulegen. Die Arbeiterklasse in den Kampf gegen die Angriffe der Regierung und der Bosse zu führen war aber nicht die Sache dieses Teils der Gewerkschaftsbürokratie und der PDS. So rechneten die Kapitalisten damit, dass jetzt die Zeit gekommen sei, den großen offenen Angriff zu führen, wozu eine rein bürgerliche Regierung als besser angesehen wird, weshalb auch versucht wurde, die „Jamaika“-Koalition aus CDU, FDP und Grünen zusammenzuzimmern.

Die Linke versucht, das jetzige Dilemma als ein Ergebnis der Wahl der Linkspartei in den Bundestag darzustellen und damit die Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse und unter den Unterdrückten zurück in Parlamentarismus zu kanalisieren. Wenn sich die Arbeiterklasse aber auf die Linkspartei verlässt, ist sie verraten und verkauft. Dass die europäischen Kapitalisten in Schwierigkeiten sind – wie auch die amerikanische Regierung wegen der blutigen Besetzung des Irak und ihrer rassistischen Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen schwarzen und armen Bevölkerung in den durch die Hurrikans verwüsteten Gebieten –, muss ausgenutzt werden für einen gemeinsamen Kampf der internationalen Arbeiterklasse gegen ihre Ausbeuter. Bedingung für einen entschiedenen Kampf ist der Bruch mit sozialdemokratischem Reformismus à la Linkspartei in Deutschland. Sie ist ein Hindernis für diesen Kampf, genauso wie es Rifondazione comunista in Italien oder in Frankreich die Pseudotrotzkisten von Lutte ouvrière oder der Ligue communiste revolutionnaire sind.

Drohung mit Massenentlassungen und der Kampf dagegen

Die Lage der Arbeiterklasse in Deutschland ist gekennzeichnet durch massive Angriffe auf Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen. Schon vor der Wahl liefen Horrormeldungen durch die Nachrichten über drohende Massenentlassungen bei VW. Am Tag nach der Wahl konkretisierte Siemens seine diversen Pläne, die tausende von Jobs kosten sollen, und droht mit der Schließung bzw. Verlagerung ganzer Betriebszweige, die angeblich unrentabel sind. Was aber nur heißt, dass sie nicht genügend Profit für die Kapitalisten abwerfen.

Über den Sommer machte VW negative Schlagzeilen wegen massiver Bestechung und krummer Geschäfte, in die offenbar sowohl der ehemalige Personalchef und Schröder-Berater Peter Hartz als auch sein Gehilfe im Betriebsrat, der ehemalige Vorsitzende Klaus Volkert, verwickelt sind. Die junge Welt beschrieb es basierend auf einem Stern-Interview mit dem ehemaligen VW-Personalmanager Gebauer so: „Von Hartz sei außerdem die Anweisung gekommen, sich insbesondere um Betriebsratschef Klaus Volkert zu kümmern und ihm ,alle Wünsche zu erfüllen‘.“ Dass der „Arbeitervertreter“ Volkert längst auf die andere Seite der Barrikade übergelaufen war, wurde schon vor vier Jahren klar, als VW-Arbeiter in Südafrika Hilfe brauchten. 1300 Arbeiter waren von VW gefeuert worden, weil sie sich gegen Angriffe der VW-Bosse wehren wollten und ihre Gewerkschaft verteidigten. Volkert und Co., durch notorische Klassenzusammenarbeit und Co-Management längst korrumpiert, sorgten dafür, dass es keinerlei Solidaritätsaktionen der mächtigen VW-Arbeiter hier gab, obgleich es erst am Tag vorher in Wolfsburg einen Streik von 20 000 gegen die angedrohte Entlassung von 1800 Arbeitern mit befristeten Verträgen gegeben hatte. Ein organisierter Protest hätte die VW-Bosse in die Knie zwingen und die Kündigungen in Südafrika rückgängig machen können. Jetzt haben die Betriebsratsfürsten und der IG-Metall-Bezirksleiter Meine mit den Bossen eine Senkung der Löhne um 20 Prozent ausgehandelt, damit das Wolfsburger VW-Werk den neuen „Golf Marrakesch“ bauen kann.

Während die Bosse versuchen, die Arbeiter in Portugal gegen die Arbeiter hier, und umgekehrt, auszuspielen, gehen ihnen die sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokraten zur Hand unter dem Deckmantel, Arbeitsplätze zu erhalten. Tatsächlich aber treiben sie die Spirale von Arbeitszeitverlängerungen und Lohnkürzungen nur weiter nach unten, indem sie keinen Kampf mit den Arbeitern in anderen Ländern organisieren, sondern das Gegeneinanderausspielen selbst kräftig mit betreiben. Was kurzfristig aussieht wie der Erhalt von Arbeitsplätzen – und viele Arbeiter sind berechtigterweise besorgt darum, ihren Job zu behalten –, ist längerfristig einfach ein Mittel, den Lebensstandard der Arbeiterklasse massiv abzusenken und die Profite der Bosse zu erhöhen. Die nächste Entlassungsdrohung wird bald auf dem Tisch liegen, und wie viel Prozent Lohnkürzung bietet die IG Metall dann an? Diese Abwärtsspirale muss gestoppt werden dadurch, dass die IG Metall und andere Gewerkschaften die Arbeiter in Südafrika, Polen, Portugal oder sonst wo in ihren Kämpfen unterstützt und ihnen hilft, sich in starken Gewerkschaften zu organisieren. Eine solche internationale Einheit der Arbeiterklasse ist aber entgegengesetzt zur Klassenzusammenarbeit mit den Bossen und zur nationalistischen Konzeption vom „Standort Deutschland“, die von den Sozialdemokraten aller Couleur in die Arbeiterklasse getragen wird. Statt der notorischen Klassenzusammenarbeit der Gewerkschaftsbürokraten muss die Arbeiterklasse unabhängig von der Bourgeoisie und ihrer Regierung in den Kampf geführt werden. Unabhängig heißt: Kampf gegen die Bourgeoisie und ihre Agenturen und Handlanger in der Arbeiterbewegung. In den Kämpfen dafür wird die revolutionäre Partei geschmiedet, die aufzubauen wir Spartakisten uns verpflichtet haben. Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung!

Multiethnische Arbeiterklasse braucht revolutionäre Führung

Die Arbeiterklasse in Deutschland setzt sich zusammen aus Arbeitern aus vielerlei Ländern, darunter Türken, Kurden, Polen, Russen, Serben und Kroaten. Die Kapitalisten, die sozialdemokratischen Arbeiterverräter und ihre Schreiberlinge versuchen die Arbeiterklasse entlang nationaler und ethnischer Linien zu spalten – ähnlich wird versucht, Ost gegen West, Frauen gegen Männer oder Jung gegen Alt gegeneinander auszuspielen – und gegeneinander zu hetzen. Ein Mittel dazu ist der so genannte „Krieg gegen Terror“, der sich gegen die gesamte immigrierte Bevölkerung mit muslimischem Hintergrund bzw. türkischer oder arabischer Abstammung richtet. So wurden am 27. September in Frankfurt und anderen hessischen Städten ganze Straßenzüge gesperrt und systematisch arabische und türkische Geschäfte und Restaurants in einen mehrstündigen Belagerungszustand versetzt und terrorisiert. Die Arbeiterbewegung muss besonders mobilisiert werden zur Verteidigung der Minderheiten, die vom bürgerlichen Staat und seinen Handlangern stigmatisiert werden, und für volle Staatsbürgerrechte kämpfen, für alle, die es hierher geschafft haben, egal ob Flüchtling oder Arbeiter. Nieder mit der rassistischen Festung Europa! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Ein solcher internationalistischer Kampf würde auch als ein Fanal wirken für die Klassenkämpfe zum Beispiel in der Türkei. Nicht nur könnte es den türkischen Arbeitern den Weg weisen, gegen ihre Unterdrücker zu kämpfen, sondern auch den Kurden eine Perspektive für ihre Befreiung von nationaler Unterdrückung durch die türkische Bourgeoisie aufzeigen. Auf dem Balkan wurden die Arbeiter von den Imperialisten, unter Federführung von Genscher, Kohl und deren Handlangern vor Ort, in die nationalistischen Massaker der 90er-Jahre gehetzt, die den deformierten Arbeiterstaat Jugoslawien zerstörten. Die blutigen Gemetzel waren der Vorwand zum NATO-Krieg gegen Serbien und zur Besetzung weiter Teile des Balkans durch die Bundeswehr und andere imperialistische Truppen. Die Arbeiterbewegung hier und in den anderen imperialistischen Zentren muss für den Abzug der imperialistischen Truppen kämpfen durch Klassenkampf gegen ihre eigenen Kapitalisten. Bundeswehr raus aus dem Balkan und Afghanistan!

Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit

Aber es wird nicht nur die Produktion verlagert oder mit Verlagerung gedroht, sondern es wird auch immer wieder mit Privatisierungen und/oder Outsourcing versucht, die noch vorhandene Macht der Gewerkschaften zu brechen und die Arbeiterklasse zu knebeln. In vielen Industriebetrieben wurden die Kantinen und Dienstleistungen ausgegliedert, was zur Schwächung der Gewerkschaften und zu einem Bruch mit dem Prinzip der Industriegewerkschaften geführt hat. Hiervon sind oft zuerst schwächere Schichten der Arbeiterklasse wie immigrierte Frauen betroffen, die dann mit Niedriglöhnen der IG BAU beim Reinigungspersonal oder der NGG beim Küchenpersonal abgespeist werden. Die Produktionsarbeiter, die die Macht haben, die Produktion zum Stillstand zu bringen und damit den Bossen richtig wehzutun, müssen mobilisiert werden zur Verteidigung ihrer Klassenschwestern und -brüder. Ein machtvolles Beispiel dafür gab das Bodenpersonal von British Airways in Londons Flughafen Heathrow am 11. August, als die Beschäftigten in Solidarität mit den Frauen des ausgegliederten Versorgungsbetriebs Gate Gourmet, die hauptsächlich asiatischer Abstammung sind, in Streik traten und den Flughafen lahm legten aus Protest gegen die Massenentlassungen bei Gate Gourmet (siehe Spartakist-Artikel auf Seite 9). Dieser Kampf ist ein Beispiel dafür, wie Klassenkampf ethnische Spaltungen überwinden kann. Notwendig ist ein Kampf für die gewerkschaftliche Organisierung der Unorganisierten! Für Klassenkampf gegen Privatisierungen und Auslagerungen! Ein Betrieb – eine Gewerkschaft!

Die Massenarbeitslosigkeit, die als Ergebnis der konterrevolutionären Zerstörung des deformierten Arbeiterstaates DDR vor fünfzehn Jahren jetzt auf mehr als fünf Millionen gestiegen ist, wird als Rammbock für die Angriffe auf die Arbeiterklasse benutzt. Sie hat insbesondere in der ehemaligen DDR zu einer beispiellosen Verarmung und völliger Ausweglosigkeit breitester Schichten der Bevölkerung geführt, die jetzt nur noch für Hartz IV anstehen können, solange es Arbeitslosengeld II noch gibt. Es braucht einen Kampf für die Verteilung der Arbeit auf alle Hände, ein Programm öffentlicher Arbeiten zum Tariflohn, eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, um Arbeit und qualifizierte Ausbildung für alle zu gewährleisten! Da hört man dann schon die sozialdemokratischen Spießer, unterstützt von Gewerkschaftsfürsten wie Peters und Bsirske, sagen, dass das überhaupt nicht bezahlbar wäre, dass es der Ruin deutscher Firmen wäre usw. Wir teilen diese Besorgnis um das Wohlergehen der Kapitalisten nicht. Wenn der Kapitalismus unfähig ist, die elementaren Bedürfnisse der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten zu befriedigen, wie Arbeit für alle, ausreichend zu essen, qualitativ hochwertigen Wohnraum für alle, dann hat er es verdient, unterzugehen. Tatsächlich können diese elementaren Forderungen nur durchgesetzt werden mit einer internationalen Planwirtschaft, die für die Bedürfnisse der Massen statt für die Profite von ein paar Reichen produziert. Dafür ist die entschädigungslose Enteignung der Kapitalisten notwendig und der Aufbau einer Planwirtschaft unter der Kontrolle von Arbeiterräten!

Wir Spartakisten und die Internationale Kommunistische Liga kämpften gegen die Konterrevolution in der DDR und der Sowjetunion Anfang der 90er-Jahre mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir kämpften für eine politische Revolution in der DDR, für den Sturz der stalinistischen Bürokratie und die Ersetzung dieses politisch korrupten Regimes durch Arbeiter- und Soldatenräte. Im Westen kämpften wir für die soziale Revolution zum Sturz der Kapitalisten. Wir kämpften für die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands in einem roten Rätedeutschland, weil es uns bewusst war und ist, dass Kapitalismus notwendigerweise Elend, Hunger, Unterdrückung und Krieg hervorbringt. Fünfzehn Jahre nach der Zerstörung der DDR, und wenig später der Sowjetunion, können die Kapitalisten nicht genug Profit aus den Arbeitern herausschlagen und sehen überhaupt keine Notwendigkeit mehr, den „Sozialstaat“ aufrechtzuerhalten. Wie in anderen Ländern Westeuropas hatten einst die Kapitalisten und ihre mal sozialdemokratisch und mal konservativ geführten Regierungen diese „Sozialstaaten“ aufgebaut, um der Arbeiterklasse vorzugaukeln, dass der Kapitalismus „sozial“ sein kann und die Arbeiter sich unter keinen Umständen nach einer sozialistischen Alternative zur kapitalistischen Ausbeutung umsehen sollten. Jetzt meinen das wiedervereinigte imperialistische Deutschland und die EU-Kapitalisten, den „Sozialstaat“ nicht mehr zu brauchen, und sie arbeiten daran, ihn abzuschaffen, um international untereinander und gegenüber ihren Konkurrenten, hauptsächlich den USA und Japan, konkurrenzfähiger zu werden. Sie wollen sich in eine bessere Position bringen für eine Neuaufteilung der Welt, die auf lange Sicht zwangsläufig mit neuen imperialistischen Kriegen einhergehen wird, wenn der Kapitalismus nicht vorher durch eine sozialistische Revolution gestürzt wird.

Linkspartei.PDS: Neuauflage der SPD gegen die Arbeiterklasse

Die jetzt als Linkspartei firmierende PDS mit Oskar Lafontaine und den Gewerkschaftsbürokraten der WASG hat 8,7 Prozent der Stimmen bei den Bundestagswahlen bekommen, im Wesentlichen auf einem Programm der gar nicht guten alten SPD, bevor sie 1998 an die Macht kam. Kaum gewählt, beeilt sich Lafontaine klarzustellen, dass er „sofort bereit [sei], Politik zu gestalten“ (Frankfurter Rundschau, 22. September), d. h. die Drecksarbeit in einer kapitalistischen Regierung mit der SPD und den Grünen zusammen zu tun, wenn nur die SPD auf Hartz IV, Agenda 2010 und auf Auslandseinsätze der Bundeswehr verzichten würde. Wie man die PDS kennt, ist aber alles dies verhandelbar, wenn sie denn nur in die Nähe der Futtertröge der Regierung kommen würden. Lafontaine brüstete sich gar damit, das bürgerliche Programm der Grünen unterschreiben zu können (ebenda). Nur, die Bourgeoisie braucht sie im Moment nicht und deswegen will die SPD sie nicht. Dass die Linkspartei.PDS keine Alternative für die Arbeiter und Unterdrückten ist, hat sie längst bewiesen. Im Berliner SPD/PDS-Senat macht die PDS seit Jahren die Drecksarbeit für die Kapitalisten und stellt die Speerspitze dar für die Angriffe auf die Arbeiter im öffentlichen Dienst. Ob es um die Privatisierung der städtischen Krankenhäuser geht, was mit der Schließung von einigen einhergeht, um die drastischen angedrohten Personalreduzierungen bei den Unikliniken, die Personalreduzierungen bei der S-Bahn, die massive Lohndrückerei bei der BVG oder die Umsetzung von Hartz IV, während Milliarden für die Kapitalisten der Bankgesellschaft rausgeschmissen werden: bei jeder Sauerei ist die PDS dabei, ganz vorne weg, und die WASG deckt die PDS dabei ab. Und nichts anderes ist nach einer Schonfrist von der PDS im Bundestag zu erwarten, wenn denn die Kapitalisten sie brauchen sollten. Brecht mit der Sozialdemokratie, egal ob SPD, PDS oder WASG!

Linke Wasserträger für Lafontaine

Weil es relativ wenig Erwartungen bezüglich der Linkspartei in der Arbeiterklasse gibt, trommeln linke Organisationen umso heftiger für die Linkspartei. Die reformistische MLPD kandidierte formal unabhängig von der PDS; wie wir aber in unserem Wahl-Extra vom 5. September nachwiesen, kandidierten sie keinesfalls gegen die verräterische PDS. Dies bestätigten sie noch einmal nach der Wahl. Stefan Engel hob hervor: „Gleichwohl ist die Linkspartei in Gelsenkirchen als politischer Faktor real relativ schwach. Hier hat die MLPD sehr wesentlich den Linkstrend aufgebaut, aber aufgrund der Wirkung der Fünf-Prozent-Klausel offensichtlich zu den vielen Stimmen der Linkspartei beigetragen. Die Hetzer gegen die MLPD in PDS und WASG sollten sich hinter die Ohren schreiben, dass der Gelsenkirchener Direktkandidat, der eng mit der MLPD zusammen arbeitet, dieses beste Ergebnis hat“ (Rote Fahne, 21. September). Engel lobt die MLPD-Kampagne dafür, das Ergebnis der Linkspartei möglich gemacht zu haben. Ein deutlicher Beweis, dass sie ihre „unabhängige“ Kandidatur im Grunde als Unterstützung der Linkspartei und der „Linken“ sehen und für sie damit der Sozialismus auch nur auf dem (Wahl-)Papier steht.

Sich selbst revolutionär gebende Organisationen der Linken wie die Gruppe Arbeitermacht (GAM), Linksruck oder die Sozialistische Alternative (SAV) haben ebenso die WASG aufgebaut und für die Linkspartei.PDS getrommelt wie die ganz offensichtlichen Reformisten von der DKP und viele andere Organisationen. Sie alle sehen die Möglichkeiten für Widerstand gegen die Angriffe der Regierung durch die Wahl der PDS als wesentlich verbessert an: Linksruck sieht „einen Bündnispartner [der sozialen Bewegungen] im Parlament“. Die SAV jubelt: „Die Unterstützung der WASG für die offenen Listen der Linkspartei/PDS und die Kandidatur von Oskar Lafontaine als Führungsfigur mit bundesweiter Ausstrahlung und Massenwirkung waren … die entscheidenden Faktoren“ für den Sieg (Solidarität, 20. September). Die GAM will mit der PDS „den Kampf gegen den Generalangriff vorbereiten“ und, nun wieder in der PDS/WASG, „Für eine neue Arbeiterpartei kämpfen!“ Zwischenzeitlich hatte sie die WASG verlassen; wenn Gysi und Lafontaine aber so viele Stimmen holen können, dann muss die GAM einfach dabei sein.

Verschiedene Nazi-Organisationen bekamen zusammengenommen mehr als eine Million Stimmen, und in Sachsen hat sich inzwischen die NPD etabliert, nachdem die Skinheadgruppe SSS das südliche Sachsen jahrelang terrorisieren konnte. Die SAV sieht „Rassisten und Faschisten weitgehend in die Defensive gedrängt“, warnt aber auch davor, dass Enttäuschung in die Linkspartei einen weiteren Aufstieg der Faschisten erwarten lassen würde. Die SAV macht das Anwachsen der Nazis einfach an ihrem Erfolg oder Nichterfolg bei den Wahlen fest. Tatsächlich aber sind die Nazis in erster Linie gegen Immigranten und die Arbeiterbewegung insgesamt gerichtete Schocktruppen der Kapitalisten, die in Reserve gehalten werden. Sie werden nicht bei Wahlen gestoppt, sondern es braucht die entschlossene Mobilisierung von organisierten Arbeitern und Immigranten, um diesen Abschaum in seine Rattenlöcher zurückzutreiben. Die nach der Konterrevolution in der DDR heute in Sachsen ziemlich schwache Arbeiterbewegung braucht die Hilfe von schwereren Bataillonen hierfür. Dieser Kampf kann nur gegen die reformistische Politik von PDS/Lafontaine geführt werden, die zwangsläufig nationalistisch ist, da sie völlig im Rahmen des Kapitalismus bleibt. Sie appelliert sehr bewusst an rassistische und nationalistische Rückständigkeit und versucht, diese in „linke“ Wählerstimmen zu verwandeln, während sie auf der anderen Seite selbstmörderisches Vertrauen in den kapitalistischen Staat und die Bullen predigt, dass diese die Nazis aufhalten sollen. Wer aber nicht eindeutig Partei ergreift für die Rechte immigrierter und ausländischer Arbeiter, der hilft dabei, die Arbeiterbewegung rassistisch zu spalten und so den Nazis den Weg zu bereiten.

Neben der Bejubelung des Abschneidens der PDS haben die Linken aber auch alle das Problem, dass sie genau wissen, wofür die PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern steht. Das bereitet ihnen allen Bauchschmerzen; sind Linksruck und große Teile der Berliner WASG-Führung doch noch vor kurzer Zeit zusammen mit der Polizei„gewerkschaft“ Unterschriften sammeln gegangen, um den SPD/PDS-Senat zu stürzen. (Während das Unterschriftensammeln als solches prinzipiell in Ordnung gewesen wäre, war es ein Verrat, dies mit den Bullen gemeinsam zu tun.) So hoffen sie alle, dem drohenden Gespenst zu entgehen, dass die PDS/WASG genau das Gleiche tun wird, was die PDS schon seit Jahren in Berlin tut, nämlich den Sozialkahlschlag umzusetzen. Von der PDS zu fordern, dass sie aus der Regierung austritt, wie es z. B. die SAV tut, ist nicht mehr als eine taktische Arschabdeckung, um den eigenen Opportunismus nicht zu offensichtlich zu machen, denn das ganze Programm von PDS, WASG, Linkspartei ist darauf ausgerichtet, den Kapitalismus ein bisschen zu reformieren.

Als Gegengift schlägt die SAV ein subreformistisches Programm für die PDS-Bundestagsfraktion vor: 1) „sofortige Rücknahme von Hartz IV“ und Aufruf zu einer bundesweiten Demo dazu, 2) „Antrag für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 1500 Euro“, 3) „Teilnahme bei und praktische Unterstützung“ diverser Aktionskonferenzen. Was die SAV an der PDS vor allen Dingen stört, ist aber folgendes: „… die Ablehnung der Linkspartei/PDS in Teilen der Bevölkerung (vor allem, aber nicht nur, in Westdeutschland) aufgrund ihrer SED-Vergangenheit. Diese Ablehnung konnte sie bisher nicht überwinden, weil sie nach wie vor die DDR als eine Form des Sozialismus bezeichnet und keine eindeutige und unmissverständliche Ablehnung der SED-Diktatur als anti-sozialistischer Regierungsform bezogen hat“ (Solidarität, 20. September). Dies ist einfacher sozialdemokratischer Antikommunismus der übelsten Art. Im Februar 1990, damals noch in Lafontaines SPD verkrochen, forderte die SAV „SPD in die Offensive“, um die DDR schneller zu zerstören. Damals waren sie rechts von der offiziellen SPD-Politik und heute ist die Bedingung der SAV für die Tolerierung einer SPD-Regierung sogar noch niedriger als für die PDS-Führung und Lafontaine: „Dies könnte nur eine Option sein, wenn die SPD einen Kurswechsel vollzieht und mit ihrer Agenda-Politik bricht.“ Während Gysi und Lafontaine den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu einer Bedingung für die Unterstützung einer SPD-Regierung machen (ohne die Bundeswehr auf dem Balkan zu erwähnen, den die deutschen Imperialisten als „ihren“ Hinterhof ansehen), spielt dies für die SAV offenbar keine Rolle. So viel zur formalen SAV-Position, gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu sein. SAV-Unterstützer, die für eine sozialistische Revolution kämpfen wollen, statt Plakate für eine andere Variante der Sozialdemokratie zu kleben, während ihre Führung einen opportunistischen Verrat nach dem anderen ausführt, sollten sich mit dem revolutionären trotzkistischen Programm der IKL vertraut machen.

Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

Die GAM gibt sich etwas kritischer und beschreibt die PDS/WASG als „eindeutig reformistische, d. h. auf dem Boden des bürgerlichen Systems und der kapitalistischen Marktwirtschaft stehende Formationen“, aus denen die Führungen „ein Auffangbecken für künftige Radikalisierungen“ schaffen wollen (GAM-Infomail, 21. September). So weit, so gut. Doch die GAM kann es sich nicht verkneifen, ihren Teil dazu beizutragen, dass dieses Manöver dann auch wirklich klappt. Um dem Ganzen ein linkes Mäntelchen umzuhängen, fordert sie dann:

„Die kämpferischen ArbeiterInnen und Erwerbslosen, Gewerkschaftslinke, die sozialen Bewegungen, die Jugend müssen in die Formierung der Partei gezogen werden. Nur so kann die Linkspartei zu einem Mobilisierungs- und Kampfinstrument werden, das mehr als die Summe aus PDS und WASG ist. Dazu sind offene Konferenzen zu den politischen Grundlagen einer solchen Partei notwendig. Zu diesen sollen alle, die gegen Agenda 2010, Krieg und Rassismus usw. kämpfen wollen, eingeladen werden. Sie müssen für alle organisierten Linken offen stehen.“

Faktisch heißt das, dass alle die, die von den realen Gysi- und Lafontaine-Sauereien genug haben, genau wieder dahin geführt werden sollen, sich diesen unterzuordnen, als Manövriermasse für die Sozialdemokraten der GAM, in Wahrheit aber eher der PDS-Führung. Was da wohl am Ende für eine Organisation herauskommt? Sich über die Programmdiskussion in der WASG als eine „bürokratische Farce“ beschwerend, was wir gerne glauben, bringt die GAM ihre revisionistische Politik auf den Punkt:

„Wirkliche Offenheit bedeutet, dass neben reformistischen und keynesianischen Positionen anti-kapitalistische, revolutionäre, kommunistische Positionen gleichberechtigt zur Diskussion stehen und jeder Strömung in einer neuen Partei das Recht auf offene Organisierung eingeräumt wird.“

Dies ist eine offene Revision des Marxismus, und insbesondere des Leninismus, über die elementarste Frage der proletarischen Revolution, nämlich der Notwendigkeit einer proletarischen Avantgardepartei, um die Revolution zu führen. Das heißt, dass die GAM hier die zentrale Lehre der Arbeiterbewegung seit der Oktoberrevolution – der bisher einzigen erfolgreichen Arbeiterrevolution – in ihr Gegenteil verkehrt. Dies ist die Lehre von der Notwendigkeit, sich von der Bourgeoisie und ihren Agenten in der Arbeiterbewegung, besonders den Sozialdemokraten, abzuspalten. Die GAM predigt hier die sozialdemokratische Konzeption der Partei der Gesamtklasse, was die Unterordnung von kommunistischen Positionen unter die der Reformisten mit keynesianischen Positionen zwangsläufig bedeutet. Wir stehen in der Tradition von Lenin, der eine programmatische Spaltung von der II. Internationale herbei führte. Wenn auch verspätet, führten Liebknecht und Luxemburg diese Spaltung auch in Deutschland durch. Dies ist unsere Tradition: der Bruch mit sozialdemokratischem Reformismus jeder Färbung!

Spartakist Nr. 160

Spartakist Nr. 160 

Herbst 2005

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