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Spartakist Nummer 157

Winter 2004/2005

Verteidigt die irakischen Völker gegen US-Besatzer!

US-Imperialisten zerstören Falludscha

USA raus aus dem Irak, sofort!

Falludscha. Wie „My Lai“ muss das Wort Falludscha als ein abscheuliches US-Kriegsverbrechen in das kollektive Gedächtnis eingebrannt werden. Falludscha, eine Stadt mit 300 000 Einwohnern, die zum größten Teil entvölkert wurde, als die amerikanischen „Befreier“ mit ihren Panzern in die Stadt einfielen, auf denen in Schulbuch-Arabisch stand: „Bleib weg oder du wirst getötet.“ Falludscha dem Erdboden gleich zu machen war George W. Bushs erste Tat in seiner zweiten Amtszeit. Moscheen wurden bombardiert und dann von US-Truppen gestürmt. Kevin Sites, Korrespondent des amerikanischen Fernsehsenders NBC, filmte die Ermordung eines verwundeten, wehrlosen Mannes in einer Moschee durch US-Marines. Dieser Teil der fürchterlichen Wahrheit wurde von NBC zensiert (sie zeigten die eigentliche Erschießung nicht), weil es zu viel Realität über die Besetzung des Irak in die amerikanischen Wohnzimmer getragen hätte.

Bei dem Angriff auf Falludscha war es das erste Ziel der amerikanischen Truppen, das Hauptkrankenhaus einzunehmen, um „aufständische Propaganda“ zu verhindern, das heißt, zu verhindern, dass die Nachrichten über die riesige Zahl von zivilen Toten und Verwundeten die Welt erreichen. Das amerikanische Militär verhinderte dann, dass Personal der Hilfsorganisation Roter Halbmond Nahrung, Wasser und Medikamente zu der eingeschlossenen Bevölkerung bringen konnte. Die Zahl von Typhus-Erkrankungen steigt, da die Familien, die noch in der Stadt sind, gezwungen sind, mit Abwasser verseuchtes Wasser zu trinken. Die Wasser- und Elektrizitätsversorgung wurde vor dem US-Blitzkrieg gekappt und nicht wieder in Betrieb genommen. Kinder sterben. Verkohlte Körper liegen zwischen verbogenem Stahl, zerbrochenem Glas und den Trümmern der Stadt, und über allem liegt der Geruch des Todes. Einige Ärzte berichten über Beweise für den Einsatz von chemischen Waffen und Streubomben. Medizinische Behörden schätzen, dass es 800 zivile Tote gegeben hat, aber niemand weiß es genau.

Hunderte Männer, die aus Falludscha flohen, wurden von ihren Frauen und Kindern getrennt und ihnen wurde befohlen, zurück in die Stadt zu marschieren. „Es gibt nichts, was einen Aufständischen von einem Zivilisten unterscheidet“, war die Begründung eines Offiziers. Nachdem sie gezwungen wurden nach Falludscha zurückzukehren, wurden viele Männer zwischen 15 und 45 Jahren, die nicht während der Belagerung starben, verhaftet. Wie ein irakischer Journalist in einem Augenzeugenbericht im Londoner Independent (20. November) schrieb: „Zivilisten wurde gesagt, dass sie Falludscha verlassen sollten, so dass jeder Mann, der dort zurückblieb, ein Mudschaheddin sein musste.“

Viele von denen, denen es dennoch gelang, herauszukommen, wurden umgebracht, während sie zu den Flüchtlingslagern oder zu Verwandten außerhalb der Stadt flohen. US-Streitkräfte versenkten Boote, die Flüchtlinge transportierten. Der AP-Fotograf Bilal Hussein musste Gewehrfeuer ausweichen, um aus seiner Heimatstadt zu fliehen, und versuchte durch den Euphrat zu schwimmen. Mit Entsetzen musste er zusehen, wie eine fünfköpfige Familie vor seinen Augen erschossen wurde, als sie versuchte durch den Fluss zu schwimmen. Dann half er, „am Flussufer einen Mann mit meinen eigenen Händen zu begraben“.

Das Ausmaß dieses Verbrechens verlangt riesige internationale Proteste. Die internationale Arbeiterklasse, nicht zuletzt das amerikanische Proletariat, sollte Klassenkampf-Aktionen, Demonstrationen, Streiks und den Boykott des Transports von Kriegsmaterial organisieren. Dies erfordert einen politischen Kampf gegen die AFL-CIO-Führer, die Rücklagen der Gewerkschaften verschwendeten und Kräfte mobilisierten zur Unterstützung des Pro-Kriegs-Kandidaten der Demokratischen Partei, John Kerry, der erklärte: „Ich spreche nicht darüber, [den Irak] zu verlassen, ich spreche darüber, zu gewinnen!“ Wir fordern den sofortigen, bedingungslosen Rückzug aller US- und alliierten Truppen aus dem Irak! Wir rufen auf zur Verteidigung der irakischen Völker gegen die US-Besatzer und die Truppen und die Polizei ihrer irakischen Marionetten. Insoweit die Kräfte im Land auf die imperialistischen Truppen und ihre Söldner zielen, rufen wir zu ihrer Verteidigung auf. Jeder Schlag gegen das US-Militär und die alliierten Kräfte im Irak ist ein Schlag für die Interessen des internationalen Proletariats.

Rassismus und imperialistische Besetzung

Wir haben davor gewarnt, dass die amerikanische militärische Besatzung, wenn sie auf Widerstand stoßen wird, zunehmend brutaler werden wird. Haifa Zangana, eine irakische Schriftstellerin, die unter Saddam Hussein ins Gefängnis geworfen wurde, schreibt: „Seit der formalen Übergabe der Souveränität am 30. Juni sind wir Zeuge geworden von einer Eskalation von Kollektivstrafen gegen irakische Städte nach israelischem Stil. Gemetzel an Zivilisten, verbunden mit enormen Zerstörungen an Häusern und der Infrastruktur sind zur alltäglichen Realität geworden“ (Londoner Guardian, 17. November). Der australische Journalist John Pilger berichtet:

„Nach Angaben eines hohen britischen Offiziers sehen die Amerikaner die Iraker als Untermenschen an, ein Begriff, den Hitler in Mein Kampf benutzte, um Juden, Roma und Slawen als minderwertige Menschen zu bezeichnen. Dies ist, wie die Nazi-Armee die Belagerung russischer Städte durchführte und Kämpfer wie Nichtkämpfer abschlachtete. Koloniale Verbrechen wie in Falludscha zu normalisieren macht solchen Rassismus notwendig, der unsere Vorstellung mit ,dem anderen‘ verbindet.“

In ähnlichem Stil beschreibt ein Kommentar des Wall Street Journal (18. November) die Stadt Falludscha als eine „Terrorhöhle“ und rechtfertigt das Erschießen des unbewaffneten, verletzten irakischen Mannes in der Moschee. Sie höhnten: „Wer aus der Sicherheit seines Sofas in Manhattan hat das Recht zu beurteilen, was dieser Marine in der Moschee getan hat?“ Die Gräueltaten in der Moschee von Falludscha wurden sehr schnell zu einer Schablone für die US-Truppen und ihre irakischen Marionetten-Streitkräfte. Am 19. November stürmten 200–300 Truppen der irakischen Nationalgarde, unterstützt von amerikanischen Streitkräften, die Al-Hanifa-Moschee in Bagdad, als sie zum Ende des Freitagsgebets voll mit Gottesdienstbesuchern war. Beim Sturm auf diese Moschee, eine der wichtigsten Sunni-Moscheen im Irak, wurden mindestens zwei getötet und neun verletzt.

Le Monde berichtete, dass außerhalb der Moschee dutzende Männer gezwungen wurden, sich unter den Waffen der US-Armee mit dem Gesicht zur Erde auf den Boden zu legen. Die Entweihung der Moscheen ist eine riesige Beleidigung jedes Moslems in der Region und der Welt. Mit solchen Aktionen verkünden die christlichen Fundamentalisten der Bush-Regierung, dass nichts heilig ist, unter der US-Besatzung nichts verschont wird und die Opfer ihrer Politik verflucht sind.

Das Abdrehen der Wasserversorgung, das Verhungernlassen von Zivilisten, willkürliches Ermorden Unbewaffneter und Verwundeter – alles dies sind Kriegsverbrechen im Sinne der Genfer Konvention, die die USA unterzeichnet haben. Aber die einzige Regel, die die USA anerkennen, ist die, mit der sie durchkommen. Bevor die kapitalistische Konterrevolution 1991/92 die Sowjetunion zerstörte, hielt die Angst vor dem nuklearen Arsenal der Sowjetunion den US-Imperialismus in Schranken. Jetzt, wo das militärische Arsenal der USA das Arsenal eines jeden Rivalen um ein Vielfaches übertrifft, unterdrücken die USA, wo immer es ihnen passt. Gestärkt durch die Wiederwahl eskaliert Bush die Brutalität im Irak und rasselt gegen Iran und Nordkorea dreist mit dem Säbel. Wir bestehen darauf, dass der nordkoreanische deformierte Arbeiterstaat das Recht auf nukleare Waffen hat, um sich gegen den US-Imperialismus zu verteidigen.

Der Schleier der „Neutralität“ muss vom blutigen Gesicht der Vereinten Nationen gerissen werden, deren Sanktionen gegen den Irak, die 1990 auf Geheiß der USA verhängt wurden, eineinhalb Millionen Menschen umbrachten. Die Hungerblockade, wie auch die UN-Waffeninspektionen, öffneten das Land buchstäblich für die Plünderung und Zerstörung durch den US-Imperialismus. Auffallend ist, dass die UNO und die Hauptorgane der kapitalistischen Medien einen frühen Hilferuf des regierenden Shura-Rates von Falludscha absolut geheim hielten. CounterPunch und Asia Times veröffentlichten Auszüge eines Briefes, der am 14. Oktober vom Falludscha-Shura-Rat an Kofi Annan gesandt wurde:

„In Falludscha haben [die Amerikaner] ein neues vages Ziel kreiert: Al-Sarkawi. Ein Jahr ist vergangen, seit dieser neue Vorwand von ihnen aufgebaut worden ist, und wann immer sie ein Haus, eine Moschee, ein Restaurant zerstören und ein Kind und eine Frau umbringen, sagen Sie: ,Wir haben eine erfolgreiche Operation gegen Al-Sarkawi unternommen.‘ Die Bevölkerung von Falludscha versichert Ihnen, dass diese Person, wenn sie existiert, sich nicht in Falludscha befindet … und wir haben keine Verbindung zu solchen Gruppen, die solch inhumanes Verhalten unterstützen. Wir appellieren an Sie, die UNO zu drängen, ein neues Massaker [zu verhindern], das die Amerikaner und ihre Marionettenregierung in Falludscha, wie auch in vielen anderen Teilen des Landes, bald zu starten planen.“

Keine Illusionen in kapitalistische „Demokratie”

„Demokratie“ war natürlich der Vorwand für das Blutbad in Falludscha. George Bush will ein Abziehbild von Legitimität auf die blutige amerikanische Besatzung des Irak klatschen und strebt an, „ausländische Aufständische“ (seht, wer hier wen als „Ausländer“ bezeichnet) vor den Scheinwahlen, die für den 30. Januar geplant sind, herauszusäubern. Das Time-Magazin berichtet, dass die CIA ihr genehme Kandidaten finanziert, so wie die „Firma“ geholfen hat US-loyale neokoloniale Regime aufzubauen – das heißt, wenn die USA überhaupt Wert darauf gelegt haben, nach den Kugeln noch Stimmzettel zu verteilen.

Al-Dschasira zitiert den stellvertretenden Kommandeur des US-Zentralkommandos, Generalleutnant Lance Smith, der herrisch feststellt, dass die Wahlen in Falludscha wohl überhaupt nicht stattfinden werden. „Und so könnte es sein, dass eben auch, ohne dass eine Stadt wie Falludscha abstimmt, es eine adäquate Repräsentation der Sunniten gibt, so dass sie den Eindruck haben oder es so aussieht, als ob es eine legitime Repräsentation aller involvierten Seiten sei.“ Smith sagte, dass zusätzliche Truppen eingesetzt werden, um vor der Abstimmung „die Sicherheit des Landes“ herzustellen.

Kurz bevor die USA letzten April ihren früheren Angriff auf das vorwiegend sunnitische Falludscha, in Vergeltung für die Tötung von vier Söldnern, durchführte, griffen die Besatzer auch den schiitischen Kleriker Muktada Al-Sadr an, indem sie seine Bagdader Zeitung dicht machten. Diese Ereignisse waren der Zündfunke für Proteste im Irak und einer zeitweiligen Einheit zwischen Schiiten und Sunniten gegen die Besetzung. Diesmal nutzte Washington die seit langem bestehenden ethnischen und religiösen Spaltungen im Land besser zu seinem Vorteil. Daher setzten die USA kurdische bewaffnete Kräfte in Falludscha ein und machten ihnen vor, sie seien die erwählten Statthalter Washingtons, vor den schiitischen Führern. Irak ist keine Nation, sondern ein Flickenteppich verschiedener Völker und Ethnien, der vom britischen Imperialismus nach dem Ersten Weltkrieg aus dem alten türkischen Osmanischen Reich herausgeschnitten wurde. Unter der Baath-Partei herrschte die sunnitische Minderheit über die schiitische Mehrheit, und jetzt sieht es so aus, als ob sich die Bedingungen der Unterdrückung umdrehen.

Unterdessen schauen viele irakische Kurden (Teil der kurdischen Nation, die sich auch über Teile des Iran, der Türkei und Syriens erstreckt) fälschlicherweise mit Hoffnung auf die amerikanische Besetzung als ein Schutzwall gegen die arabische Wiedereroberung. Wie wir in „The Left and the ,Iraqi Resistance‘“ [„Die Linke und der ,irakische Widerstand‘“] (Workers Vanguard Nr. 830, 6. August 2004) schrieben: „Solange die Arbeiterklasse nicht als eine unabhängige politische Kraft im Kampf gegen die neokoloniale Herrschaft hervorgeht, kann jede dieser Bevölkerungsgruppen nur zur Macht kommen, indem sie die anderen unterdrückt und in einer Allianz mit dem US-Imperialismus steht.“

Gleichzeitig demonstrierten trotz Schlägen und Verhaftungen Tausende von Leuten unerschrocken in Bagdad, Basra und Heet für die Bevölkerung von Falludscha. Die Vereinigung muslimischer Gelehrter mobilisierte 47 politische Parteien, inklusive Sunniten, Schiiten, Christen und sogar Turkmenen an der Umm-Al-Qura-Moschee, um einen Wahlboykott zu planen. Während das überforderte US-Militär seine Kräfte auf Falludscha konzentrierte, führten Guerillas groß angelegte Angiffe in Ramadi und Mossul aus.

Das US-Militär hatte gehofft, dass irakische Truppen während der Wahlkampagne die Frontlinien übernehmen würden, eine Schlüsselkomponente des trügerischen Scheins der „Souveränität“. Aber irakische Truppen desertierten massenhaft, wenn sie mit den Aufständischen militärisch konfrontiert waren. In Mossul wurden am 10. und 11. November neun Polizeistationen überrannt, während die Polizisten desertierten. Die Stationen wurden wieder eingenommen, aber nur 800 von 4000 Polizisten meldeten sich zurück zum Dienst unter den US-Besatzern (Financial Times, 20./21. November). Das US-Militär hat darauf zurückgreifen müssen, die Dienstzeiten von schon im Irak stationierten Truppen zu verlängern, und beruft Reservisten ein, die schon seit Jahren keine Waffe mehr in der Hand hatten oder noch nicht einmal eine Runde gejoggt sind.

Der Terror, die Zerstörung und rassistische Unterjochung durch ausländische imperialistische Truppen bedroht unmittelbar die Völker Iraks. Die Voraussetzung für jegliche Befreiung ist es, die US- und alliierten Truppen rauszuschmeißen. Dieser Kampf muss damit verbunden werden, die reaktionären klerikalen Kräfte zu bekämpfen, die ein islamisches Regime durchsetzen wollen. Diese Kräfte wollen den Schleier und das (islamische) Scharia-Gesetz wieder einführen, der Frauen wieder auf einen Status reduziert, der sich nur wenig von dem eines Sklaven unterscheidet.

Die Arbeitslosigkeit im Irak liegt bei über 70 Prozent. Die amerikanischen Ölfirmen und ihre schäbigen Beauftragten wollen Irak ausplündern. Das bedeutet zermürbende neokoloniale Ausbeutung der Werktätigen Iraks durch die Imperialisten und ihre irakischen Handlanger. Gleichheit für alle Völker Iraks und des ganzen Nahen Ostens wird nur durch den Sturz der kapitalistischen Herrschaft in der Region und den Aufbau einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens zu erreichen sein. Dies wirft die Dringlichkeit des Aufbaus marxistischer Parteien auf, die den Kampf für die Herrschaft der Arbeiter in der Region führen.

Die unterjochten Massen des Irak sehen sich dem gleichen rassistischen und gewerkschaftsfeindlichen Feind gegenüber wie die arbeitende Bevölkerung und die Unterdrückten in den Vereinigten Staaten. Es ist im Klasseninteresse der amerikanischen Arbeiter, für den Abzug der US-Truppen aus dem Irak zu kämpfen. Wir stellen die Forderung nach Klassenkampf gegen den US-Imperialismus zu Hause nicht leichtfertig auf, weil wir glauben, dass dies so einfach erreicht werden kann in dem repressiven Klima nach dem 11. September und im reaktionären Kontext der „nationalen Einheit“, die sowohl von falschen Arbeiterführern, den Demokraten, als auch von den Republikanern propagiert wird. Wir machen diesen Aufruf, weil es sehr wichtig ist, die Arbeiterklasse zu dem Verständnis zu gewinnen, dass sie allein die soziale Macht hat, das amerikanische imperialistische System zu besiegen, und weil diese marxistische Perspektive der einzige Weg vorwärts ist. Eine revolutionäre multirassische Arbeiterpartei muss geschmiedet werden, um den vor uns liegenden harten Kampf zum Sieg zu führen. Die Spartacist League hat sich diesem Zweck verschrieben.

Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 837, 26. November 2004

Spartakist Nr. 157

Spartakist Nr. 157 

Winter 2004/05

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