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Spartakist Nummer 156 |
Herbst 2004 |
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Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung!
Daimler-Streik wegen „Standort” verraten, Metallarbeiter unter Beschuss
Diesen Sommer blickten viele Arbeiter und Unterdrückte auf die machtvollen Aktionen der DaimlerChrysler-Arbeiter, die streikten und auf die Straße gingen, um den mächtigsten deutschen Konzern zu konfrontieren. Von den Stuttgarter Werken über Düsseldorf bis Bremen fanden Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen statt, an denen sich mehr als 80 000 Arbeiter mit türkischen, kurdischen und anderen immigrierten Arbeitern in der ersten Reihe beteiligten. Auf den Kundgebungen wurden die Solidaritätserklärungen von BMW, VW, Opel und vielen anderen verlesen, darunter auch aus den Werken in Südamerika und Südafrika. Als die Daimler-Bosse am 23. Juli erklärten, dass sie ihr Sparziel von 500 Millionen Euro durchgesetzt hatten, war kristallklar, dass die kampfbereiten, gut organisierten Daimler-Arbeiter nicht von ihren Bossen Schrempp und Hubbert geschlagen worden waren, sondern von ihrer eigenen Führung, Gesamtbetriebsrat Klemm und IGM-Vorsitzenden Peters, verkauft wurden. Erhalten haben sie dafür nichts außer dem „Versprechen“ der Bosse, die Arbeiter bis 2012 weiter zu beschäftigen. Die Financial Times Deutschland (FTD) stellte am 26. Juli dazu trocken fest: „Experten bezweifeln allerdings, dass sich der Konzern im Krisenfall an die Garantie gebunden fühlt.“
Der Daimler-Ausverkauf wird von der DaimlerChrysler-Betriebszeitung Die Stoßstange, die mit der reformistischen Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) sympathisert, abgedeckt:
„Mit der Einführung der 40-Stunden-Woche als Regelarbeitszeit in Sindelfingen sind sie nicht durchgekommen! Dieser Erfolg ist nicht hoch genug einzuschätzen… Wenn wir richtig gestreikt hätten, hätte der Vorstand einpacken können! Dann wären wir stark genug geworden, den Horrorkatalog vollständig zu kippen. So hat Schrempp gerade noch sein konkretes Ziel, 500 Millionen einzusparen, durchgebracht – verteilt auf viele Schultern und über mehrere Jahre gestreckt. Die DC-Bosse hatten Angst, die Machtprobe zu verlieren.“ (Hervorhebung im Original; „Ein zukunftsweisender Kampf – Arbeiterbewegung gestärkt“, 27. Juli)
Der Bremer DaimlerChrysler-Betriebsrat Kupfer sagte im Labournet wenigstens die Wahrheit über den Abschluss: „Von einem ‚vernünftigen Kompromiß‘ zu reden, ist eine Verhöhnung der Arbeiter. Der Vorstand wollte 500 Mio. Euro pro Jahr. Er hat 500 Millionen bekommen … ausdrücklich vereinbart wurde die Zerstörung des Flächentarifvertrags – zunächst ‚nur‘ für einen Teil der Belegschaften… Hiermit wurde die Einheit der Belegschaft ausdrücklich verkauft. Neben uns am Band oder in der Kantine werden also künftig Kollegen mit uns die gleiche Arbeit verrichten, die zwischen 20 und 45% weniger verdienen.“ Es geht hier um mehr als „Einheit“, denn Kupfer will nicht offen aussprechen, dass dieser Ausverkauf von der korrupten Gewerkschaftsbürokratie durchgedrückt wurde, indem sie die in der bürgerlichen Gesellschaft besonders unterdrückten Schichten Frauen, Immigranten und Jugendliche ans Messer lieferte. Die Arbeiter können ihre Interessen nur verteidigen, indem sie besonders für die als Arbeiter und als Immigranten oder als Frauen doppelt unterdrückten, eintreten.
Wenn solche Niederlagen trotz der Initiative und der Kampfbereitschaft der Daimler-Arbeiter „zukunftsweisend“ werden würden, wie Die Stoßstange das hofft, so kann das nur demoralisieren und die Arbeiter davon abhalten, zu kämpfen. Die Stoßstange liefert der verrotteten Gewerkschaftsführung nur eine linke Flankendeckung. Stattdessen ist ein Kampf in den Gewerkschaften notwendig: Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung! Schluss mit der Klassenzusammenarbeit, die die Arbeiter an ihre Unterdrücker kettet!
Die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung unterstützt die SPD/Grünen-Regierung auf Biegen und Brechen als das vermeintlich kleinere Übel. Schon im Sommer 2003 wurde der Streik der Metaller im Osten für die Angleichung an die 35-Stunden- Woche vom damaligen IGM-Vorsitzenden Zwickel abgewürgt. Zwickel reagierte auf den Druck von Betriebsratsfürsten wie Klemm (Daimler), Franz (Opel) und anderen, weil der Streik anfing, Auswirkungen in „ihren“ Betrieben zu haben, d. h. dass die Produktion aufgrund fehlender Teile reduziert werden musste bzw. zum Stillstand zu kommen drohte. Gerade aber um solchen Druck zu machen, sind Streiks da, und damit hätte der Streik im Osten gewonnen werden können und ein Teil der Spaltung in Ost und West aufgehoben werden können. Warum aber führten Zwickel und Co. die Arbeiter in diese katastrophale Niederlage, deren Auswirkungen nun zum Tragen kommen? Zentral war für die Bürokraten, Schröders Agenda 2010 nicht durch Klassenkampf zu gefährden und damit den Fortbestand der SPD/Grünen-Regierung zu sichern. Die Betriebsratsfürsten wollten „ihre“ Konzerne nicht ein bisschen Profit einbüßen sehen für die Metaller im Osten. Sie sind, wie der russische Revolutionär Lenin es ausdrückte, die „Arbeiterleutnants des Kapitals“. Lenin beschrieb die materiellen Wurzeln dieser prokapitalistischen Schicht in der Arbeiterbewegung in „Die Konferenz der Auslandssektion der SDAPR“ im März 1915:
„Bestimmte Schichten der Arbeiterklasse (die Bürokratie in der Arbeiterbewegung und die Arbeiteraristokratie, für die ein kleiner Teil der Profite aus der Ausbeutung der Kolonien und aus der privilegierten Lage ihres ‚Vaterlandes‘ auf dem Weltmarkt abfiel) sowie die kleinbürgerlichen Mitläufer innerhalb der sozialistischen Parteien waren die soziale Hauptstütze dieser [opportunistischen] Tendenzen und die Träger des bürgerlichen Einflusses auf das Proletariat.“
Der Ausverkauf des Ostmetallerstreiks gab das Signal zum jetzigen Generalangriff auf die 35-Stunden-Woche im Westen. Nach dem Verrat bei Daimler dachte Kanzler Schröder sofort an VW und erklärte in der FTD: „Ich bin sicher, dass nach DaimlerChrysler auch die Verhandlungen bei Volkswagen über Kosteneinsparungen und Beschäftigungssicherung in Deutschland zu einem erfolgreichen Abschluss führen werden“ (23. Juli). Jetzt sollen beim Kanzlerkonzern VW die Löhne um 30 Prozent gekürzt und bis 2009 eingefroren und die Arbeitszeit auf die 40-Stunden-Woche verlängert werden. Überall – bei Opel, MAN usw. – wittern die Bosse Morgenluft, und ein Horrorkatalog jagt den nächsten.
Die Angriffe in der Metallindustrie sind eine Machtprobe, deren Ausgang für die kommenden Jahre wegweisend sein kann: Wenn die Bastion der hoch organisierten Metallarbeiter fällt, gibt es kein Halten mehr in den anderen, schwächeren Bereichen, und die kapitalistische Abwärtsspirale von Lohn- und Sozialraub dreht sich für alle eine große Umdrehung weiter nach unten. Der Bremer DC-Betriebsrat Kupfer erklärte dazu im Labournet: „Sobald Eure Kapitalisten mit irgendwelchen Angriffen kommen, stellt die Bänder und die Maschinen sofort ab! Unsere Kollegen waren absolut bereit dazu und Zehntausende in anderen Betrieben denken genau so, aber sie haben sich zu wenig auf ihre eigene Tatkraft verlassen, sondern auf die vermeintliche ‚Vernunft‘ Anderer“ (23. Juli). Notwendig ist tatsächlich harter Klassenkampf, die entschlossene Mobilisierung der Arbeiter, die Betriebe durch wirkliche Streiks dicht zu machen. Kein Band darf mehr laufen, den Bossen müssen die Profite abgedreht werden.
Die gegen die Interessen der Arbeiterklasse gerichtete „Vernunft“, gegen die Kupfer polemisiert, ist Ausdruck des sozialdemokratischen Programms der Klassenzusammenarbeit. Aber Kupfer und Co. haben nur eine etwas militantere Variante sozialdemokratischen Gewerkschaftertums anzubieten, da sie vorgaukeln, dass man einfach durch etwas mehr Kampf die Sache schaukeln könnte, ohne dass sie auf die Grundlagen für die ständigen Ausverkäufe und den zunehmenden offenen Verrat eingehen: sozialdemokratische Klassenzusammenarbeit und die damit einhergehende Spaltung der Arbeiterklasse in Ost und West, Deutsche und Immigranten, Frauen und Männer, Alte und Junge. Die Arbeiterklasse braucht eine Partei, die als Tribun all der Unterdrückten auftritt und der Arbeiterklasse das Bewusstsein vermittelt, dass man, um Ausbeutung und Unterdrückung zu beenden, das kapitalistische System durch eine Arbeiterrevolution stürzen muss.
Bluten für den „Standort Deutschland”
„Standort Deutschland“ heißt, die Arbeiter zur Ader zu lassen, damit „ihr“ Betrieb konkurrenzfähig gegen die anderen Betriebe und Standorte bleibt. Mit dem gleichen Argument wird man natürlich den Arbeitern bei den anderen Betrieben Kürzungen reinwürgen, und tatsächlich verweisen die Opel- und VW-Bosse auf DC und die Notwendigkeit, konkurrenzfähig zu sein. Bei Daimler wurde versucht, Südafrika gegen Deutschland und innerhalb Deutschlands Sindelfingen gegen Bremen auszuspielen. Bei Opel ist es das polnische Gliwice und das schwedische Trollhättan gegen das deutsche Bochum bzw. Rüsselsheim. Dabei wird nach Kräften versucht, die Arbeiter durch das Schüren von Nationalismus zu spalten. Solange die Arbeiter der nationalistischen Gewerkschaftsbürokratie abkaufen, dass sie gemeinsame Interessen mit den Bossen hätten, werden sie nicht für ihre eigenen Interessen kämpfen können. Die Antwort der Arbeiter bei Daimler wies in die richtige Richtung: Bremen demonstrierte in Solidarität mit Sindelfingen, die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA wies Lügen bezüglich geplanter Produktionsverlagerungen nach Südafrika zurück und DC-Brasilien protestierte in Solidarität mit Sindelfingen. Die Antwort auf „gemeinsam mit den Bossen für den Standort“ kann nur gemeinsamer internationaler Klassenkampf gegen den gemeinsamen Klassenfeind, die Kapitalisten, sein. Das bedeutet, dass gerade die bestorganisierten Arbeiter der profitabelsten Standorte den Arbeitern der weniger „sicheren“, schlechter organisierten Standorte zur Seite stehen müssen in dem Kampf, die gemeinsamen Interessen gegen die Bosse zu verteidigen.
Ein entschlossener politischer Kampf muss gegen diejenigen Bürokraten geführt werden, die an Stelle von Klassenkampf die Illusion des bürgerlichen Parlamentarismus setzen. Millionen haben sich empört von der arbeiterfeindlichen Politik der SPD abgewendet, und die PDS hat spätestens mit dem Eintritt in den Berliner Senat bewiesen, dass sie kein Deut besser ist. Im Gegenteil, die PDS war zentral dafür verantwortlich, die Tarifverträge im öffentlichen Dienst in Berlin auszuhebeln, und verwaltet jetzt die Zwangsarbeit des sozialdemokratischen Arbeitsdienstes nach Hartz IV. Seit es mit der SPD richtig bergab geht, haben einige Gewerkschaftsbürokraten eine Rettungsaktion für die sozialdemokratische Ideologie gestartet und eine „Wahlalternative“ (WASG) ins Leben gerufen (zu PDS, WASG und Lafontaine siehe auch den Titelseiten-Artikel in dieser Ausgabe des Spartakist). Sie schreiben:
„Nur wenn diese Menschen ihre Interessen auch parlamentarisch-politisch wieder zur Geltung bringen, indem sie eine soziale Wahlalternative in den Bundestag bringen, kann die Mehrheit von CDU/CSU/FDP, die ansonsten schon sicher scheint, vielleicht doch noch verhindert werden. Nur so bestünde die Chance, weitere gegen die ArbeitnehmerInnen gerichtete Umbaumaßnahmen (v. a. im Tarifrecht und im Kündigungsschutz) zu verhindern.“ („Für eine wahlpolitische Alternative 2006“, 15. März).
Das ist nichts anderes als die Lüge vom „kleineren Übel“ in neuer Verpackung: Sie wollen der SPD, mit oder ohne PDS, wieder eine Mehrheit im Bundestag verschaffen. Dazu passt, dass aus dem Kreise der Initiatoren, darunter Klaus Ernst, 1. Bevollmächtigter der IGM in Schweinfurt, kein Wort der Kritik an dem empörenden Ausverkauf der erkämpften Errungenschaften der Arbeiter bei DaimlerChrysler gefallen ist.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Verbindung der SPD mit den Gewerkschaften durch die Gewerkschaftsbürokratie ein Mittel für die Regierung Schröder ist, die Gewerkschaften ruhig zu stellen und sie den Kapitalisten unterzuordnen, und nicht umgekehrt ein Mittel, diese Regierung irgendwie zu einem Interessenvertreter für die Arbeiterklasse zu machen. Die Idee, die Regierung Schröder oder eine künftige SPD-mit-wem-auch-immer-Regierung auf einen arbeiterfreundlichen Kurs bringen zu wollen, ist eine parlamentaristische Illusion. Hier ist es gerade wichtig den Kern der Lehre von Marx und Engels über den bürgerlichen Staat zu verstehen, dass selbst die demokratischsten aller parlamentarischen Regierungen im Kapitalismus nichts weiter sind und sein können als der geschäftsführende Ausschuss der Kapitalistenklasse. Die Arbeiterklasse kann nicht die bürgerliche Staatsmaschinerie für ihre Zwecke in Bewegung setzen, sondern muss sie letztlich zerbrechen und zerstören.
Nieder mit der rassistischen Festung Europa! Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!
Die Kapitalisten sind jetzt mehr denn je entschlossen, die letzten Reste des „Sozialstaats“ abzuschaffen, damit sie diese „Extra-Ausgaben“ nicht daran hindern, ihre Konkurrenten auf dem Weltmarkt, die USA und Japan, zu bekämpfen und zumindest wirtschaftlich nicht den Anschluss an die militärisch unangefochtene Weltmacht Nummer Eins, USA, zu verlieren. Die Europäische Union ist ein imperialistischer Handelsblock, der das Ziel hat, die Konkurrenzfähigkeit des deutschen und der anderen europäischen Imperialisten zu verbessern. Und sie vereint die herrschenden Klassen Europas gegen die werktätigen Massen. Mit der Osterweiterung stehen nun die Arbeiter Osteuropas als EU-Bürger zweiter Klasse direkt unter der Fuchtel der rassistischen Festung Europa und werden noch direkter von den europäischen Imperialisten ökonomisch ausgebeutet. Nieder mit der imperialistischen EU!
Die kapitalistische Konterrevolution hat die Industrie Osteuropas zerstört, ähnlich wie in der Ex-DDR. Nur dass es in den osteuropäischen Ländern nicht einmal die „Aufbau-Ost“-Investitionen gab. Der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung wurde ruiniert, die Arbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent. Die deutschen Kapitalisten haben wieder Zugang zu dem, was sie historisch als ihren Hinterhof ansehen, um die Arbeiterklasse Osteuropas auszubeuten. In den Verhandlungen über den Beitritt zur EU stellten die europäischen Imperialisten eine Reihe von Beitrittskriterien auf, die ein Programm brutaler sozialer Angriffe darstellen. In Polen wurde z. B. der Bergbau „saniert“, d. h. Bergleute wurden en masse gefeuert, Zechen geschlossen. Die Arbeitslosenunterstützung ist so niedrig, dass man nicht davon leben kann. Heute findet man in der historischen polnischen Bergbauregion Jelena Gora (Arbeitslosigkeit über 40 Prozent) viele Gruben in den Wäldern, die von entlassenen Bergleuten stammen, die mit Spaten nach Kohle graben, um sie dann zu verkaufen. Andere versuchen sich mit dem Sammeln von Alteisen über Wasser zu halten, in einigen Gegenden verschwinden selbst die Kanaldeckel. Das ist das Ergebnis der Konterrevolution – in Polen angeführt von Solidarność.
Solidarność entwickelte sich Anfang der 80er-Jahre in Polen schnell in eine klerikale, antisemitische und offen konterrevolutionäre Kraft. Die katastrophale Wirtschaftspolitik der korrupten polnischen Stalinisten hatte die Basis dafür gelegt, dass Solidarność bei einem großen Teil der historisch prosozialistischen polnischen Arbeiterklasse Gehör finden konnte. In Westdeutschland überschlug sich die angebliche Linke mit „Solidarität mit Solidarność“ und die Pseudotrotzkisten trieben ihren Antikommunismus zu neuen Höhenflügen. Wir standen gegen unsere Bourgeoisie und diese Pseudolinken durch unsere unversöhnliche Opposition zu Solidarność, von der seit September 1981 klar war, dass ihre Führung sie auf einen konterrevolutionären Kurs konsolidiert hatte. Als Teil unserer bedingungslosen militärischen Verteidigung der deformierten Arbeiterstaaten bezogen wir im Dezember 1981 eine Seite mit der polnischen stalinistischen Bürokratie, als diese Solidarnośćs konterrevolutionären Drang zur Macht mit einem Gegenputsch stoppte. Wir hofften, Zeit zu gewinnen für den Aufbau einer polnischen trotzkistischen Partei, die den polnischen Arbeiterstaat durch eine politische Revolution retten könnte. Wir sind stolz darauf, unnachgiebig die Wahrheit über Solidarność gesagt zu haben und gegen die Konterrevolution von Solidarność gestanden und gekämpft zu haben, die den Weg ebnete in die heutige Verelendung der polnischen Arbeiterklasse und die horrend hohe Arbeitslosigkeit.
Als proletarische Internationalisten sind wir Feinde des imperialistischen EU-Blocks. Und wir sind Feinde seiner Ausweitung nach Osten, denn dies stärkt den deutschen Imperialismus und trägt dazu bei, die osteuropäischen Arbeiter zu verelenden. Gleichzeitig bekämpfen wir die rassistischen Arbeitsverbote gegen osteuropäische Arbeiter aufs Entschiedendste. Die Arbeitsverbote sind chauvinistisch und dienen der Spaltung der Arbeiterklasse, indem sie die westeuropäischen Arbeiter an ihre eigenen Bourgeoisien ketten sollen. In Wirklichkeit wird es den osteuropäischen Arbeitern mit der Einschränkung ihrer Rechte erschwert, sich Gewerkschaften und Arbeiterkämpfen hier anzuschließen, und so wird eine rechtlose Schicht von illegalisierten Niedriglohnarbeitern in Westeuropa geschaffen, die umso besser gegen die Gewerkschaften eingesetzt werden können. Es ist im ureigensten Interesse der Gewerkschaften, hier für die Rechte eines jeden Arbeiters, woher er auch kommt, zu kämpfen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben! Weg mit allen Arbeitsverboten! Keine rassistische Diskriminierung der Bevölkerung der osteuropäischen EU-Staaten!
So wie die Arbeiter hier mit den niedrigeren Löhnen in den neuen EU-Mitgliedsländern konkurrieren sollen, wird den Arbeitern dort erklärt, dass sie mit den noch niedrigeren Löhnen in der Ukraine oder Russland konkurrieren sollen. Das führt hier wie dort zu einer Abwärtsspirale des jeweiligen Lebensstandards. Der einzige Ausweg ist der Zusammenschluss der Arbeiter über die ethnischen und nationalen Grenzen hinweg. Entweder kämpfen die Arbeiter verschiedener Nationalitäten und Ethnien gemeinsam, oder sie werden getrennt voneinander geschlagen werden. Auf dieser proletarisch-internationalistischen Perspektive basiert unsere Opposition zur EU. Das hat nichts mit nationalistischem Protektionismus zu tun, wie er von weiten Teilen der Pro-EU-Gewerkschaftsbürokratie vertreten wird. Nur der Sturz des Kapitalismus durch eine Arbeiterrevolution und der Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, als Teil einer weltweiten sozialistischen Gesellschaft, kann die Basis für eine Entwicklung legen, wo die Produktivkräfte tatsächlich der Menschheit dienen.
Brecht mit der Sozialdemokratie – ob SPD oder PDS!
Ein DC-Arbeiter stellte nach dem Ausverkauf durch die Gewerkschaftsbürokraten die Frage, wie denn die Arbeiter gewinnen können, wenn die eigene Führung gegen sie arbeitet. Dies ist tatsächlich ein riesiges Problem. Zentral für die Lösung davon ist das Bewusstsein, dass die Arbeiterklasse sich unabhängig von den Kapitalisten organisieren muss, und der politische Bruch mit den Agenturen der Bosse in der Arbeiterbewegung – der Sozialdemokratie, egal ob SPD oder PDS. Wie sieht es diesbezüglich auf der Linken aus? Der Untertürkheimer DC-Betriebsrat Tom Adler, einer der Führer der Gewerkschaftslinken, erklärte in einem Interview mit der jungen Welt (12. Juli):
„Der Stoff für eine Gegenoffensive ist also da. Die Frage ist aber, was die Führungen der IG Metall und der Betriebsräte daraus machen. Ich habe den Eindruck, dass diese die Tiefe der laufenden Kapitaloffensive nicht erkennen. Nur wenn die Unternehmer Angst haben müssen, die Kontrolle zu verlieren – wie 1996 beim Kampf um die Lohnfortzahlung – werden wir sie stoppen können.“
Was bei Tom Adler und auch bei Syndikalisten unter den Tisch fällt, ist, dass die IG-Metall-Führung und die Betriebsräte politisch Konzessionen machen an die SPD und die SPD-geführte Bundesregierung. Die drei Zauberbuchstaben SPD oder auch in anderer Reihenfolge PDS tauchen nicht auf. 1996 war Kohl (CDU) an der Macht und die IG-Metall-Führung hatte kein Problem, ihm ein bisschen Ärger zu machen, zumal es der SPD auch noch half. Jetzt ist aber die SPD am Ruder. Die Gewerkschaftsbürokratie ist durch die Extraprofite der Imperialisten gekauft und der politische Ausdruck davon ist sozialdemokratische Verratspolitik im Interesse des deutschen Imperialismus. Wenn Adler davon spricht, dass die IG Metall „die Tiefe der laufenden Kapitaloffensive nicht erkenne“, dann versteht er nicht, dass die Gewerkschaftsbürokratie in Wirklichkeit der SPD und, vermittels ihr, dem bürgerlichen Staat sehr viel stärker verpflichtet ist als ihrer Mitgliedschaft. Der stinkende giftige Kleber, der dies zusammenhält, heißt „nationale Interessen“, wovon die angeblich gemeinsamen „betrieblichen Interessen“ ein anderer Ausdruck sind. Dies zu durchbrechen erfordert einen bewussten politischen Kampf gegen die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung auf einem revolutionären internationalistischen Programm.
Eine sich selbst als revolutionär bezeichnende Organisation, die Gruppe Arbeitermacht (GAM), kritisiert die Gewerkschaftsführung dafür, dass diese die Kampfbereitschaft bei Daimler und anderswo verrät. So schreibt sie:
„Diese Kampfbereitschaft kam nur deshalb nicht zum Tragen oder zum Erfolg, weil die Gewerkschaftsspitzen und besonders kapitalfreundliche Betriebsratsfürsten den ArbeiterInnen in den Rücken gefallen sind. Auch um die Bremser in den Gewerkschaftsführungen unter Druck zu setzen, ist es deshalb nötig, die Montagsproteste mit betrieblichen Aktionen zu verbinden. Das schließt einen politischen Kampf gegen die herrschende Bürokratie im DGB ein.“
Wie das dann aussehen soll, verrät uns die GAM auch gleich unter der Zwischenüberschrift „Streik!“: „Die Führungen der Gewerkschaften – aber auch die Sozialverbände und die PDS – müssen aufgefordert werden, die Mobilisierungen nicht nur zu unterstützen, sondern sie selbst aktiv zu organisieren. So können auch Illusionen in sie in der Praxis getestet werden.“ Welch ein Hohn, den uns die ach so revolutionären Taktiker der GAM da vorsetzen, um „Illusionen zu testen“. Seit die SPD an der Macht ist, werden die Angriffe auf die Gewerkschaften und die Errungenschaften der Arbeiterbewegung effektiv geführt, da es Schröders Parteifreunde – unter fleißiger Mithilfe der PDS – sind, die den Widerstand dagegen sabotieren und die Kämpfe abwürgen. Was gibt es da noch zu „testen“? Tatsächlich will die GAM die SPD und PDS immer wieder „testen“, indem sie jedes Mal, auf ihre eigene bescheidene Weise, dafür sorgt, dass SPD und PDS trotz all der Sauereien wiedergewählt werden. So reduziert sich dann die linke Rhetorik „bis hin zum Generalstreik“ in der Realität auf etwas ganz Ordinäres: Die Rolle der GAM ist nichts anderes als schmutzige Wasserträger für die Sozialdemokratie zu sein.
Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!
Es ist notwendig, einen politischen Kampf gegen die prokapitalistische Gewerkschaftsbürokratie zu führen. Sieht man sich den Daimler-Abschluss an, so liest er sich wie ein Programm zur Spaltung der Belegschaft: 40-Stunden-Woche in den Bereichen Forschung und Entwicklung, 20–30 Prozent niedrigere Löhne und zusätzlich vier unbezahlte Arbeitsstunden pro Woche für Kollegen in „Dienstleistungsbereichen“, Neueinstellungen und Jugendliche sollen ebenfalls mindestens 20 Prozent weniger Lohn erhalten. D. h. die Gewerkschaftsspitzen haben die schwächeren Teile der Belegschaft ans Messer geliefert „für“ die stärkeren, d. h. diejenigen, die sie als ihre Kernklientel ansehen: die besser gestellten meist weißen deutschen männlichen Facharbeiter. Natürlich werden diese, nur etwas langfristiger betrachtet, dadurch ebenfalls ans Messer geliefert. Der Kampf gegen die seit der Konterrevolution in der DDR permanente Massenarbeitslosigkeit muss geführt werden durch die Verteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich und ein Programm öffentlicher Arbeiten zu Tariflöhnen. Krise und Arbeitslosigkeit sind aber untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden. Die notwendigen täglichen Kämpfe gegen die Angriffe der Kapitalisten müssen durch solche Forderungen in einem System von Übergangsforderungen verbunden werden, die eine Brücke darstellen zu dem Bewusstsein, dass die Arbeiterklasse durch eine sozialistische Revolution den Kapitalismus stürzen muss. 1938 schrieb der russische Revolutionär Trotzki im Übergangsprogramm:
„Es ist an der Zeit, gegen die ‚strukturelle‘ wie auch die ‚konjunkturbedingte‘ Arbeitslosigkeit neben der Forderung nach öffentlichen Arbeiten die Losung der gleitenden Skala der Arbeitszeit auszugeben. Die Gewerkschaften und andere Massenorganisationen müssen Arbeitende und Arbeitslose in gegenseitiger Bürgschaft und Solidarität vereinen… Kann der Kapitalismus die Ansprüche nicht befriedigen, die sich unvermeidlich aus den von ihm erzeugten Übeln ergeben, dann mag er zugrunde gehen.“
Erst wurden die Ostmetaller geopfert, die Westarbeiter nicht gleich getroffen. Jetzt werden in den Kernbetrieben im Westen die Frauen, jungen Arbeiter und Immigranten geopfert. Als nächstes kommt ein Deal, wo alle leiden werden – inklusive der stärksten Schichten der Arbeiterklasse –, aber die werden immer noch weniger geschröpft als andere, schwächere, was den stärkeren dann als ein „Sieg“ verkauft werden wird. Dagegen müssen wir ein politisches Kampfinstrument schmieden, eine multiethnische revolutionäre Arbeiterpartei, die als Tribun aller Unterdrückten agiert. D. h. sie kämpft in erster Linie darum, dass die Arbeiterklasse mobilisiert wird zur Verteidigung gerade der schwächsten, verletzlichsten Schichten der unterdrückten Bevölkerung in der Gesellschaft, der Frauen, Immigranten etc. So muss man die Arbeiter losreißen von Reformismus und Klassenkollaboration. Gegen die Spaltung entlang ethnischer Linien müssen die Arbeiter mobilisiert werden gegen Rassismus, wo immer er auftritt, seien es die Bosse im Betrieb, rassistische Abschiebungen von Schily, die Arbeitsverbote gegen osteuropäische Arbeiter oder die rassistischen Razzien auf Baustellen, wie sie von der IG BAU propagiert werden. Gegen die Spaltung entlang nationaler Linien kann die Antwort nur gemeinsamer internationaler Klassenkampf sein und die Bekämpfung jeglicher nationalistischer/chauvinistischer Vorurteile, wie sie von der Sozialdemokratie geschürt werden.
Der Angriff auf die 35-Stunden-Woche kann und muss zurückgeschlagen werden. Jede Verlängerung der Arbeitszeit bedeutet nicht nur eine Erhöhung der Ausbeutungsrate auf Kosten der Arbeiter, sondern auch, dass noch Zigtausende mehr den entwürdigenden Hartz-IV-Gesetzen zum Opfer fallen werden. Dieser Kampf muss mit dem Kampf gegen Hartz IV verbunden werden. Hartz IV soll Millionen Menschen in ein Heer von Verzweifelten verwandeln, gezwungen jede untertarifliche Arbeit anzunehmen. Damit ist Hartz IV ein Rammbock, mit dem die Kapitalisten einen Großangriff auf tarifliche Arbeit gegen die organisierte Arbeiterbewegung planen. Die Arbeiter, die die Macht haben, die Profite der Bosse zum Erliegen zu bringen – gerade im Westen, wo die Industrie liegt –, müssen den Arbeitslosen, die vor der Vernichtung ihrer Existenz durch Hartz IV stehen, zu Hilfe eilen.
Der Kapitalismus wird nicht freiwillig weichen. Er kann nicht abgewählt werden oder reformiert werden. Er muss gestürzt werden durch eine Arbeiterrevolution. Das Instrument dafür ist eine revolutionäre trotzkistische Arbeiterpartei, die wir Spartakisten aufbauen.
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