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Nach den Anschlägen in Bayern:

Staat rüstet auf und bedroht Immigranten, Linke und Arbeiter!

Es war ein abscheuliches rassistisches Verbrechen, als neun Menschen mit Migrationshintergrund am 22. Juli in München erschossen wurden. Der Täter war ein faschistischer Schüler, der sich den fünften Jahrestag vom Massenmord des Faschisten Anders Breivik an sozialdemokratischen Jugendlichen in Norwegen aussuchte, um zuzuschlagen. In derselben Woche gab es zwei furchtbare terroristische Anschläge bei Würzburg (18. Juli) und in Ansbach (24. Juli), mutmaßlich durchgeführt von Sympathisanten des IS. In Ansbach wurden etwa 12 Menschen durch den Sprengsatz verletzt, mit dem sich ein Flüchtling aus Syrien selbst in die Luft sprengte. In der Nähe von Würzburg ging ein 17-jähriger Jugendlicher, wahrscheinlich afghanischer Herkunft, mit Axt und Messer bewaffnet in einem Zug auf Touristen aus Hongkong los und verletzte fünf Menschen schwer.

Der bürgerliche Staat hatte offensichtlich nur auf eine Gelegenheit gewartet, seine Unterdrückungsmaschinerie in Gang zu setzen. In München wurde am Freitagabend nach der Tat die gesamte Stadt lahmgelegt mit der fadenscheinigen Begründung, die Polizei würde nach mehreren Tätern mit Langwaffen suchen. Der Stachus wurde abgeriegelt, der komplette Nahverkehr bis zum Samstagmorgen lahmgelegt und die gesamte Bevölkerung der drittgrößten Stadt Deutschlands aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. 2300 Polizeiund Sicherheitskräfte, darunter die GSG 9 (Spezialeinheit der Bundespolizei), waren im Einsatz. 44 Mann von der österreichischen Antiterroreinheit Cobra wurden per Hubschrauber eingeflogen. Kriegsministerin von der Leyen alarmierte 100 Soldaten eines Feldjägerregiments, um ihrer Forderung, Bundeswehreinsätze im Inneren noch weiter zu erleichtern, praktischen Nachdruck zu verleihen.

Das Ganze war ein vorbereitetes Bürgerkriegsmanöver, um letztendlich dafür zu trainieren, die arbeitende Bevölkerung niederhalten zu können, wenn sie wieder gegen das kapitalistische System in Aktion treten wird. Die Kapitalisten wissen, dass ihr System die Opposition der Ausgebeuteten hervorruft. In Frankreich nutzte die SP-geführte Regierung den andauernden Ausnahmezustand, der angeblich gegen islamistische Terroristen ausgerufen wurde, um gegen die massenhaften Mobilisierungen von Arbeitern vorzugehen, die das neue gewerkschaftsfeindliche Arbeitsgesetz stoppen wollten. Auch die deutsche Regierung benutzt als Vorwand für das martialische Aufgebot des Staates das Konstrukt des „Kriegs gegen den Terror“, der sich seit über 15 Jahren vor allem gegen Muslime richtet, aber letztlich die Arbeiterbewegung als Ganzes im Visier hat.

Ein SEK-Kommando erschoss den Täter des Zug-Attentats bei Würzburg, als er flüchtete. Als diese gezielte Tötung von Renate Künast (Bundestagsabgeordnete der Grünen) zu Recht in Frage gestellt wurde, begann der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft eine Hetzkampagne gegen sie im Internet, an der sich auch Politiker der Grünen beteiligten, um jegliche Kritik an der Rolle der Polizei im Keim zu ersticken. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rechtfertigte den finalen Todesschuss ebenfalls sofort.

Vier Tage nach dem Anschlag in Ansbach kündigte Bundeskanzlerin Merkel einen Neun-Punkte-Plan „gegen den Terror“ an, der die seit 2001 bestehenden Sicherheitsgesetze noch weiter verschärfen soll. Am Bedrohlichsten ist wohl, dass Bundeswehr und Polizei jetzt gemeinsame Übungen für „terroristische Großlagen“ durchführen können. Bereits im Juni hat die CDU/CSU-SPD-Regierung ein neues Paket von Anti-Terror-Gesetzen durchgesetzt. Außerdem wird eine neue Behörde aufgebaut, die dem Verfassungsschutz und dem BKA dabei helfen soll, Internetkommunikation zu entschlüsseln – ein weiterer Angriff auf die Privatsphäre aller. Nieder mit dem „Krieg gegen den Terror“! Nieder mit allen Sicherheitsgesetzen!

Weiterhin werden mehr Möglichkeiten geschaffen, Abschiebungen schneller durchzuführen, jetzt womöglich sogar in Kriegsgebiete wie Syrien. Bundesinnenminister de Maizière plant dafür die ärztliche Schweigepflicht einzuschränken, was speziell Ärzte einschüchtern soll, die sich dafür einsetzen, dass Flüchtlinge nicht abgeschoben werden. CSU- und CDU-Minister drängen darauf, die doppelte Staatsbürgerschaft wieder aufzuheben, was die SPD-Führung bisher ablehnt. Es ist im ureigenen Interesse der Arbeiterklasse, sich nicht entlang ethnischer Linien spalten zu lassen, sondern eine Einheit aller Arbeiter, egal welcher Herkunft, herzustellen. Die Gewerkschaften müssen dafür sorgen, dass alle Flüchtlinge in die Arbeiterklasse integriert werden, bei gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Damit werden auch die Möglichkeiten, gegen die Kapitalisten und ihre Regierung zu kämpfen, enorm verbessert. Hände weg von der doppelten Staatsbürgerschaft! Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben! Stoppt Abschiebungen durch Gewerkschaftsaktionen!

Hand in Hand mit dem Staatsterror nach innen gehen die vermehrten Interventionen des deutschen Imperialismus in der Welt. Mittlerweile gibt es Bundeswehreinsätze in Afrika, dem Nahen Osten, im Mittelmeer, dem Balkan und Afghanistan. Wir fordern überall: Bundeswehr raus! Der deutsche Imperialismus hat eine äußerst blutige Geschichte: Im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion (1941–45) ermordete er über 27 Millionen Sowjetbürger. Das Hitlerregime sicherte die Herrschaft der deutschen Bourgeoisie und zerstörte die unabhängigen Organisationen der Arbeiterklasse. Die Bourgeoisie trägt die Verantwortung für den Holocaust – die industrielle Ermordung von Millionen Juden, Roma und Sinti – und die Verfolgung und Ermordung von Kommunisten und unzähligen anderen. Die Wehrmacht hielt den Balkan besetzt und unterjochte die dort lebenden Völker. Noch heute betrachtet der deutsche Imperialismus den Balkan und Osteuropa als seinen Hinterhof und verteidigt dort habgierig seine Interessen gegen die anderer Imperialisten. Er unterjocht vermittels der EU andere Völker Europas und scheffelt mithilfe des Euro horrende Profite. Nieder mit der EU und dem deutschen Imperialismus!

Die Imperialisten sind die größten Terroristen der Welt und verantworten mit der täglich weitergehenden Verwüstung des Nahen Ostens, dass Menschen in die Flucht und zum Teil in die Arme von Islamisten getrieben werden. Die Entstehung des IS ist direktes Ergebnis der Politik der USA und anderer Imperialisten, die Länder wie Libyen, Irak und Syrien zerstört haben. Wir begrüßen jeden Rückschlag der Imperialisten und nehmen deshalb eine militärische Seite mit dem Islamischen Staat ein, wenn er die Imperialisten und ihre Bodentruppen, die mehrheitlich kurdischen SDF (Syrischen Demokratischen Kräfte) und Peschmerga, bekämpft. Dabei geben wir dem IS keine politische Unterstützung und verurteilen seine kommunalistischen Massaker. Der einzige Ausweg für die unterdrückten Massen besteht in einer Reihe von Arbeiterrevolutionen mit der Perspektive einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens. Imperialisten raus aus dem Nahen Osten!

Bundeswehreinsätze im Innern sind nichts Neues, aber anders als zum Beispiel in Frankreich oder in den USA werden sie nicht als so normal angesehen. Denn nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Faschismus wurden polizeiliche und militärische Aufgaben erstmal strikt getrennt. Im Zuge des Umbaus der Bundeswehr wurden allerdings Einheiten aus Reservisten für den „Heimatschutz“ aufgebaut, die seit 2013 in 16 Bundesländern mit insgesamt 2700 Mann bereitstehen, um der Polizei im Fall der Fälle „Amtshilfe“ zu geben. Der tazArtikel „Soldaten fürs aufsässige Volk“ (10. August 2012) erklärt, um welche Situationen es geht:

„Nach einer Generalklausel der Europäischen Union könnte der Amtshilfe-Einsatz auch beim politischen Generalstreik gegen Versorgungseinrichtungen, gewaltsamen Massenprotesten, sozialen Unruhen sowie Aktionen des zivilen Ungehorsam durch Streiks und/oder Straßenblockaden im Transport- und Energieoder Gesundheitswesen möglich sein.“

Die Bundeswehr wurde beim G8-Gipfel in Rostock 2008 gegen linke Demonstranten eingesetzt. Damals flogen Kampfjets dicht über die Köpfe der Linken, die der imperialistischen Versammlung der Staatschefs ihren einfachen Protest entgegensetzen wollten. Im nächsten Jahr wollen sich die Imperialisten in der Mitte Hamburgs versammeln. Um möglichen Protest schon jetzt einzuschüchtern, gab es im Juli eine brutale Polizei-Razzia in zwei linken Wohnprojekten der Hafenstraße, bei der 250 Polizisten zum Teil mit Maschinenpistolen bewaffnet in die Häuser eindrangen. Die Bewohner, die Solidarität mit Flüchtlingen zeigen, wurden mit vorgehaltenen Schusswaffen bedroht und 30 Personen gewaltsam festgenommen. Die Arbeiterbewegung hat ein Interesse, die Linken gegen jeglichen Staatsterror zu verteidigen, denn es ist dieselbe Polizei, die das Privateigentum der Kapitalisten schützen soll und deshalb bei Streiks als Streikbrecher fungiert. Wir sagen: Polizei raus aus dem DGB!

Ganz anders sehen das die reformistischen Linken, allen voran die Führung der Linkspartei. Sahra Wagenknecht begrüßte den Einsatz der Polizei in München und fordert den Staat auf, mehr davon zu tun. Sie erklärte in der Presseerklärung vom 25. Juli: „... Frau Merkel und die Bundesregierung sind jetzt in besonderer Weise in der Verantwortung, das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zu erhalten.“ Wagenknecht will diesen bürgerlichen Staat stärken, der, wie schon Marx und Engels erklärten, nichts anderes ist als das Unterdrückungsinstrument der herrschenden Kapitalistenklasse.

Dieser Staat ist derselbe, der mit seinem Verfassungsschutz Nazi-Organisationen aufbaut und tief verstrickt ist in die Mordserie von 2000–2006 an Immigranten durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Der Staat lässt Nazis und Rassisten gewähren und spricht sie frei, die fast täglich Flüchtlinge angreifen und mörderische Brandanschläge auf ihre Unterkünfte verüben. Während er die Nazis schützt, weil er sie als Bluthunde gegen die Arbeiterklasse in Reserve hält, konnte er diesmal den Anschlag eines Faschisten in München als Vorwand benutzen, um aufzurüsten. Wobei sich die bürgerlichen Medien alle Mühe geben, die Tatsache, dass es kein islamistischer Terrorist, sondern ein Faschist war, runterzuspielen oder zu verheimlichen. Als auf das Oktoberfest 1980 ein faschistischer Anschlag verübt wurde, bei dem 13 Menschen starben und 211 verletzt wurden, hat der Staat dies als Tat eines „wahnsinnigen Einzelnen“ dargestellt und die Verbindungen zur Nazi-„Wehrsportgruppe Hoffmann“ abgetan. Wie wir in Spartakist Nr. 33, November 1980, schrieben: „Oberste Priorität war es, die normale Tagesordnung im Wahlkampf wieder durchzuziehen: die deutsche faschistische Vergangenheit ist ,bewältigt‘, der ,eigentliche‘ Terror kommt von links – gegen den Staat.“

Es ist dringend notwendig mit den tödlichen Illusionen in die Neutralität des Staates aufzuräumen, weil sie nur der Aufrechterhaltung des barbarischen imperialistischen Systems dienen. Nötig ist der Aufbau einer multiethnischen, revolutionären Arbeiterpartei, die das Programm dafür hat, dieses System zu stürzen, im Gegensatz zum prokapitalistischen Programm von Linkspartei und SPD. Diese revolutionäre Partei wird Arbeiter und Unterdrückte wieder mit den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Trotzki vertraut machen, die erklären, warum eine sozialistische Revolution nötig ist, um mit allen Übeln dieser Gesellschaft Schluss zu machen.