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Spartakist-Extrablatt

1. Mai 2010

Erklärung des Internationalen Exekutivkomitees der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten)

Zurückweisung unserer Position zum Erdbeben in Haiti

Eine Kapitulation vor dem US-Imperialismus

In Artikeln zum Erdbeben in Haiti beging Workers Vanguard (WV), die Zeitung der Spartacist League/U.S., Verrat an dem grundlegenden Prinzip, Gegner der „eigenen“ imperialistischen Herrscher zu sein. Nicht nur rechtfertigten wir in diesen Artikeln die US-imperialistischen Truppen als notwendig für Hilfsmaßnahmen; darüber hinaus polemisierten wir auch gegen die prinzipienfeste und korrekte Position, den sofortigen Abzug der Truppen zu fordern. Diese Linie wurde in mehreren Publikationen anderer IKL-Sektionen verbreitet und wurde so faktisch zur Linie der Internationalen Kommunistischen Liga. Wir wären unserer Zerstörung als revolutionärer Partei ein großes Stück näher, wenn wir nicht öffentlich Rechenschaft ablegen und eine Korrektur durchführen würden. Von Anfang an war die einzige revolutionäre internationalistische Position, den Abzug aller US/UN-Truppen aus Haiti zu fordern!

In unserem Artikel in WV Nr. 951 (29. Januar) und wiederholt in nachfolgenden Ausgaben der Zeitung erklärten wir unverblümt:

„Das US-Militär ist die einzige Kraft vor Ort, die fähig ist – z. B. durch LKWs, Flugzeuge, Schiffe – den Transport dessen, was die haitianische Bevölkerung an Nahrungsmitteln, Wasser, medizinischen und anderen Hilfsgütern erreicht, zu organisieren. Und es tut dies auf die typische widerliche US-imperialistische Art und Weise. Wir sind von jeher gegen jede US- und UN-Besetzung in Haiti und anderswo eingetreten – und möglicherweise wird es in naher Zukunft nötig sein, einen Abzug der USA/UNO aus Haiti zu fordern – aber wir werden nicht die Beendigung von Hilfe fordern, die die haitianischen Massen kriegen können.“ [auf Deutsch erschienen in Spartakist Nr. 182, März 2010]

Das Internationale Exekutivkomitee der IKL weist diesen Verrat an unserem revolutionären Programm zurück. Es gilt, wie in der Programmatischen Erklärung der SL/U.S. erklärt: „Wir lehnen jede Intervention des US-Militärs – und US-Militärstützpunkte – im Ausland bedingungslos ab und verteidigen die kolonialen, halbkolonialen und anderen kleineren, weniger entwickelten Länder gegen US/UN-Angriffe und -Embargos.“

Selbst als wir in WV Nr. 955 (26. März) sehr spät die Forderung „Alle US/UN-Truppen raus aus Haiti, sofort!“ aufstellten, vermieden wir es weiterhin, nach dem Prinzip zu handeln, dass wir gegen die US-imperialistische Besetzung des neokolonialen Haitis sind, und handelten nach wie vor gegen dieses Prinzip. Darüber hinaus erklärten wir in diesem Artikel: „Wie wir in unserem Artikel ,Erdbebenkatastrophe in Haiti: Imperialismus, Rassismus und Hungersnot‘ (WV Nr. 951, 29. Januar) verdeutlichten, würden wir, obwohl wir nicht dafür waren, dass das US-Militär nach Haiti geht, unmittelbar nach der schrecklichen Naturkatastrophe ebenso wenig den sofortigen Abzug jeglicher Kräfte fordern, die die Hilfe leisteten, die zu den haitianischen Massen gelangte.“ Tatsächlich hatten wir in unserem früheren Artikel weder deutlich gesagt, dass wir nicht für den Einmarsch der US-Truppen waren; noch hatten wir die militärische Übernahme der Macht durch das US-Militär auch nur als solche bezeichnet.

Die Invasion des US-Militärs hatte neben der „humanitären“ Imageverbesserung des bluttriefenden US-Imperialismus die Aufgabe, die eigene militärische Kontrolle in Haiti abzusichern und die Vorherrschaft des amerikanischen Imperialismus in der Karibik auch gegen imperialistische Rivalen wie Frankreich durchzusetzen. Dadurch, dass wir uns nicht gegen die Invasion stellten, ignorierten wir auch, welche besondere Gefahr die Invasion für den deformierten Arbeiterstaat Kuba (und das bürgerliche nationalistisch-populistische Regime von Hugo Chávez in Venezuela) darstellte. Wir akzeptierten Washingtons Position, dass Hilfsmaßnahmen untrennbar mit der Machtübernahme des US-Militärs verbunden sind, und trugen so dazu bei, den von der Regierung des Demokraten Obama angepriesenen Mythos zu verbreiten, dies sei ein „humanitärer“ Einsatz. Unsere Erklärung, „möglicherweise wird es in naher Zukunft nötig sein, einen Abzug der USA/UNO aus Haiti zu fordern“ (Hervorhebung hinzugefügt), bedeutete eine bedingte Unterstützung für das Eingreifen des US-Militärs. Der einzige Unterschied zwischen unserer Position und dem 4. August 1914, als die deutschen Sozialdemokraten zu Beginn des Ersten Weltkriegs Kriegskrediten für die deutschen imperialistischen Herrscher zustimmten, war, wie ein führender Parteigenosse feststellte, dass es sich in Haiti nicht um einen Krieg handelte.

Somit beraubten wir Trotzkis Theorie der permanenten Revolution ihres revolutionären internationalistischen Gehalts, den Kampf für soziale und nationale Befreiung mit dem Kampf für proletarische Staatsmacht sowohl in neokolonialen als auch in fortgeschritteneren Ländern zu verbinden, das heißt, dem Proletariat in Nordamerika und weltweit das Verständnis zu vermitteln, dass es in seinem Klasseninteresse liegt, sich aktiv für den Kampf gegen die imperialistische Vorherrschaft in Haiti einzusetzen. Unsere Artikel taten stattdessen das Gegenteil: Illusionen zu fördern, die US-imperialistische „Demokratie“ sei die Rettung des haitianischen Volkes. Fast redeten wir Barack Obama nach dem Mund, als er imperialistische Kampftruppen, darunter Teile der 82. Luftlandedivision und eine Expeditionseinheit der Marines, entsandte. Es ist zu bezweifeln, dass wir eine derartige Position so leicht eingenommen hätten, wenn die republikanische Bush-Regierung noch im Weißen Haus säße.

Die zentristische Internationalist Group (IG) schreibt in einem ihrer letzten Artikel, „SL Twists and Turns on Haiti“ [SL windet und wendet sich über Haiti] (Internationalist, 9. April): „Während es für Reformisten, die nur die Politik der Imperialisten verändern und nicht das imperialistische System stürzen wollen, zur Unterstützung imperialistischer Besetzung ein kleiner Schritt ist, sollte das im Falle der SL/IKL schwerer zu schlucken sein.“ Das ist es in der Tat. Die IG ihrerseits behauptete, das Erdbeben biete eine Öffnung für eine Revolution in Haiti, und versicherte: „Dieses kleine, aber militante Proletariat kann sich an die Spitze der verarmten städtischen und ländlichen Massen setzen, die versuchen, ihre eigene Macht zu organisieren, insbesondere jetzt, wo die kapitalistische Staatsmaschinerie bis auf ein paar marodierende Banden von Polizisten größtenteils in Trümmern liegt“ („Haiti: Workers Solidarity, Yes! Imperialist Occupation, No!“ [Haiti: Arbeitersolidarität: Ja! Imperialistische Besetzung: Nein!], Internationalist, 20. Januar).

Anstatt einfach die auf die Dritte Welt fixierten Hirngespinste der IG auseinanderzunehmen, konzentrierten wir unsere Polemiken auf eifrige Rechtfertigungen für den Militäreinsatz der US-Imperialisten – eine Position rechts von der IG. Diese zentristischen Apologeten für Dritte-Welt-Nationalismus charakterisierten unsere Position ganz zutreffend als „sozialimperialistisch“ – sozialistisch in Worten, Unterstützung für den Imperialismus in Taten. Diese bittere Pille müssen wir schlucken. Nur durch eine harte Verurteilung unserer Linie können wir der Alternative entgehen, bei der die Gründer der IG gelandet sind, als sie aus unserer Organisation abhauten, um sich anderen Kräften als dem Proletariat zuzuwenden. Dazu gehörten in ihrem Fall sowohl Überreste der stalinistischen Bürokratie, die die DDR an die imperialistische Konterrevolution ausverkaufte, als auch lateinamerikanische Nationalisten und sich links gebende Gewerkschaftsbürokraten.

Im Zusammenhang mit den Polemiken gegen die IG missbrauchte Workers Vanguard die Autorität des revolutionären Führers Leo Trotzki, um Unterstützung für eine imperialistische Besetzung zu rechtfertigen. Trotzki argumentierte in seinem Artikel „Lernt denken“ von 1938, dass man nicht immer ein Minuszeichen setzen sollte, wo die Bourgeoisie ein Pluszeichen setzt. Er bezog sich nicht auf eine militärische Besatzungsmacht, sondern auf Fälle, wo eine imperialistische Regierung antikolonialistischen Kämpfern militärische Unterstützung schicken könnte. Darüber hinaus bezog sich Trotzki in diesem Artikel auch auf Arbeiter, die sich mit der zur Bekämpfung eines Feuers entsandten Armee verbrüdern; dabei ging es offenkundig nicht um eine Situation wie in Haiti, wo US-imperialistische Truppen in ein neokoloniales Land eindrangen – ein Akt, den Leninisten aus Prinzip bedingungslos ablehnen.

Genauso wenig fördern Revolutionäre jedoch Illusionen in die nicht-militärische Hilfe, die kapitalistische Regierungen leisten mögen. Wir hätten uns bei unserer Antwort auf die US-imperialistische Invasion in Haiti nach dem Erdbeben an der Position unserer australischen Sektion orientieren sollen. Nach dem Tsunami von 2005 reagierte sie auf die imperialistische „Hilfs“-Intervention in Indonesien, besonders in die abtrünnige Provinz Aceh, mit einem Artikel in Australasian Spartacist unter der Überschrift „Australian Imperialists Seize on Tsunami Catastrophe“ [Australische Imperialisten nutzen Tsunami-Katastrophe aus] (Nr. 190, Herbst 2005), in dem sie „Australische/alle imperialistischen Truppen/Bullen raus aus Aceh, sofort!“ forderte und imperialistische Hilfsprogramme anprangerte. Der Artikel legt dar: „Unabhängig vom kurzfristigen Nutzen, den ein Teil [dieser Programme] einer kleinen Anzahl von Unterdrückten bringen mag“, sind solche Hilfen „immer darauf ausgerichtet, die neokoloniale Unterjochung der Massen der Dritten Welt zu verstärken“.

Die „Politik des Machbaren“

Seit den frühen 1960er-Jahren, als unsere Tendenz als linke Opposition innerhalb der Socialist Workers Party (SWP) entstand, war uns klar, dass nationale Isolierung bei jeder subjektiv revolutionären Gruppierung – gerade wenn sie unter dem Druck steht, im Herzen des Weltimperialismus, den Vereinigten Staaten, zu agieren – schnell zur Zerstörung führen muss. Wirklicher proletarischer Internationalismus bedeutet disziplinierte internationale Zusammenarbeit. Ohne diese können wir dem mächtigen Sog des nationalistischen Opportunismus nicht erfolgreich widerstehen.

Unsere Beschönigung des Eingreifens des US-Imperialismus lief über die Aushebelung des internationalen demokratischen Zentralismus. Die Aufgabe der Propaganda als Gerüst der revolutionären Partei ist es, die durch Diskussion und Anträge von der Parteiführung beschlossene Linie der Partei zu veröffentlichen. Bevor wir mit der Linie gegen die Forderung „Truppen raus aus Haiti“ im WV Nr. 951 in Druck gingen, entzogen sich das Politische Büro der SL/U.S. und das Internationale Sekretariat (das ortsansässige Administrativgremium des IEK) der Verantwortung dadurch, dass sie keine organisierte Diskussion und Abstimmung durchführten, sondern stattdessen unsere Linie über informelle Beratung festlegten. Nachdem die Linie erst einmal in Workers Vanguard veröffentlicht war, wurde sie jedoch von vielen IKL-Sektionen in ihre Zeitung gebracht – ein Zeichen dafür, dass es anfangs kaum Meinungsverschiedenheiten gab.

In einer Sitzung am 18. März stimmte das IS schließlich für die Forderung des sofortigen Abzugs der US- und UN-Truppen. Allerdings hielten die Anträge, die bei dieser Sitzung angenommen wurden und die die Grundlage für den Artikel in WV Nr. 955 bildeten, erneut fest: „Es war richtig, dass wir unmittelbar nach dem Erdbeben nicht den Abzug der US-Truppen forderten.“ Mit der Behauptung, dass „die besonderen außergewöhnlichen Umstände, die vor zwei Monaten vorlagen, nicht mehr existieren“, hielten die Anträge weiterhin daran fest, dass die bedingte Verteidigung der US-Militärinvasion im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe korrekt war. Darüber hinaus kritisierten die IS-Anträge zwar die Formulierung, das US-Militär sei vor Ort die einzige Kraft mit den für Hilfsmaßnahmen notwendigen Mitteln, gaben aber keine öffentliche Korrektur dieser Erklärung in Auftrag. James P. Cannon, Gründer des Trotzkismus in den USA, verurteilte solcherlei Unaufrichtigkeit. Als die trotzkistische SWP 1954 bei ihrer Konferenz Fehler eingestehen musste, bemerkte Cannon: „Wisst ihr, die Stalinisten vollziehen mehr Schwenks, und zwar schnellere und einschneidendere, als jede andere Partei in der Geschichte. Aber sie sagen nie: ,Wir haben einen Fehler gemacht.‘ Sie sagen immer: ,Die Lage hat sich geändert.‘ Wir sollten genauer und ehrlicher sein.“

Menschewismus verkleidet sich oft als „Realismus“ und „Sachzwang“. Wir suchten nach einer „konkreten Lösung“ in einer Situation, wo es von einem proletarisch-revolutionären Standpunkt keine solche Lösung gab, und so kapitulierten wir. Was unsere kleine revolutionäre Partei einbringen musste, war eine proletarisch-internationalistische Perspektive für die Befreiung Haitis, vor allem durch Gegnerschaft zu unseren „eigenen“ imperialistischen Herrschern. In der unmittelbaren Situation konnte ein solches Programm nur durch negative Forderungen konkret zum Ausdruck kommen: die Forderung, dass alle haitianischen Flüchtlinge in den USA mit vollen Staatsbürgerrechten aufgenommen werden; die Ablehnung jeglicher Abschiebung von Haitianern, die es in die USA geschafft haben; und vor allem die Forderung nach dem Abzug aller US/UN-Truppen.

Unsere Artikel verzerrten die Realität, um die Präsenz des amerikanischen Militärs zu rechtfertigen. Korrekterweise kritisierten wir die Reformisten dafür, Illusionen in die imperialistischen Regierungen zu sähen, indem sie von ihnen „Hilfe, nicht Truppen“ forderten; aber unsere eigene Reaktion war schlimmer. Unsere Artikel stellten das Eingreifen des US-Militärs als den einzigen „realistischen“ Weg dar, wie die haitianischen Massen „Hilfe“ bekommen könnten, und behaupteten demagogisch, dass ein Abzug der US-Kampftruppen „zu einem Massensterben durch Verhungern führen würde“. Damit behandelten wir die Frage nicht vom Standpunkt des marxistischen Programms, sondern durch die liberale Brille der „Katastrophenhilfe“. Diese sozialdemokratische Weltanschauung hat Michael Harrington – ehemaliger Führer der Democratic Socialists of America und Berater für die „Krieg-gegen-Armut“-Programme der Regierung des Demokraten Lyndon B. Johnson – mit dem Ausdruck „der linke Flügel des Machbaren“ auf den Punkt gebracht.

In der Periode nachsowjetischer Reaktion, wo Revolution – oder, insbesondere in den USA, selbst militanter Klassenkampf – weit weg erscheint und es einen überwältigenden Mangel an Anklang für unsere politischen Ansichten gibt, übt die „Politik des Machbaren“ spürbaren Druck aus. Zwischen dem, wofür wir stehen, und dem Bewusstsein der Arbeiterklasse und radikaler Jugendlicher – selbst derjenigen, die sich als Sozialisten sehen – klafft ein gähnender Abgrund. Es war, wie wir bereits festgestellt haben, sehr schwer, unsere revolutionäre Kontinuität zu erhalten, und es ist sehr leicht, sie zu zerstören.

Der Kampf zur Aufrechterhaltung einer revolutionären Perspektive

James P. Cannon argumentierte Anfang der 1950er-Jahre im Kampf gegen die Cochran-Opposition in der damals revolutionären amerikanischen Socialist Workers Party:

„Die revolutionäre Bewegung ist unter den besten Bedingungen ein harter Kampf, und sie verschleißt eine Menge Menschen. Nicht umsonst hat man tausendmal in der Vergangenheit gesagt: ,Die Revolution verzehrt die Menschen.‘ Die Bewegung in diesem Land, dem reichsten und konservativsten der Welt, ist vielleicht die unersättlichste von allen.

Es ist nicht leicht, am Kampf festzuhalten, weiterzumachen, hart zu bleiben und ihn Jahr für Jahr ohne einen Sieg durchzukämpfen; und in Zeiten wie der gegenwärtigen sogar ohne einen spürbaren Fortschritt. Das erfordert sowohl theoretische Überzeugung und historische Perspektive als auch Charakter. Und außerdem erfordert es die Zusammenarbeit mit anderen in einer gemeinsamen Partei.“ („Trade Unionists and Revolutionists“ [Gewerkschafter und Revolutionäre], 11. Mai 1953 – auf Deutsch erschienen in Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 18, Frühjahr 1997)

Die Degeneration der SWP von einer revolutionären Partei über Zentrismus zu erbärmlichem Reformismus ist ein lehrreiches Beispiel. Während der antikommunistischen Hexenjagd überstand die Partei mehr als ein Jahrzehnt von Stagnation und Isolation. Als man die eigene Rolle im Wesentlichen darauf reduziert sah, innerhalb der Festung des US-Imperialismus die Stellung zu halten, gaben alternde Parteikader, wie die im Cochran-Flügel, die revolutionäre Perspektive auf. Die SWP-Mehrheit unter Cannon und Farrell Dobbs kämpfte gegen dieses Liquidatorentum für die Aufrechterhaltung der revolutionären Kontinuität des Trotzkismus. Doch waren sie selbst nicht immun gegen die deformierenden Einflüsse, die die Cochran-Anhänger zur Spaltung trieben.

Vier Jahre später, 1957, unterstützte die SWP den Einsatz von Bundestruppen in Little Rock, Arkansas. Dieser Einsatz führte schließlich dazu, dass örtliche Initiativen der Schwarzen zur Selbstverteidigung zerschlagen wurden – diese Initiativen hatten sich gebildet gegen den grölenden rassistischen Pöbel, der Integration an Schulen bekämpfte. Dass US-Truppen als verlässliche Verteidiger der Schwarzen dargestellt wurden, rief in den 1950er-Jahren erheblichen Widerstand innerhalb der Partei hervor, insbesondere von Richard Fraser, dessen Programm des revolutionären Integrationismus als Weg zur Schwarzenbefreiung in den USA auch unseres ist. Jedoch wurde die falsche Linie nie korrigiert, und die Ansicht verfestigte sich, dass die US-imperialistische Armee die einzige „realistische“ Kraft zur Verteidigung von Bürgerrechtsdemonstranten gegen rassistischen Terror in den Jim-Crow-Südstaaten sei. 1964 hatte die SWP bereits die groteske Kampagnenlosung „Zieht die Truppen aus Vietnam ab und schickt sie nach Mississippi!“ angenommen. 1965 hatte dann die SWP auch die letzten Reste revolutionärer Opposition zum Imperialismus über Bord geworfen und verbreitete die reformistische Lüge, dass eine klassenlose Friedensbewegung den schmutzigen Krieg des US-Imperialismus gegen die Arbeiter und Bauern Vietnams beenden könne.

Die jungen SWP-Kader in der Revolutionary Tendency, die gegen die Degeneration der Partei kämpften, wurden die Gründer und Führer unserer Organisation. Es gehört zum Kampf für die Erhaltung dieser, bis zu Lenins und Trotzkis Bolschewiki zurückreichenden, Kontinuität mit Cannons revolutionärer Partei, dass wir begreifen, was aus der SWP wurde, und dass wir es uns als Spiegel dessen vorhalten, was aus uns werden könnte, wenn wir unsere Fehler und den als Reaktion auf das Erdbeben in Haiti begangenen offenen Verrat an unserem revolutionären internationalistischen Programm nicht korrigieren.

Die Fähigkeit, eine solche Korrektur zu vollziehen, ist allerdings kaum ein Anlass zur Freude. Sie schafft lediglich die Grundlage dafür, politisch auf den richtigen Kurs zurückzukehren. Wir haben die Klassenlinie übertreten, und nun ist es dringend notwendig, dem proletarischen internationalistischen Programm des Leninismus wieder Geltung zu verschaffen und für seine Erhaltung zu kämpfen.

27. April 2010