Spartakist Nr. 221

Sommer 2018

 

„Progressiver“ Bezirksstaatsanwalt blockiert Berufung

Mumia Abu-Jamal ist unschuldig - Sofortige Freilassung!

Folgender Artikel erschien zuerst in Workers Vanguard Nr. 1134, 18. Mai, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S.

Am 30. April kämpften Mumia Abu-Jamals Anwälte wieder einmal in einem Gerichtssaal in Philadelphia für die Aufhebung des abgekarteten Schuldspruchs von 1982, mit dem Mumia zu Unrecht wegen der Ermordung des Polizeibeamten Daniel Faulkner verurteilt worden war. Erneut wurden sie durch die gleichen Machenschaften der Bullen, Staatsanwälte und Richter blockiert, die diesen unschuldigen Mann erst zu 30 Jahren Todeszelle und anschließend zum „lebendigen Tod“ in lebenslanger Haft ohne Berufung verdammt hatten. Diesmal wird die Vendetta von Larry Krasner geführt, einem „progressiven“ Demokraten, dessen Wahl zum Bezirksstaatsanwalt im vergangenen November von einem Klüngel aus Liberalen und reformistischen Sozialisten bejubelt wurde. Krasner wartete nicht lange, um in die Fußstapfen seiner Vorgänger zu treten, die bestrebt waren, jegliche Möglichkeit für Mumias Freiheit zunichte zu machen.

Mumia steht im Fadenkreuz des bürgerlichen Staats, seit er als Teenager in den 1960er-Jahren ein Sprecher der Black Panther Party war. Der Hass der Bullen Philadelphias auf Mumia steigerte sich in den 1970er-Jahren noch weiter, als er als preisgekrönter Journalist, bekannt als „die Stimme der Entrechteten“, den rassistischen Rachefeldzug der Polizei gegen MOVE öffentlich machte, die größtenteils schwarze „Zurück-zur-Natur“-Kommune, die er später unterstützte. Sein Prozess und seine Verurteilung waren ein klassisches abgekartetes Spiel unter enger Zusammenarbeit von Bullen, lügnerischen Staatsanwälten und Henker-Richtern: rassistische Manipulation bei der Besetzung der Jury; massive Zeugeneinschüchterung; Unterschlagung von Beweisen; gefälschte ballistische Gutachten und andere fabrizierte „Beweise“ der Anklage; ein von Bullen und Staatsanwaltschaft erfundenes „Geständnis“. Den Vorsitz bei dem Prozess hatte der Richter Albert Sabo, den eine Gerichtsstenografin verkünden hörte, er werde der Anklage helfen, „den N….r zu braten“. Bei seinem Prozess 1982 wurde Mumia ausdrücklich wegen seiner politischen Ansichten zum Tode verurteilt.

Bundesgerichte und Gerichte des Bundesstaats Pennsylvania weigerten sich wiederholt, Beweise für Mumias Unschuld zuzulassen, insbesondere das eidesstattliche Geständnis von Arnold Beverly, er und nicht Mumia habe Faulkner erschossen. Nach der Aufhebung der Todesstrafe und der Anordnung einer neuen Strafanhörung durch ein Bundesgericht gaben die Staatsbehörden im Dezember 2011 ihre Bemühungen, Mumia legal zu lynchen, auf, weil sie erkannten, wie unwahrscheinlich es war, ein neuerliches Todesurteil zu bekommen.

Die hysterische Kampagne, Mumia loszuwerden, macht die Entschlossenheit der rassistischen Herrscher deutlich, durch staatlichen Terror jeden zum Schweigen zu bringen, der gegen die Unterdrückung der Schwarzen und damit gegen das Fundament des amerikanischen Kapitalismus kämpft. In diesem Land richtet sich Unterdrückung an vorderster Front gegen Schwarze, mit dem Ziel, die Arbeiter entlang von Rassen- und ethnischen Linien zu spalten, um gemeinsamen Klassenkampf gegen die kapitalistischen Ausbeuter zu verhindern. Als Mumia 1995 die Hinrichtung drohte, griffen weltweit Gewerkschaften, die Millionen von Werktätigen repräsentierten, seinen Fall auf. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeiterbewegung diese wortgewaltige Stimme unnachgiebiger Opposition verteidigt. Der Kampf zur Befreiung Mumias aus den Fängen des kapitalistischen Staats ist im Interesse des multirassischen Proletariats.

Zur Zeit geht es im Gericht um die Berufung, die Mumia 2016 entsprechend dem Post Conviction Relief Act eingelegt hatte, um die gerichtliche Voreingenommenheit des Obersten Gerichtshofs von Pennsylvania anzugreifen, der Mumias Berufungen wiederholt abgelehnt hatte. Mumias Anfechtung gründet sich auf ein Urteil von 2016, Williams v. Pennsylvania, bei dem der Oberste US-Gerichtshof bestätigte, dass Pennsylvanias Justizsystem mit möglicher Voreingenommenheit infiziert war, weil Ronald Castille, Philadelphias Bezirksstaatsanwalt Ende der 1980er-Jahre, in den 1990er-Jahren in den Obersten Gerichtshof des Staates befördert worden war. Von diesem hohen Posten aus befand Castille über die Gesetzmäßigkeit gerade der Urteile und Strafen, die er und seine Behörde zuvor durchgesetzt hatten. Einer der Fälle, in denen Castille gleichzeitig als Ankläger und Richter fungierte, war der von Mumia. Castille war während Mumias Prozess von 1982 hochrangiger stellvertretender Staatsanwalt und bei Mumias unmittelbarer Berufung dann der zuständige Bezirksstaatsanwalt. Später, als Richter am Obersten Gerichtshof, winkte er die groben Verstöße gegen Mumias Rechte durch, die er selber als Ankläger begangen hatte.

Um erfolgreich zu sein, muss Mumia beweisen, dass Castille, wie in Williams’ Fall, als Mitglied der Bezirksstaatsanwaltschaft in erheblichem Maße persönlich an seinem Fall beteiligt war. Castille behauptet, er habe mit Mumias Anklage „überhaupt nichts zu tun gehabt“ und Mumias Anwälte hätten ihn nie „darum gebeten, mich später als Richter bei der Berufung für befangen zu erklären. Für mich war es ein Fall wie jeder andere“ (Legal Intelligencer, 30. April). In Wirklichkeit schrieb Castille als Richter des Obersten Gerichtshofs 1998 eine ausführliche Begründung, mit der er einen Befangenheitsantrag gegen sich bei Mumias Berufung ablehnte.

Es ist grotesk, wenn Castille behauptet, er sei in Mumias Fall nur ein Beobachter gewesen. Anklagen und Berufungen bei Kapitalverbrechen sind nicht „ein Fall wie jeder andere“, sondern für Ankläger vorrangige Angelegenheiten, die der strikten Oberaufsicht durch Bezirksstaatsanwälte unterliegen. In Philadelphia hatte Mumias Fall höchste Priorität – drei Jahrzehnte lang arbeitete die Staatsanwaltschaft Hand in Hand mit der Fraternal Order of Police [Polizeibruderschaft], um Mumias Todesurteil sicherzustellen.

Doch Richter Leon Tucker vom Common Pleas Court [Gericht für allgemeine Angelegenheiten], der jetzt Mumias Antrag verhandelt, hat nun die Beweislast für Castilles Beteiligung Mumias Anwälten auferlegt. Und diese sollen die Beweise beschaffen aufgrund von Dokumenten, die sich im Besitz der Staatsanwaltschaft befinden. Wie zu erwarten behauptet Krasners Behörde, dass solche Beweise nicht existieren.

Tucker hat einige der Kanzleiakten durchgesehen und den Bericht einer stellvertretenden Bezirksstaatsanwältin, Gayle McLaughlin, vom März 1990 an Castille über die Lage bei anhängigen Kapitalfällen entdeckt, darunter eine Erörterung von Mumias Fall. Kurz nachdem Castille McLaughlins Bericht erhalten hatte, schrieb er an den damaligen Gouverneur Robert Casey und drängte ihn, Pennsylvanias Hinrichtungsmaschinerie auf Touren zu bringen, um „allen Polizistenmördern eine klare und dramatische Botschaft zu senden, dass die Todesstrafe auch wirklich etwas bedeutet“. McLaughlins Bericht wurde als Antwort auf ein Memorandum Castilles verfasst. Richter Tucker ordnete an, die Staatsanwaltschaft müsse das Castille-Memorandum vorlegen, auf das McLaughlin geantwortet hatte. Aber Krasners Behörde behauptet, Castilles Memo sei verschwunden!

Bei der Anhörung vom 30. April besetzte eine Phalanx von Polizisten eine ganze Reihe im Gerichtssaal aus Solidarität mit Krasners Anklägern und als Gegengewicht zu Protestierenden, zu denen auch Unterstützer der Spartacist League und des Partisan Defense Committee gehörten, die zu Mumias Verteidigung erschienen waren. Tucker vertagte die Verhandlung auf den 30. August, um Mumias Anwälten die Möglichkeit zu geben, McLaughlins eidesstattliche Aussage einzuholen.

Groteskerweise wurde der Aufstieg Krasners zum Oberankläger von den Reformisten der International Socialist Organization (ISO) [Verbindung zu marx21 hierzulande], der Socialist Alternative (SAlt) und von Workers World (WWP) als Sieg für die Unterdrückten bejubelt. Die ISO beklatschte den Wahlsieg Krasners und anderer „progressiver“ Demokraten im vergangenen November und schrieb, dies spiegele „ein Verlangen nach einer politischen Alternative zum Status quo“ wider. Sie boten Krasner sogar ein vorbeugendes Alibi an: „In seiner neuen Position wird jeder in seiner Umgebung gegen die kleinsten Reformmaßnahmen, die er einzuführen versucht, mit Zähnen und Klauen kämpfen“ (SocialistWorker.org, 14. November 2017).

Nachdem Krasner im vergangenen Mai die Vorwahlen der Demokraten gewonnen hatte, lieferte die SAlt-Ortsgruppe in Philadelphia die Schlagzeile: „Krasner gewinnt! Den Widerstand weiter aufbauen!“ Die WWP erklärte, dass „Krasners Wahlsieg bedeutend“ sei, stellte aber auch fest, dass „erhebliche Zweifel über Krasners Fähigkeit, die Forderungen seiner Unterstützer zu erfüllen, bleiben“ (Workers World, 15. November 2017). Sie überschlug sich geradezu dabei, Illusionen in diesen „neuen und fortschrittlicheren Bezirksstaatsanwalt“ zu schüren, und drängte Aktivisten, „den Druck aufrechtzuerhalten“, damit Krasners Staatsanwälte „das Richtige tun“.

Am 4. Mai nahm ISO-Unterstützerin Keeanga-Yamahtta Taylor an einer Gesprächsrunde mit Krasner und Bernie Sanders teil, die im Podcast „The Dig“ erschien, der vom Jacobin-Magazin produziert wird, gesponsert von den Democratic Socialists of America. Zweck dieses Treffens war es, den „Sozialisten“ der Demokratischen Partei Sanders, einen kapitalistischen Politiker, davon zu überzeugen, sich bei seinem neuerlichen Anlauf zu einer Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten 2020 um die Rassenfrage zu kümmern. Während Krasner die allseits bekannten „früheren Praktiken“ rassistischer Bullenbrutalität und staatsanwaltschaftlicher Vertuschungen herunterbetete, konnten sich weder Taylor noch der Jacobin-Gastgeber auch nur zu einem Wort des Protests gegen die von Krasner betriebene Fortführung von Mumias Inhaftierung durchringen.

Gewählt, um den Interessen der Kaptialistenklasse zu dienen, tat Krasner für sie „das Richtige“, als er Mumias Inhaftierung fortsetzte. Genau wie die Bullen, Gerichte und Gefängnisse gehören die Bezirksstaatsanwälte und die US-Bundesstaatsanwälte zum Kern des kapitalistischen Staats, eines Gewaltapparats zur Verteidigung der Klassenherrschaft und des Eigentums der herrschenden Kapitalisten gegen die Arbeiterklasse und die Unterdrückten.

Das Partisan Defense Committee, eine klassenkämpferische, nichtsektiererische Organisation zur rechtlichen und sozialen Verteidigung, die mit der Spartacist League verbunden ist [in Deutschland das Komitee für soziale Verteidigung, verbunden mit der Spartakist-Arbeiterpartei], kämpft seit langem für Mumias Freiheit. Seit wir 1987 in Mumias Fall aktiv wurden, ist es unser erklärtes Ziel, dass sein Kampf von breiteren sozialen Kräften aufgegriffen wird, vor allem von dem multirassischen Proletariat, und wir versuchen jegliche Illusionen in die „Gerechtigkeit“ der kapitalistischen Gerichte auszuräumen. Wir bitten unsere Leser dringend, für Mumias rechtliche Verteidigung zu spenden. Schickt Schecks, ausgestellt auf die National Lawyers Guild, an das Committee to Save Mumia Abu-Jamal, Johanna Fernandez, 158-18 Riverside Drive W., Apt. 6C-50, New York, NY 10 032, mit dem Vermerk „For Mumia Abu-Jamal’s Legal Defense“.