Spartakist Nr. 216 |
Frühjahr 2017 |
US-Kapital treibt Privatisierung voran
Mexiko: Massenproteste gegen Benzinpreiserhöhung
Für sozialistische Revolutionen in Mexiko und USA!
Der nachfolgende Artikel ist übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 1104, 27. Januar, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S.
Hunderttausende gingen seit dem 1. Januar in ganz Mexiko auf die Straße, um gegen den Gasolinazo – die Verhängung einer Benzinpreiserhöhung von bis zu 20 Prozent durch die PRI-Regierung (Partei der Institutionellen Revolution) von Präsident Enrique Peña Nieto – zu protestieren. Dieser Angriff auf Mexikos Arbeiter, Bauern und Arme führte in mehreren Bundesstaaten und Städten zu den größten Mobilisierungen in der Geschichte. In den an die USA grenzenden Bundesstaaten haben Protestierende wiederholt Mautstationen und Grenzübergänge dichtgemacht.
Die fast vollständige Nachrichtensperre in den USA über die Proteste ist kein Zufall. Die Herrscher des US-Imperialismus machen sich zweifellos wegen anhaltender Instabilität südlich der Grenze Sorgen und möchten die arbeitenden Menschen in den USA über die Kämpfe ihrer mexikanischen Klassenbrüder und -schwestern im Unklaren lassen. Die Proteste in Mexiko werden mit angeheizt durch die enorme Angst und Wut gegenüber den Provokationen des neu gewählten Präsidenten Donald Trump, der keine Gelegenheit auslässt, das mexikanische Volk zu beschimpfen. Trumps protektionistische Ausfälle haben bereits Ford und GM dazu veranlasst, ihre Investitionen in Mexiko zu überdenken, während der ohnehin schon an Wert verlierende mexikanische Peso in den letzten Wochen nach den antimexikanischen Äußerungen Trumps und seines neuen Wirtschaftsministers Rekordtiefstände erreichte. Das multirassische US-Proletariat hat eine besondere Verpflichtung, dem zerstörerischen Koloss des US-Imperialismus entgegenzutreten, der sowohl unter demokratischen als auch unter republikanischen Regierungen Millionen von mexikanischen Arbeitern und Bauern zu Hunger und Arbeitslosigkeit verurteilt hat.
Der Gasolinazo ist ein Ergebnis des Auslaufens der Preiskontrollen im Rahmen der gewerkschaftsfeindlichen Energiereform, die der mexikanische Kongress 2013 beschlossen hatte, um ausländische Investitionen bei der verstaatlichten Ölindustrie PEMEX zuzulassen.
Die Schritte zum Ausverkauf von PEMEX sind Teil einer von den US-Herrschern geforderten Privatisierungswelle, um das Land für ungehinderte imperialistische Ausplünderung zu öffnen. Das NAFTA-Freihandelsabkommen dient seit langem diesem Zweck, wodurch die ländlichen Gegenden Mexikos verwüstet werden und die städtische Armut massiv vergrößert wird. Aus Solidarität mit Mexikos Ausgebeuteten und Unterdrückten müssen sich Arbeiter in den USA gegen NAFTA stellen. Eine solche proletarische internationalistische Opposition gegen NAFTA hat nichts mit dem chauvinistischen Protektionismus zu tun, der sowohl von Trump als auch von der AFL-CIO-Gewerkschaftsbürokratie propagiert wird.
Die Kämpfe für Arbeiterrevolutionen in Mexiko und den USA sind aufs Engste miteinander verbunden, auch durch die Tatsache, dass Millionen mexikanische Immigranten ein wichtiger Bestandteil des US-Proletariats sind. Um die zwischen den einheimischen und eingewanderten Arbeitern bestehenden Spaltungen, die die Arbeiterklasse lähmen, zu überwinden, ist es notwendig, gegen die üble immigrantenfeindliche Hetze anzukämpfen, die von den kapitalistischen Demokraten und Republikanern verbreitet wird. Keine Abschiebungen! Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!
Nachfolgend drucken wir einen Artikel ab, der von unseren Genossen der Grupo Espartaquista de México (GEM), Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga, geschrieben wurde.
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Die von der verhassten Regierung Enrique Peña Nietos verhängte Benzinpreissteigerung von bis zu 20 Prozent ist das Ergebnis der Privatisierungen und verurteilt die ohnehin schon verarmten Massen Mexikos zu Elend und Hunger. Dabei wurde die Regierung von der PAN [rechtsgerichtete klerikalistische Partei der Nationalen Aktion] und der Mehrheit der Parlamentsabgeordneten der PRD [Partei der Demokratischen Revolution] unterstützt. Gemessen am Mindestlohn ist Benzin in Mexiko jetzt so teuer wie in kaum einem anderen Land. Mit deutlichen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln ist zu rechnen. Die ohnehin schon unverschämt hohen Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel, vor allem außerhalb von Mexiko-Stadt, sind ebenso gestiegen wie die Strompreise.
Zusammen mit der starken Abwertung des Pesos gegenüber dem Dollar scheint der Gasolinazo das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben. Seit dem 1. Januar breitet sich die Empörung im ganzen Land aus. In Dutzenden von Städten gab es Massendemonstrationen – zum Beispiel 20 000 Menschen am 5. Januar in Monterrey, 40 000 am 15. in Mexicali und 60 000 am 22. in Guadalajara. Ebenfalls am 22. Januar demonstrierten mehr als 5000 Arbeiter, vor allem von der Ortsgruppe 271 der Berg- und Stahlarbeitergewerkschaft, in der Hafenstadt Lázaro Cárdenas im Bundesstaat Michoacán. In mindestens neun Bundesstaaten wurden PEMEX-Terminals belagert. Der Eisenbahnübergang an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Sonora [Mexiko] und Arizona [USA] wurde blockiert, was die Ein- und Ausfuhr von Gütern mehrere Tage lang behinderte. Die Regierung reagierte mit einem riesigen Aufgebot von Polizisten, der Knüppelgarde der Bourgeoisie. Die brutale Repression führte zu 1500 Festnahmen und mindestens fünf Todesopfern. Sofortige Freilassung aller Inhaftierten!
Um diese von den mexikanischen Kapitalisten und ihren imperialistischen Herren hervorgerufene Krise zu bekämpfen, muss die Arbeiterklasse an der Spitze aller Unterdrückten gegen dieses unmenschliche Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem ihre soziale Macht mobilisieren. Aufgrund ihrer Stellung zu den Produktionsmitteln besitzt die Arbeiterklasse enorme soziale Macht, denn sie bringt die gesamte Maschinerie des modernen Industriekapitalismus zum Laufen. Die Grupo Espartaquista de México kämpft für den Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei, wie es die bolschewistische Partei von W. I. Lenin und Leo Trotzki war, die mit der Oktoberrevolution von 1917 in Russland das Proletariat an die Macht führte.
Im Rahmen dieser Perspektive treten wir heute für ein proletarisches Aktionsprogramm ein, das auf Forderungen beruht, die den Kampf für die dringenden und unmittelbaren Bedürfnisse der Massen mit einem Kampf zur Zerschlagung des gesamten kapitalistischen Systems durch sozialistische Revolutionen verbindet.
Gegen Kahlschlagsmaßnahmen und Arbeitslosigkeit müssen die Arbeiter kämpfen für: Eine gleitende Lohnskala, die mit den Lebenshaltungskosten Schritt hält! Arbeit für alle durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich! Gegen Gasolinazo und die um sich greifende Not: für Preiskontrollkomitees, bestehend aus Delegierten der Fabriken, Gewerkschaften, Genossenschaften, Bauernorganisationen und den städtischen Armen! Gegen imperialistische Ausplünderung muss die Arbeiterklasse für die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien wie dem Energiesektor kämpfen. Enteignet die Banken, die Versorgungsunternehmen, das Transportwesen und die Häfen!
Konfrontiert mit einem solchen Kampf wird die Bourgeoisie sagen, es sei unmöglich, Arbeitsplätze für alle zu schaffen oder allen Familien ausreichend Nahrungsmittel, Wohnraum und anständige Lebensbedingungen zu garantieren, da dies die Profite treffen würde. Das wird den Massen vor Augen führen, dass es das kapitalistische System verdient hat, unterzugehen, und dass man zur Durchsetzung solch einfacher und rationaler Maßnahmen die Expropriation der Expropriateure, d. h. der gesamten Bourgeoisie, braucht. Auf diese Weise wollen wir revolutionäres Bewusstsein unter den Arbeitern verbreiten und die von der bürgerlich-populistischen PRD und von Morena [Bewegung für Nationale Erneuerung des ehemaligen PRD-Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador] geschürten Illusionen zerstören, das kapitalistische System könne so reformiert werden, dass es den Interessen der Ausgebeuteten und Unterdrückten dient. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln muss durch eine sozialistische Revolution beseitigt werden, die eine Arbeiter- und Bauernregierung an die Macht bringt.
Trump und Peña Nieto: Der Herr verstößt den Lakaien
Jahrzehntelang haben die mexikanische Bourgeoisie und ihre Regierungen imperialistische Diktate unterwürfig befolgt. Sie haben massenhaft Privatisierungen durchgeführt, Agrarsubventionen abgeschafft, die Gewerkschaften attackiert und vor allem bei NAFTA mitgemacht, einem Abkommen zur Vergewaltigung Mexikos, und damit die mexikanische Wirtschaft der uneingeschränkten Ausplünderung durch die US-Bourgeoisie ausgeliefert. Gleichzeitig hat sich eine Handvoll mexikanischer Kapitalisten im Schatten ihrer Herren bereichert. Für die Massen bedeutete das die Verwüstung der ländlichen Gegenden und zunehmende Verzweiflung unter den verbleibenden Millionen von Bauern, viele von ihnen völlig verelendete und unterdrückte Ureinwohner; eine massive, notdürftig als „informelle Wirtschaft“ bemäntelte Massenarbeitslosigkeit und zunehmende Abhängigkeit von importierten Grundnahrungsmitteln. Der Zweck von NAFTA besteht darin, die nordamerikanischen Imperialisten gegen ihre europäischen und japanischen Rivalen zu stärken. Während es in Mexiko überall tiefstes Elend nach sich zog, diente es in den USA und in Kanada den bürgerlichen Imperialisten dazu, den Lebensstandard der Arbeiterklasse anzugreifen, Massenentlassungen zu provozieren und die Gewerkschaften empfindlich zu schwächen.
Damit nicht zufrieden fordern die Imperialisten mehr. Der rassistische Demagoge Trump scheint nun seine bürgerlichen Lakaien in Mexiko ihrem Schicksal überlassen zu wollen und verlangt auf der Grundlage eines rabiaten Protektionismus, dass NAFTA neu verhandelt wird, um damit den Imperialisten noch mehr Vorteile zu verschaffen. Doch darf man auf keinen Fall vergessen, dass es der Demokrat Bill Clinton war, der NAFTA vorantrieb und einführte. Seine Frau Hillary war als Außenministerin unter Obama diejenige, die den Plan zur Privatisierung von Mexikos Öl ausarbeitete. Und es war Obama – bis vor kurzem noch der „Oberabschieber“ –, der über zwei Millionen Menschen abschieben ließ, mehr als jeder US-Präsident vor ihm. Demokraten und Republikaner sind beides Parteien des US-Imperialismus.
In einer gemeinsamen Erklärung der Spartacist League/U.S., der Trotskyist League of Canada und der Grupo Espartaquista de México, Sektionen der Internationalen Kommunistischen Liga, erklärten wir: „Der Kampf gegen das Freihandelsabkommen [NAFTA] ist ein Kampf gegen die Vorherrschaft des amerikanischen Imperialismus über Mexiko“, und weiter: „Wir rufen die mexikanischen, US-amerikanischen und kanadischen Arbeiter dazu auf, dieses arbeiterfeindliche Abkommen gemeinsam zu bekämpfen“ (WV Nr. 530, 5. Juli 1991). Dieser Aufruf ist ein Vierteljahrhundert später dringlicher denn je.
Trotzkisten unterscheiden zwischen dem Protektionismus in neokolonialen Ländern, wo er eine Maßnahme der nationalen Selbstverteidigung darstellt, und dem Protektionismus der Imperialisten, mit dem die eine oder andere imperialistische Bourgeoisie den Chauvinismus schürt und die eigene Vorherrschaft stärken will. Wir sind gegen die Privatisierung der Ölindustrie, die zwar vor drei Jahren rechtskräftig wurde, aber bisher kaum internationale Investitionen nach sich zog. Wir sagen: Nieder mit der Privatisierung der Energiewirtschaft! Anlässlich der Verstaatlichung der Ölindustrie 1938 hielt James P. Cannon, der Begründer des amerikanischen Trotzkismus, im gleichen Jahr eine Rede in Mexiko, wo er sagte:
„Wir wissen, dass wir die Imperialisten Amerikas nur mit Hilfe der Lateinamerikaner stürzen können, die von diesem Imperialismus unterdrückt werden...
Die Maßnahme, die Ölgesellschaften zu enteignen, ist für die Arbeiter auf der ganzen Welt ein Ansporn. Schade, dass ihr diese Räuber, die in Mexiko die Bodenschätze geplündert haben, entschädigen müsst. Die Vierte Internationale ist aus Prinzip für die Enteignung der Kapitalisten ohne jede Entschädigung. Wenn das mexikanische Volk Entschädigung zahlen muss, dann deshalb, weil es noch nicht genügend Unterstützung von den Arbeitern der USA erhalten hat.“
Die mexikanische Bourgeoisie und die Imperialisten versuchen durch die Privatisierung die Ölarbeitergewerkschaft zu zerschlagen – kriminellerweise hat die pro-kapitalistische Gewerkschaftsbürokratie diese Privatisierung unterstützt. Dies zeigt, wie dringend notwendig der Kampf für eine neue Gewerkschaftsführung ist, eine klassenkämpferische Führung, die ihre Unabhängigkeit von allen bürgerlichen Parteien, ob PRI, PAN, PRD oder Morena, beibehält.
Für eine Arbeiter- und Bauernregierung!
Bei den gegenwärtigen Protesten ist, wie nun schon seit einigen Jahren, die Hauptlosung „Peña Nieto raus!“ Ja, Peña Nieto sollte weg. Doch seine Ersetzung durch irgendeinen bürgerlichen Populisten wie AMLO [Andrés Manuel López Obrador] oder dessen ehemalige Kollegen von der PRD (ganz zu schweigen von der reaktionären klerikalen und neoliberalen PAN) wird den ausgebeuteten und unterdrückten Massen keinerlei wesentliche Verbesserung bringen. Tatsächlich nannte Peña Nieto als Hauptgrund für den Gasolinazo, dass Mexiko, ein Ölexporteur, mehr als die Hälfte des von ihm verbrauchten Benzins importiert. Dies ist ein Beispiel für das der mexikanischen Bourgeoisie eigene Unvermögen, das industrielle Potenzial des Landes zu entwickeln.
Egal wer mit welchem Programm regiert, das kapitalistische Mexiko wird ein neokoloniales, vom Imperialismus unterjochtes Land bleiben, das Marktkrisen und ungezügelten Preisschwankungen von Rohöl unterworfen ist. Wie Trotzkis Theorie der permanenten Revolution erklärt, ist es unter dem Kapitalismus nicht möglich, das imperialistische Joch abzuwerfen oder die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.
Die Bourgeoisie eines jeden Landes mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung ist absolut unfähig, sich vom Imperialismus loszureißen. Wie Lenin lehrte, ist der Imperialismus ein weltweites Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem, das von den großen Monopolen des Finanzkapitals beherrscht wird, die von ihren jeweiligen Nationalstaaten mit ihren Armeen und Kriegsflotten unterstützt werden. Vom imperialistischen Einfluss durchdrungen ist Mexiko ein Land mit kombinierter und ungleichmäßiger Entwicklung, in dem moderne Produktionstechnik mit elender bäuerlicher Rückständigkeit einhergeht.
Die Bourgeoisien der Dritten Welt sind ungeachtet ideologischer Differenzen durch Tausende von Fäden mit den Imperialisten verbunden und zu schwach, um ihre Abhängigkeit abzuschütteln. Das Interesse der Bourgeoisie ist stets das Hervorbringen von Profit: Das ganze kapitalistische System ist darauf ausgerichtet, ein paar Superreichen die Taschen zu füllen. Die Arbeiterklasse ist die einzige Klasse mit der sozialen Macht und dem Klasseninteresse, den Kapitalismus zu zerschlagen. Unter der Führung einer leninistisch-trotzkistischen Avantgardepartei wird die Arbeiterklasse dazu in der Lage sein, eine sozialistische Revolution durchzuführen und das kapitalistische System durch ein Regime zu ersetzen, dessen Ziel es ist, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen.
Der bürgerliche Staat besteht in seinem Kern aus bewaffneten Formationen (Polizei, Militär, Gerichte und Gefängnisse) zur Verteidigung des kapitalistischen Ausbeutungssystems. Es ist notwendig, den kapitalistischen Staat zu zerschlagen und eine neue Staatsmacht zu errichten, mit der die Arbeiterklasse, unterstützt von allen Armen in Stadt und Land, ihre Herrschaft verteidigt. Nur eine Räteregierung der Arbeiter und armen Bauern kann die Bestrebungen der Massen nach sozialer und nationaler Befreiung erfüllen.
Unsere Perspektive der permanenten Revolution ist von dem Verständnis durchdrungen, dass es zur Verteidigung solcher Errungenschaften und zum Fortschreiten auf dem Weg zum Sozialismus notwendig ist, für die internationale Ausweitung der Revolution zu kämpfen, insbesondere auf die imperialistischen USA. Eine Revolution in Mexiko würde das multirassische Proletariat in den USA aufrütteln. Genauso wie die mexikanischen Arbeiter mit den feigen bürgerlichen Nationalisten ihres Landes brechen und im US-Proletariat ihre Klassenbrüder erkennen müssen, muss das US-Proletariat verstehen, dass seine Interessen mit denen des mexikanischen Proletariats – und denen der Arbeiter aller Länder – übereinstimmen, und mit der Politik seiner verräterischen Führer der Gewerkschaftsbürokratie brechen, die loyal zur imperialistischen Demokratischen Partei stehen.
Entfesselt die Macht der Arbeiterklasse!
Der überwiegende Teil von Mexikos modernen Industrieanlagen und seine Schwerindustrie ist das Produkt imperialistischer Investitionen – bis jetzt noch mit Ausnahme von Öl und Elektrizität – und ist auf den Export ausgerichtet, überwiegend in die USA. Wie Trotzki in „Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs“ (1940) erklärte: „Insofern das ausländische Kapital nicht Arbeiter einführt, sondern die eingeborene Bevölkerung proletarisiert, beginnt das nationale Proletariat bald die wichtigste Rolle im Leben des Landes zu spielen.“ Die Bourgeoisie schafft sich ihren eigenen Totengräber: Durch NAFTA sind die Reihen des Industrieproletariats angewachsen – zum Beispiel ist Mexiko heute der viertgrößte Autoexporteur. Die Wirtschaft von Mexiko und die der USA sind sehr eng miteinander verflochten, was die Arbeiterklasse zu ihrem Vorteil nutzen kann. Wenn mexikanische Autoarbeiter ihre soziale Macht ausspielen, könnten sie den gesamten Produktionskomplex der US-Autoindustrie lahmlegen.
Zur Zeit sind die Gewerkschaften durch die jahrelange neoliberale Offensive geschwächt, dazu gehören historische Niederlagen wie die Zerschlagung der Mexikanischen Elektrikergewerkschaft (SME) und massive Privatisierungen. Gleichzeitig werden die derzeitigen Proteste politisch von bürgerlichen Populisten und, vor allem in Mexiko-Stadt, von elitären, kleinbürgerlichen Elementen dominiert. Die Gewerkschaften müssen für die Verteidigung ihrer eigenen Interessen und der Interessen aller Armen mobilmachen. Streikaktionen von machtvollen Teilen des mexikanischen Proletariats – wie der Bergbau - und Ölarbeitergewerkschaften – könnten die schwache mexikanische Bourgeoisie erschüttern und der Aushungerungspolitik und den Repressionsmaßnahmen des bürgerlichen Staats den Kampf ansagen. Dazu ist es notwendig, die pro-kapitalistischen Bürokratien, die die Gewerkschaften an die bürgerlichen Parteien und Caudillos binden, politisch zu bekämpfen und durch eine klassenkämpferische Führung zu ersetzen. Für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterbewegung! Um die gewerkschaftsfeindlichen Angriffe zurückzuschlagen, muss man als erstes für die Organisierung der Unorganisierten kämpfen, einschließlich der Leiharbeiter.
Internationalist Group macht mit bei Kampagne der Bosse gegen Ölarbeitergewerkschaft
Beim Versuch, die Rechte an den Ölplattformen zu verkaufen, hat die Regierung inzwischen eine Kampagne gestartet zur Aufhebung der Benzinpreiskontrollen, um aus der Versteigerung von Anteilen an Öl-Anlagen möglichst viel Profit herauszuschlagen. Sie muss unter Beweis stellen, dass ihre imperialistischen Herren genügend Geld aus Blut, Schweiß und Tränen der mexikanischen Massen machen können. Dies ist auch ein Angriff auf die Ölarbeitergewerkschaft. Carlos Loret de Mola von Televisa [riesiges Medienunternehmen] schimpfte, dass bei dem von den „Blockaden und Plünderungen“ verursachten „Chaos“ die Ölarbeitergewerkschaft der Drahtzieher sei. Der Zeitung El Financiero (16. Januar) zufolge sei die Gewerkschaft „eine Belastung für die nationale Entwicklung geworden“.
Die Grupo Internacionalista [Internationalist Group, IG] hat sich den bürgerlichen Wortführern angeschlossen, die die Kampagne zur Zerschlagung der Ölarbeitergewerkschaft unterstützen. Weit davon entfernt, die Gewerkschaft gegen die neue Offensive der Bosse zu verteidigen, betonte die IG kürzlich in einem Flugblatt (falsch datiert vom Januar 2016) den „bürgerlichen Charakter der Charro-,Gewerkschaften‘, die nichts anderes sind als Arbeitsfronten, die in den kapitalistischen Staat integriert sind und regelrecht als Arbeiterpolizei dienen, um alle Widerstandsversuche der Arbeiter zu unterdrücken“. Für die IG richtet sich, ungeachtet ihrer Rhetorik, der Klassencharakter der mexikanischen Gewerkschaften danach, mit welcher bürgerlichen Partei sie verbunden sind. Also sind gemäß der IG die angeblich „bürgerlichen“ Gewerkschaften jene, die die PRI unterstützen, wohingegen diejenigen, die die bürgerlich-nationalistische PRD oder Morena unterstützen, ganz „echt“ sind. Doch die Bürokraten der Telefonarbeitergewerkschaft zum Beispiel, die bis heute von dem unverwüstlichen Francisco Hernández Juárez geführt wird, der vor 25 Jahren die Privatisierung seiner eigenen Industrie begrüßte, sind genauso charro [Ausverkäufer] wie die der Ölarbeitergewerkschaft. Trotzdem ist für die IG die Telefonarbeitergewerkschaft eine „echte“ Arbeitergewerkschaft. Wie ist dieser Unsinn der GI zu verstehen? Das entscheidende Detail ist, dass Hernández Juárez die PRD unterstützt; Romero Deschamps [Führer der Ölarbeitergewerkschaft] unterstützt die falsche bürgerliche Partei (die PRI).
Eine frühere, fast identische Version ihres Flugblatts musste die IG durch einige Veränderungen heimlich „korrigieren“, darunter die unbeabsichtigte Bezeichnung der korporatistischen Gewerkschaften als „Gewerkschaften“ [sindicados], was die IG anschließend in „Zünfte“ [gremios] umänderte. Die IG fährt dann fort: „Es ist notwendig jegliches Zunftwesen zu überwinden“ [gremialismo]. Das ist die politisch feige Art der IG, zu sagen, dass man die korporatistischen Gewerkschaften von innen heraus zerstören, d. h. die Drecksarbeit für die Bosse tun muss. Die IG erklärte auch in ihrem abgeänderten Flugblatt: „Die Ortsgruppe 22 der kritischen Lehrer [von der nationalen Lehrergewerkschaft SNTE abgespaltene Gewerkschaftsfraktion CNTE] kann dabei behilflich sein, einen gemeinsamen Kampf verschiedener Arbeiterzünfte gegen die Regierungsoffensive wahr werden zu lassen.“ Die CNTE-Lehrer der Ortsgruppe 22 – denen die IG seit Jahren hinterherläuft – sind durch ihre eigene Bürokratie dem bürgerlichen Caudillo AMLO verbunden. Selbstverständlich erwähnt die IG nicht die Unterstützung der CNTE für Morena und AMLO, wenn sie die kritischen Lehrer dafür auswählt, bei der Organisierung anderer Arbeiter „behilflich“ zu sein. So wird für die IG die „völlige Unabhängigkeit von der Bourgeoisie“ verwirklicht werden, wenn machtvolle Teile der Arbeiterklasse wie die Ölarbeiter ebenfalls AMLO hinterherlaufen. Und vielleicht wird die IG dann der Gewerkschaft das Siegel einer „echten“ Arbeitergewerkschaft verleihen.
Trotz der Tatsache, dass die Gewerkschaften pro-kapitalistische Führungen haben, ist die Verteidigung von Gewerkschaften (den grundlegenden Organisationen der Arbeiterklasse) gegen die Angriffe der Bosse und ihres Staates eine Mindestvoraussetzung für einen Kampf um die politische Unabhängigkeit der Arbeiterbewegung. Wir setzen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter nicht mit ihren Bürokratien gleich, und wir setzen auch nicht die Bürokratie mit der Bourgeoisie gleich. Die Arbeiterklasse sollte ihr eigenes Haus sauber halten! Wie Trotzki in „Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs“ lehrte: „Gewerkschaftsdemokratie … setzt für ihre Verwirklichung die vollkommene Freiheit der Gewerkschaften vom imperialistischen oder kolonialen Staate voraus.“ Weiter stellte er fest: „Es ist eine Tatsache, dass die klassenmäßige Unabhängigkeit der Gewerkschaften hinsichtlich des bürgerlichen Staates unter den gegenwärtigen Bedingungen nur durch eine vollkommen revolutionäre Führung, das heißt, nur durch die der Vierten Internationale gesichert werden kann.“
Bürgerliche Hysterie über Plünderungen
Während der Proteste ergriffen einige die Gelegenheit, sich aus Warenhäusern wie Elektra – das dem Großunternehmer Ricardo Salinas Pliego gehört, der auch TV Azteca besitzt – und von großen Lebensmittelketten wie Aurrerá und von Walmart kostenlos ein paar Konsumgüter zu besorgen. Manch einer konnte wohl seine Habseligkeiten von den berüchtigten Pfandhaus-Kredithaien wieder auslösen. Das ereignete sich in einigen der ärmsten Städte des Landes, zum Beispiel in Veracruz, Hidalgo und in den ärmlichen Vorstädten von Mexiko-Stadt wie Ecatepec und Zumpango. Die Massenmedien und unzählige kleinbürgerliche Typen in den sozialen Medien heizten eine Lynchmob-Kampagne gegen „Plünderer“ an. AMLO verbreitete die reaktionäre Auffassung, Plündern stelle eine „faschistische Strategie“ dar.
Wie Kirchenchorknaben machte der Großteil der Linken bei dem bürgerlichen Gezeter mit. Zum Beispiel sprechen die pseudotrotzkistische Izquierda Socialista [Sozialistische Linke] und die Movimiento de los Trabajadores Socialistas [Bewegung Sozialistischer Arbeiter, MTS – Schwersterorganisation in Deutschland: Revolutionäre Internationalistische Organisation, RIO], die Morena und AMLO hinterherlaufen, von Unterwanderung durch PRI-Unterstützer und von Akten des Vandalismus. Diese Hysterie ist nichts als elitäre Gleichgültigkeit gegenüber der allgemeinen Not, in der große Teile der Bevölkerung leben. Den mexikanischen Massen wurden Brot, Arbeitsplatz, Land und Wohnraum weggenommen, und sie kämpfen jetzt ums nackte Überleben. Die wenigen Plünderungsaktionen, die Anfang Januar stattfanden, waren weder eine radikale Taktik noch – vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus gesehen – ein Verbrechen; sie spiegelten einfach die Verzweiflung der Armen wider. Die wirklichen Plünderer sind jene, die das Land in Elend und Erniedrigung getrieben haben. Mobilisiert die soziale Macht der Arbeiterklasse gegen die Repression!
Die schreckliche imperialistische Unterdrückung, unter der die mexikanischen Massen leiden, hat nationalistische Illusionen geschürt von einer falschen Einheit zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern, weil man angeblich das gemeinsame Ziel hat, die Interessen des „Vaterlands“ durchzusetzen. Die GEM kämpft für den Aufbau der proletarischen Avantgardepartei, welche die Massen losreißen will von ihrer Loyalität zur nationalistisch-populistischen Bourgeoisie, indem sie Illusionen in eine demokratische Reform des bürgerlichen Staats bekämpft und die Kämpfe der Massen auf die Machtergreifung des Proletariats ausrichtet. Unsere Perspektive ist, wie die von Lenin und Trotzki, internationalistisch. Wir Spartakisten von der Internationalen Kommunistischen Liga kämpfen für die Wiederschmiedung der trotzkistischen Vierten Internationale, um neue Oktoberrevolutionen weltweit durchzuführen.