Spartakist Nr. 213 |
Sommer 2016 |
Zum Amtsenthebungsverfahren in Brasilien
IKL-Intervention bei LO-Fête
Nachstehend drucken wir ab, was ein Genosse von der Ligue trotskyste de France (Schwesterorganisation der SpAD) bei einer Intervention auf dem im Mai stattgefundenen Fest, das jedes Jahr von der französischen pseudo-trotzkistischen Gruppe Lutte ouvrière (LO) organisiert wird, über Brasilien gesagt hat. Während das Amtsenthebungsverfahren gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff von der Partido dos Trabalhadores (PT) läuft, hat ein Großteil der opportunistischen Linken international die von der PT geführte Regierung mit der Parole „Nein zum Amtsenthebungsverfahren!“ unterstützt.
Die reformistische Arbeiterpartei PT regiert Brasilien seit 2002 mit verschiedenen kapitalistischen Koalitionspartnern und hat dabei den arbeitenden Massen brutale Kahlschlagmaßnahmen reingewürgt und die öffentlichen Ausgaben stark gekürzt. Bei diesem Konflikt hat die Arbeiterklasse keine Seite: Weder sind wir für das Amtsenthebungsverfahren, was eine Unterstützung der gegen Rousseff mobilisierten rechtsgerichteten Kräfte bedeuten würde, noch sind wir gegen das Amtsenthebungsverfahren, was auf eine politische Unterstützung der von der PT geführten kapitalistischen Regierung hinauslaufen würde. Vor allem sind wir für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von den kapitalistischen Kräften.
Wie unser Genosse in seinen Bemerkungen feststellt, hat sich die französische Neue Antikapitalistische Partei (NPA) hinter Rousseff gestellt, ebenso wie die in den USA basierte Internationalist Group (IG), wodurch beide Gruppen in dieser Frage rechts von der erzreformistischen LO stehen. Bemerkenswerterweise hat die IG mit ihrem Führer Jan Norden, der bei der LO-Fête dabei war, die Gelegenheit ausgelassen, auf der Brasilien-Veranstaltung ihre Unterstützung für Rousseff darzustellen. Ihre Intervention bei der LO-Fête bestand hauptsächlich daraus, eine 34-seitige Sonderausgabe (auf Englisch) zu verkaufen, in der zwei „Umgruppierungen“ bekannt gegeben werden: eine mit einer Mikroabspaltung von der IKL in den USA, zwei entmutigte Menschewiki, und einer weiteren mit zwei ehemaligen Mitgliedern in Italien, die vor 15 Jahren ausgetreten und seitdem in einem italienischen Dorf politisch untätig waren. Die IG, die ihre erste nationale Konferenz erst 19 Jahre nach ihrer Gründung abhielt, behauptet eine Internationale aufzubauen, aber diese ist ein Kartenhaus. (Nicht zu vergessen die ehemalige ukrainische Sektion der IG, die sich auch als die ukrainische Sektion von immerhin zehn anderen opportunistischen „Internationalen“ herausstellte.)
In ihrem Extra bestätigt die IG ihre elende Kapitulation vor der Europäischen Union. Die EU ist der Feind der Arbeiterklasse und der Immigranten in ganz Europa. Zusammen mit dem Euro ist die EU das Instrument des deutschen Imperialismus zur Beherrschung Europas, mit dem er die deutsche Arbeiterklasse angreift und der griechischen Bevölkerung die schlimmsten wirtschaftlichen Entbehrungen seit Menschengedenken aufzwingt. Die IG schimpft: „Die IKL ruft de facto zum Grexit (Griechenlands Austritt aus dem Euro und der EU) unter bürgerlicher Herrschaft auf“, und warnt sogar, ein Grexit „könnte den Kampf zur Vereinigung der europäischen Arbeiter gegen kapitalistische Austerität unterminieren“ (Back to Trotskyism, Mai 2016).
Die IG impliziert also, dass die EU proletarische Einheit fördert. Das hört sich an wie bei den rechten Sozialdemokraten in Europa und ist noch rechts von der formalen Position der Cliff-Anhänger von der britischen Socialist Workers Party und des Komitees für eine Arbeiterinternationale von Peter Taaffe. So schrieben wir, nachdem die IG beim griechischen Referendum zur EU-Austerität im Juli 2015 zur Enthaltung aufgerufen hatte: „Die Wahrheit ist, dass eine selbsternannte revolutionäre trotzkistische Organisation, die noch nicht einmal zu einem Nein gegen die Diktate der EU aufrufen kann, bereits Kurs nimmt auf die Seite vom Vierten Reich des deutschen Imperialismus“ (Workers Vanguard Nr. 1075, 2. Oktober 2015).
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Ich spreche für die Ligue trotskyste, die in Frankreich Le Bolchévik herausbringt, für die Internationale Kommunistische Liga. Ausnahmsweise haben wir die Gelegenheit, LO zu loben, wenn auch nur ein bisschen, also werden wir das machen: LO hat es tatsächlich zu Recht abgelehnt, gegen das Amtsenthebungsverfahren von Dilma Rousseff zu sein.
Die PT-Regierung ist eine kapitalistische Volksfront-Regierung, d. h. ein Bündnis zur Klassenzusammenarbeit zwischen einer reformistischen Arbeiterpartei und bürgerlichen Organisationen. Sie ist ein bürgerliches Bündnis, das wir im Unterschied zu LO aus Prinzip ablehnen. So rief LO 1981 zur Wahl von Mitterrand und 2007 zur Wahl von Ségolène Royal auf und beteiligte sich sechs Jahre lang, zwischen 2008 und 2014, an kapitalistischen Kommunalregierungen auf der Liste einer Volksfront, wie Jean-Pierre Mercier in Bagnolet.
Nun gibt es eine ganze Reihe von Gruppen, die trotz alledem in der Frage von Rousseff rechts von LO stehen und umso mehr rechts von den revolutionären Trotzkisten der IKL. Die meisten Linken in Brasilien, in deren Schlepptau sich natürlich die NPA befindet, aber auch die Internationalist Group und viele andere Gruppen, riefen zur Opposition gegen Rousseffs Amtsenthebungsverfahren auf. Das ist eine völlige Kapitulation vor der bürgerlichen Volksfront und ein Klassenverrat, versteckt hinter mehr oder weniger blödsinniger Phrasendrescherei über einen „parlamentarischen Putsch“ oder einen „starken Staat“ usw. Na ja, ich will darauf hinaus, dass es besonders in Frankreich klar ist, wie absurd die Position von einem „parlamentarischen Putsch“ ist, denn Frankreich hat eine wirklich bonapartistische Verfassung, wonach das Parlament den Präsidenten nicht des Amtes entheben kann.
Zurück zur grundsätzlichen Frage hier, d. h. zur Frage der Volksfront: Es gibt nur eine Organisation, die wirklich zur prinzipienfesten Opposition gegen die Volksfront steht, wie Trotzki sie zum Beispiel 1936 in Bezug auf Frankreich – die Volksfront Blum-Cachin – oder zur spanischen Volksfront formuliert hat. Das ist die Internationale Kommunistische Liga und ihre französische Sektion, die Ligue trotskyste de France. Danke sehr.
Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 1091, 3. Juni 2016