Spartakist Nr. 208 |
Mai 2015 |
Stoppt Kriminalisierung von Aktivisten gegen Zwangsräumungen!
Kulturverein Allmende: Gewalttätige Räumung durch Berliner Polizei
Die Räume des Berliner Vereins Allmende (Haus alternativer Migrationspolitik und Kultur) am Kottbusser Damm 25/26 wurden Ende März von der Polizei brutal besetzt und geräumt. Der Vermieter hatte den Mietvertrag mit Allmende 2013 nicht verlängert und dann eine Räumungsklage vor Gericht gegen Allmende gewonnen und durchsetzen lassen. Allmende setzt sich schwerpunktmäßig gegen Rassismus und für die Rechte von Flüchtlingen ein, macht Aktionen wegen der faschistischen Mordserie des NSU und weist dabei auf die Verantwortung des Staates hin. Der Verein bietet verschiedene Kurse an und seine Räume waren für Arbeiter und Migranten sozialer, kultureller und politischer Treffpunkt. Verschiedene linke Gruppen und wir selbst haben dort gerne Veranstaltungen abgehalten.
Die Räumung steht im Zusammenhang mit der massiven Vertreibung von Arbeiterfamilien und Nachkommen türkischer und kurdischer Einwanderer aus ihren Kiezen wie Kreuzberg, Neukölln und Wedding in die Außenbezirke der Stadt. Allmende beschreibt, wodurch die Verdrängung stattfindet: „Mieterhöhung, Modernisierung, Luxussanierung, Umwandlung in Eigentumswohnungen, Jobcenter zahlt die Miete nicht, Rassismus auf dem Wohnungsmarkt. Mieter_innen, aber auch Initiativen und Vereine, Kitas und Jugendtreffs müssen ihre Räume verlassen. Die soziale Infrastruktur im Kiez wird zerstört.“ (Kundgebungs-Aufruf „Allmende bleibt!“, März 2015)
Bereits 18 Stunden vor der angekündigten Zwangsräumung drängte die Polizei alle Vereinsmitglieder aus ihren Räumen, um jeden Protest im Keim zu ersticken. Vereinsgut konnte nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Dagegen protestierten noch am selben Abend 250 Menschen trotz ständiger Angriffe durch die Polizei. Bei der Abschlusskundgebung am Kottbusser Tor wurden mehrere Menschen verletzt und festgenommen. Die Polizei schlug eine Allmende-Aktivistin bewusstlos; sie erlitt eine Gehirnerschütterung. Am nächsten Vormittag wurde die lange angekündigte Kundgebung in Solidarität mit Allmende vor dem Haus verboten. Trotzdem versammelten sich wieder Hunderte von Menschen, die einer Übermacht des Staates (200 Polizisten hatten das Gelände weiträumig abgesperrt) gegenüberstanden. Eine Demonstration zog durch Kreuzberg, an der wir Spartakisten uns beteiligten. Gerade als die Demo zurückkehrte, wurde die Räumung durch Polizei, Vermieter und Gerichtsvollzieher vollstreckt.
Im Durchschnitt gibt es allein in Berlin etwa 22 Räumungen pro Tag, wie das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ für 2013 errechnete. Deutschlandweit gab es im Jahr 2012 etwa 65 000 Wohnungsverluste, darunter etwa 25 000 Zwangsräumungen; Tendenz steigend (Schätzung von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe). Die meisten Räumungsklagen gehen auf „Zahlungsrückstände“ zurück, weil Mieten und Nebenkosten für viele unbezahlbar werden. Dabei sind Rentner und Hartz-IV-Empfänger am stärksten betroffen. Die Berliner Rentnerin Rosemarie F. starb nach langem Kampf gegen ihre Räumung im April 2013, zwei Tage nachdem sie ihre Wohnung verloren hatte, weil das Jobcenter die Miete nicht bezahlt hatte.
Während zu diesem Zeitpunkt bereits der SPD/CDU-Senat regierte, war es der vorherige Senat von Linkspartei und SPD, der die brutale Räumung des linken Hausprojekts Liebig 14 durch 2500 Polizisten am 2. Februar 2011 veranlasste, 30 Personen wurden verhaftet. Der SPD/Linke-Senat (2001–2011) rettete sofort nach Machtantritt die Berliner Bankgesellschaft mit 1,7 Milliarden Euro, speziell um die Profite von Immobilien-Spekulanten abzusichern, stieg 2003 aus der Förderung des sozialen Wohnungsbau aus und privatisierte im Laufe der zehn Jahre große landeseigene Wohnungsbaugesellschaften. Nun steuert die Linkspartei eine bundesweite Koalition mit Rot/Grün an, um im größeren Maßstab die Geschäfte der deutschen Kapitalistenklasse verwalten zu können.
Die bestehende große Koalition aus CDU/SPD hat eine sogenannte „Mietpreisbremse“ eingeführt, die gar keine ist. Sogar Spiegel-online betitelte das neue Gesetz lediglich als „Wohltat für Besserverdiener“ (5. März). Bei Neuvermietungen darf die Miete bis zu zehn Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete steigen. Wenn der Vermieter die Miete darüber hinaus erhöht, könnte der neue Mieter dagegen klagen. Nur wer kann sich schon eine Klage leisten? Aber selbst wenn, wird man kaum gegen Vermieter gewinnen, denn bürgerliche Gerichte schützen deren Privateigentum.
Friedrich Engels erklärt in seiner Schrift Zur Wohnungsfrage, aus der wir nebenstehend Auszüge abdrucken, dass die Ursache von Obdachlosigkeit und überteuerten, zu kleinen und heruntergekommenen Wohnungen im Kapitalismus liegt und die Bourgeoisie (herrschende Klasse im Kapitalismus) allerhöchstens bereit ist, die größten Notstände zu vertuschen:
„Dass der heutige Staat der Wohnungsplage weder abhelfen kann noch will, ist sonnenklar. Der Staat ist nichts als die organisierte Gesamtmacht der besitzenden Klassen, der Grundbesitzer und Kapitalisten gegenüber den ausgebeuteten Klassen, den Bauern und Arbeitern. Was die einzelnen Kapitalisten (und diese kommen hier allein in Frage, da in dieser Sache auch der beteiligte Grundbesitzer zunächst in seiner Eigenschaft als Kapitalist auftritt) nicht wollen, das will auch ihr Staat nicht.“ (Zur Wohnungsfrage)
Um die Profitinteressen der kleinen und großen Miet- und Immobilienhaie gegen Arbeiter und verarmte Kleinbürger durchzusetzen, kriminalisiert der bürgerliche Staat Menschen, die sich gegen Vertreibung, Mietsteigerungen und Zwangsräumungen zur Wehr setzen. Gegenwärtig läuft in Berlin ein Prozess gegen vier Aktivisten und mehr als zwanzig werden von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt. Ihre notwendige Verteidigung muss sich auf die Macht der Gewerkschaften stützen: Stoppt die Kriminalisierung von Aktivisten gegen Zwangsräumungen! Nieder mit allen Anklagen und Verurteilungen! Sofortige Einstellung aller Verfahren!
Um grundsätzliche Übel dieser kapitalistischen Gesellschaft wie die Wohnungsmisere zu beseitigen, muss die Arbeiterbewegung mobilisiert werden und für eine ganze Reihe von lebensnotwendigen Maßnahmen eintreten, die zugleich den Weg zu einer sozialistischen Revolution vorwärtsweisen. Letztlich, um mit Engels zu sprechen, „ist es Torheit, die Wohnungsfrage oder irgendeine andre das Geschick der Arbeiter betreffende gesellschaftliche Frage einzeln lösen zu wollen. Die Lösung liegt aber in der Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise, in der Aneignung aller Lebens- und Arbeitsmittel durch die Arbeiterklasse selbst.“
Die Arbeiterklasse muss den Kampf für eine gleitende Skala der Löhne aufnehmen, so dass Mietsteigerungen (und andere steigende Preise) automatisch durch höhere Löhne ausgeglichen werden. Für die entschädigungslose Enteignung der großen Immobilienunternehmen des ehemals kommunalen Wohnungsbaus! Gegen Arbeitslosigkeit, die der Obdachlosigkeit so oft vorausgeht, steht die Kampfansage für die gleitende Skala der Arbeitszeit, damit vorhandene Arbeit auf alle Hände aufgeteilt wird (bei vollem Lohnausgleich). Ein massives Programm öffentlicher Arbeiten muss damit einhergehen, die arbeitende und arme Bevölkerung mit sehr gut ausgestatteten Wohnungen, Schulen, Bibliotheken und Krankenhäusern zu versorgen.
Das kapitalistische Profitsystem ist jedoch unvereinbar damit, diese lebensnotwendigen Bedürfnisse aller Menschen zu stillen. Deshalb muss es gestürzt werden und diejenigen, die arbeiten, müssen die Macht übernehmen. Eine revolutionäre Arbeiterregierung wird sofort damit beginnen, sich im Rahmen einer geplanten Wirtschaft um die Wohnungsnot zu kümmern. Unumgänglich zur Durchsetzung dieser Perspektive ist der Aufbau einer leninistischen Avantgardepartei, die das marxistische Programm für internationale sozialistische Revolution verkörpert.