Spartakist Nr. 207

März 2015

 

Syriza-Regierung kein Freund der Arbeiter

Solidarität mit den Arbeitern und Unterdrückten Griechenlands!

Für Klassenkampf gegen imperialistische EU und CDU/SPD-Regierung!

Ende Januar wählte das von der Finanzkrise und den darauf folgenden Spardiktaten der Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) geschüttelte Griechenland eine neue Regierung. Die kleinbürgerliche Partei Syriza (Bündnis der radikalen Linken) errang eine große Mehrheit im Parlament, jedoch nicht genug, um auf sich selbst gestellt eine Regierung bilden zu können. Die konservative Nea Demokratia (ND), die bisher die Mehrheit der Regierung stellte, landete abgeschlagen auf dem zweiten Platz vor den Faschisten von Chrysi Avgi (CA), deren Führung im Knast sitzt. Unsere griechische Sektion, die Trotzkistische Gruppe Griechenlands (TGG), hat als einzige Organisation zur kritischen Wahlunterstützung der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) aufgerufen und gefordert: „Keine Stimme für Syriza!“

Syriza führte den Wahlkampf mit dem Versprechen, die Diktate der Troika, die zu Massenarbeitslosigkeit, 60-prozentiger Jugendarbeitslosigkeit und massiver Verarmung breitester Bevölkerungsschichten geführt hat, aufzukündigen und neu zu verhandeln. Damit traf Syriza einen Nerv bei den Wählern in Griechenland, die genug haben von der erzwungenen Verelendung der Bevölkerung, während die Imperialisten Superprofite machen und sich die Rosinen der griechischen Wirtschaft, wie die Häfen und die Flughäfen, aneignen wollen, und zwar in enger Zusammenarbeit mit Griechenlands herrschender Klasse. So versprach Syriza, gegen weitere Privatisierungen vorzugehen, den Mindestlohn wieder anzuheben, Rentenkürzungen rückgängig zu machen usw. Insgesamt ein nationalistisches bürgerliches Programm, das nichts mit Klassenkampf zu tun hat und in keiner Weise den Kapitalismus auch nur in Frage stellt. So hat Syriza nichts gegen die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU, Eurozone oder NATO.

Dieses nationalistische Programm ist dann auch die Grundlage der Koalition mit der rechtspopulistischen Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL), mit der Syriza bereits seit 2013 zusammenarbeitet. ANEL ist eine Abspaltung von ND, sie ist chauvinistisch, hat offen rassistische Positionen gegen Migranten, ist schwulenfeindlich und steht im politischen Spektrum Griechenlands nicht weit entfernt von den Faschisten der CA.

Unsere griechische Sektion bezog klar Stellung gegen jegliche Unterstützung für die Syriza-Regierung oder ihre linken Anhängsel wie Antarsya:

„Unsere politische Gegnerschaft zu dieser kapitalistischen Regierung ist nicht davon abhängig, ob deren Politik mehr oder weniger fortschrittlich ist. Dies ist das Kriterium eines Großteils der reformistischen Linken, die hoffen, Syriza werde durch genügend Druck von unten zu einer ,Arbeiterregierung‘ irgendwo zwischen Kapitalismus und Sozialismus werden, die angeblich den Weg zum voll entwickelten Sozialismus ebnen würde. Selbst wenn sich Griechenland in naher Zukunft entgegen Syrizas Wunsch außerhalb der EU wiederfinden sollte, wäre unter dem Kapitalismus der einzige Weg zurück zu ‚Wachstum‘ die fortgesetzte Ausbeutung und Unterdrückung der arbeitenden Menschen Griechenlands. Das verheimlichen die Reformisten innerhalb von Syriza. Aber auch auf die angeblich oppositionelle Antarsya-Koalition trifft dies zu, die weiterhin mit dem Ex-Syriza-Führer Alekos Alavanos und seiner nationalistischen Plan-B-Gruppe verbündet ist, die sich ausdrücklich für ein kapitalistisches Griechenland außerhalb der EU ausspricht. Abgesehen von der KKE hat der Großteil der Linken Syrizas Sieg mehr oder weniger gefeiert.

Die Antarsya-Koalition verkündete, dass mit dem Sieg von Syriza für Griechenland ein neues Kapitel begonnen habe, und verspricht mehr Auseinandersetzungen mit dem Ziel, ,dafür zu kämpfen, dass Maßnahmen im Interesse des Volkes durchgeführt werden, dass das Memorandum [die Vorschriften zur Austerität] aufgehoben wird, dass die Kämpfe im Rahmen einer linken, Arbeiter- und Volksopposition mit dem Programm des antikapitalistischen Umsturzes verbunden werden‘. Mit anderen Worten, sie möchten dafür kämpfen, Syriza nach links zu drängen. Und als Glaubensanhänger der Möglichkeit echter Demokratie unter dem Kapitalismus versprechen sie auch, in einer Front für das Ende der Unterstützung von Chrysi Avgi durch Polizei und Staat zu kämpfen.“ (siehe Bericht der TGG, Workers Vanguard Nr. 1062 vom 25. Februar)

Syriza-Regierung und die Verhandlungen mit EU und deutschen Imperialisten

Sobald klar wurde, dass in Griechenland Neuwahlen stattfinden würden, mischten sich die deutsche Regierung und ihre Schreiberlinge massiv ein, um eine ihnen genehme Regierung in Griechenland wieder an die Macht zu bringen. So war Anfang Januar davon die Rede, dass dann, wenn Syriza an die Macht kommen würde, dies zu einem Austritt Griechenlands aus der EU führen werde und dass die Eurozone diesen Austritt sehr wohl verkraften könne. Die Spardiktate aus Berlin und Brüssel, unter denen Europa stöhnt und sich windet, wurden und werden von Merkel, Schäuble und Co. als alternativlos dargestellt, obwohl sie selbst von kapitalistischen Ökonomen aus den angelsächsischen Ländern als unsinnig und sehr schädlich dargestellt werden.

Der Sinn der harten deutschen Haltung aber ist ziemlich simpel: Für die deutschen/europäischen Banken und Konzerne sind die EU und der Euro ein Geschenk, das wie ein Förderband den Reichtum in Europa umverteilt, vom Süden in den Norden, von den Armen zu den Reichen, und die deutsche Kapitalistenklasse ist der Hauptnutznießer davon. So möchte diese das Modell gern verewigen, um international noch stärker zu werden und bei den Großmächten mitzuspielen. Das aber klappt nicht so richtig, weil die Widersprüche, die sich durch den Euro zuspitzen, nicht leicht gekittet werden können. Eine Einheitswährung ohne einen gemeinsamen Staat ist langfristig ein Ding der Unmöglichkeit. Bereits 1997 schrieb die Internationale Kommunistische Liga (IKL) in ihrer internationalen Erklärung zum Maastricht-Vertrag der EU:

„Die Kontrolle über die Geldmenge innerhalb der eigenen Grenzen ist eine wirtschaftliche Grundvoraussetzung für einen bürgerlichen Staat, die notwendigerweise eng verknüpft ist mit anderen Instrumenten der Wirtschaftspolitik. Ein stabiles Währungssystem auf der Basis des ,Euro‘ würde strenge und ständige Einschränkungen von Steuereinnahmen und Staatsausgaben in allen EU-Mitgliedsstaaten erfordern… Aber da der Kapitalismus auf der Grundlage einzelner Nationalstaaten organisiert ist, was die Ursache von wiederholten imperialistischen Kriegen zur Neuaufteilung der Welt ist, ist es unmöglich, einen stabilen alleuropäischen bürgerlichen Staat zustande zu bringen. Ein imperialistischer ,Superstaat‘ Europa kann nur durch die Methoden von Adolf Hitler erreicht werden… Sollte das Maastrichter Projekt einer gemeinsamen europäischen Währung zustande kommen, würde das nur auf eine kurze, konfliktreiche Episode hinauslaufen.“ („Für ein Arbeitereuropa – Für sozialistische Revolution!“, Spartakist Nr. 129, September/Oktober 1997)

Diese Analyse hat sich seit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 bestätigt. Kanzlerin Merkel, Finanzminister Schäuble (beide CDU), Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) und Co. versuchen diesen imperialistischen Block, der nur den Banken und Konzernen dient, nach Möglichkeit zu retten und dabei möglichst viel Profit herauszuschlagen für die deutsche Bourgeoisie. Die Superausbeutung Süd- und Osteuropas im „deutschen Interesse“ kommt zur verstärkten Ausbeutung der Arbeiter im eigenen Land noch hinzu. Die Forderungen Griechenlands nach Entschädigung für die Plünderung Griechenlands unter der Nazi-Besatzung und für die Massenmorde durch den deutschen Imperialismus sind völlig berechtigt. Die Arbeiterklasse sollte diese Forderungen aufgreifen und die bluttriefende deutsche Bourgeoisie zwingen, dies aus ihrem angehäuften Reichtum zu bezahlen.

Die CDU/SPD-Regierung und die herrschende Klasse in Deutschland gehen davon aus, dass die Folgen eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone jetzt, im Gegensatz zu 2010, gemanagt werden können und nicht zum Auseinanderfallen der Eurozone und der EU führen werden. Das erhöht in ihren Augen das Erpressungspotenzial gegenüber Griechenland und allen anderen Ländern Südeuropas erheblich und führt dazu, dass sie umso härter ihre Austeritätspolitik verfechten. Der Spiegel-Online-Kolumnist Wolfgang Münchau aber warnte am 16. Februar: „Die Eurozone würde ohne Schwierigkeiten einen Austritt Griechenlands verkraften. Kommt es aber zu einer Kettenreaktion, dann wäre es mit dem Euro sehr schnell vorbei, vor allem wenn sie Italien erreicht. Die Kosten wären so immens, dass selbst Deutschland die Verluste nicht mehr stemmen könnte… Hüten Sie sich also vor denen, die einen griechischen Austritt verharmlosen. Diese Leute verstehen nicht, was da abgeht, oder sie täuschen die Öffentlichkeit. Wir riskieren die Stiefmutter aller Finanzkrisen.“

Die Syriza-Regierung ist also eingekeilt zwischen ihren Wahlversprechungen auf der einen Seite und der harten Haltung der deutschen Regierung, die auf der Einhaltung der Verträge besteht, die Griechenland großes Elend und Massenarbeitslosigkeit brachte. Das Ergebnis dieses Kräftemessens ist für die griechische Regierung sehr schlecht ausgegangen: Während man nicht mehr von der „Troika“ spricht, sind es jetzt die „Institutionen“, die bestimmen, was in Griechenland passiert. Der Mindestlohn wird nicht angehoben, die privatisierten Betriebe bleiben privatisiert und die begonnenen Privatisierungen gehen weiter. Alle Gesetzesvorhaben stehen im Grunde unter dem Vorbehalt, dass die Imperialisten zustimmen müssen. Die Syriza-​Regierung wird also das ausführende Organ für die griechische Bourgeoisie und die Imperialisten sein, wie zuvor die anderen Regierungen Griechenlands auch. Münchau, ein Verfechter des Euro und der EU, ist so frustriert über die rigide Politik insbesondere der deutschen Regierung, dass er in seiner Kolumne vom 2. März schrieb: „Wäre ich Grieche, dann würde ich einen einseitigen Schuldenschnitt durchsetzen, eine Parallelwährung zum Euro einführen und den Austritt aus der Währungsunion befördern. Und nicht mehr zurückkehren.“

Die Linkspartei, die ihre Solidarität mit der Syriza-Regierung bekundete und im Bundestag bisher gegen die Diktate der Imperialisten stimmte, die als „Finanzhilfe für Griechenland“ verkauft werden, hat bei der letzten Abstimmung im Bundestag eine Kehrtwende um 180 Grad gemacht. Auf Bitten der Syriza-Regierung stimmte die Mehrheit der Fraktion, bei nur drei Nein-Stimmen und einigen Enthaltungen (darunter Sahra Wagenknecht), für das Paket und übernahm damit Verantwortung für die Diktate Berlins und Brüssels, die die ausgebeuteten Massen Griechenlands immer tiefer in die Verarmung treiben.

DGB stützt Syriza – besorgt um „Demokratie“ in der EU

Griechenlands Arbeiterklasse und verarmte Massen brauchen dringend die Unterstützung und Solidarität der Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren und insbesondere in Deutschland, das den Kurs der EU zentral bestimmt. Die DGB-Gewerkschaften haben sich mit anderen europäischen Gewerkschaften in ihrem Aufruf „Griechenland nach der Wahl – Keine Gefahr, sondern eine Chance für Europa“ für eine Unterstützung der Syriza-Regierung ausgesprochen. In dem Aufruf heißt es:

„Mit der neuen griechischen Regierung muss ernsthaft und ohne Erpressungsversuche verhandelt werden, um dem Land eine wirtschaftliche und soziale Perspektive jenseits der gescheiterten Austeritätspolitik zu eröffnen. Dies gilt insbesondere für die mit der bisherigen, jetzt abgewählten Regierung vereinbarten zerstörerischen Auflagen, unter denen die internationalen Kredite bislang gewährt wurden. Europa darf nicht auf der Fortsetzung einer Politik zu Lasten der Bevölkerung beharren, die von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler unmissverständlich abgelehnt wird.“

Die sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokraten, die diesen Aufruf veröffentlichten und deren Parteien zentral mitverantwortlich für eben diese Politik sind, zeigen sich insbesondere darüber besorgt, wie „die Demokratie auf EU-Ebene gestärkt“ werden könne, und predigen die Illusion, der „politische Umbruch in Griechenland muss zu einer Chance für ein demokratisches und soziales Europa gemacht werden!“

In der Realität der imperialistischen EU passiert aber natürlich das genaue Gegenteil. Solidarität mit den griechischen Arbeitern und Unterdrückten ist sehr wichtig für die Arbeiter Europas insgesamt, denn wenn sich die Imperialisten in Griechenland mit der Lohndrückerei, Ausbeutung, Privatisierung usw. durchsetzen, wird der Druck auf die Arbeiter in allen anderen Ländern noch stärker zunehmen. Wirkliche Solidarität, statt der sozialdemokratischen Sonntagsreden, heißt in erster Linie Klassenkampf gegen die eigene herrschende Klasse. Die Gewerkschaftsführungen hier predigen aber die Klassenzusammenarbeit mit der deutschen Bourgeoisie im Namen des nationalistischen „Standorts Deutschland“ und hoffen darauf, dass ein paar Brotkrumen vom Tisch der Kapitalisten für sie abfallen. Klassenkampf in Deutschland zur Verteidigung der Errungenschaften der Arbeiterklasse und elementare Solidarität gegen die Angriffe der Bosse wie Auslagerungen, Leiharbeit, „Werkverträge“ und ähnliche Sachen, die sich die Kapitalisten und ihre Regierung einfallen lassen, wären ein erster Schritt. Dann kann es auch gelingen, die Lage für die Arbeiter durch substanzielle Lohnerhöhungen, Verkürzung der Arbeitszeit usw. zu verbessern. Solch ein Kampf könnte zu einem wirklichen Leuchtfeuer für die griechischen und alle anderen Arbeiter Europas werden und die Kapitalisten in die Defensive zwingen. Notwendig dafür ist ein politischer Kampf für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung. Die Arbeiter müssen mit den Irreführern in den eigenen Reihen brechen. Wir Spartakisten kämpfen dafür, dieses Bewusstsein in die Arbeiterbewegung hineinzutragen.

Trotzkisten: Kritische Wahlunterstützung für KKE und keine Stimme für Syriza!

In einer Erklärung zu den Wahlen am 25. Januar schrieben unsere Genossen der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands: „Der Zweck der EU ist, es den imperialistischen Mächten Europas unter der Führung Deutschlands zu ermöglichen, sich die schwächeren kapitalistischen Länder wie Griechenland unterzuordnen und den Werktätigen in ganz Europa, auch in Deutschland selbst, brutale Austerität aufzuzwingen.“ (Siehe Seite 18.) Im Gegensatz zu den meisten vorgeblichen Sozialisten lehnte es die TGG ab, für Syriza zu stimmen, nicht nur „weil sie für den Verbleib Griechenlands in der EU steht, was noch mehr Hunger und Arbeitslosigkeit bedeutet, sondern auch weil sie in keiner Weise die Interessen der Arbeiterklasse vertritt“. Die TGG rief dazu auf, die Kommunistische Partei KKE zu wählen, die in Opposition sowohl zur EU als auch zu Syriza steht, und kritisierte gleichzeitig scharf das nationalistisch-populistische Programm der KKE, das ein Hindernis zum revolutionären Klassenbewusstsein der Arbeiter ist.

Doch die vorgeblich revolutionäre Linke in Deutschland war voller Begeisterung über den Wahlsieg Syrizas und die neue griechische Regierung. Probleme bereitete einigen linken Gruppen nur, dass Syriza eine Koalition mit ANEL einging, was als Überraschung verkauft wurde. Andere wiederum, wie die im Umfeld der Linkspartei agierende Website Sozialistische Positionen, waren so begeistert, dass sie die Koalition Syrizas mit den Rassisten von ANEL als kleinstes Übel einfach bejubelten: „… diese Koalition ist die am wenigsten schlechte der ausschließlich schlechten Möglichkeiten… Immerhin steht hinter dieser Koalition das mit Abstand vernünftigste wirtschafts- und sozialpolitische Konzept, das im zerrütteten Griechenland momentan vertreten wird.“ Und sie fordern dann auch offen, diese kapitalistische Koalitionsregierung mit nationalistischen Rassisten zu unterstützen. „SYRIZA dabei gemäß der eigenen Möglichkeiten solidarisch zu unterstützen, ist die Aufgabe der Linken in ganz Europa.“

Syrizas Koalitionsregierung bedeutet nicht nur Anti-​Austeritäts-Rhetorik, sondern auch reaktionären bürgerlichen Nationalismus hochzuhalten. Syriza übergab dem ANEL-Führer Panos Kammenos den Posten des Verteidigungsministers. Dieser flog dann auch prompt zu den umstrittenen Imia-Felseninseln vor der Küste der Türkei, wo 1996 ein Hubschrauber der griechischen Marine mit tödlichen Folgen abstürzte. Dieser Absturz dient den Faschisten jährlich als Vorwand für antitürkische Aufmärsche. Wichtiger noch, Syriza-Führer Alexis Tsipras führte seine erste Auslandsreise nicht in eine westeuropäische Hauptstadt zur Beratung über Griechenlands Wirtschaftskrise, sondern es ging nach Zypern, wo er sich über türkische „Provokationen“ vor der Südküste Zyperns beschwerte.

Pseudotrotzkisten im bürgerlichen Sumpf von Syriza

Linkere Reformisten wie die Gruppe Arbeitermacht (GAM) sind offenbar hin- und hergerissen zwischen ihrem blanken Opportunismus gegenüber Syriza und dem Versuch, diesen zu verschleiern. Euphorisch mit ein paar „Wermutstropfen“ – die Koalition mit ANEL – schrieben sie im Februar in ihrer Zeitschrift Neue Internationale: „Abgewählt wurde damit auch die Politik der EU und der Troika mit ihren Sparprogrammen, Kürzungen und Privatisierungen; abgewählt wurden die Vertreter des griechischen Kapitals, der EU-Bürokratie und v. a. des deutschen Imperialismus.“ Die GAM schätzt Syriza fälschlicherweise als bürgerliche Arbeiterpartei ein (eine Partei mit einer Basis in der Arbeiterklasse, aber mit einer prokapitalistischen Führung) und bezeichnet deshalb die Syriza-ANEL-Koalition als eine „Volksfrontregierung“ (eine Koalition zwischen einer Arbeiterpartei und einer bürgerlichen Partei, die Trotzkisten aus Prinzip ablehnen). Das hält sie wiederum nicht im Mindesten davon ab, über die Regierung begeistert zu sein, aber natürlich nur „kritisch“. Ganz ähnlich versucht die Neue antikapitalistische Organisation (NaO), eine sub-​reformistische Kreation von GAM und anderen nach dem Motto „Einheit der Linken“, ihre Kapitulation vor Syriza hinter scheinbar marxistischer Kritik zu verstecken. So forderten drei Berliner NaO-Mitglieder in einem „Diskussionsbeitrag“ vom 8. Februar die Abgeordneten von Syriza auf, „Keine Regierung mit ANEL!“ zu bilden, weil diese die „Herstellung der Einheit der griechischen ArbeiterInnenklasse gegen Kapital und Imperialismus erschweren“ werde.

Über die tatsächlich existierende bürgerliche Arbeiterpartei aber, nämlich die KKE, hat die GAM keine gute Meinung und der NaO-Beitrag ignoriert die programmatischen Unterschiede völlig. Die GAM schreibt: „Für die KKE stellt jede Syriza-Regierung (auch eine Minderheitsregierung) die ,Fortsetzung der Unterwerfung unter den Euro und den EU-Imperialismus‘ dar. Damit setzt die KKE ihre sektiererische Politik der letzten Jahre fort, als sie sich auch jeder Einheitsfront mit Syriza in den Massenprotesten verweigert hatte.“ Die GAM argumentiert dann für eine Syriza-Minderheitsregierung, denn: „Taktisch hätte eine Syriza-​Minderheitsregierung die KKE vor sich hertreiben können“, um bei Neuwahlen mit taktischem reformistischem Kleinkram die „absolute Mehrheit“ für Syriza holen zu können. Diese Sozialdemokraten der dritten Mobilisierung wissen offensichtlich nicht, wo die Klassenlinie ist, und landen, wie schon bei ihrer Unterstützung der Konterrevolution in der DDR und der Sowjetunion, wieder einmal auf der Seite der Bourgeoisie.

Unsere griechischen Genossen charakterisierten Syriza trotz scheinbar linker Rhetorik als kleinbürgerlich. Seit der Machtübernahme Syrizas aber ist es zu „offener Unterstützung von Teilen der Bourgeoisie“ gekommen, „die sich im Standpunktwechsel der Leitartikel wichtiger bürgerlicher Zeitungen widerspiegelt“. Syriza ist „unzweifelhaft zu einer bürgerlichen Partei an der Regierung geworden. Tatsächlich findet man zurzeit kaum ein bürgerliches Blatt, das nicht regierungsfreundlich ist“, wie unsere Genossen schrieben.

Inzwischen ist bei der GAM schon Katzenjammer über die Syriza-Regierung eingekehrt. In der Neuen Internationale (März 2015) schreiben sie in dem Artikel „Tsipras’ Kapitulation und die Aufgaben der Linken“ über Syrizas „vollständige Kapitulation gegenüber der EU und dem deutschen Imperialismus“ und beschweren sich: „Dass die griechische Regierung ihre vollständige Niederlage und Kapitulation allen Ernstes noch als ,Sieg‘, als ,Erfolg‘ verkauft, setzt den politischen Verbrechen, die sich die Syriza-Führung in den letzten Wochen geleistet hat, noch die Krone auf.“ Die Entrüstung der GAM spiegelt aber nur die Enttäuschung über ihre eigenen Illusionen in Syriza wider und damit ihren eigenen Opportunismus. In ihrem Aufruf, die „Linke, Gewerkschaften, die ArbeiterInnenbewegung hier müssen das Diktat der EU und des deutschen Imperialismus ohne Wenn und Aber bekämpfen“, erwähnen sie zwar die EU, von einer grundlegenden Kritik und einem Kampf gegen die vom deutschen Imperialismus dominierte EU und Eurozone, die in erster Linie verantwortlich sind für die miserable Lage Griechenlands und vieler Länder Süd- und Osteuropas, sind sie aber meilenweit entfernt.

Das Ganze hat immerhin System, da sie keinerlei grundsätzliche Kritik an der imperialistischen EU und dem Euro haben, was einer Unterstützung der EU gleichkommt. Wie die Sozialdemokraten von SPD und Linkspartei halten sie dieses imperialistische Unterdrückungsinstrument für einen Fortschritt und glauben offensichtlich an seine Reformierbarkeit.

Die GAM bezeichnet in dem Artikel vom Februar eine mögliche Syriza-KKE-Regierung als eine „bürgerliche Arbeiterregierung“, die „in der aktuellen Lage ein wichtiges Mittel sein [könnte] zur weiteren Zuspitzung des Klassenkampfes“. Wir haben in dem grundlegenden Artikel „Eine trotzkistische Kritik: Deutschland 1923 und die Komintern“ (in Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001) die Politik der Unterstützung solcher bürgerlichen Arbeiterregierungen durch die Kommunistische Internationale anhand der unterlassenen Revolution in Deutschland 1923 kritisch untersucht. Als revolutionäre Marxisten lehnen wir die Unterstützung solcher kapitalistischen Regierungen, ebenso wie Volksfrontregierungen, grundsätzlich ab.

DKP-Reformisten gespalten über Griechenland

Der rechte Flügel der DKP um die „marxistische linke“ war über den Wahlsieg von Syriza ganz aus dem Häuschen. Leo Mayer schrieb in einem Artikel vom 27. Januar: „Nun beginnt für die griechische und europäische Linke ein neues Kapitel. Die Rollen werden neu verteilt.“ Er rechtfertigt die Koalition zwischen Syriza und ANEL, ohne die KKE auch nur zu erwähnen, die bei seiner „pluralen griechischen Linken“ wohl keinen Platz hat.

Der linkere Flügel der DKP um den Parteivorstand versucht sich mehr auf die außerparlamentarischen Proteste gegen die Troika-Diktate zu konzentrieren und hebt hier auch die Rolle der KKE und ihrer Gewerkschaftsfront PAME hervor, um auf diesem Wege die KKE mit ins Boot der „fortschrittlichen“ Regierung zu holen. So geht der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele in einem Beitrag für die junge Welt vom 12. Februar auch nicht im Geringsten auf die grundlegenden Differenzen zwischen der KKE und Syriza ein. Köbele stellt der Syriza-Regierung und der KKE aber auch gleich einen Persilschein für jede Schweinerei aus, indem er sie gegen Kritik abdeckt: „Dies gibt aber niemandem, der sich in unserem Land als Linker oder Linke fühlt, das Recht, diesen Prozessen Noten zu erteilen.“ Als Vorwand dafür dient seine Bemerkung, für Griechenland bestehe die größte Gefahr von außen darin, dass „die Arbeiterbewegung, vor allem die deutsche, dem Imperialismus nicht die Stirn bietet“. Sein kritikloses Hinterherlaufen hinter den „Kräfte[n] des Fortschritts“, also einer Volksfront, ist aber genau das, was die Arbeiterbewegung in die Niederlagen geführt hat. Die Ergebnisse der Volksfrontpolitik kann man klar sehen in den Niederlagen der Spanischen Revolution Ende der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts, im griechischen Bürgerkrieg (siehe auch: „Griechenland 1940​–​49: Eine verratene Revolution“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 30, Winter 2014/​15), in Chile Anfang der 70er-Jahre und so weiter.

Köbele schließt seinen Artikel mit dem Aufruf: „Den deutschen Imperialismus zu schwächen, muss unsere Hilfe für das griechische Volk sein.“ Um aber tatsächlich der griechischen Arbeiterklasse und den Unterdrückten Griechenlands zu helfen, muss das Bewusstsein der Arbeiterklasse hier gehoben werden und der Feind klar benannt werden, d. h. bedingungslose Opposition zu allen Machenschaften des deutschen Imperialismus und seiner Instrumente zur Unterdrückung der Arbeiter in Europa: EU, Euro und NATO. Das heißt auch den Bruch mit sozialdemokratischer Klassenkollaboration in allen ihren Varianten, egal ob SPD oder Linkspartei. Davon ist aber bei allen Flügeln der DKP nichts zu finden. Linke DKPler, die etwas anderes sein wollen als der Wurmfortsatz der Linkspartei, sollten den revolutionären Trotzkismus der Spartakisten studieren.

Für Klassenkampf gegen deutsche Kapitalistenklasse!

Die Arbeiter und Unterdrückten in Griechenland brauchen wirklich die Solidarität und Unterstützung der Arbeiterklassen in den imperialistischen Zentren und insbesondere hier in Deutschland. Das heißt aber ganz klar, zuerst den Kampf gegen die eigene herrschende Klasse zu führen und mit der Klassenkollaboration zu brechen. Die deutschen Kapitalisten profitieren endlos davon, die süd- und osteuropäischen Arbeiter ins Elend zu treiben. Die Verschlechterungen bei den Renten, den Sozialversicherungen, dem Kündigungsschutz usw. durch die Agenda 2010 und die „Hartz“-Gesetze der SPD/​Grünen-Regierung (1998–2005) öffneten die Schleusen für eine ungeheure Intensivierung der Ausbeutung der Arbeiter in Deutschland und den weiteren Aufstieg des deutschen Imperialismus. In vielen Industriebetrieben in Deutschland arbeiten seit Jahrzehnten türkische, griechische, deutsche Arbeiter sowie Arbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien Seite an Seite. Nur im Kampf gegen die deutsche Kapitalistenklasse und die von ihr dominierte EU können sie sich selbst, die griechische Arbeiterklasse und alle Arbeiter Europas verteidigen und neue Machtpositionen erkämpfen. Das Haupthindernis zu einem solchen Kampf sind die sozialdemokratischen Irreführer, egal ob SPD oder Linkspartei, die Arzt am Krankenbett des Kapitalismus spielen.

Wir unterstützen aus vollem Herzen den Kampf unserer griechischen Sektion, die in ihrer Erklärung zu den Wahlen schrieb:

„Ein Ausstieg Griechenlands aus der EU als Ergebnis militanter Arbeiterkämpfe wäre ein wichtiger Schritt vorwärts, aber nicht die Lösung an sich. Die Krise in Griechenland ist Teil einer Weltwirtschaftskrise des imperialistischen Systems, die nicht innerhalb der Grenzen irgendeines einzelnen Landes gelöst werden kann, vor allem nicht im kleinen, abhängigen Griechenland mit seinem niedrigen Niveau an Industrie und Rohstoffen. Der einzige Weg vorwärts ist eine Reihe sozialistischer Revolutionen, die die Bourgeoisien auch in den imperialistischen Zentren enteignen und eine internationale kollektivierte Planwirtschaft unter Arbeiterherrschaft errichten. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!“