Spartakist Nr. 206

Januar 2015

 

Stoppt TTIP durch Klassenkampf!

Nieder mit der imperialistischen EU! Für ein Arbeitereuropa!

Die Kapitalisten führender imperialistischer Länder, insbesondere Deutschland und die USA, streben durch das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) eine gegenseitige Neuaufteilung ihrer Binnenmärkte an. Damit es sich für die Kapitalisten lohnt, sollen tarifäre Handelshemmnisse (Zölle) und nichttarifäre Handelshemmnisse (wie unterschiedliche technische oder soziale Standards) gesenkt und damit Kosten vermindert werden. Außerdem sollen Liberalisierungen der Märkte verstärkt zu Privatisierungen und damit einhergehenden Angriffen auf Arbeiterrechte führen. Die EU und die hinter ihr stehenden Konzerne wollen damit die schon seit Jahrzehnten durchgeführten Angriffe auf Löhne und Sozialstandards fortführen und vertiefen und bessere Bedingungen für ihre Profitinteressen auf dem amerikanischen Kontinent schaffen. Diese Pläne müssen durch Klassenkampf vereitelt werden.

Die laufenden Verhandlungen zwischen der Generaldirektion Handel der EU-Kommission und dem Büro des Handelsbeauftragten der USA (Office of the United States Trade Representative) sind geheim. Das erlaubt der Bundesregierung von SPD und CDU, das Blaue vom Himmel zu erzählen, wenn sie TTIP anpreisen. Für die sofortige Offenlegung aller TTIP-Verhandlungen! TTIP wird die restlichen sozialen Absicherungen für Arbeiterfamilien, die vom sozialen Kahlschlag seit Schröders Agenda 2010 gerade noch verschont geblieben sind, abschaffen oder auf das jeweils niedrigste Niveau senken. Die Regierung formuliert das so: Soziale Absicherungen wie Arbeitslosen- und Kindergeld, Mutter- und Kündigungsschutz bleiben mit TTIP bestehen, „sofern sie nicht zwischen ausländischen und inländischen Investoren diskriminieren und sofern sie verhältnismäßig sind“. Wer bestimmt dann die Verhältnismäßigkeit? Das Finanzkapital und seine Lakaien in ihren Schiedsgerichten.

In Ländern wie Griechenland, die der deutsche Imperialismus bereits durch die EU ausplündert, wäre eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen für Arbeiter und Unterdrückte katastrophal. Bereits mehr als die Hälfte griechischer Haushalte lebt unterhalb der Armutsgrenze oder nahe dran.

Die EU ist ein imperialistischer Handelsblock kapitalistischer Staaten zur Niederhaltung und Ausbeutung der Arbeiterklassen Europas. Sie wird vom deutschen Imperialismus beherrscht, der versucht eine größere militärische Rolle in der Welt zu spielen. Wir Trotzkisten sind unversöhnliche Gegner des deutschen Imperialismus und der EU und lehnen das Freihandelsabkommen TTIP, das auch die amerikanische Bevölkerung hart treffen wird, ebenso ab.

Während die USA und die EU über TTIP verhandeln, drängt die US-Regierung derzeit auf den Abschluß der Transpazifischen Investitionspartnerschaft (TPP) mit Ländern wie Australien, Japan und Singapur, die sich zentral gegen den bürokratisch deformierten Arbeiterstaat China richten soll. China kann einige Erfolge mit eigenen asiatischen Handelsabkommen und seiner neuen Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) verzeichnen. Dass China sein Geld damit sehr günstig in andere Länder verleiht, um im Gegenzug zum Aufbau von Infrastruktur an dringend benötigte Rohstoffe zu kommen, macht die Imperialisten rasend. Sie haben das Ziel, den Arbeiterstaat China zu stürzen und für ihre ungehemmte Ausbeutung wiederzuerobern. Besonders deutlich sind in dieser Hinsicht die militärischen Provokationen von USA/Japan im Ostchinesischen Meer. Arbeiter hierzulande haben das objektive Interesse, China zu verteidigen – bedingungslos militärisch gegen den Imperialismus und innere Konterrevolution.

Allerdings sind Chinas Investitionen in andere Länder nicht vom proletarischen Internationalismus motiviert, sondern von den beschränkten nationalistischen Interessen der KPCh-Bürokratie, die in dem stalinistischen Dogma vom „Aufbau des Sozialismus in einem Lande“ und der damit einhergehenden „friedlichen Koexistenz“ mit dem Imperialismus (jetzt Politik einer „harmonischen Welt“ genannt) zum Ausdruck kommen. Das KPCh-Regime sucht den Ausgleich mit dem Imperialismus und unterstützt deshalb in Afrika und anderswo militärisch und politisch „freundliche“ bürgerliche Herrscher, die die Arbeiter und Armen in Stadt und Land brutal unterdrücken. Die Verteidigung und Ausweitung der Errungenschaften der Chinesischen Revolution von 1949 erfordern eine proletarisch-politische Revolution: Die KPCh-Bürokratie muss gestürzt und durch eine Regierung der Arbeiterdemokratie ersetzt werden, die dem Kampf für den Weltsozialismus verpflichtet ist.

Die deutsche Regierung ist sehr nervös über einen schnelleren Abschluss von TPP, weil ihre kapitalistischen Konkurrenten in Asien dadurch eher Teile des US-Marktes an sich reißen und gleichzeitig von US-Kapital profitieren könnten, das in Asien investiert würde anstelle von Europa. Deshalb drängen Merkel und Gabriel auf die schnelle Einführung von TTIP.

Der zwangsläufige Drang des internationalen Finanzkapitals nach Vermehrung führt regelmäßig zu Wirtschaftskrisen, militärischen Auseinandersetzungen und imperialistischen Kriegen und kann endgültig nur durch die Machtergreifung des Proletariats gestoppt werden. Die Herrschaft muss den Kapitalisten durch eine ganze Reihe von Arbeiterrevolutionen entrissen werden, damit eine internationale sozialistische Planwirtschaft aufgebaut werden kann, die endlich im Sinne der Menschheit wirtschaftet. Letzteres wird verhältnismäßig einfach sein, denn die Produktionsweise ist ja längst vielerorts im internationalen Maßstab organisiert – nur ist der so produzierte Reichtum national und privat.

Gegen TTIP gibt es Widerstand aus allen Teilen der Gesellschaft, der das Potenzial zeigt, die Herrscher der EU in die Enge zu treiben, bis sie ihre Pläne fallenlassen. Am 11. Oktober beteiligten sich Hunderttausende an einem europäischen Aktionstag gegen TTIP, zu dem auch der DGB, die GEW und ver.di aufgerufen haben. Dieser Aktionstag war eine typische Volksfrontaktion, bei der die Gewerkschaftsführungen die Arbeiterklasse dem bürgerlichen Programm von Attac, dem BUND und dem KDA (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt) für den Erhalt des Kapitalismus – der angeblich sauberer und sozialer gemacht werden könne – untergeordnet haben. Im Gegensatz dazu muss die soziale Macht der Arbeiterklasse entfesselt werden, die ganz Europa lahmlegen kann. Die Lokführer der GDL und die Piloten von Cockpit könnten zum Beispiel durch koordinierte Streiks Vorreiter für gemeinsamen Klassenkampf gegen die EU und TTIP sein. Das ist aber nicht im Sinne der prokapitalistischen Gewerkschaftsführungen, die um Brotkrumen vom Tisch der Kapitalisten feilschen und grundsätzlich denken, TTIP könne gerechter verhandelt werden.

Der Aufruf zum Aktionstag geht davon aus, dass es eine soziale und gerechte Handelspolitik der EU geben könne. Genau diese Illusionen in die Möglichkeit, die EU sozialer zu gestalten, predigen reformistische Linke und Gewerkschaftsführer im imperialistischen Herzen der EU seit Jahren. Sie tragen Mitverantwortung dafür, dass die Rechten vom Unmut gegen die EU profitieren und die Kapitalisten ihr EU-Bündnis benutzen, um jetzt mit dem TTIP ein weiteres Instrument zur Ausbeutung der Arbeiterklasse zusammenzuschustern. Die Arbeiterklasse muss jedoch politisch unabhängig sein, also für ihre eigenen Interessen eintreten, um die Angriffe der Kapitalisten durch deren EU oder TTIP zurückzuschlagen. Volksfronten mit Attac und Co. dagegen sind ein gefährliches Hindernis dazu, denn sie halten das Proletariat vollständig im Rahmen der Klassenzusammenarbeit, obwohl die Interessen von Kapital und Arbeit unversöhnlich entgegengesetzt sind.

Die Linkspartei ist ganz vorne mit dabei, Illusionen in die EU zu verbreiten. Ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sarah Wagenknecht sorgt sich, während sie vehement gegen TTIP eintritt, um das Ansehen der EU und verteidigt die Interessen der europäischen Binnenwirtschaft – mit ihrer jetzigen kapitalistischen Grundlage: TTIP „nutzt den großen Banken und Konzernen wie JP Morgan Chase, Deutsche Bank, BMW und Monsanto, nicht der europäischen Binnenwirtschaft, die durch Kürzungspakete zerstört wird“ (Presseerklärung, 8. Juli 2013). Sie wettert gegen die Großkonzerne und preist die Vorzüge eines netten, mittelständischen Kapitalismus. Gleichzeitig stellt sie es im Weiteren so dar, als seien alle drohenden Angriffe durch TTIP allein im Interesse der USA. Das ist populistischer Antiamerikanismus, um der EU einen Persilschein auszustellen, die in Wirklichkeit genauso an TTIP interessiert ist wie die USA. Die europäische Wirtschaft wird vom deutschen Imperialismus dominiert, der anderen EU-Ländern Sparmaßnahmen aufdrückt, um den Euro stabil zu halten, wovon wiederum die deutsche Kapitalistenklasse am meisten profitiert. Letztendlich ist Wagenknechts Beschönigung der EU gute Propaganda für die deutschen Konzerne, die durch TTIP ihre Macht ausweiten wollen.

Arbeiter haben nichts davon, wenn sich die deutschen Kapitalisten für mögliche protektionistische Maßnahmen (wie eine Erhöhung der Zölle) entscheiden, um ihren Markt zu schützen. Die Politik vieler Gewerkschaftsbürokraten, im Namen des „Standorts Deutschland“ Lohndrückerei zu akzeptieren, ist Gift für die Arbeiterbewegung und geht mit Nationalismus Hand in Hand, der sie spaltet, anstatt sie zu vereinen. Das Proletariat hat kein Vaterland und auch kein europäisches „Haus“, das den Kapitalisten gehört. Vorwärts zu den Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa! Gegen die Einführung von TTIP – für gemeinsamen Klassenkampf über Ländergrenzen hinweg!