Spartakist Nr. 206 |
Januar 2015 |
Nieder mit dem US-geführten Krieg gegen IS!
Syrien/Irak: Kurdische Nationalisten stellen Bodentruppen für Imperialisten
Bundeswehr raus aus Nahost und Afghanistan! Nieder mit Waffenlieferungen des deutschen Imperialismus!
Fast vier Monate nach dem Beginn der Bombenangriffe der US-geführten internationalen Koalition auf Stellungen des IS im Irak und später Syrien erklärte US-Außenminister John Kerry im NATO-Hauptquartier in Brüssel, dass der Kampf gegen den IS (ISIS) vermutlich Jahre dauern werde. SPD-Außenminister Steinmeier sagte dazu: „Jeder weiß, dass es ein langer Weg ist“, und lobte die internationale Arbeitsteilung im imperialistischen Krieg gegen den IS. Die deutschen Imperialisten lieferten mit als erste militärische Ausrüstung an die kurdischen Peschmerga im Nordirak und schmieden jetzt Pläne, hundert Soldaten dorthin zu schicken mit „Bewaffnung als Selbstschutz“, um die kurdischen Truppen besser auszubilden. Länder der „internationalen Koalition“ gegen den IS einigten sich Anfang Dezember, gemeinsam insgesamt 1500 Soldaten und Sicherheitsleute im Irak zu stationieren. Dies folgte auf eine Ankündigung der US-Regierung, 1500 amerikanische Soldaten in den Irak zu schicken, was die Anzahl der dortigen US-Militär„berater“ verdoppeln wird. Beharrliche Behauptungen des Weißen Hauses, es werde keine Bodentruppen zur Kriegsführung gegen den IS geben, klingen jeden Tag fadenscheiniger.
Im Moment verlassen sich die Imperialisten immer noch auf zunehmende Bombenangriffe und einheimische Erfüllungsgehilfen vor Ort. Im Kampf um die überwiegend kurdische Stadt Kobanê in Nordsyrien haben die USA Luftangriffe gegen den IS geflogen und Kämpfer, vor allem der Volksverteidigungseinheiten (YPG), aus der Luft mit Waffen und anderen Hilfsgütern versorgt. Die YPG – der militärische Arm der Partei der Demokratischen Union (PYD), Ableger der in der Türkei beheimateten nationalistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – stellt sowohl Bodentruppen als auch Aufklärer für die US-Imperialisten. YPG-Sprecher Polat Can schilderte, wie ein Mitglied seiner Organisation in der Koalitions-Kommandozentrale die von YPG-Kräften vor Ort gelieferten Koordinaten für Bombenangriffe weitergibt (kurdischenachrichten.com, 16. Oktober 2014).
Die schleichende Ausweitung des US-geführten Einsatzes in Irak und Syrien unterstreicht die Notwendigkeit für klassenbewusste Arbeiter, sich dem Krieg gegen den IS und allen anderen imperialistischen Verwüstungen entgegenzustellen. Der imperialistische Angriff, der zynischerweise im Namen von humanitärer Hilfe für Jesiden, syrische Kurden und andere Opfer der IS-Mörderbanden geführt wird, zielt darauf ab, die Machtposition der Imperialisten im Nahen Osten zu verstärken. An dem von den USA geführten „Koalitions“-Sammelsurium sind auch Saudi-Arabien und Katar, die zu den finanziellen Hauptunterstützern des IS gehören, und andere Monarchien des Persischen Golfs beteiligt. Die öffentlichen Enthauptungen durch den IS schockierten und trugen zur Unterstützung für die Bombenangriffe bei. Nicht so sehr wird in den Medien über die zahlreichen Enthauptungen berichtet, die Washingtons saudische Verbündete durchführen, wenn sie Menschen hinrichten, die wegen Homosexualität, Ehebruch, Blasphemie, Abfall vom Glauben und Hexerei verurteilt wurden.
In Kobanê haben die mit der PKK verbundenen Kräfte das Schicksal der unterdrückten kurdischen Bevölkerung an den Krieg der Imperialisten gegen den IS gekettet. Dabei werden sie von den Streitkräften der irakischen Regierung und den kurdischen Peschmerga des Nordirak unterstützt, die gemeinsame Militäraktionen mit den USA ausführen, wie sie es schon während der amerikanischen Besetzung des Irak taten. Workers Vanguard (Nr. 1055, 31. Oktober 2014) erklärte: „Dass alle diese Kräfte die Bodentruppen einer imperialistischen Intervention sind, bedeutet für revolutionäre Marxisten, militärisch auf der Seite des IS zu stehen, wenn der IS die Imperialisten und deren Erfüllungsgehilfen angreift.“
Wir sind unversöhnliche Feinde des ultrareaktionären sozialen und politischen Programms des IS und wir verurteilen kommunale Gräueltaten auf allen Seiten. Vor der US-Militärintervention und den deutschen Waffenlieferungen bestanden wir darauf, dass das internationale Proletariat bei den zahlreichen interethnischen und interkommunalen Konflikten in der Region, die zum größten Teil das Vermächtnis imperialistischer Unterjochung sind, keine Seite beziehen darf. Wo die Arbeiterklasse aber eine Seite beziehen muss, ist gegen die Imperialisten und ihre Lakaien in Irak und Syrien.
Unserer derzeitigen militärischen Parteinahme für den IS gegen die von den USA geführte Koalition und ihre einheimischen Anhängsel liegt unser Verständnis zugrunde, dass die Imperialisten der Hauptfeind der Werktätigen in den USA, Europa und im Nahen Osten sind. Die Imperialisten selbst sind für die verheerende Lage im Nahen Osten und den Aufstieg des IS verantwortlich. Die 13 Jahre währenden UN-Sanktionen gegen den Irak, die 1990 auf Geheiß der USA verhängt wurden, nahmen eineinhalb Millionen Menschen das Leben. Die Hungerblockade wie auch die UN-Waffeninspektionen öffneten das Land für die Plünderung und Zerstörung durch den US-Imperialismus. Ein Wiederaufbau der durch den ersten Irakkrieg 1991 zerstörten Infrastruktur wurde durch die Sanktionen unmöglich gemacht.
Allein die ersten zwei Tage der imperialistischen Bodenoffensive von 1991 verdeutlichen das barbarische Ausmaß der kriegerischen Unterjochung des Iraks: „Nach Auskunft von Sprechern der US-Armee setzt die US-Division, die die vorgeschobenen Verteidigungslinien Saddam Husseins durchbrach, auf Panzer montierte Pflüge und kriegstaugliche Erdbewegungsgeräte ein, um über eine Front von mehr als hundert Kilometern Tausende von irakischen Soldaten – von denen einige noch lebten und ihre Waffen abfeuerten – in ihren Schützengräben zu begraben“ (humanrights.de).
Die Imperialisten feuerten damals lasergesteuerte Raketen mit abgereichertem Uran ab und hinterließen damit 900 Tonnen radioaktiven Abfalls im gesamten Irak. Die Verbreitung von Tumoren, Krebs, Leukämie und anderen tödlichen Krankheiten aufgrund von Verstrahlungen erhöht sich kontinuierlich. Während des zweiten Irakkriegs 2003 legten die USA und ihre Verbündeten das Land erneut in Schutt und Asche. Phosphor- und Streubomben, abgereichertes Uran und eine neue Form von Napalm gingen auf die wehrlose Bevölkerung nieder. Durch die folgende – bis 2011 andauernde – imperialistische Besetzung des Iraks entstand ein Vorläufer des IS, Al Kaida im Irak.
Außenminister Steinmeier beklagt die „ungeheure Brutalität“ von „brandschatzenden, vergewaltigenden und mordenden“ IS-Kämpfern und verpasst dem deutschen Imperialismus ein humanitäres Deckmäntelchen, indem er zusätzlich 40 Millionen Euro für Projekte des Welternährungsprogramms in Syrien zur Verfügung stellen will. Seine Heuchelei kennt keine Grenzen. Unter seiner Zuständigkeit als Chef des Kanzleramts (1998–2005) waren die Geheimdienste des deutschen Imperialismus voll im US-Folternetzwerk drin. Syrien wurde seitens der US-Regierung systematisch zur „außerordentlichen Verlagerung“ von Folter benutzt. In einigen Fällen half die SPD/Grünen-Regierung dabei, deutsche Staatsbürger wie Khaled El-Masri entführen und foltern zu lassen. Steinmeier war verantwortlich für die fortgesetzte Gefangenschaft von Murat Kurnaz in der US-Folterhölle Guantánamo von 2002 bis 2006, weil eine „Präsidentenrunde“ der Chefs von VS, BND, BKA u. a. unter seinem Vorsitz das Auslieferungsangebot der US-Regierung 2002 nach Deutschland ablehnte. 2007 erklärte Steinmeier dem Spiegel diesbezüglich: „Ich würde mich heute nicht anders entscheiden.“
Ganz im „Zeichen der Humanität“ werden die Einsatzgebiete der Bundeswehr beständig erweitert. Länder in West-, Ost- und Zentralafrika werden durch militärische Einsätze der USA und EU in neokolonialer Unterdrückung gehalten, an denen sich die Bundeswehr beteiligt. Mehr als 3000 Bundeswehrsoldaten sind in Afghanistan stationiert, eine Fortsetzung mit 850 Soldaten soll folgen. Am 18. Mai 2011 schossen Soldaten eines Bundeswehr-Camps in Talokan auf Demonstranten, die gegen einen vorangegangenen NATO-Angriff protestierten, bei dem Zivilisten getötet wurden. Den Balkan betrachtet die deutsche Bourgeoisie als ihren Hinterhof und nur sehr selten hört man Opposition zur KFOR-Mission, die seit 1999 läuft. Am Mittelmeer, das ein Massengrab geworden ist, hält die Bundeswehr als Teil der NATO-Operation „Active Endeavour“ Flüchtlinge im Namen von „Terrorismusbekämpfung“ davon ab, Europa zu erreichen. Deutsche Soldaten werden die Speerspitze der neuen schnellen Eingreiftruppe der NATO gegen Russland stellen. Derweil patrouillieren deutsche Eurofighter über östliche NATO-Länder und Minensuchboote in der Ostsee. Wir fordern überall den Abzug der Bundeswehr. Nieder mit der NATO!
Im Innern nutzt der bürgerliche Staat den imperialistischen Feldzug gegen den IS und sein damit einhergehendes Konstrukt des „Kriegs gegen Terror“, um die Daumenschrauben der Repression fester anzuziehen. Die CDU/SPD Regierung plant ein neues Paket von „Anti-Terror“-Gesetzen, das die bestehenden zwei „Anti-Terror“-Pakete von Otto Schily (SPD) aus dem Jahr 2001 erweitern soll. Geplant wird unter anderem, der Polizei das Recht zu geben, deutschen Staatsbürgern den Personalausweis zu entziehen, die verdächtigt werden, nach Irak oder Syrien reisen zu wollen, um IS zu unterstützen – oder Personen, die von dort kommen, an der Wiedereinreise zu hindern, womöglich sogar mit dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft.
Der IS ist in Deutschland seit Mitte September verboten. Wie wir erklärten: „Dies bedeutet nichts anderes als den Startschuss für umfassende, massenhafte Razzien gegen Moscheen und arabische Vereine, deren Kriminalisierung und totale Überwachung“ (Spartakist Nr. 205, Oktober 2014). Die deutsche Justiz nutzt ebenfalls die Paragrafen 129a/129b, um den IS zu verfolgen. Diese Gesinnungsparagrafen werden genauso gegen Linke und Kurden wie Ali Ihsan Kitay eingesetzt. Nieder mit dem Urteil gegen Ali Ihsan Kitay! Weg mit dem Verbot der PKK und der kurdischen Vereine! Weg mit den Gesinnungsparagrafen 129a/129b und den „Anti-Terror“-Gesetzen! Nieder mit der antimuslimischen Hexenjagd!
Es ist gut möglich, dass der IS unter anderen Bedingungen als Agentur des Imperialismus agiert, wie ihre Vorgänger in dem von der CIA unterstützten Krieg der Mudschaheddin gegen die Sowjetunion in Afghanistan. In jüngster Zeit gab die US/EU-Unterstützung für die Opposition gegen das Assad-Regime in Syrien zu Beginn des dortigen Bürgerkriegs islamisch-fundamentalistischen Kräften starken Auftrieb, darunter denen, woraus später der IS entstehen sollte.
Ein Leitartikel der New York Times (23. Oktober 2014) mit der Überschrift „Warum Kobanê gerettet werden muss“ legte die Karten auf den Tisch und bemerkte, dass die kurdische Stadt, die „einst von amerikanischen Kommandeuren als unwichtig abgetan“ worden war, zu einem Test für die auf einheimische Bodentruppen gestützte Bombenstrategie der Obama-Regierung geworden ist. „Ein Rückschlag in Kobanê“, erklärte die Times, „würde die Anfälligkeit des amerikanischen Plans aufweisen und dem Islamischen Staat einen wichtigen Sieg überlassen.“
Vom Standpunkt des internationalen Proletariats würde eine Niederlage der von den USA unterstützten Kräfte in Kobanê imperialistischen Plänen für die Region einen Strich durch die Rechnung machen. Dies könnte Widerstand in den USA voranbringen, wo die Werktätigen trotz eines leichten Anstiegs der Umfragewerte für den Anti-IS-Feldzug immer noch kriegsmüde sind und wo bei einem „Aufschwung“, der vorwiegend den Reichen nützt, ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung der Regierung misstrauisch und unzufrieden gegenübersteht, darunter auch wegen ihrer Aushöhlung des Rechts auf Privatsphäre und anderer demokratischer Rechte im Namen des „Kriegs gegen Terror“. Wir Marxisten haben das Ziel, solche Desillusionierung und Wut in Klassenkampf gegen die kapitalistischen Herrscher im eigenen Land zu verwandeln. Durch solche Kämpfe muss das Proletariat für das Programm einer sozialistischen Revolution gewonnen werden, um die imperialistischen Bastionen von innen heraus zu zerstören.
Die Verbindungen der kurdischen Nationalisten zum Imperialismus
Die gegenwärtige Allianz der PKK-Führung mit den USA ist nur das jüngste Beispiel in einer langen Geschichte von Manövern bürgerlicher und kleinbürgerlicher kurdischer Nationalisten, sich bei den Imperialisten und/oder regionalen kapitalistischen Regimen lieb Kind zu machen. Zu jeder Zeit bedeutete dieses Programm Verrat an dem gerechten Kampf des kurdischen Volkes.
Die kurdische Nation ist unter Iran, Irak, Syrien und der Türkei aufgeteilt – ein Erbe der Neuaufteilung des Nahen Ostens aus dem zerfallenen Osmanenreich durch den britischen und französischen Imperialismus am Ende des Ersten Weltkriegs. Die nationale Befreiung des kurdischen Volkes erfordert den proletarischen Sturz dieser Staaten und die Schmiedung einer Sozialistischen Republik Vereinigtes Kurdistan. Die kurdischen nationalen Bestrebungen müssen mit den Kämpfen der Arbeiterklasse in der Türkei und im ganzen Nahen Osten und darüber hinaus verbunden werden. Zentral wichtig für diese Perspektive sind die bis zu einer Million hier lebenden Kurden, die in der Arbeiterklasse fest integriert sind. Diese Arbeiter sind eine lebende Brücke zwischen den Kämpfen der Kurden des Nahen Ostens und jenen der mächtigen deutschen Arbeiterklasse gegen ihre Ausbeuter.
Die nationalistischen Führer und Stammesführer der Kurden haben eine hundertjährige Geschichte des Verrats zu verantworten, der die kurdischen Massen von einer Katastrophe in die nächste führte. Als das türkische Osmanenreich während des Ersten Weltkriegs den völkermörderischen Feldzug gegen die Armenier begann, bei dem bis zu einer Million und mehr Menschen abgeschlachtet wurden, halfen ihm dabei Kurden, die von ihren Stammesführern mobilisiert wurden. Dafür wurden die Kurden mit unbarmherziger Unterdrückung belohnt. Im Zuge der Konsolidierung des modernen türkischen Staates versuchte Mustafa Kemal (Atatürk) die nationale Identität der Kurden zu zerstören, indem er den Gebrauch ihrer Sprache verbot. Kurdische Revolten wurden immer wieder brutal niedergeschlagen, wobei Hunderttausende in die Zentral- und Westtürkei deportiert wurden.
Es war die von der proletarischen Russischen Revolution von 1917 geschaffene Sowjetunion, die den Weg aus diesem Kreislauf ethnischen und kommunalen Gemetzels wies und die Bedingungen schuf, dass Kurden ihr größtes jemals erreichtes Ausmaß an Freiheit erlangten. Unter dem bolschewistischen Regime von W. I. Lenin wurden den 200 000 Kurden in dem eben erst entstandenen Arbeiterstaat volle politische und Sprachenrechte zugestanden. Kurdischen Bezirken im Kaukasus wurden autonome Verwaltungen gewährt, in denen sich Schulen und Verwaltungen ihrer Sprache bedienten. Und es war Sowjetarmenien, wo erstmals eine kurdische Schriftsprache erblühte (anfangs mit dem armenischen Alphabet, später mit dem kyrillischen und dem lateinischen). Die armenische Hauptstadt Eriwan wurde zum ersten Zentrum kurdischer verlegerischer und literarischer Entwicklung. Die bürokratische Degeneration der Sowjetunion unter Stalin löschte diese Errungenschaften nicht aus, auch nachdem Stalin 1929 das „Rote Kurdistan“ aufgelöst hatte. 1930 konnten alle sowjetischen Kurden lesen und schreiben; vor der Revolution waren es nur ein Prozent gewesen.
Das Vorgehen der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), die heute von Massoud Barzani geführt wird, und Dschalal Talabanis Patriotische Union Kurdistans (PUK) im Irak ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Suche nach Verbündeten unter den einheimischen kapitalistischen Herrschern und ihren imperialistischen Paten in die Niederlage führt. Als das 1963 installierte arabisch-nationalistische Baath-Regime einen Angriff auf die Kurden begann, erhielt die KDP Unterstützung von einer unheiligen Allianz aus CIA, israelischem Mossad und dem Schah von Iran. Dafür wandte sich die KDP gegen die iranischen Kurden, verfolgte sie und lieferte sie dem Schah aus. Nach einem Waffenstillstand mit dem Baath-Regime 1970 sicherten sich die Kurden eine umfangreiche autonome Region im Nordirak.
Wie immer wandten sich die vermeintlichen Wohltäter der Kurden gegen sie. 1975 schloss der Schah mit Saddam Hussein einen Separatfrieden und stoppte die Unterstützung für die Kurden, worauf die CIA rasch nachzog. Dies erlaubte der irakischen Armee wieder in das Kurdengebiet vorzustoßen. Die darauf folgende Repressionswelle zwang mehr als 100 000 Kurden zur Flucht aus der Region. Kurz danach, im Iran-Irak-Krieg (1980–88), erhielt die KDP Unterstützung vom Iran, während die PUK einen Waffenstillstand mit Saddam aushandelte. 1983 begannen die USA in dem Konflikt einen Schwenk hin zum Irak zu vollziehen. Waffen und andere Güter aus den USA und Europa strömten herein – darunter Technologie zur Entwicklung von Giftgas und biologischen Waffen – und das irakische Regime wurde ermuntert, gegen die kurdische Bevölkerung vorzugehen. Daraufhin tat sich die PUK mit der KDP und den iranischen Streitkräften zusammen, die tief nach Irakisch-Kurdistan vordrangen. Saddam antwortete mit Luftschlägen und Giftgasangriffen und tötete Tausende von Kurden.
Während der Operation Desert Storm, Amerikas erstem Krieg gegen den Irak 1991, schlugen sich KDP und PUK auf die Seite der Imperialisten. Nach dem Krieg erhoben sich die Kurden in der falschen Erwartung, die USA würden sie unterstützen. Der Aufstand wurde von der irakischen Regierung brutal niedergeschlagen, und dieses Mal überstieg die Zahl der Flüchtlinge eine Million. Dennoch gelang es den irakischen Kurden aufgrund einer von den USA verhängten „Flugverbotszone“ im Norden des Landes, ihre autonome Region einzurichten. Während der US-Invasion des Irak 2003 operierten sowohl die KDP als auch die PUK unter amerikanischem Kommando und dienten dann den Besatzungsstreitkräften als Hilfstruppen. Fast ein Jahrzehnt lang residierte Barzani im ölreichen Norden, und Talabani amtierte von 2005 bis Juli 2014 als Präsident der Bagdader Regierung.
Während die kurdischen Führer von ihren Diensten für die Imperialisten hübsch profitierten, zahlten die Massen mit ihrem Blut. Während der gesamten Besetzung des Irak manipulierten und verstärkten die USA sektiererische Spaltungen, darunter durch die Mobilisierung der kurdischen Peschmerga zusammen mit schiitischen Milizen zur Niederschlagung der sunnitischen Aufständischen in Falludscha 2004, als amerikanische Truppen diese Stadt zerstörten. Von der Ermunterung schiitischer Todesschwadronen bis zur Jagd auf Sunniten, die mit Saddam Husseins Baath-Partei in Verbindung gebracht wurden, goss die schiitisch-dominierte Bagdader Regierung Öl in das explodierende sektiererische Pulverfass. Aus den Ruinen dieser kommunalen kriegerischen Auseinandersetzungen erhob sich Al-Kaida im Irak, die sich später in den IS verwandelte, und erhielt von vielen erbitterten Sunniten Unterstützung.
Die PKK, Syrien und die Türkei
Die PKK, die ihr nationalistisches Programm stets als eine Art von „Marxismus-Leninismus“ dargestellt hat, konnte Ende der 1970er-Jahre im Gefolge von Spannungen zwischen der Türkei und Syrien in Syrisch-Kurdistan Fuß fassen. Damals wurde Syrien zum engen Verbündeten des Iran, was es heute noch ist, und war auch mit der Sowjetunion verbunden. Syriens damaliger Präsident Hafis al-Assad (Vater des gegenwärtigen Präsidenten) gab, um die Kurden gegen seine türkischen Rivalen zu benutzen, der PKK die Erlaubnis, ein Büro in Damaskus zu eröffnen und Trainingslager in der unter syrischer Kontrolle stehender Beeka-Ebene des Libanon einzurichten. Ein hoher Anteil der PKK-Kämpfer in der Türkei – einigen Schätzungen zufolge bis zu einem Drittel – waren und sind heute syrische Kurden.
Gleichzeitig ergriff Hafis al-Assads nationalistisches Regime Maßnahmen zur verschärften Unterdrückung des kurdischen Volkes in Syrien. Es bemühte sich tatkräftig, arabische Stämme auf kurdischem Land anzusiedeln, und verweigerte Hunderttausenden von Kurden die Staatsbürgerschaft. Heute sind etwa 300 000 von ihnen staatenlos.
Die Zerstörung der Sowjetunion 1991 erhöhte die Gefährdung Syriens durch die militärisch viel stärkere Türkei. 1998 verbot Assad die PKK angesichts einer drohenden Militärintervention der Türkei, steckte einige ihrer Führer ins Gefängnis und warf den Gründer und Führer der PKK Abdullah Öcalan aus dem Land. Im Jahr darauf wurde Öcalan unter Mithilfe der CIA gefangen genommen und in der Türkei ins Gefängnis gesteckt. In den folgenden Jahren waren PKK-Kämpfer in Syrien gezwungen, ihre Stützpunkte in den Nordirak zu verlagern.
Der Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011 gab der PKK/PYD neuen Auftrieb. Das Regime von Baschar al-Assad und die kurdische PYD hatten beide eine Abneigung gegenüber den sunnitischen Rebellen. Selbst jene syrischen kurdischen Parteien, die anfänglich zu einer Zusammenarbeit mit den USA, der Türkei und anderen bei der Einrichtung einer vereinigten Opposition im Exil bereit waren, zogen sich schließlich aus der wichtigsten Anti-Assad-Koalition zurück, weil die nichtkurdischen Rebellengruppen jegliche Form von Autonomie für die Kurden ablehnten. Die PYD riet den Streitkräften der Freien Syrischen Armee (FSA), sich von kurdischem Territorium fernzuhalten. Die Warnung wurde im Allgemeinen befolgt, auch wenn es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen der FSA und der YPG kam. Assad bemühte sich, die Spannungen zu verstärken, indem er sich mit den Kurden versöhnte, einigen die Wiederherstellung ihrer Staatsbürgerschaft zugestand und der Verlegung von etwa 1000 PKK-Kämpfern aus dem Irak nach Syrien zustimmte.
Der Juli 2012 war ein wichtiger Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg, als Rebelleneinheiten in Damaskus eine Offensive begannen (bei der sie drei Mitglieder von Assads Führungszirkel mit einem Bombenanschlag töteten). Während Rebellen in die Außenbezirke der Hauptstadt vordrangen, traf Assad eine geheime Übereinkunft mit der PYD. Syrische Truppen wurden aus kurdischen Gebieten abgezogen, und PYD-Streitkräfte rückten rasch und praktisch ohne militärische Konfrontation ein. Damit wurden Regimetruppen für den Kampf gegen die Rebellion in Damaskus und anderswo frei.
Die Hauptfeinde der PYD waren jetzt die Nusra-Front und ISIS (heute IS). Eine eingehende Vor-Ort-Untersuchung Anfang dieses Jahres durch die International Crisis Group (ICG), eine beratende Einrichtung für die Imperialisten, dokumentierte Fälle, wo die YPG bei wichtigen Gefechten mit Islamisten vom Assad-Regime sowohl Waffen als auch Luftunterstützung erhalten hatte. Die ICG berichtete auch, dass Damaskus der PYD auch finanziell und mit Dieseltreibstoff aushilft.
Die Schaffung einer halbautonomen kurdischen Region direkt an der Grenze zur Türkei war dem Regime in Ankara ein Gräuel. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs versucht die Türkei, die Konsolidierung eines von PYD/PKK beherrschten Gebiets an ihrer Grenze zu hintertreiben. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, warum dies als so problematisch angesehen wird. Die Teile Türkisch-Kurdistans, auf die sich der Guerillakrieg der PKK konzentriert, liegen im östlichen und südöstlichen Anatolien, während die kurdischen Regionen Syriens weiter im Westen liegen. Die Bedrohung für die Türkei besteht darin, dass PKK-Kämpfer von ihrer Operationsbasis in Syrien aus in Zentralanatolien eine neue Front gegen die Türkei errichten könnten.
Während des langen brutalen Krieges der kapitalistischen Türkei gegen die PKK, in dem zwischen 1984 und 1999 37 000 Kurden niedergemetzelt wurden, belieferte Deutschland die Türkei jahrzehntelang mit jeder Art von Waffen. PKK-Kämpfer im Irak wurden von KDP und PUK im Interesse Ankaras gejagt und getötet. Heute wendet sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder an seinen Verbündeten Barzani. Zuerst versuchte die KDP durch eine Versöhnung mit der PYD in Nordsyrien Fuß zu fassen, doch Versuche, eine gemeinsame Verwaltung für die kurdischen Gebiete Syriens einzurichten, scheiterten. Dann verkündete Barzani, um dem wachsenden Einfluss der PYD entgegenzuwirken, dass Hunderte kurdischer Überläufer aus der syrischen Armee, die in Irakisch-Kurdistan eine KDP-Ausbildung erhalten hatten, nach Syrien zurückverlegt würden. Die PYD verhinderte an der Grenze ihre Einreise. In jüngster Zeit erklärte sich Ankara damit einverstanden, dass KDP-Streitkräfte die Türkei in Richtung Syrien durchqueren, was Erdogan vor allem als Polizeiaktion gegen die PKK/PYD betrachtet.
Hintergrund solcher Manöver sind die starken wirtschaftlichen Bindungen zwischen Irakisch-Kurdistan und der Türkei. Zig Milliarden Dollar an türkischen Investitionen sind in den vergangenen Jahren nach Erbil, der regionalen kurdischen Hauptstadt, geflossen, was die Skyline der Stadt veränderte und die Taschen des Barzani-Klans und anderer nationalistischer Führer füllte. Die Türkei hat auch ein Auge auf die Ölreserven der Region geworfen; bisher widersetzte sich Washington Barzanis Versuchen, Öl direkt in die Türkei zu exportieren und nicht der Zentralregierung in Bagdad deren Anteil am Erlös abzugeben.
Die türkischen Herrscher betrachten Irakisch-Kurdistan als Einfallstor für ihre Machterweiterung im Nahen Osten. Diesem Ziel dient auch die türkische Unterstützung der Anti-Assad-Opposition in Syrien. Erdogan dringt darauf, die Unterstützung der kurdischen Truppen in Kobanê von der Errichtung einer türkisch-dominierten Pufferzone innerhalb Syriens abhängig zu machen. Dazu würde eine Flugverbotszone gehören, die sich eindeutig gegen das Assad-Regime richtet, da der IS keine Luftwaffe besitzt.
Reformisten salutieren den Bodentruppen der Imperialisten
Ein Sieg der USA und ihrer Handlanger würde die Imperialisten bei ihrem Feldzug nach Vorherrschaft beflügeln und die Kämpfe der Kurden und anderer unterdrückter Völker und Gemeinschaften zurückwerfen. Dieses Verständnis, das für marxistische Gegner der kapitalistisch-imperialistischen Ordnung grundlegend ist, wird von reformistischen Linken weltweit, die die kurdischen Kräfte in Kobanê unterstützen, mit Füßen getreten.
In dem Artikel „Die Misere der europäischen Linken“ beschwert sich ein Mitarbeiter der HDP (Partei der demokratischen Völker), die der PKK nahesteht, darüber, dass europäische linke Parteien und Organisationen, die „gegen IS Stellung beziehen müssten“, es nicht geschafft haben, „einen umfassenden Ansatz zu entwickeln, weil sie – zu ihrem Unglück – der orthodoxen Interpretation von Sozialismus versus Imperialismus verhaftet sind“. Jetzt, wo die PKK/PYD-Führer mit den Imperialisten gemeinsame Sache machen und die Kurden als Bodentruppen für die Imperialisten dienen müssen, werden alle politischen Register gezogen, um diesen tiefgehenden Verrat zu rechtfertigen.
Der Generalsekretär der Sozialistischen Demokratischen Partei (SDP) Ridvan Turan beantwortet die Titelfrage „Kollaboriert die PYD mit dem Imperialismus?“ in seinem Statement vom 27. Oktober 2014 mit einem klaren Nein und meint: „Kollaboration ist nicht die Annahme militärischer Hilfe während der Bedrohung durch ein Massaker, sondern das Eintreten in imperialistische Abhängigkeit und koloniale Beziehungen. Zu behaupten, dass die Annahme von Waffen diese Bedeutung habe, bedeutet eine vollständige Absage an den Klassenkampf.“ Turan wischt die tatsächliche und weitreichende Zusammenarbeit der PYD-Führung mit den Imperialisten einfach weg und leugnet, dass die nationalistischen kurdischen Führer gar kein anderes Programm kennen, als an die Imperialisten und ihre Verbündeten zu appellieren.
Wie weit das geht, zeigte die PKK-Führung, die ihre Friedensverhandlungen mit der türkischen Regierung auch dann unbedingt weiterführen wollte, als diese Mitte Oktober PKK-Stellungen im Südosten der Türkei bombardieren ließ. Öcalan forderte kurz zuvor sogar ein militärisches Eingreifen Ankaras in Kobanê – falls Ankara den Fall Kobanês zuließe, würde Öcalan den Friedensprozess für beendet erklären. Das sind tödliche Illusionen ausgerechnet in denjenigen bürgerlichen Staat, der die Kurden jahrzehntelang verfolgt, getötet und gedemütigt hat – mit Hilfe der dahinterstehenden Imperialisten. Die Vorsitzende der PYD, Aysa Abdullah, findet für die strategische Zusammenarbeit mit den Imperialisten klare Worte: „Es ist für uns aber unverständlich, warum der IS, der mit Panzern und schwerer Artillerie angreift, in Kobanê nicht wirksam von den Koalitionskräften angegriffen wird. Denn die YPG liefern die notwendigen Informationen. Die Luftangriffe, die geflogen werden, reichen nicht aus.“
Reformistische Linke in Deutschland haben sehr schnell umfassende Ansätze entwickelt, eine Seite mit den kurdischen Truppen gegen den IS zu beziehen. Die Neue antikapitalistische Organisation (NaO) startete eine eigene Kampagne „Waffen für Rojava“, die sich nahtlos an die imperialistische Kampagne für deutsche Waffenlieferungen an die Kurden anschloss. (Siehe dazu Artikel auf Seite 5.) Ulla Jelpke (innenpolitische Sprecherin der Linkspartei) und ihr Mitarbeiter Nick Brauns werden nicht müde zu betonen, dass die Kurden schwere Waffen brauchen und nicht nur die Peschmerga vom deutschen Imperialismus bewaffnet werden sollen, sondern auch die PKK/PYD. Sie beschwerten sich beharrlich darüber, dass die US-Bomben nicht früh genug und nicht effektiv genug gegen den IS einschlugen.
Die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) titelte am 1. November, dem internationalen Aktionstag für die Solidarität mit Kobanê: „Für den Sieg Kobanês gegen die Offensive des IS!“, und forderte gleichzeitig: „Nieder mit der Intervention des Imperialismus und seiner Verbündeten in Syrien und im Irak!“. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, beiden Losungen gerecht zu werden. Wie bereits erwähnt, ist Kobanê für die Imperialisten strategisch wichtig geworden und ein Sieg Kobanês hilft allein der Intensivierung ihrer Machenschaften in der Region, gegen die RIO auf dem Papier eintritt. Die Umsetzung der zweiten Losung würde bedeuten, die Imperialisten aus dem Nahen Osten wegzufegen. Richtig! Das funktioniert aber nur in unerbittlicher Opposition zum Imperialismus – deshalb muss jeder militärische Schlag gegen sie begrüßt werden. Im Augenblick kommen diese Schläge von dem reaktionären IS. Mit der Stoßrichtung, die Arbeiter weltweit müssten Kobanê verteidigen, bedient RIO die Imperialisten und ihren Propagandafeldzug.
RIO machte am 5. Oktober ein offen antimarxistisches Statement, das jeder proletarischen Opposition zur eigenen Regierung ins Gesicht schlägt: „RevolutionärInnen dürfen sich nicht gegen deutsche Regierungswaffen aussprechen, die zur Bekämpfung des IS geliefert werden, besonders nicht, wenn sie an KurdInnen gehen.“ Das wurde später auf kleinerer Flamme gekocht: „Auch Geldsammlungen für Waffen können ein Mittel der Solidarität sein.“ Denn RIO ist der festen Überzeugung, dass der Kampf der YPG gegen den IS ein Teil des Kampfes der Kurden um ihre nationale Selbstbestimmung und deshalb fortschrittlich und unterstützenswert sei. Sie stellt sich einen gerechten Kampf unabhängig von den Imperialisten vor, fernab jeglicher Realität! Dass die Imperialisten keine Freunde der Kurden sind und die ganze Misere im Nahen Osten angerichtet haben, wird gleichzeitig offen zugegeben. Ihre Konsequenz bleibt dennoch: „Für die Niederlage des IS!“ Das Gegenteil ist revolutionäre Politik: Für die Niederlage der eigenen Bourgeoisie! Ein Schritt dahin wäre, wenn die Arbeiterklasse von der Notwendigkeit überzeugt wird, gegen die neokoloniale Unterjochung des Nahen Ostens einzutreten.
Der pazifistische Flügel in der Linkspartei lehnt zwar imperialistische Waffenlieferungen ab, steht aber im selben proimperialistischen Lager auf Seiten der kurdischen nationalistischen Führer wie die Befürworter der Waffen. Die Vorsitzenden Kipping und Riexinger erklärten am 8. Oktober 2014: „Die Vereinten Nationen müssen das Heft des Handelns in die Hand nehmen“, und setzen auf eine „abgestimmte Politik der internationalen Gemeinschaft, die auf den Säulen Flüchtlingsschutz, humanitäre Hilfe und Austrocknung des Terrors aufbaut“. Der unerschütterliche Aberglaube in die Fortschrittlichkeit der westlichen Imperialisten und ihre UNO-Räuberhöhle könnte nicht tiefer sitzen. Sogenannte humanitäre Hilfe ist eines der Mittel, mit denen der deutsche Imperialismus versucht, sich die Welt erneut untertan zu machen.
Der Ruf nach „Austrocknung des Terrors“ kann nichts anderes bedeuten, als die Bundesregierung zu ermutigen, ihren „Krieg gegen Terror“ gegen Immigranten und die muslimische Bevölkerung – der schlussendlich die ganze Arbeiterbewegung ins Visier nimmt – zu verstärken. In dasselbe Horn bläst Ulla Jelpke, die meint: „Repressive Maßnahmen wie das von uns begrüßte Betätigungsverbot für den IS reichen nicht aus“, und dem Staat durch „unabhängige Beratungsstellen“ zur Hilfe eilen möchte, damit sich weniger Jugendliche dem IS anschließen. Durch diese Liebedienerei gegenüber dem bürgerlichen Staat hofft sie, der Aufhebung des PKK-Verbots einen Schritt näher gekommen zu sein. Ein gefährlicher Trugschluss.
Christine Buchholz von marx21 in der Linkspartei wagte am 10. Oktober, ihre Stimme gegen den imperialistischen Krieg mit der Überschrift „US-Bombardements stoppen“ zu erheben. Nach drei Tagen unter massiver Kritik änderte sie diese Überschrift und betonte erneut: „Mein Respekt und meine Solidarität gelten dem Widerstand gegen den IS.“ Für linke Reformisten wie Buchholz sind widersprüchliche Positionen, einerseits zu behaupten, gegen die Vorherrschaft des Imperialismus im Nahen Osten zu sein, und gleichzeitig eine militärische Seite mit den momentanen imperialistischen Bodentruppen einzunehmen, kaum noch aufrechtzuerhalten. Buchholz verzichtet deshalb auf die Opposition gegen US-Bomben, anders als noch 10 Jahre zuvor, als es einfach war, gegen den Irakkrieg aufzutreten, weil die SPD/Grünen-Regierung dasselbe tat.
Viele reformistische Gruppen weisen bei ihrer Propaganda für die kurdischen Nationalisten auf die kurdischen Regionen Nordsyriens als Schauplatz einer unter PKK und PYD in Angriff genommenen sozialen Revolution hin. So auch marx21 und NaO, die vor nicht allzu langer Zeit den syrischen Rebellen zujubelten, die alle – von einigen eher säkularen Typen bis hin zu den Islamisten – den nationalen Rechten der Kurden genauso feindlich gegenüberstanden wie dem Assad-Regime und die ganz offen an die Imperialisten appellierten, zu ihren Gunsten militärisch einzugreifen.
Die Wirklichkeit dessen, was die PYD Rojava (Westkurdistan) nennt, ist nicht ganz so rosig. Weit davon entfernt, den Sturz der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse auf die Tagesordnung zu setzen, ist in dem Gesellschaftsvertrag der PYD zur Selbstregierung in Rojava das Recht auf Privateigentum verankert. Die PYD hat mit ihrem Militär, ihrer Polizei und ihren Gefängnissen ihren eigenen Repressionsapparat – d. h. einen im Entstehen begriffenen bürgerlichen Staatsapparat – errichtet. Die Mitglieder der unter dem Beifall der Reformisten eingerichteten Volksräte sind von der PYD ernannt. Die Räte umfassen Vertreter anderer Parteien und in Gebieten mit nennenswerter nicht-kurdischer Bevölkerung Mitglieder anderer Gemeinschaften. Doch diese Körperschaften haben neben der Verteilung humanitärer Hilfs- und anderer lebenswichtiger Güter in Wirklichkeit kaum etwas zu sagen. Der ICG-Bericht stellt zur PYD fest: „In den meisten Fällen übernahm sie die Regierungsstrukturen [des Assad-Regimes] und benannte sie einfach um, anstatt ihr eigenes einzigartiges Modell hervorzubringen, wie sie behauptet.“
Die Behauptungen, es gebe Autonomie, werden dadurch Lügen gestraft, dass das Assad-Regime in der Hoffnung, bei der ersten Gelegenheit in großem Stil zurückzukehren, seine Kräfte nicht völlig aus dem Gebiet abgezogen hat. Zwar zog Damaskus das meiste Sicherheitspersonal ab, doch unterhält es weiterhin Verwaltungsämter und bezahlt die Löhne der Staatsbediensteten, auch der Lehrer (die sich weiterhin nach dem von der Baath-Partei genehmigten Lehrplan richten). In der größten kurdischen Stadt Qamischli stehen am Grenzübergang zur Türkei, am Flughafen und im Stadtzentrum, wo sich die Sicherheitsbehörde befindet, immer noch Einheiten der syrischen Regierung. Jüngste Vor-Ort-Berichte von Human Rights Watch und des Washington Institute stellten fest, dass sich syrische Soldaten und anderes Sicherheitspersonal in Qamischli und den umliegenden Ortschaften frei bewegen können. Egal was an Autonomie erreicht wurde, die kurdischen Nationalisten haben es im Endeffekt ihren Diensten für den militärischen Feldzug der Imperialisten untergeordnet.
Marxisten versuchen militante Kurden von der nationalistischen Politik wegzubrechen, die ein ums andere Mal in die Katastrophe führte, und sie für ein revolutionäres proletarisches internationalistisches Programm zu gewinnen, das an zentraler Stelle bedingungslose Gegnerschaft zum Imperialismus enthält. Kurdische Arbeiter, die einen strategisch wichtigen Teil des Proletariats der Türkei, des Iran und anderer Gesellschaften im Nahen Osten wie auch in Deutschland bilden, sind entscheidend für die soziale und nationale Befreiung. Wie ein Vertreter der Spartakisten in einer Grußadresse an eine Konferenz kurdischer Aktivisten, die vor drei Jahrzehnten in Europa stattfand, erklärte:
„Wir wissen: Der Kampf für eine vereinigte sozialistische Republik Kurdistan wird geformt werden durch die zukünftige Entwicklung des revolutionären Proletariats der ganzen Region in Richtung auf eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens, und seinerseits beeinflusst er diese Entwicklung. Unser Modell ist Lenins Russland von 1917 bis 1924, wo die Bolschewiki den nationalen Minderheiten die Möglichkeit und die Vorteile einer Assoziation mit der Sowjetischen Föderation angeboten haben. Für unseren Teil haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die internationalistische Partei der weltweiten proletarischen Revolution zu schmieden, und wir sprechen zu euch mit dem Verständnis, dass von dem Aufbau dieser Partei die Zukunft der Menschheit abhängt.“ (Spartakist Nr. 51, Oktober 1984)
Nach Workers Vanguard Nr. 1056, 14. November 2014